Bundesgerichtshof Beschluss, 13. März 2002 - 2 ARs 56/02
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
In ihrer Anklage zum Jugendrichter des Amtsgerichts Borken legt die Staatsanwaltschaft den beiden geständigen Angeklagten einen gemeinschaftlichen Diebstahl an ihrem Wohnort Borken zur Last. Dem Angeklagten K. konnte die Anklage noch in Borken zugestellt werden. Dem Angeklagten S. mußte die Anklage in Hagen-Haspe zugestellt werden, wo er sich inzwischen aufhält. Der Eröffnungsbeschluß und die Ladung zur Hauptverhandlung konnten dem Angeklagten K. nicht mehr in Borken, sondern in Rheinberg zugestellt werden, wo er sich inzwischen bei seiner Mutter aufhält. Die Jugendrichterin des Amtsgerichts Borken hat durch Beschluß vom 8. Februar 2002 das gesamte Verfahren mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft gemäß § 42 Abs. 3 JGG an den Jugendrichter des Amtsgerichts Rheinberg abgegeben, weil der Angeklagte K. nach der Anklageerhebung seinen Aufenthalt gewechselt habe und sich jetzt in Rheinberg aufhalte.Der Jugendrichter in Rheinberg hat die Übernahme abgelehnt. Die Jugendrichterin in Borken hat beantragt, das zuständige Gericht zu bestimmen. Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 3 JGG für eine Abgabe des gesamten Verfahrens an das Amtsgericht Rheinberg liegen nicht vor. Nach Aktenlage ist zwar davon auszugehen, daû beide Angeklagte nach der Anklageerhebung ihren Aufenthalt gewechselt haben, der Angeklagte K. von Borken nach Rheinberg und der Angeklagte S. von Borken nach Hagen. Für den Angeklagten S. besteht jedoch in Rheinberg kein Gerichtsstand, weder nach § 42 Abs. 1 JGG, noch nach §§ 7 ff. StPO. Dieser Angeklagte würde daher mit einer Verfahrensabgabe an das Amtsgericht Rheinberg seinem gesetzlichen Richter entzogen. Eine Trennung des Verfahrens ist aus prozeûökonomischen Gründen nicht angezeigt. Auch nach § 12 Abs. 2 StPO kann dem Jugendrichter in Rheinberg die Zuständigkeit für das gesamte Verfahren nicht übertragen werden, da das gemeinschaftliche obere Gericht nur an ein solches Gericht verweisen kann, das bereits bei Eröffnung des Verfahrens zuständig war (BGHSt 13, 209, 217). Der Abgabebeschluû des Amtsgerichts Borken ist daher aufzuheben. Dieses Gericht bleibt für die Untersuchung und Entscheidung der Sache zuständig. Jähnke Bode Otten Fischer Elf
Annotations
(1) Neben dem Richter, der nach dem allgemeinen Verfahrensrecht oder nach besonderen Vorschriften zuständig ist, sind zuständig
- 1.
der Richter, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben für den Beschuldigten obliegen, - 2.
der Richter, in dessen Bezirk sich der auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte zur Zeit der Erhebung der Anklage aufhält, - 3.
solange der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, der Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(2) Der Staatsanwalt soll die Anklage nach Möglichkeit vor dem Richter erheben, dem die familiengerichtlichen Erziehungsaufgaben obliegen, solange aber der Beschuldigte eine Jugendstrafe noch nicht vollständig verbüßt hat, vor dem Richter, dem die Aufgaben des Vollstreckungsleiters obliegen.
(3) Wechselt der Angeklagte seinen Aufenthalt, so kann der Richter das Verfahren mit Zustimmung des Staatsanwalts an den Richter abgeben, in dessen Bezirk sich der Angeklagte aufhält. Hat der Richter, an den das Verfahren abgegeben worden ist, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
(1) Unter mehreren nach den Vorschriften der §§ 7 bis 11a und 13a zuständigen Gerichten gebührt dem der Vorzug, das die Untersuchung zuerst eröffnet hat.
(2) Jedoch kann die Untersuchung und Entscheidung einem anderen der zuständigen Gerichte durch das gemeinschaftliche obere Gericht übertragen werden.