Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 02. Apr. 2019 - 23 ZB 17.31944

bei uns veröffentlicht am02.04.2019
vorgehend
Verwaltungsgericht Augsburg, Au 2 K 17.33808, 15.11.2017

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) ist nicht den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG entsprechend dargelegt bzw. liegt nicht vor.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, wenn für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts eine konkrete, jedoch fallübergreifende Tatsachen- oder Rechtsfrage von Bedeutung war, deren noch ausstehende obergerichtliche Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 10.1.2018 - 10 ZB 17.30487 - juris Rn. 2 m.w.N.). Dementsprechend verlangt die Darlegung der rechtsgrundsätzlichen Bedeutung nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG, dass eine konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert und aufgezeigt wird, weshalb die Frage im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts klärungsbedürftig und klärungsfähig, insbesondere entscheidungserheblich, ist; ferner, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung dieser Frage besteht (vgl. BayVGH a.a.O., juris Rn. 2). Diese Anforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung nicht.

Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung zur Klärung der als grundsätzlich im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG behaupteten Fragen (unter 1. des Antragsschriftsatzes), „ob im Fall des Geschwisterasyls die Formulierung in § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG, wonach die Familie schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, dahingehend zu verstehen ist, dass der Bestand der Familie jedenfalls insofern unverändert sein muss, als der das Familienasyl begehrende Geschwisterteil und der stammesberechtigte [gemeint ist wohl: stammberechtigte] Geschwisterteil bereits im Verfolgerstaat Mitglied dieser Familie gewesen sein müssen, also dort zusammen lebten, oder ob es genügt, dass überhaupt eine Familie im Verfolgerstaat existiert hat und weiter existiert und bei einem in Deutschland lebenden Familienangehörigen eine fortbestehende familiäre Beziehung mit im Ausland lebenden Familienangehörigen existiert. Anders formuliert: Kann der in Deutschland geborene Geschwisterteil Familienasyl von in Deutschland geborenen Geschwistern ableiten, wenn die familiäre Bindung zu der Familie im Herkunftsstaat dergestalt ist, dass die in Deutschland lebenden Halbgeschwister vermittels ihrer gemeinsamen Mutter in Somalia Halbgeschwister haben“ und (unter 2. auf Seite 4 letzter Absatz des Antragsschriftsatzes), „ob Familienasyl in Form des Geschwisterasyls voraussetzt, dass die geschwisterliche Beziehung bereits im Verfolgerstaat bestanden haben muss - also in Deutschland nachgeborene Kinder vom Geschwisterasyl ausgeschlossen sind - oder nicht“. Zur Begründung bringt der Kläger zusammengefasst vor, das Verwaltungsgericht habe die Voraussetzungen des Geschwisterasyls verneint, weil die Familie schon in dem Staat bestanden haben müsse, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird, woraus das Verwaltungsgericht folgere, die stammberechtigten Geschwister und der Kläger hätten bereits im Heimatland miteinander im Familienverband leben müssen. Dem tritt der Kläger insbesondere unter Verweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Sigmaringen (U.v. 19.5.2017 - A 3 K 3301/16) entgegen.

Der erste Teil der ersten Frage (unter 1. in der Antragsschrift) und die zweite Frage (unter 2. in der Antragschrift) würden sich in einem Berufungsverfahren so nicht stellen, weshalb der Antrag aus diesem Grund wegen fehlender Entscheidungserheblichkeit bzw. fehlender Klärungsfähigkeit abzulehnen ist. Der zweite der Teil der ersten Frage dagegen ist auf Grund des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 26. April 2018 (20 B 18.30332 - juris, insbesondere Rn. 26) bereits geklärt und daher nicht mehr klärungsbedürftig.

a) Die Frage, wie vor dem Hintergrund der Verweisung in § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG, der hier wegen § 26 Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG anwendbar ist, auf die Regelung (u.a. auch) des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG die Frage zu beantworten ist, ob die geschwisterliche Lebensgemeinschaft zwischen dem stammberechtigten Geschwister und dem Asylbewerber, der seine (hier) Flüchtlingsschutzberechtigung von seinem anerkannten Geschwister ableiten will, bereits im Herkunftsland bestanden haben muss (mit der Folge, dass hier geborene stammberechtigte Geschwister das Familienasyl nicht vermitteln bzw. hier geborene Asylbewerber das Familienasyl nicht beanspruchen könnten), oder ob auch hier geborene Geschwister unter diese Regelung fallen, würde sich in einem Berufungsverfahren im vorliegenden Fall so nicht stellen bzw. wäre hier nicht entscheidungserheblich.

Der zu Grunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich insoweit maßgeblich von demjenigen, der der im Wesentlichen zur Begründung des Zulassungsantrags herangezogenen Entscheidung des VG Sigmaringen zu Grunde liegt (U.v. 19.5.2017 - A 3 K 3301/16 - juris, insbesondere Rn. 24 f.; vgl. auch VG Freiburg (Breisgau), U.v. 9.10.2018 - A 1 K 3294/17 - juris Rn. 21; vgl. außerdem VG Stuttgart, U.v. 20.12.2018 - A 4 K 3930/17 - juris Rn. 13 f.; OVG Münster, B.v. 25.8.2017 - 11 A 687/17.A - juris Rn. 9 f.). Anders als dort, wo es um eine bereits im Herkunftsland aus Vater und Mutter des Klägers bestehende Familie ging, geht es hier um die Konstellation, dass der in Deutschland geborene Kläger den begehrten Flüchtlingsschutz von zwei ebenfalls in Deutschland geborenen Töchtern der Mutter des Klägers ableiten will, wobei der Kläger und die beiden Mädchen unterschiedliche Väter haben, während die noch in Somalia lebenden weiteren Halbgeschwister des Klägers wiederum einen anderen Vater haben. Unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Sachverhalte wären der erste Teil der ersten Frage und die zweite Frage in einem Berufungsverfahren so nicht entscheidungserheblich. Die Begründung des Zulassungsantrags setzt sich insofern nicht ausreichend damit auseinander, ob es - weitergehend zu dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des VG Sigmaringen zu Grunde liegt - ausreicht, dass nur und ausschließlich die Mutter Trägerin der familiären Verbindung ist, obwohl es hier nicht wie im Fall, der dem Urteil des VG Sigmaringen zu Grunde lag, um eine „Restfamilie“ (VG Sigmaringen, a.a.O., juris Rn. 25) geht, sondern allenfalls um einen „einzelnen Teil“ einer ehemaligen Familie, unabhängig davon, dass in einer Konstellation wie der hier vorliegenden nicht nur keine geschwisterliche Lebensgemeinschaft bestanden hat (was bei hier geborenen Kindern als Asylbewerber bzw. Stammberechtigte denknotwendig nicht sein kann), sondern auch nie eine familiäre Lebensgemeinschaft einer Familie bestanden hat, der mehr Familienmitglieder als die Mutter angehört haben.

