Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2016 - 3 StR 18/16

ECLI:ECLI:DE:BGH:2016:080316B3STR18.16.0
bei uns veröffentlicht am08.03.2016

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 18/16
vom
8. März 2016
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Vergewaltigung
ECLI:DE:BGH:2016:080316B3STR18.16.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. März 2016 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 8. September 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung zu der Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Seine auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg.
2
1. Nach den Feststellungen schob der Angeklagte gegen den erklärten Willen der Nebenklägerin seine Hand in deren Hose, berührte sie unter der Kleidung an der Scheide und versuchte, mit dem Finger vaginal einzudringen, was aber misslang, weil die Geschädigte mit aller Kraft seine Hand wegziehen konnte.
3
2. Der Angeklagte hat die Tat bestritten. Die Strafkammer gründet die Feststellungen auf die Aussage der Nebenklägerin, die sie, gestützt auf das Gutachten einer psychologischen Sachverständigen, für glaubhaft hält. Insoweit wird das Urteil indes den Darlegungsanforderungen nicht gerecht.
4
a) An die Darstellung der Überzeugungsbildung im Urteil sind dann besondere Anforderungen zu stellen, wenn das Tatgericht - wie vorliegend - seine Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen allein auf die Angaben des Geschädigten stützt. In einer solchen Konstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, dass der Tatrichter alle Umstände, die seine Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Dies gilt in besonderem Maße dann, wenn die Aussage des Belastungszeugen in einem wesentlichen Detail als bewusst falsch anzusehen ist (BGH, Urteile vom 29. Juli 1998 - 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 159; vom 17. November 1998 - 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256; vom 12. November 2003 - 2 StR 354/03, NStZ-RR 2004, 87; Beschluss vom 19. November 2014 - 4 StR 427/14, NStZ 2015, 602, 603).
5
b) Diese Darlegungsanforderungen erfüllt das Urteil nicht. Den Urteilsgründen ist zu entnehmen, dass die Nebenklägerin bei ihrer ersten Vernehmung in der Hauptverhandlung wahrheitswidrig in Abrede gestellt hatte, Nacktfotos in ihren "Facebook-Account" eingestellt zu haben. Soweit die Strafkammer in Übereinstimmung mit der Sachverständigen die Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin durch diese Unwahrheit nicht in Frage gestellt sieht, weil der Vorfall für die Zeugin sehr schambesetzt gewesen und die Verneinung von Tatsachen die einfachste Form der Lüge sei, aus der auf eine Neigung zur Erfindung komplexer Sachverhalte wie der beschriebenen Tat nicht geschlossen werden müsse, begegnet dies zwar noch keinen rechtlichen Bedenken. Ein Darlegungsmangel liegt aber insoweit vor, als das Landgericht sich nicht weiter mit der Schilderung der Nebenklägerin auseinandersetzt, die einen in ihrer Gegenwart vorgenommenen sexuellen Übergriff des Angeklagten auf eine andere Geschädigte behauptet hat, der von dieser als Zeugin in der Hauptverhandlung nicht bestätigt worden war. Die Strafkammer lässt offen, ob sie von der Unwahrheit dieser Angaben der Nebenklägerin ausgeht und führt lediglich an, nach Auffassung der Sachverständigen ergebe die Erfindung einer solchen Geschichte hinsichtlich der Hypothese einer gezielten Mehrbelastung des Angeklagten keinen Sinn. Dies genügt im Hinblick auf die besondere Beweiskonstellation nicht. Vielmehr hätte sich die Strafkammer zunächst eine Überzeugung darüber verschaffen müssen, ob sie den Schilderungen der Nebenklägerin insoweit trotz der gegenteiligen Angaben der möglicherweise Geschädigten glaubt. Denn wenn die Nebenklägerin auch insoweit die Unwahrheit gesagt haben sollte, hätte sie sich mit diesen Angaben nicht auf das Verneinen einer Frage als der "einfachsten Form der Lüge" beschränkt, sondern wahrheitswidrig eine Begebenheit geschildert, mit der sie den Angeklagten zu Unrecht - zusätzlich - belastet hätte. Dann hätte es aber einer eingehenden Erörterung bedurft, weshalb sie der Nebenklägerin zum Tatvorwurf dennoch Glauben schenkt.
6
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass nach den bisher getroffenen Feststellungen ein Fehlschlag des Vergewaltigungsversuchs nicht belegt und damit ein strafbefreiender Rücktritt des Angeklagten von der Tat nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen ist. Insbesondere fehlen jegliche Ausführungen zum Rücktrittshorizont des Angeklagten.
Becker Hubert Schäfer Gericke Spaniol

