Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Okt. 2008 - 2 StR 360/08
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) mit den zugehörigen Feststellungen in den Fällen II. B 6., 7. und 9. der Urteilsgründe,
b) im Gesamtstrafenausspruch sowie
c) mit den zugehörigen Feststellungen, soweit von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen wurde. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in elf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit der Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verurteilung wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen II. B 6., 7. und 9. hat keinen Bestand. Nach den Urteilsfeststellungen hat der Angeklagte im Fall II. B 6. (II. 6. der Anklage) 30 Gramm Heroin, im Fall II. B 7. (II. 7. der Anklage) 30 Gramm Heroin und 1 Gramm Kokain und im Fall II. B 9. (II. 9. der Anklage) 20 Gramm Heroin aus den Niederlanden nach Deutschland eingeführt, um es „teilweise“ selbst zu verbrauchen und „teilweise“ an unbekannte Abnehmer weiter zu veräußern. Nähere Ausführungen zum Verhältnis zwischen zum Eigenkonsum und zum Verkauf bestimmten Betäubungsmitteln finden sich nicht. Damit ist das Überschreiten des Grenzwertes der nicht geringen Menge von 1,5 g Heroinhydrochlorid nicht hinreichend dargelegt. Der Senat vermag entgegen der Stellungnahme des Generalbundesanwalts der Gesamtschau der Urteilsgründe nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte jeweils den überwiegenden Teil der eingeführten Drogen gewinnbringend weiter veräußerte und nur einen geringen Teil selbst verbrauchte. Diese Annahme ist mit dem Wortlaut der Urteilsgründe in den betreffenden Fällen sowie den weiter gehenden Formulierungen in den Fällen II. B 8., 10. und 12., in denen der Angeklagte die Betäubungsmittel nach den Feststellungen „überwiegend“ gewinnbringend weiter verkauft hat, unvereinbar. Darüber hinaus hat das Landgericht in den Fällen II. B 6. und 7. keine Feststellungen zur Qualität des Heroins getroffen. Auch wenn mangels sichergestellter Betäubungsmittel insoweit exakte Feststellungen nicht möglich waren, war das Tatgericht gehalten, anhand bestimmter Kriterien - Preis, Herkunft, Bewertung durch Tatbeteiligte - die Wirkstoffkonzentration durch Schätzung zu bestimmen (Senat, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR 167/08). Soweit das Landgericht im Fall II. B 9. von „zumindest durchschnittlicher Qualität“ ausgeht, hat es nicht - wie grundsätzlich erforderlich (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Mai 2008 - 2 StR 167/08 und vom 8. August 2008 - 2 StR 277/08) - angegeben, welchen Mindestwirkstoffgehalt es konkret hierbei zugrunde gelegt hat. Angesichts dieser Versäumnisse und Ungenauigkeiten bieten die Urteilsfeststellungen in den im Beschlusstenor bezeichneten Fällen keine hinreichende Gewähr dafür, dass der Grenzwert der nicht geringen Menge tatsächlich erreicht worden ist.
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- 2. Das Urteil kann ferner nicht bestehen bleiben, soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat (§ 64 StGB). Die Begründung hierfür begegnet rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat festgestellt, dass der im Jahre 2004 wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in 77 Fällen zu einer Geldstrafe verurteilte Angeklagte in allen abgeurteilten Fällen das Heroin teilweise selbst verbraucht hat. Die Anwendung des § 64 StGB hat es unter pauschalem Hinweis auf Ausführungen des Sachverständigen abgelehnt, weil es „an einem beachtlichen Zusammenhang zwischen etwaiger Sucht und Delinquenz mangelt“. Da das Landgericht nicht mitteilt, auf welche Erwägungen des Sachverständigen es sich dabei stützt, ist dem Senat eine revisionsrechtliche Überprüfung dieser Behauptung verwehrt. Die vom Landgericht allein gegebene Begründung, „dass das strafrechtlich relevante Vorgehen des Angeklagten zu einem beachtlichen Maß von der Sicherung des Lebensunterhalts geprägt war und erst in untergeordnetem Sinne zur Suchtfinanzierung diente“, trägt die Annahme, dass es an einem symptomatischen Zusammenhang zwischen dem Hang und den abgeur- teilten Straftaten fehlt, gerade nicht. Sie deutet vielmehr umgekehrt darauf hin, dass der Hang in allen Fällen jedenfalls neben anderen Umständen zur Begehung der Anlasstaten beigetragen haben kann. Dies würde für die Annahme einer Symptomtat ausreichen (vgl. BGH NStZ-RR 2004, 78). Darüber hinaus spricht die enge zeitliche Abfolge der elf Betäubungsmitteldelikte, die der Angeklagte im Zeitraum von Juni 2007 bis 27. August 2007 im Abstand von teilweise nur wenigen Tagen begangen hat und die nach den Feststellungen durchweg zumindest teilweise der Beschaffung von Heroin zum Eigenkonsum dienten, dafür, dass die Straftaten auch auf den Hang zu übermäßigem Genuss von Rauschmitteln zurückzuführen sind.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.