Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Juni 2002 - 3 StR 182/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich die Rüge, das Landgericht habe eine Wahrunterstellung zugunsten des Angeklagten nicht eingehalten und dadurch gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO verstoßen.Dem liegen folgende Verfahrenstatsachen zugrunde:
Mit seinem Schlußvortrag beantragte der Verteidiger, hilfsweise den Zeugen G. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, daß der Angeklagte ihn nicht zur Tötung von S. (sondern nur zu einer Körperverletzung ) anzustiften versucht habe. Das Landgericht hat dem Hilfsbeweisantrag nicht stattgegeben, sondern als wahr unterstellt, daß der Angeklagte insoweit keinen direkten Tötungsvorsatz hegte, jedoch nicht ausge-
schlossen, daû der Angeklagte gegebenenfalls einen tödlichen Verlauf seiner Rachepläne in Kauf nahm (UA S. 22 f.).
Es ist bereits fraglich, ob es sich bei dem Antrag des Verteidigers um einen förmlichen Beweisantrag handelt oder um einen nach § 244 Abs. 2 StPO zu behandelnden Beweisermittlungsantrag. Denn es fehlt die Angabe einer hinreichend bestimmten Beweistatsache, also dessen, was der Zeuge im Kern bekunden soll (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Das Wollen des Angeklagten kann als innere Tatsache nicht unmittelbar Gegenstand der Wahrnehmung eines Zeugen sein.
Letztlich kommt es darauf aber nicht an, weil das Urteil nicht auf der Abschwächung einer zugesagten Wahrunterstellung beruht. Die Strafkammer hat ihre Überzeugung, der Angeklagte habe bewuût in Kauf genommen, daû die von ihm in Auftrag gegebenen drei nächtlichen Brandanschläge auf die Wohnung von S. deren Tod zur Folge haben könnten, rechtsfehlerfrei mit der besonderen Gefährlichkeit der vom Angeklagten im einzelnen vorgegebenen Begehungsweise begründet. Auch hinsichtlich dieser Taten hat sie einen direkten Tötungsvorsatz verneint, weil der Angeklagte insgeheim noch darauf gehofft habe, S. zurückzugewinnen. Zu diesen Erwägungen stände nicht im Widerspruch, daû der Angeklagte - wovon die Strafkammer aufgrund einer den Sinn des "Hilfsbeweisantrags" ausschöpfenden Wahrunterstellung hätte ausgehen müssen - bei dem ganz anders gearteten
Auftrag zu einer wesentlich ungefährlicheren Bestrafungsaktion den Zeugen G. lediglich aufgefordert hätte, S. "krankenhausreif" zu schlagen, ohne mit einem tödlichen Ausgang zu rechnen.
Winkler Miebach Pfister von Lienen Becker
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.