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Nov. 2014 - 4 StR 427/14

bei uns veröffentlicht am 19.11.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR427/14 vom 19. November 2014 in der Strafsache gegen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 19. Nove

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR427/14
vom
19. November 2014
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 19. November 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 23. Juni 2014 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge und eine Verfahrensrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.

I.


2
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts hatte der wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestrafte Angeklagte an einem Tag zwi- schen dem 1. Februar 2013 und dem 30. Juni 2013 den sechsjährigen M. D. und die fünfjährige L. D. im Badezimmer auf den heruntergeklappten Toilettendeckel gestellt, beiden Kindern Hose und Unterhose heruntergezogen und sie mit den nackten Unterleibern zusammengedrückt, so dass sie im Bereich der Geschlechtsteile aneinander rieben (Fall 4 der Anklage).
3
Zur Aufdeckung dieser Tat kam es am Morgen des 6. Dezember 2013, als sich die älteren Kinder T. S. und A. D. in Gegenwart der Mutter der Geschwister D. über das Verhalten des Angeklagten unterhielten. T. S. , der Neffe des Angeklagten, äußerte, dieser mache Sachen mit M. . Auf Nachfrage der Mutter berichtete M. , derAngeklagte habe verlangt, dass er seinen Penis anfasse und habe den Penis in seinen Po gesteckt. Auch habe der Angeklagte ihn und L. im Bad zusammengedrückt. Die Mutter holte daraufhin L. aus dem Kindergarten und befragte sie. L. er- zählte, dass der Angeklagte ihr den Penis in die „Mumu“ und in den Po gesteckt habe. Auf der Rückfahrt äußerte sie spontan, dass der Angeklagte M. und sie im Bad zusammengedrückt habe.
4
2. Die zugelassene Anklage warf dem Angeklagten darüber hinaus vor, an unterschiedlichen Tagen zwischen dem 1. Februar 2013 und dem 22. November 2013 in fünf weiteren Fällen sexuelle Übergriffe gegen M. undL. D. und T. S. begangen zu haben. Der Angeklagte soll zweimal im Wohnzimmer bis zum Samenerguss onaniert haben, davon einmal vor den Augen von M. D. und das andere Mal in Gegenwart des neunoder zehnjährigen T. S. (Fälle 1 und 3 der Anklage). Er soll weiterhin L. s Hand genommen und sie in Richtung seines Penis geführt haben, das Mädchen habe die Hand immer wieder weggezogen (Fall 2 der Anklage). Schließlich soll der Angeklagte in zwei Fällen Analverkehr bis zum Samen- erguss durchgeführt haben, einmal mit L. nach Manipulation an deren Scheide (Fall 5 der Anklage) und einmal mit M. (Fall 6 der Anklage). Von diesen Vorwürfen hat die Strafkammer den Angeklagten freigesprochen, weil die Zeugen T. S. , M. , L. und A. D. , die bei einer ersten Ver- nehmung in der Hauptverhandlung entsprechende Taten „im Ansatz“ bekundet hatten, bei einer weiteren Vernehmung eingeräumt haben, insoweit die Unwahrheit gesagt zu haben. Zu derartigen Taten des Angeklagten sei es nicht gekommen. Diese hätten sich A. D. und T. S. ausgedacht und M. und L. D. überredet, entsprechende unwahre Angaben zu machen.
5
3. Hinsichtlich der ausgeurteilten Tat hält das Landgericht die Aussage von M. D. trotz der eingeräumten Lügen für glaubhaft. Es sei kein Grund ersichtlich, warum der Zeuge wahrheitswidrig einen Tatvorwurf aufrecht erhalten haben sollte. L. D. habe den Vorfall in der Hauptverhandlung zwar nicht bestätigt, sie habe ihn aber ihrer Mutter unmittelbar vor der Anzeigeerstattung spontan geschildert. T. S. und A. D. hätten ausgesagt, L. und M. nicht zu dieser Schilderung überredet zu haben. Über den Vorfall im Badezimmer sei nicht gesprochen worden.