b) Die Frage dagegen, ob es für die Bejahung der Voraussetzungen von § 26 Abs. 3 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 AsylG ausreicht, dass für einen von einem (Halb-) Geschwister abzuleitenden Familienflüchtlingsschutz als einziges Bindeglied ein gemeinsamer Elternteil existiert, die sich aus dem zweiten Teil der ersten Fragestellung in der Antragsschrift ergibt, führt deswegen nicht zur Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung, weil diese Frage bereits geklärt ist. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. April 2018 (- 20 B 18.30332 - juris Rn. 26; vgl. auch OVG Hamburg, U.v. 21.9.2018 - 4 Bf 186/18.A - juris Rn. 29) zu einem Sachverhalt, der insofern dem hier zu entscheidenden Fall vergleichbar ist (die Ableitung des Familienasyls soll dort zwar nicht von einem Geschwister, sondern von einem Kind erfolgen, der Umstand, dass lediglich ein Elternteil die einzige Person ist, die als familiäres Bindeglied in Frage kommt, ist dagegen wie hier), entschieden, dass es nicht ausreicht, wenn nur ein Elternteil das Bindeglied in diesem Sinne darstellt. So liegt auch der vorliegende Fall, der Kläger ist nicht in eine Familie hineingeboren, worden, die bereits im Heimatland bestanden hat, sondern in eine Familie, die erst in Deutschland entstanden ist. Dieses Ergebnis beruht darauf, dass das Gesetz - unabhängig von der Frage, ob Geschwisterasyl bei hier geborenen Kindern von vorneherein ausgeschlossen ist (vgl. hierzu die obigen Rechtsprechungsnachweise sowie (dafür) Hailbronner, AuslR, 86. Akt., AsylG § 26 Rn. 53e; Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 26 Rn. 38; Günther in: BeckOK AuslR, Stand 1.2.2019, § 26 Rn. 23d; (dagegen) Bergmann in: ders./Dienelt, AuslR, AsylG § 26 Rn. 16; Schröder in: Hofmann, AuslR, 2. Auflage 2016, AsylG § 26 Rn. 28) - wegen der Verweisung in § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG (auch) auf § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG jedenfalls eine Familie i.S.v. Art. 2 Buchst. j) RiL 2011/95/EG voraussetzt, wiederum unabhängig davon, dass die Erweiterung in § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG auf Geschwister ohnehin über den unionsrechtlichen Familienbegriff, der die Geschwister nicht enthält, hinausgeht (vgl. hierzu Marx, AsylG, 9. Auflage 2017, § 26 Rn. 34).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Mit dieser gemäß § 80 AsylG unanfechtbaren Entscheidung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 78 Rechtsmittel


(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 80 Ausschluss der Beschwerde


Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 26 Familienasyl und internationaler Schutz für Familienangehörige


(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn 1. die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,2. die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Sta

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 26. Apr. 2018 - 20 B 18.30332

bei uns veröffentlicht am 26.04.2018

Tenor I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. November 2017 wird, soweit es der Klage stattgegeben hat, geändert. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Geri

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(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. November 2017 wird, soweit es der Klage stattgegeben hat, geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Kläger ist seinen eigenen Angaben zufolge ein am … Januar 1996 in J … geborener somalischer Staatsangehöriger, der ebenfalls seinen eigenen Angaben nach zum Clan Sheikhal gehört. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 5. Mai 2014 nach Deutschland ein und stellte am 21. Mai 2014 einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 21. Mai 2014 gab der Kläger an, verheiratet zu sein. Seine Ehefrau heiße A J … H …, geboren im Februar 1996 in D … Die Eheschließung sei im November 2012 in D … erfolgt, seine Ehefrau halte sich dort auf. Er sei Vater des im Juli 2013 in D … geborenen Mädchens A … A … M … A …, das sich in D … aufhalte.

