Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 231/06
vom
12. Juli 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 12. Juli 2006 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 7. Oktober 2005 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Zur Rüge der Verletzung von § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO bemerkt der Senat ergänzend: Zwar entspricht der Ablehnungsbeschluss der Jugendkammer vom 7. Oktober 2005 nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen, die der Senat seit seinem Urteil vom 30. Juli 1999 - 1 StR 618/98 -, BGHSt 45, 164 an die Begründung stellt, mit der das Gericht trotz methodenkritischer Einwände gegen die Sachkunde des vom Gericht bestellten aussagepsychologischen Sachverständigen die Einholung eines weiteren Gutachtens ablehnen kann. Die Jugendkammer hat hier jedoch die im Wesentlichen formalen Einwände und die von der Verteidigung selbst näher dargelegten methodischen Mängel mit der Gutachterin erörtert und die Gutachtenkritik mit Recht als nicht durchgreifend angesehen (vgl. dazu Beschl. vom 30. Mai 2000 - 1 StR 582/99 -, NStZ 2001, 45). Soweit die Revision behauptet, die Jugendkammer verfüge wegen des fehlerhaften Gutachtens nicht über die ausreichende Sachkunde, greift auch dieses Vorbringen nicht durch. Die Urteilsgründe lassen im Gegenteil erkennen, dass sich die Ju- gendkammer aufgrund eigenständiger Würdigung der vielen originellen Details und der Entstehungsgeschichte der Aussage überzeugt hat, dass die Aussage der Geschädigten erlebnisfundiert ist. Auch die Würdigung der weiteren vorhandenen Beweisanzeichen und der Zeugenaussagen lässt keinen Rechtsfehler erkennen. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Kammer die Möglichkeiten einer Übertragung von sexuellen Informationen auf den Angeklagten sowie eine fremdbestimmte Falschbezichtigung ausgeschlossen und den Angeklagten als überführt angesehen hat. Nack Wahl Boetticher Kolz Elf

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Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juli 2006 - 1 StR 231/06 zitiert 2 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 244 Beweisaufnahme; Untersuchungsgrundsatz; Ablehnung von Beweisanträgen


(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme. (2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

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Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Mai 2000 - 1 StR 582/99

bei uns veröffentlicht am 30.05.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 582/99 vom 30. Mai 2000 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Mai 2000 gemäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen: Die Revision des Angeklagten gegen da

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Nach der Vernehmung des Angeklagten folgt die Beweisaufnahme.

(2) Das Gericht hat zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind.

(3) Ein Beweisantrag liegt vor, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll. Ein Beweisantrag ist abzulehnen, wenn die Erhebung des Beweises unzulässig ist. Im Übrigen darf ein Beweisantrag nur abgelehnt werden, wenn

1.
eine Beweiserhebung wegen Offenkundigkeit überflüssig ist,
2.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, für die Entscheidung ohne Bedeutung ist,
3.
die Tatsache, die bewiesen werden soll, schon erwiesen ist,
4.
das Beweismittel völlig ungeeignet ist,
5.
das Beweismittel unerreichbar ist oder
6.
eine erhebliche Behauptung, die zur Entlastung des Angeklagten bewiesen werden soll, so behandelt werden kann, als wäre die behauptete Tatsache wahr.

(4) Ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Sachverständigen kann, soweit nichts anderes bestimmt ist, auch abgelehnt werden, wenn das Gericht selbst die erforderliche Sachkunde besitzt. Die Anhörung eines weiteren Sachverständigen kann auch dann abgelehnt werden, wenn durch das frühere Gutachten das Gegenteil der behaupteten Tatsache bereits erwiesen ist; dies gilt nicht, wenn die Sachkunde des früheren Gutachters zweifelhaft ist, wenn sein Gutachten von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, wenn das Gutachten Widersprüche enthält oder wenn der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfügt, die denen eines früheren Gutachters überlegen erscheinen.

(5) Ein Beweisantrag auf Einnahme eines Augenscheins kann abgelehnt werden, wenn der Augenschein nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Unter derselben Voraussetzung kann auch ein Beweisantrag auf Vernehmung eines Zeugen abgelehnt werden, dessen Ladung im Ausland zu bewirken wäre. Ein Beweisantrag auf Verlesung eines Ausgangsdokuments kann abgelehnt werden, wenn nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts kein Anlass besteht, an der inhaltlichen Übereinstimmung mit dem übertragenen Dokument zu zweifeln.

