Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Nov. 2000 - 2 ARs 299/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
1. Das Amtsgericht Hannover hat den Angeklagten am 3. August 1999 zu der Freiheitsstrafe von zwei Monaten mit Bewährung verurteilt. Am 6. April 2000 hat es die Bewährungsaufsicht an das Amtsgericht Hamburg übertragen, weil der Verurteilte nach dort verzogen war. Das Amtsgericht Seesen hat den Angeklagten am 9. Februar 2000 zu der Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, die das Berufungsgericht ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt hat. Im Hinblick auf die erneute Verurteilung gab das Amtsgericht Hamburg die Bewährungssache an das Amtsgericht Hannover zurück, da für die Bewährungsaufsicht nunmehr das Amtsgericht Seesen zuständig sei. Das Amtsgericht Hannover verweigerte die Rücknahme mit dem Hinweis, die Bewährungsaufsicht sei von Gesetzes wegen auf das Amtsgericht Seesen übergegangen (§ 462 a Abs. 4 StPO), ein Übertragungsbeschluß des Amtsgerichts Hannover sei daher nicht erforderlich. Das Amtsgericht Hamburg übersandte daraufhin die Akten wiederholt an das Amtsgericht Seesen, das sich jedoch am23. August und 11. September 2000 "unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt" für zuständig hielt. In dem eigenen Verfahren hatte das Amtsgericht Seesen bereits am 26. Juli 2000 die Bewährungsaufsicht an das Amtsgericht Hamburg als Wohnsitzgericht des Verurteilten übertragen. Das Amtsgericht Hamburg hat nunmehr die Sache zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem Bundesgerichtshof vorgelegt. 2. Zuständig für die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen gemäß § 453 StPO ist das Amtsgericht Hamburg. Aufgrund des Konzentrationsprinzips wurde das Amtsgericht Seesen als "Stammgericht" auch für die Bewährungaufsicht für die vom Amtsgericht Hannover bewilligte Strafaussetzung zuständig, weil das Amtsgericht Seesen die höhere Strafe verhängt hat (§ 462 a Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 StPO). Das Amtsgericht Seesen hat jedoch für die in seinem Verfahren bewilligte Strafaussetzung die Bewährungsaufsicht am 26. Juli 2000 an das Amtsgericht Hamburg als Wohnsitzgericht des Verurteilten übertragen (§ 462 a Abs. 2 Satz 2 StPO). Dies hat zur Folge, daß dem Amtsgericht Hamburg auch die Bewährungsaufsicht und die nachträglichen Entscheidungen obliegen, die sich auf die Strafaussetzung beziehen, die für die Strafe des Amtsgerichts Hannover bewilligt wurde. Dabei kann hier dahingestellt bleiben, ob diese Zuständigkeitskonzentration beim Wohnsitzgericht - wie der Senat unter Bezugnahme auf Anträge des Generalbundesanwalts wiederholt entschieden hat - ohne weiteres von Gesetzes wegen eintritt (vgl. BGH NStZ 1994, 97; Beschl. v. 17. April 1996 - 2 ARs 80/96; NStZ-RR 2000, 83). Es mag durchaus Gründe von Gewicht für die Annahme geben, daß auch in den weiteren Verfahren der Zuständigkeitswechsel vom "Stammgericht", das die höchste Strafe verhängt hat, zum Wohnsitzgericht eine gesonderte Übertragungsentscheidung des "Stammgerichts" erfor-
dert. Dies bedarf hier jedoch keiner weiteren Erörterung, denn das Amtsgericht Seesen hat durch seine wiederholte Weigerung hinreichend deutlich gemacht, daß es die Bewährungsaufsicht auch für die vom Amtsgericht Hannover verhängte Strafe nicht selbst übernehmen, sondern dem Wohnsitzgericht in Hamburg überlassen wollte.
Jähnke Detter Bode Rothfuß Fischer
Annotations
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
(1) Die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf eine Strafaussetzung zur Bewährung oder eine Verwarnung mit Strafvorbehalt beziehen (§§ 56a bis 56g, 58, 59a, 59b des Strafgesetzbuches), trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte sind zu hören. § 246a Absatz 2 und § 454 Absatz 2 Satz 4 gelten entsprechend. Hat das Gericht über einen Widerruf der Strafaussetzung wegen Verstoßes gegen Auflagen oder Weisungen zu entscheiden, so soll es dem Verurteilten Gelegenheit zur mündlichen Anhörung geben. Ist ein Bewährungshelfer bestellt, so unterrichtet ihn das Gericht, wenn eine Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung oder den Straferlaß in Betracht kommt; über Erkenntnisse, die dem Gericht aus anderen Strafverfahren bekannt geworden sind, soll es ihn unterrichten, wenn der Zweck der Bewährungsaufsicht dies angezeigt erscheinen läßt.
(2) Gegen die Entscheidungen nach Absatz 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder daß die Bewährungszeit nachträglich verlängert worden ist. Der Widerruf der Aussetzung, der Erlaß der Strafe, der Widerruf des Erlasses, die Verurteilung zu der vorbehaltenen Strafe und die Feststellung, daß es bei der Verwarnung sein Bewenden hat (§§ 56f, 56g, 59b des Strafgesetzbuches), können mit sofortiger Beschwerde angefochten werden.