Bei der Anhörung am 8. September 2016 gab der Kläger seinen Stamm mit Sheikhal an, sein Clan heiße Loo Bogay und der Sub-Clan Tolweyn. Bis zu der Ausreise habe er sich in Somalia in der Region L … C …, im Stadtviertel S …, in der S …straße aufgehalten. Verlassen habe er sein Heimatland im Dezember 2012 und in Deutschland sei er nach Aufenthalten in Kenia, Tansania, Uganda, Süd-Sudan, Nord-Sudan, Tschad, Libyen und Italien am 5. Mai 2014 eingereist. Die Reise habe 5.400,00 $ gekostet, die seine Schwester finanziert habe. Seine Schwester sei Geschäftsführerin in der gleichen Region, in der er gewohnt habe. Er habe über Telefon noch Kontakt zu ihr. Seine Eltern lebten in Süd-Somalia in der Region H …, zu ihnen habe er keinen Kontakt mehr, da sie Nomaden seien. Seit er acht Jahre alt gewesen sei, habe er bei seiner Schwester gewohnt. Von deren Wohnung aus habe er Somalia verlassen. Er habe noch drei Brüder, eine Tante und einen Onkel väterlicherseits, mütterlicherseits ebenfalls eine Tante und einen Onkel. Eine Schule habe er nicht besucht. Einen Beruf habe er nicht erlernt und er habe in Somalia auch nie gearbeitet. Seine finanzielle Situation schätze er mit „durchschnittlich“ ein. Seine Schwester kaufe Kohle um sie weiter zu verkaufen. Auf Vorhalt, wieso er die Situation als „durchschnittlich“ einschätze, erklärte der Kläger, dass er die finanzielle Situation als „gut“ einschätze.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, gab der Kläger an, dass er in Laas Canood eine Frau kennengelernt habe. Sie hätten ohne Zustimmung ihrer Familie geheiratet. Diese Frau sei Dhulbahante. Die Familie habe ihm gesagt, dass er zu einer Minderheit gehöre und die Tochter nicht heiraten könne. Zwei Monate lang habe seine Schwester ihn in ein Zimmer eingesperrt, damit die Familie seiner Frau ihn nicht finde und verletze. Danach habe seine Schwester ihm Geld gegeben, um zu fliehen. Dies habe er getan. Auf Nachfrage, wie er die Frau kennengelernt habe, erklärte der Kläger, dass sie sich 2010 in einem großen Markt in Laas Canood kennengelernt hätten. Sie heiße A … H … M … und sei damals 16 Jahre alt gewesen. Die Sheikhal würden von allen anderen Gruppen diskriminiert. Sie nähmen sie wie Sklaven und erlaubten nicht, dass sie Frauen aus anderen Gruppen heiraten. Auf Nachfrage, ob er persönlich diskriminiert worden sei, erklärte der Kläger, dass die Dhulbahante ihn bedroht hätten. Sie hätten ihn geschlagen und mit Waffen bedroht. Sie hätten ihn verletzt. Auf Nachfrage, wann das passiert sei und wo er sich genau befunden hätte erklärte der Kläger, dass er, nachdem er von der Wohnung seiner Schwester geflohen sei, nach H … gegangen sei. Die Leute aus diesem Clan hätten ihn dort gefunden. Dort hätten sie ihn geschlagen und verletzt. Es seien ca. sechs Personen gewesen, aus der Familie seiner Frau. Brüder, Cousinen (gemeint wohl: Cousins), Onkel. Auf Nachfrage, wie diese Leute ihn gefunden hätten, erklärte der Kläger, dass er in einem Hotel gewesen sei. Er sei kurz weggegangen, um Kat zu kaufen. Er habe es gekauft und auf dem Weg zurück ins Hotel hätten diese Leute ihn gefunden und geschlagen. Auf Nachfrage, wie es ihm gelungen sei, diesen Leuten zu entkommen, erklärte der Kläger, dass sie ihn angehalten hätten und einer von ihnen habe gesagt, „Du Sklave, was willst Du von uns“. Er habe geantwortet und gefragt, warum sie ihn beschimpften. Er habe angefangen, ihn mit der Faust zu schlagen. Danach hätten die anderen ihn mit Holzstangen geschlagen. Auf Nachfrage, wie er es geschafft habe zu fliehen, erklärte der Kläger, dass einer von den anderen ihm gesagt habe, dass er, wenn er wieder hierher komme, getötet würde. Er habe große Angst gehabt und daher wegen dieser Drohung das Land verlassen. Auf erneute Nachfrage, wie er sechs Leuten habe entkommen können, erklärte der Kläger, dass eine Frau dort gewesen sei und geschrien habe. Sie habe um Hilfe gerufen. Daraufhin seien drei Männer hinzugekommen. Danach hätten die „Jungen“ ihn freiwillig gelassen. Auf Nachfrage, ob er sich an die Polizei gewandt habe, erklärte der Kläger, dass es zwar Polizei in Somalia gebe, aber da er zu einer Minderheit gehöre, helfe die Polizei ihm nicht. Auf erneute Nachfrage, ob er zur Polizei gegangen sei, erklärte er, dass er zur Polizei gegangen sei, aber die Polizei habe nichts unternommen. Wenn er an einen anderen Ort innerhalb Somalias gehe, würden die Leute ihn dort auch finden. Auf Nachfrage, was mit seiner Frau passiert sei, erklärte der Kläger, dass er ein Kind mit dieser Frau habe. Die Frau sei bei ihrer Familie geblieben und die Tochter sei bei seiner Schwester. Befragt, warum die Leute jetzt noch Interesse haben sollten, ihn umzubringen, erklärte der Kläger, dass sie seine Schwester bedrohten, weil sie ihm geholfen hätte. Dies wisse er, da sie miteinander telefonierten. Seine Schwester sei verheiratet, ihr Ehemann heiße Abd …, den Nachnamen kenne er nicht. Er gehöre zu den Dhulbahante. Befragt, wieso seine Schwester und ihr Ehemann verheiratet sein könnten, obwohl sie aus verschiedenen Volksgruppen stammten, erklärte der Kläger, dass die Männer der Dhulbahante mit Frauen aus seinem Stamm verheiratet sein könnten, aber nicht umgekehrt. Ergänzend gab der Kläger an, dass seine Frau gerade schwanger sei und er bitte, dass sie zusammen hierbleiben dürften. Sie wohne in D … in einem Flüchtlingslager.

Mit Bescheid vom 8. November 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziff. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziff. 2), erkannte ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziff. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziff. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, zuvorderst nach Somalia, angedroht (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Hiergegen ließ der Kläger am 16. November 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. In der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2017 nahm die Bevollmächtigte des Klägers die Klage in Bezug auf die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 8. November 2016 zurück. Außerdem verzichtete sie auf eine weitere mündliche Verhandlung.