(6) Die Ablehnung eines Beweisantrages bedarf eines Gerichtsbeschlusses. Einer Ablehnung nach Satz 1 bedarf es nicht, wenn die beantragte Beweiserhebung nichts Sachdienliches zu Gunsten des Antragstellers erbringen kann, der Antragsteller sich dessen bewusst ist und er die Verschleppung des Verfahrens bezweckt; die Verfolgung anderer verfahrensfremder Ziele steht der Verschleppungsabsicht nicht entgegen. Nach Abschluss der von Amts wegen vorgesehenen Beweisaufnahme kann der Vorsitzende eine angemessene Frist zum Stellen von Beweisanträgen bestimmen. Beweisanträge, die nach Fristablauf gestellt werden, können im Urteil beschieden werden; dies gilt nicht, wenn die Stellung des Beweisantrags vor Fristablauf nicht möglich war. Wird ein Beweisantrag nach Fristablauf gestellt, sind die Tatsachen, die die Einhaltung der Frist unmöglich gemacht haben, mit dem Antrag glaubhaft zu machen.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 582/99
vom
30. Mai 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. Mai 2000 gemäß § 349
Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 24. Juni 1999 wird als unbegründet verworfen. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

I.


Die von der Revision erhobenen Verfahrensrügen sind unbegründet. Der Erörterung bedarf allein die Verfahrensrüge, mit der die Revision die Verletzung von § 244 Abs. 4 2. Halbsatz StPO rügt.
Dazu ist folgendes Prozeßgeschehen festgestellt: Das Landgericht beauftragte eine Diplom-Psychologin der Universität H. mit der aussagepsychologischen Begutachtung der 17jährigen Hauptbelastungszeugin. Die Sachverständige kam zu dem Ergebnis, die Aussage des Mädchens, sie sei vom Angeklagten vergewaltigt worden, sei glaubhaft. In der Hauptverhandlung beantragte die Verteidigung als weiteren Sachverständigen Herrn Prof. Dr. S. von der Universität D. zur Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin zu hören. Die Verteidigung behauptete unter Bezugnahme auf eine schriftliche Stellungnahme von Prof. Dr. S. , das Glaubwürdigkeitsgutachten der DiplomPsychologin sei zum Teil mit erheblichen Mängeln und Versäumnissen belastet.
Das Landgericht lehnte den Beweisantrag mit der Begründung ab, das Gegenteil der behaupteten Tatsachen sei durch die Anhörung der DiplomPsychologin bereits erwiesen. Die Sachkunde der Sachverständigen sei nicht zweifelhaft. Ihr Gutachten gehe nicht von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus und enthalte keine Widersprüche. Es seien keine Anhaltspunkte ersichtlich und solche auch nicht vorgetragen, daß der neue Sachverständige über Forschungsmittel verfüge, die denen der gehörten Gutachterin überlegen erscheinen könnten.
Die Ablehnung des Beweisantrags hält rechtlicher Überprüfung stand.

II.


Der Ablehnungsbeschluß vom 4. Mai 1999 entspricht allerdings nicht den Anforderungen, die der Senat seit seinem Urteil vom 30. Juli 1999 – 1 StR
618/98 -, NStZ 2000, 100 an die Begründung eines Beschlusses stellt, mit dem das Gericht trotz erhobener Einwände gegen die Sachkunde des Gutachters die Einholung eines weiteren aussagepsychologischen Gutachtens ablehnen kann.
1. Wird unter Bezugnahme auf eine kritische Würdigung des Erstgutachtens durch einen anderen Fachvertreter auf konkrete Mängel dieses Gutachtens hingewiesen, muß sich das Tatgericht mit den behaupteten Einwänden im einzelnen auseinandersetzen. Dieses Erfordernis gilt dann nicht, wenn die geltend gemachten Mängel nach anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben offensichtlich nicht bestehen (BGH aaO S. 101). Dies gilt auch für Fälle, in denen – ohne nähere Kenntnis der gesamten Aktenlage – allein das schriftliche Sachverständigengutachten einer eher allgemein gehaltenen Methodenkritik ausgesetzt wird.
2. Der Senat ist den von der Verteidigung vorgebrachten Einwänden nachgegangen und hat das von der Revision vorgelegte schriftliche Gutachten der Diplom-Psychologin überprüft. Dies gibt dem Senat Anlaß klarzustellen, daß es sich bei den im Urteil vom 30. Juli 1999 niedergelegten methodischen Grundprinzipien für die aussagepsychologische Begutachtung um Prüfungsschritte handelt, nach denen der wissenschaftlich ausgebildete psychologische Sachverständige gedanklich arbeitet. Für die Beteiligten muß überprüfbar sein, auf welchem Weg der Sachverständige zu den von ihm gefundenen Ergebnissen gelangt ist (BGH aaO S. 104). Die aussagepsychologischen Gutachten müssen nicht einheitlich einer bestimmten Prüfstrategie folgen und einen einheitlichen Aufbau haben. Die einzelnen Elemente der Aussagebegutachtung müssen auch nicht nach einer bestimmten Reihenfolge geprüft werden. Es gilt
weiterhin der Grundsatz, daß es in erster Linie dem Sachverständigen überlassen ist, in welcher Art und Weise er sein Gutachten dem Gericht unterbreitet (BGH aaO S. 104).
3. Der Senat schließt aus, daß die in der Stellungnahme von Prof. Dr. S. behaupteten Mängel im Gutachten der Diplom-Psychologin zu einem falschen Gutachtenergebnis geführt haben:

