Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2002 - 2 ARs 84/02

published on 03/04/2002 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Apr. 2002 - 2 ARs 84/02
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 84 und 85/02
2 AR 38 und 40/02
vom
3. April 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u.a.
Az.: 27 Ls 129 und 148/01 Amtsgericht Hameln
Az.: 89 Ls 3 und 4/02 Amtsgericht Cottbus
Az.: NZS 450 Js 52254/01, NZS 470 Js 65354/01 Staatsanwaltschaft Hannover
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 3. April 2002 gemäß §§ 42 Abs. 3, 108 Abs. 1 JGG beschlossen
:
1. Über die gerichtliche Zuständigkeit in den Verfahren 2 ARs 84
und 85/02 wird gemeinsam entschieden.
2. Für die Untersuchung und Entscheidung der beiden Sachen ist
das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Cottbus zuständig.

Gründe:

Die Staatsanwaltschaft Hannover legt dem Angeklagten in Anklageschriften zum Jugendschöffengericht Hameln vom 23. Juli und 7. September 2001 in Hannover begangenen Raub und räuberischen Diebstahl sowie Hehlerei zur Last. Zur Zeit der Anklageerhebung verbüßte der Angeklagte seit dem 26. März 2001 eine Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten in der Jugendanstalt Hameln. Im übrigen ist er ohne festen Wohnsitz. Das Jugendschöffengericht hat die Anklagen zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Am 5. Dezember 2001 wurde der Angeklagte zur weiteren Vollstreckung der Jugendstrafe in die Justizvollzugsanstalt Spremberg im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus verlegt. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Hannover hat das Jugendschöffengericht Hameln die Verfahren gemäß § 42 Abs. 3 JGG an das Jugendschöffengericht Cottbus abgegeben. Dieses hat die Übernahme der
Verfahren abgelehnt. Das Jugendschöffengericht Hameln beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen. Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung ist für beide Anklagen das Jugendschöffengericht Cottbus. Der in § 42 Abs. 3 JGG in Verbindung mit § 108 Abs. 1 JGG zum Ausdruck kommende Grundsatz, daû Heranwachsende sich vor dem für ihren Aufenthaltsort zuständigen Gericht verantworten sollen, darf nur durchbrochen werden, wenn die Erschwernisse für die Durchführung des Verfahrens erheblich sind (vgl. BGH bei Böhm NStZ 1987, 443). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Angeklagte befindet sich zur Verbüûung einer längeren Jugendstrafe und nicht nur kurzfristig in der Justizvollzugsanstalt Spremberg. Die Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht Cottbus ist schon deshalb einfacher und mit weniger Aufwand verbunden, weil der heranwachsende Angeklagte nicht längerfristig zur Hauptverhandlung nach Hameln verschubt oder im Einzeltransport vorgeführt werden muû. Für die Anklage vom 7. September 2001 ist mit einem Geständnis des Angeklagten zu rechnen, so daû die auswärtigen Zeugen aus Hannover, Salzgitter und Braunschweig nicht benötigt werden. Zu dem Anklagevorwurf vom 23. Juli 2001 ist zwar mit einem Geständnis des Angeklagten nach Auskunft seines Verteidigers gegenüber dem Senat - vorerst - nicht zu rechnen. Sowohl das Tatopfer, das die Täter nicht näher beschreiben kann, als auch der als Zeuge benannte Polizeibeamte können aber unter den gegebenen Umständen kommissarisch vernommen werden, so daû deren Anreise nach Cottbus voraussichtlich entbehr-
lich sein dürfte. Daû sich der Angeklagte nicht freiwillig im Bezirk des Amtsgerichts Cottbus aufhält, sondern sich dort in Strafhaft befindet, steht der Abgabe wegen Aufenthaltswechsels nach §§ 42 Abs. 3, 108 Abs. 1 JGG nicht entgegen (vgl. BGHSt 13, 209, 214 ff.; Brunner/Dölling, JGG 10. Aufl. § 42 Rdn. 10 jew. m.w.N.). Jähnke Detter Bode Otten Elf
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

3 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig 1. der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,2. der Richter, in dessen

(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Verfehlungen Heranwachsender. (2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts

Annotations

(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig

1.
der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,
2.
der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält,
3.
solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.

(1) Die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte (§§ 39 bis 42) gelten auch bei Verfehlungen Heranwachsender.

(2) Der Jugendrichter ist für Verfehlungen Heranwachsender auch zuständig, wenn die Anwendung des allgemeinen Strafrechts zu erwarten ist und nach § 25 des Gerichtsverfassungsgesetzes der Strafrichter zu entscheiden hätte.

(3) Ist wegen der rechtswidrigen Tat eines Heranwachsenden das allgemeine Strafrecht anzuwenden, so gilt § 24 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes. Ist im Einzelfall eine höhere Strafe als vier Jahre Freiheitsstrafe oder die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus, allein oder neben einer Strafe, oder in der Sicherungsverwahrung (§ 106 Absatz 3, 4, 7) zu erwarten, so ist die Jugendkammer zuständig. Der Beschluss einer verminderten Besetzung in der Hauptverhandlung (§ 33b) ist nicht zulässig, wenn die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, deren Vorbehalt oder die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu erwarten ist.

(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig

1.
der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen,
2.
der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält,
3.
solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.

(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.