Der Kläger beantragte zuletzt,

den Bescheid vom 8. November 2016, Geschäftszeichen: 57 59 444 – 273 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus (§ 4 AsylG) vorliegt, hilfsweise, dass Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG vorliegen.

Mit Urteil vom 15. November 2017, das ohne weitere mündliche Verhandlung erging, stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren, soweit die Klage zurückgenommen worden ist, ein und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger aus dem Gesichtspunkt des subsidiären Schutzes für Familienangehörige einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus habe. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG werde den Eltern eines minderjährigen ledigen subsidiären Schutzberechtigten bei Erfüllung der in § 26 Abs. 3 Satz 1 bis 5 AsylG genannten Voraussetzungen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Das bedeute, dass einem Elternteil eines minderjährigen ledigen stammberechtigten Kindes, hier Mohamed A … A …, dem der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, ebenfalls der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt werde, wenn die weiteren Voraussetzungen von § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 AsylG erfüllt seien. Dies sei der Fall. Der Kläger habe die Vaterschaft des oben genannten Kindes anerkannt. Die Entscheidung vom 19. April 2017, mit der dem Kind der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, sei unanfechtbar. Der Umstand, dass das Kind des Klägers im Bundesgebiet geboren sei, spreche nicht dagegen, dass die Familieneinheit schon im Herkunftsstaat bestanden habe im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG. Insoweit wurde auf die Ausführungen des VG Sigmaringen in seinem Urteil vom 19. Mai 2017 (A 3 K 3301/16 – juris, Rn. 24 ff.) verwiesen. § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG stehe der Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht entgegen, weil diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut, der eine andere Auslegung nicht zulasse, die Geltung des § 26 Abs. 2 und 3 AsylG eben nur für Kinder, nicht aber für einen Elternteil eines Ausländers ausschließe, der abgeleitet von einem Stammberechtigten selbst nur nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG anerkannt sei.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung.

Sie beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.

Zur Begründung bezieht sie sich zunächst auf ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren. Dort hat sie ausgeführt, dass die Meinung des Verwaltungsgerichts sich nur schwer mit dem klaren Gesetzeswortlaut vereinbaren lasse. Ihr werde auch in der instanzgerichtlichen Spruchpraxis widersprochen. So führe das VG Würzburg in seinem Urteil vom 29. August 2017 (W 4 K 17.31679 – juris Rn. 15) aus, dass die Voraussetzung des § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht gegeben sei, wenn es an einer Betreuungs- und Erziehungsgemeinschaft im Verfolgerstaat fehle. Ebenso interpretiere das VG Münster in seinem Urteil vom 13. Februar 2017 (5 K 1254/15.A) den § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG. Unter Bezug auf die Kommentarausführungen von Hofmann (Ausländerrecht, 2. Aufl., § 26 AsylG Rn. 27 f) führt sie aus, es sei maßgeblich, dass die Familie schon in dem Staat bestanden habe, in dem der Stammberechtigte verfolgt worden sei. Es müsse eine Betreuungs- und Erziehungsgemeinschaft bestanden haben. Die Voraussetzung läge jedenfalls dann nicht vor, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht oder anderweitig ersichtlich seien, dass bereits im Heimatland eine Familie bestanden habe, in die ein Kind in Deutschland hätte hineingeboren werden können. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG entspreche im Übrigen im Verhältnis von Ehegatten zueinander dem § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, bei dem einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur sei, dass im Verfolgerstaat zwingend bereits eine eheliche Lebensgemeinschaft habe bestanden müssen. Soweit sich das Verwaltungsgericht auf die Erwägungen des VG Sigmaringen beziehe, beträfen diese eine wesentlich andere Konstellation. Denn für das VG Sigmaringen sei es im Wesentlichen um die Frage gegangen, ob mit Blick auf § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG ein erst im Bundesgebiet geborenes Kind überhaupt anspruchsvermittelnd sein könne und sich daraus für ein Geschwisterkind ein Anspruch über § 26 Abs. 5 AsylG herleiten lasse. Insoweit verweise das VG Sigmaringen zwar maßgeblich auf Gesichtspunkte des Kindswohls beim Anspruchsteller. Auf solche komme es vorliegend nicht an, denn der Kläger sei volljährig. Überdies habe in dem vom VG Sigmaringen entschiedenen Verfahren anders als vorliegend die familiäre Lebensgemeinschaft der Eltern bereits im Verfolgerstaat bestanden, so dass das in Deutschland geborene Geschwisterkind in eine im Verfolgerstaat schon bestehende Familie habe geboren werden können.