a) Das Gutachten enthält allerdings keinen Bericht über die Aussage und deren Verlauf, der auf einem Wortprotokoll auf der Grundlage einer Tonband - oder Videoaufnahme beruht und aus dem die Fragen und Antworten hervorgehen. Hierzu hat der Senat in seinem Urteil vom 30. Juli 1999 ausgeführt : Im Interesse einer besseren Dokumentation sind “in der Regel” Audiound ggf. Videoaufnahmen zu erstellen (BGH aaO S. 104). Nur durch eine genaue Dokumentation kann eine Abschätzung erfolgen, welche Aussagequalitäten bei den Schlußfolgerungen zur Glaubhaftigkeitseinschätzung verwertet werden können. Enthält jedoch wie hier das Gutachten der Diplom-Psychologin einen umfangreichen, detailreichen Bericht über die maßgeblichen Anknüpfungstatsachen , der auch Erzählanstöße aufweist und dem - unter Verwendung der indirekten Rede - mittelbar eine Anzahl der gestellten Fragen und Antworten zu entnehmen sind, entzieht dies jedenfalls den bis zur Entscheidung des Senats vom 30. Juli 1999 erstellten Gutachten die wissenschaftliche Grundlage nicht zwingend.

b) Gegenstand einer aussagepsychologischen Beurteilung ist allerdings nicht die Frage nach einer allgemeinen Glaubwürdigkeit der Untersuchten im
Sinne einer dauerhaften personalen Eigenschaft (BGH aaO S. 101). Dennoch lagen hier Besonderheiten vor, die es notwendig machten zu prüfen, ob wegen einer beim Tatopfer festgestellten Bulimie eine Beeinträchtigung der Fähigkeit der Zeugin zur Wahrnehmung, Speicherung und Reproduktion von komplexen Sachverhalten und zur Realitätskontrolle vorlag. Diese Prüfung ist erfolgt. Einschränkungen der Fähigkeiten der Geschädigten zu einer qualifizierten Aussage hat das Landgericht aufgrund der Aussage des als Zeugen gehörten Oberarztes Dr. K. vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim verneint.

