Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2019 - 2 ARs 8/19

bei uns veröffentlicht am27.02.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 8/19
2 AR 1/19
vom
27. Februar 2019
in der Strafvollstreckungssache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u. a.
hier: Gerichtsstandbestimmung
vertreten durch: Rechtsanwalt
Az.: 3 AR 1266/18 Generalstaatanwaltschaft Hamm
71 Js 529/08 Staatsanwaltschaft Essen
52 AR-71 Js 529/08-1/18 Landgericht Essen
7 StVK 92/18 Landgericht Görlitz
ECLI:DE:BGH:2019:270219B2ARS8.19.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Verurteilten am 27. Februar 2019 beschlossen:
1. Der Beschluss des Landgerichts Görlitz vom 1. November 2018 wird aufgehoben.
2. Für die Entscheidung über den Widerruf der zur Bewährung ausgesetzten Reststrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Essen vom 4. Januar 2013 (35 KLs-71 Js 529/08-15/12) ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz zuständig.

Gründe:


1
Der Senat schließt sich dem Antrag des Generalbundesanwalts an, der zutreffend ausgeführt hat: „DerBeschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz vom 1. November 2018, mit dem sie die nachträglichen, sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehenden Entscheidungen gemäß §§ 453, 462a StPO der Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Essen übertragen hat, ist aufzuheben. Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz ist für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Essen vom 4. Januar 2013 zur Bewäh- rung ausgesetzten Reststrafe aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Landgerichts Essen vom 26. Oktober 2012 zuständig.
Wird gegen den Verurteilten Freiheitsstrafe vollstreckt, dann ist für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nach § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Strafvollstreckungskammer zuständig , in deren Bezirk zum Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung die Freiheitsstrafe vollstreckt wird. Dies gilt auch dann, wenn das Gericht des ersten Rechtszuges schon mit der Entscheidung über den Widerruf befasst war. Die Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer verdrängt stets die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges; eine Zuständigkeitsfixierung durch Befasstsein des Tatgerichts gibt es insoweit nicht (BGH NStZ-RR 2006, 66; 2007, 94; OLG Bamberg NStZ-RR 2013, 326; Appl in KK/StPO 7. Auflage § 462a Rn. 16/30). So liegt der Fall hier: Die Strafkammer des Landgerichts Essen als Gericht des ersten Rechtszuges – in dieser Sache befand sich der Verurteilte ausschließlich in Untersuchungshaft ; am 2. Mai 2012 wurde er aus der Haft entlassen (siehe Blatt 80 Band I BewH; siehe Beschluss des Landgerichts Essen vom 26. November 2018 und Blatt 221 Band II BewH) - war spätestens mit Übersendung der Anklageschrift zum Bewährungsheft (siehe Band I Blatt 153 BewH) mit der Sache befasst. Mit Eintritt der Rechtskraft des weiteren Urteils des Landgerichts Bautzen am 6. Februar 2017 (siehe Band II Blatt 229 BewH) ging die Untersuchungshaft in dortiger Sache (siehe Band II Blatt 232 BewH) allerdings in Strafhaft über, so dass seit diesem Zeitpunkt gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt wurde. Mit Eintritt der Rechtskraft ging damit aber die sachliche Zuständigkeit für die zu treffende Entscheidung und damit auch die Befasstheit
kraft Gesetzes (§ 462a Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StPO) auf die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Görlitz über.“
Franke Appl RiBGH Prof. Dr. Krehl ist krankheitsbedingt an der Unterschrift gehindert. Franke
Zeng Grube

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Strafprozeßordnung - StPO | § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts


(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

Strafprozeßordnung - StPO | § 453 Nachträgliche Entscheidung über Strafaussetzung zur Bewährung oder Verwarnung mit Strafvorbehalt


(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß

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(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.

(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.