Soweit das VG München den Rechtssatz vertrete, ein Anspruch könne über § 26 Abs. 5 AsylG auch auf Grundlage eines seinerseits nur über § 26 Abs. 5 AsylG abgeleiteten Status hergeleitet werden, widerspreche diese Meinung der grundsätzlichen Struktur der durch § 26 AsylG vermittelten Ansprüche. Zur grundsätzlichen Konzeption des Familienasylanspruchs habe das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. August 1993 (9 C 7.93 – NVwZ 1994, 504 ff.) bereits klargestellt, dass ein Anspruch nur von einem aus originären Gründen anerkannten, nicht aber einem seinerseits nur aufgrund § 26 AsylVfG Berechtigten abgeleitet werden könne. Diesen Grundsatz nehme § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG zwar nur insoweit ausdrücklich auf, als es die Kinder von ihrerseits nach § 26 Abs. 2 oder Abs. 3 AsylG Anerkannten anbelange. Es sei aber nicht erkennbar, dass diese Regelung dem Zweck hätte dienen sollen, entgegen der bereits höchstrichterlichen Klarstellungen für die Eltern von ihrerseits nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG Anerkannten eine Anspruchserweiterung zu bewirken. Denn nach zutreffender Interpretation des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG sei davon auszugehen, dass nur ein bereits im Verfolgerstaat bereits in familiärer Gemeinschaft mit seinen Eltern lebendes Kind überhaupt einen Anspruch vermitteln könne. Dann bedürfe es aber keiner weiteren gesetzlichen Regelung zur Begrenzung der Anspruchsvermittlung auf den Fall einer aus originären Gründen erfolgten Statuszuerkennung bei Stammberechtigten. Bereits in der Vergangenheit habe die berufungsgerichtliche Spruchpraxis eine Anwendung des § 26 AsylG auf Fallgestaltungen, in denen die Ableitung der Asylberechtigung zugunsten der Eltern von einem asylberechtigten Kind in Rede stehe, abgelehnt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 9.6.1997 – A 4 S 182/96 – EZAR 2015 Nr. 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.5.1994 – 21 A 3262/91.A – juris). Gleiches werde in der Kommentarliteratur vertreten. Danach schließe § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG nicht nur die Möglichkeit aus, dass familienasylberechtigte Kinder, Eltern, sonstige Erwachsene und Geschwister ihrerseits Familienasyl an ihre Kinder, also insbesondere an die Enkel des Stammberechtigten vermittelten. Vielmehr werde daneben auch die Vorschrift herangezogen, um den Willen des Gesetzgebers zu verdeutlichen, dass grundsätzlich nur ein wegen eigener politischer Verfolgung Asylberechtigter, nicht aber ein allein FamilienasylBerechtigter in der Lage sei, als Stammberechtigter Familienasyl zu vermitteln (BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 26).

Ergänzend wurde im Berufungsverfahren vorgetragen, dass das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis sich auch nicht auf anderer Grundlage bejahen lasse. Dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG in der Person des Klägers erfüllt sein könnten, sei nicht erkennbar. Gleiches gelte für die Zuerkennung nationalen Abschiebungsschutzes. Insbesondere würde der im Hinblick auf das bleibeberechtigte Kind zu berücksichtigende Schutzbereich des Art. 6 GG nicht zu als zielstaatsbezogen zu wertenden Gefahrenlagen führen. Auch aus der unzureichenden Versorgungslage in Somalia folge kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei dabei auf Mogadischu abzustellen, weil dort die Abschiebung ende. Die Hauptstadt könne, wie der Senat in seinem Urteil vom 23. März 2017 (20 B 15.30110) festgestellt habe, mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestehe, in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen oder diesen durchreisen zu müssen. Die allgemein schlechte Versorgungslage begründe ebenso wenig ein generelles Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Zu Recht führe das Verwaltungsgericht aus, dass der Stammberechtigte (hier: das Kind des Klägers) nicht bereits vor der Einreise der Familie geboren sein müsse. Das Erstgericht setze sich auch damit auseinander, dass § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG, wonach die Familie bereits im Heimatland bestanden haben müsse, in dem der Flüchtige politisch verfolgt werde, lediglich auf den Herkunftsstaat verweise (siehe auch Heranziehung der Nachfluchttatbestände unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben des Art. 2 lit. j Richtlinie/95/EG) und ersichtlich dazu diene, das Wort Heimatland zu definieren und zu beschreiben.

Er beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Bundesamtsakten und die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat weder aus abgeleitetem Recht noch originär einen Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG (hierzu 1. und 2.). Auch die Voraussetzungen für die Feststellung des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor (hierzu 3.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts München ist daher, soweit darin der Klage stattgegeben wurde, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

1. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts begründet die Tatsache, dass das Kind des Klägers Mohammed A  … A …, geb. am … November 2016 in D …, abgeleitet von dessen Mutter I … A … A …, der subsidiäre Schutzstatus mit Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 zuerkannt wurde, keinen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 AsylG. Nach § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG sind auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt nach § 26 Abs. 5 Satz 2 AsylG die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist (Nr. 1), die Familie im Sinne des Art. 1 Buchst. j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird (Nr. 2), sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (Nr. 3), die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (Nr. 4), und sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben (Nr. 5).

Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 AsylG liegen im Falle des Klägers i.V.m. § 26 Abs. 5 AsylG unstreitig vor: Die Anerkennung des Kindes des Klägers als subsidiär Schutzberechtigter ist unanfechtbar (Nr. 1), der Kläger ist vor der Anerkennung seines Sohnes als subsidiär Schutzberechtigter eingereist (Nr. 3) und dessen Anerkennung ist nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen (Nr. 4). Allerdings scheitert die Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung an den fehlenden Voraussetzungen nach § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG (hierzu a)). Daneben steht § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für den Kläger abgeleitet von dessen Sohn entgegen (hierzu b)). Und schließlich fehlt es auch an der Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. Abs. 5 AsylG (hierzu c)).

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG liegen nicht vor. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG muss die Familie im Sinne des Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden haben, in dem der Asylberechtigte (bzw. subsidiär Schutzberechtigte, § 26 Abs. 5 AsylG) politisch verfolgt wird. Hier hat die Familie, die der Kläger zusammen mit dem Stammberechtigten bildet, in dem Land, in dem dem Stammberechtigten ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG droht, also in Somalia, noch nicht bestanden.

Der Kläger hatte nach seinen eigenen Angaben beim Bundesamt in Somalia bereits zwei unterschiedliche Frauen. Bei der Befragung zur Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats am 21. Mai 2014 gab der Kläger an, verheiratet zu sein, seine Frau heiße Ali Yasmin Hussein, geboren im Februar 1996 in Dhimbil und halte sich dort auf. Auch ein 2013 geborenes Mädchen halte sich dort auf.

