Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Mai 2004 - 2 StR 127/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Schuldspruch dahingehend berichtigt, daß der Angeklagte in den Fällen Ziff. II. 3, II. 4 und II. 22 jeweils des sexuellen Mißbrauchs eines Kindes schuldig ist;
b) in den Fällen II. 19, II. 20 und II. 21 sowie im Gesamtstrafenausspruch mit den jeweils zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Kindern in sechs Fällen, schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in 14 Fällen, versuchten schweren sexuellen Mißbrauchs von Kindern in zwei Fällen und Ausüben der tatsächlichen Gewalt über halbautomatische Selbstlade-kurzwaffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Seine hiergegen gerichtete Revision hat nur teilweise Erfolg. 1. Die auf eine Verletzung des § 244 Abs. 4 StPO gestützte Verfahrensrüge ist unbegründet. Das Landgericht hat den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Glaubwürdigkeit des bei seiner Vernehmung 17-jährigen Zeugen Sch. rechtsfehlerfrei zurückgewiesen. Es durfte sich eigene Sachkunde ohne weiteres zutrauen; Besonderheiten, welche die Beurteilung durch einen Sachverständigen erfordert hätten, lagen nicht vor. 2. Auf die Sachrüge war der Schuldspruch in den Fällen II. 3, II. 4 und II. 22 zu berichtigen. Der Angeklagte wurde hier jeweils wegen Taten nach § 176 Abs. 3 a.F. StGB verurteilt. Die Verwirklichung des unbenannten besonders schweren Falls ist hier in den Schuldspruch nicht aufzunehmen, da es sich insoweit nicht um einen Qualifikationstatbestand, sondern um eine Strafzumessungsregel handelt. 3. Die Sachrüge führt darüber hinaus zur Aufhebung der Schuldsprüche und der Einzelstrafen in den Fällen II. 19 und II. 20 wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes und im Fall II. 21 wegen versuchten schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Geschädigte P. L. zur Tatzeit 15 Jahre alt, so daß eine Anwendung der §§ 176, 176 a StGB ausscheidet. Eine Entgeltlichkeit im Sinne von § 182 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist jedenfalls bislang nicht festgestellt; auch die Voraussetzungen des § 182 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 StGB ergeben sich aus den Urteilsgründen nicht. Das Urteil war daher insoweit aufzuheben. Mit den Einzelstrafen für die genannten Fälle entfällt auch die Grundlage für die Gesamtfreiheitsstrafe.
4. Im übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsbegründung einen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht ergeben. Die Beweiswürdigung des Landgerichts ist rechtsfehlerfrei; der Tatrichter ist nicht gehalten, sämtliche Beweisumstände im Urteil ausdrücklich zu erörtern. Ein Rücktritt vom Versuch des schweren sexuellen Mißbrauchs lag im Fall II.15 nicht vor, denn nach den Feststellungen brach der Angeklagte den Versuch des Analverkehrs ab, weil das Tatopfer Schmerzen verspürte und sich wehrte (UA S. 6). Mit Gewalt wollte der Angeklagte sein Ziel nicht erreichen; ob er es, wie die Revision meint, durch andere Maßnahmen noch hätte erreichen können , bleibt mangels Feststellungen hierzu im Bereich der Spekulation und liegt angesichts der Gegenwehr des Kindes nicht nahe. Daß der Angeklagte hier nicht auch wegen vollendeten (einfachen) sexuellen Mißbrauchs verurteilt wurde , beschwert ihn nicht. Bode Otten Rothfuß Fischer Roggenbuck
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(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.
(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.
(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn
- 1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist, - 2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist, - 3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist, - 4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist, - 5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder - 6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.
(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.
(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.
(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass er unter Ausnutzung einer Zwangslage
- 1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder - 2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
(2) Ebenso wird eine Person über achtzehn Jahren bestraft, die eine Person unter achtzehn Jahren dadurch missbraucht, dass sie gegen Entgelt sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
(3) Eine Person über einundzwanzig Jahre, die eine Person unter sechzehn Jahren dadurch mißbraucht, daß sie
- 1.
sexuelle Handlungen an ihr vornimmt oder an sich von ihr vornehmen läßt oder - 2.
diese dazu bestimmt, sexuelle Handlungen an einem Dritten vorzunehmen oder von einem Dritten an sich vornehmen zu lassen,
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) In den Fällen des Absatzes 3 wird die Tat nur auf Antrag verfolgt, es sei denn, daß die Strafverfolgungsbehörde wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten hält.
(6) In den Fällen der Absätze 1 bis 3 kann das Gericht von Strafe nach diesen Vorschriften absehen, wenn bei Berücksichtigung des Verhaltens der Person, gegen die sich die Tat richtet, das Unrecht der Tat gering ist.