Bundesgerichtshof Beschluss, 31. Jan. 2007 - 2 StR 605/06
Gericht
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Jugendliche in 300 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Ihre auf die Sachrüge gestützte Revision hat im Hinblick auf den Gesamtstrafenausspruch Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte die Angeklagte in 300 Fällen jeweils 1 Gramm Haschisch an zwei 16- und 17-jährige Jugendliche, die ihrerseits über intensive Drogenerfahrungen verfügten und Haschisch und andere Betäubungsmittel auch von anderen Lieferanten bezogen.
- 3
- Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten nicht auf. Zutreffend hat das Landgericht insbesondere angenommen (UA S. 9 f.), dass der Tatbestand des Abgebens von Betäubungsmitteln an Personen unter 18 Jahren (§ 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) nicht nur die unentgeltliche Übertragung der Verfügungsmacht erfasst, sondern auch das entgeltliche Abgeben in Form des Handeltreibens. Dies ergibt sich schon aus der gesetzlichen Systematik, denn der Qualifikationstatbestand des gewerbsmäßigen Abgebens an Jugendliche (§ 30 Abs. 1 Nr. i.V.m. § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG) wäre nicht verständlich, wenn der Grundtatbestand auf das unentgeltliche Abgeben beschränkt wäre. Überdies träte bei anderer Auslegung der Widerspruch auf, dass das entgeltliche Vertreiben von Betäubungsmitteln (auch an Jugendliche) nur ein Vergehen darstellen, die uneigennützige Abgabe aber den Verbrechenstatbestand des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllen würde (vgl. BGH NStZ 1997, 89, 90).
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- Auch die Einzelstrafen von jeweils sechs Monaten in Anwendung von § 30 Abs. 2 BtMG sind nicht zu beanstanden.
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- 2. Dagegen hat die Gesamtstrafe keinen Bestand. Zwar hat das Landgericht zur Begründung der Gesamtstrafenbildung gemäß § 54 StGB ausgeführt, es habe eine "zusammenfassende Würdigung" und eine "Gesamtbetrachtung" vorgenommen (UA S. 16 f.). Gleichwohl fehlt eine für das Revisionsgericht nachvollziehbare Begründung der Erhöhung der Einsatzstrafe von sechs Monaten auf die Gesamtstrafenhöhe von vier Jahren. Das Landgericht hat zutreffend den engen situativen und motivatorischen Zusammenhang der Taten erwähnt und ausgeführt, das Verhalten der Angeklagten wäre "früher als eine fortgesetzte Handlung bewertet worden" (UA S. 16). Da es an einer ausdrücklichen Begründung für die starke Anhebung der Einsatzstrafe fehlt, liegt aber die Annahme nahe, dass der Tatrichter die Höhe der Gesamtstrafe auf die bloße Anzahl der Einzeltaten gestützt hat, ohne den Zusammenhang der Taten und ihren Gesamtunrechtsgehalt hinreichend zu würdigen. Die Gesamtstrafe ist daher neu festzusetzen. VRi'inBGH Dr. Rissing-van Saan Bode Otten ist durch Urlaub an der Unterschrift gehindert. Bode Fischer Roggenbuck
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer
- 1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, - 2.
im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt, - 3.
Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht oder - 4.
Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.
(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.
(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.