Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Feb. 2013 - 2 StR 524/12

bei uns veröffentlicht am12.02.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 524/12
vom
12. Februar 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu 1. gefährlicher Körperverletzung u.a.
zu 2. Beihilfe zum versuchten Raub
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 12. Februar 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten G. wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 1. Juni 2012, soweit es den Angeklagten betrifft, im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Insoweit wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision des Angeklagten G. sowie die Revision der Angeklagten S. werden als unbegründet verworfen. 3. Die Angeklagte S. hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten G. wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und die Angeklagte S. wegen Beihilfe zum versuchten Raub zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
2
Die Revision der Angeklagten S. ist aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Das Rechtsmittel des Angeklagten G. hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten G. hat zum Schuldspruch keinen durchgreifenden Rechtsfehler zu seinem Nachteil erbracht. Allerdings begegnet die Annahme, der Angeklagte habe die Körperverletzung mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangen, durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Ein Überfall ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht schon dann hinterlistig, wenn der Täter für den Angriff auf das Opfer das Moment der Überraschung ausnutzt, etwa indem er plötzlich von hinten angreift. Hinterlist setzt vielmehr voraus, dass der Täter planmäßig in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht berechneten Weise vorgeht, um dadurch dem Gegner die Abwehr des nicht erwarteten Angriffs zu erschweren und die Vorbereitung auf seine Verteidigung nach Möglichkeit auszuschließen (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Mai 2012 – 3 StR 146/12, NStZ 2012, 698 mwN; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 224 Rn. 10). Ein vergleichbares planmäßiges Vorgehen des Angeklagten hat das Landgericht nicht festgestellt. Dieser Rechtsfehler berührt indes den Schuldspruch wegen der rechtlich zutreffend angenommenen Verwirklichung der Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB nicht.
4
Gleiches gilt allerdings nicht für den Strafausspruch; denn die Strafkammer hat bei ihrer Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten G. ausdrücklich berücksichtigt, dass er drei Tatbestandsalternativen des § 224 Abs. 1 StGB verwirklicht habe. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Beurteilung eine mildere Freiheitsstrafe verhängt hätte.
Fischer Schmitt Berger Krehl RiBGH Dr. Eschelbach ist wegen Erkrankung an der Unterschriftsleistung gehindert. Fischer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 224 Gefährliche Körperverletzung


(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

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Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Mai 2012 - 3 StR 146/12

bei uns veröffentlicht am 02.05.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 146/12 vom 2. Mai 2012 in der Strafsache gegen wegen erpresserischen Menschenraubes u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf de

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 146/12
vom
2. Mai 2012
in der Strafsache
gegen
wegen erpresserischen Menschenraubes u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am 2. Mai
2012 gemäß § 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 12. Dezember 2011 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte - des erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub, räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung, Computerbetrug und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis , - des versuchten Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung sowie - des besonders schweren Raubes schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubes in Tateinheit mit Raub, räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung, Computerbetrug und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis (Fall A. II. 1. der Urteilsgründe), wegen versuchten Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall A. II. 2.) sowie wegen besonders schweren Raubes (Fall A. II. 3.) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die hiergegen gerichtete und auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat nur insofern Erfolg, als sie zu einer Änderung des Schuldspruchs im Fall A. II. 2. der Urteilsgründe führt. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
2
Nach den zum Fall A. II. 2. rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wollte der Angeklagte aus einem Haus Geld oder sonstige stehlenswerte Gegenstände entwenden, um damit den Erwerb von Drogen zu finanzieren. Als er den Eigentümer des Hauses auf dem Grundstück bemerkte, versteckte sich der Angeklagte hinter einem Gebüsch. Der Hauseigentümer näherte sich diesem Gebüsch. Daher fürchtete der Angeklagte seine Entdeckung, griff den Eigentümer von hinten an und schlug auf diesen ein, um seine Absicht, aus dem Haus etwas zu stehlen, noch verwirklichen zu können.
3
Diese Feststellungen tragen nicht den Schuldspruch wegen einer mittels eines hinterlistigen Überfalls (§ 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB) begangenen gefährlichen Körperverletzung. Ein hinterlistiger Überfall setzt voraus, dass der Täter seine Verletzungsabsicht planmäßig verbirgt (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Oktober 2008 - 3 StR 334/08, NStZ-RR 2009, 77, 78; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 224 Rn. 10). Eine solche Planmäßigkeit ist nicht belegt. Allein der Umstand, dass der Angeklagte den Angriff von hinten ausführte und dabei ein Überraschungsmoment ausnutzte, begründet keine Hinterlist im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 11. August 2009 - 3 StR 175/09, StV 2011, 136; Fischer aaO mwN).
4
Der Senat ändert den Schuldspruch gemäß § 354 Abs. 1 StPO dahin, dass der Angeklagte tateinheitlich zum versuchten Raub der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig ist. Andere Tatvarianten des § 224 Abs. 1 StGB sind nicht gegeben und zusätzliche Erkenntnisse in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten. Der Geschädigte hat den nach § 230 StGB erforderlichen Strafantrag rechtzeitig gestellt.
5
Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt, da der Senat ausschließen kann, dass das Landgericht bei Annahme lediglich einer vorsätzlichen Körperverletzung auf eine geringere Strafe erkannt hätte. Auch wenn die Kammer ihrer Strafzumessung die dem Strafrahmen des § 224 Abs. 1 StGB entnommene Mindeststrafe von sechs Monaten anstatt eine solche von drei Monaten gemäß § 249 Abs. 1, § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB zugrunde gelegt hat, hat sich diese angesichts der verhängten Einzelfreiheitsstrafe von zwei Jahren erkennbar nicht ausgewirkt. Die von der Kammer maßgeblich strafschärfend herangezogenen Gesichtspunkte des brutalen Vorgehens und der erheblichen Tatfolgen liegen unabhängig von der rechtlichen Einordnung als gefährliche oder vorsätzliche Körperverletzung vor.
6
Weil das Rechtsmittel nur einen geringen Teilerfolg hat, ist es nicht unbillig , den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten und seinen eigenen Auslagen zu belasten (§ 473 Abs. 1 und 4 StPO). Becker Pfister Hubert Mayer Menges

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.