II.


6
Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im Umfang der Anfechtung Erfolg, so dass es auf die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge nicht ankommt. Die Beweiswürdigung des Landgerichts hält aus sachlichrechtlichen Gründen der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
7
In einer Konstellation, in der „Aussage gegen Aussage“ steht und außer der Aussage des einzigen Belastungszeugen keine weiteren belastenden Indizien vorliegen, muss sich der Tatrichter bewusst sein, dass die Aussage dieses Zeugen einer besonderen Glaubwürdigkeitsprüfung zu unterziehen ist. Die Urteilsgründe müssen erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände , die die Entscheidung beeinflussen können, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 – 1 StR 700/13 Rn. 3; Beschluss vom 12. September 2012 – 5 StR 401/12 Rn. 8; Beschluss vom 19. August 2008 – 5 StR 259/08, NStZ-RR 2008, 349 f. jeweils mwN). Allein auf Angaben des einzigen Belastungszeugen, dessen Aussage in einem wesentlichen Detail als b e w u s s t falsch anzusehen ist, kann eine Verurteilung nicht gestützt werden (BGH, Urteil vom 19. April 2007 – 4 StR 23/07 Rn. 11; Urteil vom 29. Juli 1998 – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 158; Urteil vom 17. November 1998 – 1 StR 450/98, BGHSt 44, 256, 257 jeweils mwN). Dann muss der Tatrichter jedenfalls regelmäßig außerhalb der Zeugenaussage liegende gewichtige Gründe nennen, die es ihm ermöglichen, der Zeugenaussage im Übrigen dennoch zu glauben.
8
1. Der Zeuge M. D. hat eingeräumt, bei der Polizei und im ersten Hauptverhandlungstermin „gelogen“ zu haben und „Sachen erzählt“ zu haben , „die der Angeklagte nicht gemacht habe“. Das Landgericht hat seine Angaben zu der ausgeurteilten Tat dennoch als glaubhaft bewertet. Es hat dabei die Glaubhaftigkeit der auf das Tatgeschehen bezogenen Angaben des Zeugen nicht grundlegend von der Nullhypothese ausgehend bewertet, sondern nur unter wenigen Aspekten, was bereits Bedenken begegnet. Aber auch die vom Landgericht herangezogenen Gesichtspunkte vermögen seine Wertung der Aussage als glaubhaft nicht zu tragen.
9
Das Landgericht hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Zeuge den ausgeurteilten Vorfall konstant gegenüber seiner Mutter, bei der Polizei und in beiden Hauptverhandlungsterminen geschildert habe. Dies greift bereits deshalb zu kurz, weil der Zeuge auch die übrigen Vorfälle, die nicht der Wahrheit entsprachen, zuvor konstant geschildert hat. Soweit das Landgericht insoweit bei der Vernehmung im ersten Hauptverhandlungstermin bei den erlogenen Vorfällen „auffällige Unsicherheiten“ bemerkt haben will, sind diese in den Urteilsgründen nicht belegt. Darüber hinaus hat der Zeuge hinsichtlich des ausgeurteilten Vorfalls nunmehr eine Mehrbelastung des Angeklagten zum Kerngeschehen nicht aufrecht erhalten. Die Erklärung des Landgerichts, dass nicht jederzeit jede Einzelheit im Gedächtnis abrufbar sei, begegnet Bedenken, wenn der Zeuge – wie offenbar hier – die Mehrbelastung früher mehrfach geäußert hat. Auch dass kein Grund ersichtlich sei, der den Zeugen veranlasst haben sollte, bei seiner nunmehr den Angeklagten entlastenden Aussage wahrheitswidrig doch einen Vorfall aufrecht zu erhalten, kann die Glaubhaftigkeit der Angaben nicht belegen. Denn das Landgericht hat auch kein Motiv für die umfassende Falschbeschuldigung des Angeklagten durch alle vier Kinder aufzudecken vermocht.
10