In der Anhörung vom 8. September 2016 gab der Kläger daneben an, aus Somalia geflüchtet zu sein, da er ein Mädchen aus einem Mehrheitsclan geheiratet und mit dieser ein gemeinsames Kind habe. Als Name dieser Frau gab er A … H … M … an, sie lebe bei seiner Mutter in L … C … Bei beiden Frauen (und den dazugehörigen Kindern) handelt es sich offensichtlich nicht um die gleichen Personen.

Darüber hinaus gab er zu Beginn seiner Anhörung vom 8. September 2016 an, dass er seine jetzige Frau, die Mutter des Stammberechtigten, in Deutschland kennengelernt und „traditionell“ geheiratet habe. Auch diese Frau ist daher mit keiner der Frauen, die der Kläger in Somalia geheiratet hat, und mit denen er dort zumindest teilweise zusammengelebt hat bzw. angibt, zusammen gelebt zu haben, identisch. Daher liegt, ungeachtet der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des VG Sigmaringen und der dort thematisierten Frage, ob auch ein erst in Deutschland geborenes Kind Stammberechtigter im Sinne des § 26 AsylG sein kann, im Falle des Klägers jedenfalls keine Familie in Deutschland vor, die in Somalia schon im Sinne von § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG bestanden hat. Der Sohn des Klägers, von dem dieser den subsidiären Schutzstatus ableiten will, ist daher (anders als in dem vom VG Sigmaringen entschiedenen Fall) nicht in eine Familie hinein geboren worden, die bereits in dem Land bestanden hat, in dem ihm ein Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen würde. Vielmehr ist die Familie, in die er hinein geboren wurde, erst in Deutschland entstanden. Daher scheidet die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 AsylG an der fehlenden Tatbestandsvoraussetzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG aus (ebenso Schröder in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 26 AsylG, Rn. 29; Günther in Beck-OK Ausländerrecht, § 26 Rn. 23b, 9; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2008, § 26 Rn. 16 i.V.m. Rn. 12).

b) Daneben steht § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für den Kläger, abgeleitet von dessen Sohn, entgegen. Nach § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG gelten die Absätze 2 und 3 nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Abs. 2 oder Abs. 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Aufgrund der Beschränkung des Ausschlusses auf „Kinder eines Ausländers“ hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 9) ausgeführt, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus auf Grund § 26 AsylG nicht entgegenstehe, weil diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut, der eine andere Auslegung nicht zulasse, die Geltung des § 26 Abs. 2 und 3 AsylG eben nur für Kinder, nicht aber für einen Elternteil eines Ausländers ausschließe, der abgeleitet von einem Stammberechtigten (nur) nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG anerkannt worden sei. Diese Auslegung durch das Verwaltungsgericht trägt aber weder der Entstehungsgeschichte der Norm noch dem Sinn und Zweck der Regelung Rechnung. Tatsächlich ist § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG weit dahingehend auszulegen, dass eine Gewährung von abgeleitetem Schutz nach § 26 AsylG von einem Familienangehörigen, der selbst diesen Schutzstatus über § 26 AsylG erhalten hat, nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

§ 26 AsylG hat seine derzeitige Fassung im Wesentlichen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (BGBl 2013, 3474) erhalten. Damit wurde in § 26 Abs. 3 AsylG einerseits die Möglichkeit eröffnet, auch den Eltern oder minderjährigen ledigen Geschwistern eines anerkannten Asylberechtigten einen abgeleiteten Schutzstatus zu gewähren. Darüber hinaus wurde in Absatz 5 die entsprechende Anwendung der auf Asylberechtigte abzielenden Regelung in den Absätzen 1 bis 4 auf international Schutzberechtigte, also Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutzberechtigung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), eingeführt. Die Gesetzesmaterialien führen zu Absatz 4 Satz 2 lediglich aus, dass dieser Ableitungsketten ausschließe. Die Möglichkeit für Familienangehörige, einen Asylantrag auf eigene Verfolgungsgründe zu stützen, bleibe unberührt (BT-Drs. 17/13063, S. 21). Mit der Verwendung des Begriffs „Ausschluss von Ableitungsketten“ bezieht sich die Gesetzesbegründung auf die alte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren § 26 AsylVfG (U.v. 16.8.1993 – 9 C 7/93 – DVBl 1994, 58, juris 1. Leitsatz; U.v. 7.3.1995 – 9 C 389/94 – BayVBl 1995, 471). Dieses hat ausgeführt, dass Asyl nach § 26 AsylVfG nur Ehegatten und Kindern eines aufgrund Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. bzw. Art. 16a Abs. 1 GG Asylberechtigten, nicht jedoch eines seinerseits nur aufgrund § 26 AsylVfG Berechtigten zustehe. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 26 AsylVfG. Die Vorschrift definiere in ihrem Abs. 1 Nr. 1 die Familienasyl vermittelnde Person als „Asylberechtigten“, der „politisch verfolgt wird“ und versage in ihrem Abs. 3 Familienasyl den Kindern eines Ausländers, der selbst nur gemäß § 26 Abs. 2 AsylVfG Familienasyl berechtigt sei (BVerwG, Urteil v. 16.8.1993 – 9 C 7/93 – juris Rn. 8). Auch in der Rechtsprechung zur Frage der Asylberechtigung von Familienangehörigen politisch Verfolgter sei es immer um die Asylberechtigung von Familienangehörigen eines im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. politisch Verfolgten gegangen. Eine der maßgebenden Überlegungen dieser Rechtsprechung sei gewesen, dass nächste Angehörige nicht völlig außerhalb der Reichweite der einem politisch Verfolgten drohenden Gefahr gesehen werden könnten (BVerwG a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, Urteil v. 25.6.1991 – 9 C 48.91 – BVerfGE 88, 326). Im Falle einer Ableitungskette, also wenn zwischen dem originär Schutzberechtigten und dem den abgeleiteten Schutz nach § 26 AsylG Begehrenden weitere Personen stehen, greift dieser Grundgedanke der Nähe des den Schutz nach § 26 AsylG Begehrenden zum originär Schutzberechtigten und damit politisch Verfolgten nicht (vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 32).