c) Der Einwand, das Gutachten habe zur Klärung externer Einflüsse auf die Aussage die Alternativhypothese “bewußte oder irrtümliche Falschaussage” und die Aussagegenese nicht ausreichend berücksichtigt, ist nicht begründet.
Das Vorbringen richtet sich im Grunde gegen die von der Gutachterin verwendeten Prüfungselemente und die von ihr gewählte Prüfungsreihenfolge.
Nach den Gutachten der seinerzeit vom Senat gehörten Sachverständigen Prof. Dr. Steller und Prof. Dr. Fiedler, wie sie im Urteil vom 30. Juli 1999 mitgeteilt worden sind, soll der Gutachter den zu überprüfenden Sachverhalt an Hand von anerkannten Realkennzeichen auf einen realen Erlebnishintergrund untersuchen. Das erlangte Ergebnis ist durch die Bildung von Alternativhypothesen zu überprüfen. Mit dieser Hypothesenbildung soll überprüft werden, ob die im Einzelfall vorfindbare Aussagequalität durch sogenannte Parallelerlebnisse oder reine Erfindung erklärbar sein könnte. Die Nullhypothese sowie die in der Aussagebegutachtung im wesentlichen verwendeten Elemente der Aussageanalyse (Qualität, Konstanz, Aussageverhalten), der Persönlichkeitsana-
lyse und der Fehlerquellen – bzw. der Motivationsanalyse sind gedankliche Arbeitsschritte zur Beurteilung der Zuverlässigkeit einer Aussage. Sie sind nicht nur in einer Prüfungsstrategie anzuwenden und verlangen keinen vom Einzelfall losgelösten, schematischen Gutachtenaufbau.
Die gerichtlich bestellte Gutachterin hat nicht den Weg der Analyse des Aussageinhalts und der nachfolgenden Überprüfung der Ergebnisse durch Alternativhypothesen gewählt. Sie untersucht die Aussage der Geschädigten “formal und inhaltlich” unter dem Abschnitt “Spezielle Glaubwürdigkeit” und beginnt mit der Entstehung der Aussage. Dabei überprüft sie mögliche Motive, die auf eine Falschaussage hindeuten könnten. Die Diplom-Psychologin prüft ausführlich die “bewußte Falschaussage” und schließt diese aus, nachdem die Geschädigte am Tag nach dem Vorfall zu der Anzeige bei der Polizei gedrängt und dort sofort vernommen worden ist. Für die Prüfung der Alternative “Irrtümliche Falschaussage” bietet der zu prüfende Sachverhalt einer Vergewaltigung keinen Anlaß.
Die Diplom-Psychologin befaßt sich im Rahmen der Prüfung der Geschichte der Aussage – wenn auch nur kurz - auch mit der “Suggestionshypothese”. Sie schließt diese aus, weil in der Erstaussagesituation die Notwendigkeit einer Rechtfertigung vor der Mutter oder auf erwartete negative Reaktionen auf das Bekanntwerden des sexuellen Erlebnisses nicht bestanden habe.
Ihrer Prüfung legt die Gutachterin die Mitteilungen der Geschädigten an die Personen zugrunde, die das Tatopfer unmittelbar im Anschluß an die Tathandlung in einer Telefonzelle in unmittelbarer Nähe des Tatortes aufgefunden und befragt haben. Daß die kurz nach der Tat gemachte Aussage der Geschä-
digten auch konstant ist, belegt die Sachverständige an Hand der vor der Polizei gemachten Aussagen der Zeugen Sa. M. , Ma. und E. R. . Daß die Sachverständige sich auf die polizeilichen Vernehmungen der Zeugen stützt und ohne ausdrücklichen Auftrag des Gerichts keine eigenen informatorischen Anhörungen im Vorfeld durchgeführt hat, sieht der Senat wegen der im Urteil vom 30. Juli 1999 gemachten strafprozessualen Vorbehalte ausdrücklich nicht als Mangel des Gutachtens an (BGH aaO S. 103).
Der Senat schließt aus, daß die Sachverständige unter Berücksichtigung der objektiven Begleitumstände des Auffindens in der Telefonzelle (zerrissenes T-Shirt, Kratzspuren am Hals des Angeklagten) bei einem anderen methodischen Vorgehen zu einem abweichenden Ergebnis gekommen wäre. Im übrigen hat das Landgericht der Aussagegenese nach dem Auffinden der Geschädigten in der Telefonzelle in seiner Beweiswürdigung breiten Raum gewidmet und hat durch eigenständige Würdigung der Zeugenaussagen die Möglichkeit einer Falschbezichtigung rechtsfehlerfrei ausgeschlossen.

d) Soweit schließlich Prof. Dr. S. den Einwand erhebt, hinsichtlich der Feststellungen der Sachverständigen zur “Konstanz” der Aussage des Tatopfers als Zeugin bestünden erhebliche Zweifel, ist dies nicht näher ausgeführt. Die von der Dipolm-Psychologin angenommene Konstanz der Aussagen bei den wiederholten Vernehmungen wird im übrigen von den Feststellungen der Strafkammer bestätigt.

III.


Die Überprüfung des Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge hat ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Schäfer Herr RiBGH Dr. Maul ist wegen Granderath Urlaubs an der Unterschrift verhindert. Schäfer Nack Boetticher