Die Strafkammer hat zwar erkannt, dass eine suggestive Beeinflussung durch die älteren Kinder T. S. und A. D. vorgelegen haben könnte, schließt dies aber für die ausgeurteilte Tat unter Hinweis auf die zeugenschaftlichen Angaben der beiden älteren Kinder aus. Über den Vorfall im Badezimmer sei nicht gesprochen worden. Da die Zeugen ansonsten im zweiten Hauptverhandlungstermin eingeräumt hätten, die Unwahrheit gesagt zu haben , sei kein Grund ersichtlich, warum sie nicht auch einräumen sollten,M. und L. den Vorfall im Badezimmer eingeredet zu haben, wenn es denn so gewesen wäre. Diese Bewertung der Angaben der beiden älteren Kinder lässt sich ohne nähere Darstellung ihrer früheren Angaben nicht nachvollziehen. Sollten sich die beiden älteren Kinder bereits bei der Polizei oder gegenüber ihrer Mutter zu dem Vorfall im Bad geäußert haben, könnte dies ein Beleg dafür sein, dass doch mit den beiden jüngeren Kindern darüber gesprochen worden ist.
11
2. Wird die Aussage des einzigen Belastungszeugen hinsichtlich einzelner Taten und Tatmodalitäten widerlegt, so ist damit seine Glaubwürdigkeit in schwerwiegender Weise in Frage gestellt. Seinen übrigen Angaben kann dann nur gefolgt werden, wenn außerhalb der Aussage Gründe von Gewicht für ihre Glaubhaftigkeit vorliegen. Solche zeigt das Landgericht nicht auf.
12
Der Aussage der vermeintlich ebenfalls bei dem ausgeurteilten Vorfall Geschädigten L. im zweiten Hauptverhandlungstermin misst dieStrafkammer keinerlei Bedeutung bei, allerdings sieht sie in ihrer „Spontanäußerung“ gegen- über ihrer Mutter am 6. Dezember 2013 eine Bestätigung der Aussage des M. D. . Dass Abstellen auf die Spontaneität der Äußerung greift jedoch zu kurz, denn ihre Mutter ist zum Kindergarten gefahren, um L. abzuholen und zu den Vorwürfen zu befragen. Danach hat L. dann auf der Fahrt den weiteren Vorfall erzählt. Es liegt nahe, dass ursächlich auch hierfür die voran- gegangene Befragung war. Da die Strafkammer auf die „Spontanäußerung“ der Zeugin abstellt, während sie in beiden Hauptverhandlungsterminen widersprüchliche Angaben gemacht hat, hätte in den Urteilsgründen auch dargelegt werden müssen, was im Einzelnen die Zeugin ihrer Mutter und bei der Polizei zu dem Vorfall im Bad erzählt hat. Auffällig ist insoweit jedenfalls, dass die „Spontanäußerung“ frühestens fünf Monate nach dem Vorfall erfolgte, als auch die Falschbelastungen durch T. S. und A. D. initiiert wurden. Bei der Vernehmung im zweiten Hauptverhandlungstermin hatte L. zunächst bekundet, sie – die Kinder – hätten bei ihren Aussagen gelogen.
T. und A. hätten ihnen alles vorgesagt. Auf Nachfrage hat sie dann den Vorfall im Bad bestätigt, wobei sie nach Überzeugung der Strafkammer allerdings nahezu jede Frage ohne Nachdenken zustimmend beantwortet hat. Auch dies lässt den Beweiswert ihrer „Spontanäußerung“ fraglich erscheinen.
13
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
14
Das sehr junge Alter der beiden Opferzeugen der ausgeurteilten Tat und die bewussten Falschbelastungen legen es nahe, die Glaubhaftigkeit der Angaben beider Zeugen durch ein aussagepsychologisches Gutachten näher zu untersuchen.
15
Der neue Tatrichter wird auch eingehender als bisher zu belegen haben, dass bei der Tat eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit sicher vorgelegen hat. Bei den beiden einschlägigen Vorverurteilungen des Angeklagten war eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit lediglich nicht auszuschließen.
Sost-Scheible Roggenbuck Franke
Mutzbauer Quentin