Bundesgerichtshof Beschluss, 02. Juli 2002 - 1 StR 135/02

bei uns veröffentlicht am02.07.2002

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 135/02
vom
2. Juli 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 2. Juli 2002 beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 19. Oktober 2001 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittel zu tragen.

Der Senat bemerkt weiter: 1. Die von den Revisionen der Angeklagten M. R. und S. erhobenen Verfahrensrügen, die die fehlende Möglichkeit zur Befragung der aus Paraguay stammenden drei Tatopfer des Menschenhandels beanstanden , sind unbegründet (Art. 6 Abs. 3 Buchst. d MRK). Die Verurteilung wegen dieser Tat beruht weder allein noch sonst in einem wesentlichen Teil auf den Angaben dieser drei Frauen, die mittelbar durch die Vernehmungen der schweizer Richterin und des schweizer Polizeibeamten in die Beweisaufnahme eingeführt worden sind (vgl. zum Prüfungsmaßstab für die genannte Verfahrensgarantie EGMR, Urteil vom 20. Dezember 2001 - Nr. 33900/96 - StraFo 2002, 123, 124 = EuGRZ 2002, 37). Die Strafkammer hat sich für ihre Beweisführung maßgeblich auf das Geständnis der Angeklagten zum äußeren Tathergang , auf die Aussagen der in dem Bordell in Hannover tätig gewesenen Zeuginnen Rö. und G. sowie auf die unmittelbaren Beobachtungen der als Zeugen vernommenen schweizer Untersuchungsrichterin H. und des schweizer Polizeibeamten Ha. gestützt (vgl. UA S. 28 ff). Überdies hat sie zugunsten der Angeklagten wichtige Behauptungen als wahr behandelt (UA S. 28). 2. Die von den Revisionen der Angeklagten S. und L. R. beanstandete Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung des Berichterstatters der Strafkammer als Zeuge ist ebensowenig von Rechts wegen zu beanstanden. Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts weist der Senat darauf hin, daû das Telefonat des Richters mit der sodann als Zeugin geladenen Frau Rö. im Hinblick auf die Aufklärungspflicht der Strafkammer ebenso rechtsbedenkenfrei war wie die Bekanntgabe des darüber gefertigten Vermerks in der Hauptverhandlung (vgl. auch § 251 Abs. 3 StPO). 3. Die von der Revision der Angeklagten L. R. gerügte Ablehnung des Beweisantrages auf Vernehmung der benannten ZeuginE. begegnet teilweise rechtlichen Bedenken; dies gilt für den Behauptungsteil, diese Angeklagte habe hinsichtlich der Tatopfer ohne die Absicht auf einen wirtschaftlichen Vermögensvorteil gehandelt und sie habe der benannten Zeugin mehrfach erklärt, den Frauen unentgeltlich geholfen zu haben. Dem ist die Strafkammer nicht ausdrücklich mit einem der in der Strafprozeûordnung vorgesehenen Ablehnungsgründe begegnet. Es liegt zwar nahe, daû es diesen Behauptungsteil mit unbehelflicher Formulierung als aus tatsächlichen Gründen bedeutungslos behandeln wollte. Das kann jedoch offenbleiben. Auf einem Rechtsfehler insoweit kann das Urteil nicht beruhen. Das Landgericht hat die Angeklagten nicht nach § 180 b Abs. 1 StGB schuldig gesprochen, der voraussetzt , daû auf eine andere Person des eigenen Vermögensvorteils wegen eingewirkt wird, um sie - wie hier - etwa zur Aufnahme oder Fortsetzung der Pro- stitution zu bestimmen. Es hat die Verurteilung vielmehr auf Absatz 2 Nr. 1 dieser Vorschrift gestützt. Danach wird bestraft, wer auf eine andere Person in Kenntnis der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, einwirkt, um die näher beschriebenen Ziele zu erreichen. Auf einen vom Täter erstrebten Vermögensvorteil oder sonst unentgeltliche Hilfeleistung gegenüber dem Tatopfer kommt es dafür nicht an. Schäfer Wahl Boetticher Schluckebier Hebenstreit

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.