Zudem fand sich die Beschränkung auf „Kinder eines Ausländers“ bereits in der vor dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU geltenden Fassung des § 26 AsylVfG vom 2. September 2008 (BGBl 2008, 1798). Nach dieser Fassung des § 26 AsylVfG konnte ein abgeleiteter Schutzstatus nur für Ehegatten nach § 26 Abs. 1 AsylVfG a.F. bzw. für minderjährige ledige Kinder nach § 26 Abs. 2 AsylVfG a.F. eines Asylberechtigten gewährt werden. Die Begrenzung im damaligen § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG a.F. auf Kinder eines Ausländers war also zum diesem Zeitpunkt folgerichtig. Sie wurde bei der Erweiterung des Geltungsbereichs des § 26 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (s.o.) übernommen, ohne dass dabei gesehen wurde, dass der Anwendungsbereich des § 26 AsylVfG sich enorm vergrößert hatte. Nachdem die Gesetzesbegründung insoweit lediglich ausführt, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG Ableitungsketten ausschließen solle, deutet dies darauf hin, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.

Zudem knüpfen § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG jeweils an den Staat, in dem der „Asylberechtigte“ bzw. i.V.m. § 26 Abs. 5 AsylG der international Schutzberechtigte politisch verfolgt wird. Politisch verfolgt ist aber nur der Stammberechtigte, nicht der seinerseits nur nach § 26 AsylG Berechtigte (Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 32).

Damit spricht auch § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG im Falle des Klägers gegen eine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus an diesen abgeleitet von seinem Sohn: Denn der Sohn des Klägers hat den subsidiären Schutzstatus wiederum nur abgeleitet von seiner Mutter erhalten. Er wird daher nicht im Sinne von § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG in seinem Heimatland Somalia politisch verfolgt bzw. droht ihm dort kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG. Vielmehr hat er diesen Schutzstatus abgeleitet von seiner Mutter und ungeachtet der Frage, ob ihm selbst dort ein Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG droht, erhalten (vgl. die Begründung des ihm subsidiären Schutz gewährenden Bescheids des Bundesamts vom 19. April 2017). Daher steht der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus an den Kläger auch § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG entgegen (im Ergebnis ebenso Günther in Beck-OK Ausländerrecht, § 26 Rn. 22 und 26; Bodenbender in GK-AsylG, Stand Juni 2008, § 26 Rn. 71). Das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 19. Mai 2017 (A 3 K 3301/16 – juris) verhält sich zu dieser Frage nicht.

c) Dem Kläger steht darüber hinaus auch die Personensorge für seinen Sohn nicht zu, so dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. Abs. 5 AsylG nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich in seinem Urteil insoweit auf die Feststellung, dass nicht ersichtlich sei, dass der Kläger nicht die Personensorge innehaben könnte. Diese Feststellung ist jedoch unzureichend. Das Innehaben der Personensorge für den Stammberechtigten ist ein Tatbestandsmerkmal nach § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 AsylG. Für die positive Feststellung des subsidiären Schutzstatus aus abgeleitetem Recht ist es daher erforderlich, dass das Verwaltungsgericht dieses Tatbestandmerkmal positiv feststellt. Dies gebietet bereits der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 VwGO (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 6). Will das Verwaltungsgericht aus diesem Grunde der Klage stattgeben, so kann es sich nicht darauf beschränken, festzuhalten, dass nicht ersichtlich sei, dass dieses Tatbestandsmerkmal nicht vorliege.

Im Gegenteil ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass der Kläger gerade nicht die Personensorge für den Stammberechtigten innehat. Zum einen wurde beim Bundesamt (Bl. 63 d. BA-Akte) und als Anlage zur Klageschrift lediglich die Urkunde vom 28. Juli 2016 vorgelegt, mit der der Kläger die Vaterschaft für den zu diesem Zeitpunkt noch nicht geborenen Stammberechtigten anerkannt hat. Damit steht allein fest, dass der Kläger Vater des Stammberechtigten ist, § 1592 Nr. 2 BGB. Eine Aussage zur Personensorge für den Stammberechtigten wird damit nicht getroffen. Für die elterliche Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern regelt § 1626a BGB, dass, wenn die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zusteht, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärung) oder wenn sie einander heiraten. Nach § 1626a Abs. 2 BGB hat im Übrigen die Mutter die elterliche Sorge.

Der Kläger hat bei der Anhörung gegenüber dem Bundesamt (Bl. 56 d. BA-Akte) erklärt, dass er die Mutter des Stammberechtigten „traditionell“ im Bundesgebiet geheiratet habe. Damit kann ungeachtet der Tatsache, dass sowohl der Kläger als auch die Kindsmutter somalische Staatsangehörige sind, nicht von einer wirksam geschlossenen Ehe ausgegangen werden, da diese nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden kann (vgl. auch VG Münster, U.v. 28.2.2018 – 8 L 198/18.A – juris Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB vorliegen, sind nicht ersichtlich. Gegen eine wirksame Eheschließung in Deutschland spricht auch, dass der Kläger seine Vaterschaft für den Stammberechtigten in der vorgelegten Urkunde anerkannt hat. Wären der Kläger und die Mutter des Stammberechtigten wirksam verheiratet, so wäre dies aufgrund § 1592 Nr. 1 BGB nicht notwendig gewesen. Hinzu kommt, dass in der Belehrung vor Anerkennung der Vaterschaft vom 28. Juli 2016 (Bl. 64 d. BA-Akte) durch das Jugendamt Do … darauf hingewiesen wurde, dass das Sorgerecht für das Kind nicht miteinander verheirateter Eltern, grundsätzlich allein der volljährigen Mutter zustehe. Ein gemeinsames Sorgerecht setze voraus, dass sowohl die Mutter als auch der Vater in öffentlich beurkundeter Form erklärten, die Sorge gemeinsam ausüben zu wollen. Nachdem eine derartige Sorgerechtserklärung nicht vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass eine solche auch nicht erfolgt ist.

Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus aus abgeleitetem Recht scheitert daher auch an der fehlenden Personensorge des Klägers für den „Stammberechtigten“.

2. Der Kläger hat aufgrund seiner Angaben im Asylverfahren keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Südbzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 7. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 12. Januar 2018, S. 7 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 28. März 2017 – 20 B 19.30204 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger in seinem Heimatland Somalia die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht, wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Dem Kläger droht in seinem Heimatland Somalia auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Soweit der Kläger in der Anhörung eine Bedrohung durch die zum Mehrheitsclan der Dhulbahante gehörende Familie des Mädchens, das er in L … C … kennengelernt und geheiratet habe und mit der er ein Mädchen gezeugt habe, geltend macht, erachtet der Senat seinen Vortrag als unglaubhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung abgesehen.

Dem Kläger droht auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers, der vor seiner Ausreise nach seinen Angaben seit er acht Jahre alt war bei seiner Schwester in L … C … in der Region Sool, die zu Somaliland gehört, gelebt hat, ist auf diese Region als Herkunfts- und Rückkehrregion abzustellen.

Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt ist (EuGH, Urteil v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakite] – NVwZ 2014, 573 = juris, Leitsatz 1 und Rn. 28; BayVGH, Urteil v. 7.4.2016 – 20 B 14.30101 – juris Rn. 20).

Im Südosten Somalilands haben Angehörige des Dulbahante-Clans 2012 den Staat Khatumo ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans und damit auch die Herkunftsregion des Klägers. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen; es kommt in den Regionen Togdheer und Sool zu vereinzelten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen somaliländischer Armee und der Miliz von Khatumo (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia Somaliland – Stand: 27.6.2017, S. 11 und insb. die Karte auf S. 12). Seit 2008 wurden keine terroristischen Aktivitäten der Al-Shabaab in Somaliland mehr registriert. Die Region wird als Rückzugsraum auch für höherrangige Mitglieder der Al-Shabaab genutzt, es wird vermutet, dass es eine Art Stillhalteabkommen zwischen der Al-Shabaab und der somaliländischen Regierung gibt (Fact Finding Mission (FFM) Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia, Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, August 2017, S. 105). Al-Shabaab bleibt grundsätzlich eine Bedrohung unbekannten Ausmaßes für Somaliland und verfügt über eine Präsenz in Hargeysa. Daneben wird eine temporäre Präsenz und sporadische Aktivitäten der Gruppe in den umstrittenen Gebieten Ost-Somalilands und in Burco gemeldet, wo es zu gezielten Tötungen von Deserteuren der Al-Shabaab gekommen ist (FFM Report Somalia, S. 106/107). Dennoch ist die Al-Shabaab aber nicht generell in der Lage, in Somaliland gezielte Attentate durchzuführen, dazu fehlt ihr das dafür notwendige Netzwerk (FFM Report Somalia S. 107). In der Region Sool kommt es zudem zu vereinzelten Grenzauseinandersetzungen mit Puntland, wobei beide Verwaltungen vor Ort aber auch zusammen arbeiten (FFM Report Somalia, S. 103). Laut EASO sind die wesentlichen Akteure im Konflikt in der Region neben den Streitkräften bzw. Polizeieinheiten Somalilands und Puntlands die Clan-Milizen der Dulbahante (bzw. des Staates Khatumo) (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 22, 111). Nachdem damit immer wieder verschiedene bewaffnete Gruppen in der Region Sool aufeinandertreffen, ist grundsätzlich von einem bewaffneten innerstaatlichen Konflikt dort im Sinne des genannten Urteils des Europäischen Gerichtshofs auszugehen.

Allerdings ist der Kläger aufgrund der beschriebenen Konfliktlage in seiner Heimatregion als Zivilperson keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach L … C … in der Region Sool.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen nicht vor. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Insbesondere stellt seine Zugehörigkeit zu dem Minderheitenclan der Sheikhal keinen gefahrerhöhenden Umstand dar. Zwar werden die Angehörigen berufsständischer Gruppen (wie die Tumal oder die Gabooye) und ethnischer Minderheiten (wie die Bantu oder die Sheikal) in der somalischen Gesellschaft häufig diskriminiert und marginalisiert (Schweizer Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Somalia – Clans und Minderheiten, Mai 2017, S. 38). Polizei und Justiz benachteiligen Angehörige von Minderheiten aber nicht (mehr) systematisch, insbesondere aus Somaliland wird berichtet, dass die dortige Justiz die Minderheiten in den letzten Jahren mehrheitlich fair behandelt habe (SEM, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, Mai 2017, S. 41). Jedenfalls lässt sich aus der Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan kein erhöhtes Risiko ableiten, Opfer der willkürlichen Gewalt im Rahmen des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in der Region Sool zu werden.

Während des Jahres 2017 gab es fast keine bewaffneten Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Grenzkonflikt zwischen Somaliland und Puntland. Dennoch bleibt die Situation im östlichen Somaliland an der Grenze zum Khatumo-Staat zerbrechlich. Dies liegt aber hauptsächlich an Auseinandersetzungen zwischen lokalen Clans (hauptsächlich Sub-Clans der Dulbahante), die 2017 eskaliert sind, vermutlich aufgrund der Dürre und der dadurch ausgelösten Ressourcenknappheit (EASO, Somalia Security Situation Dezember 2017, S. 112; FFM Report Somalia, S. 102). Zwischen Khatumo und Somaliland finden derzeit Verhandlungen mit dem Ziel, einen Aus Weg aus der Situation zu finden, statt (FFM Report Somalia, S. 104). Von Januar 2016 bis einschließlich August 2017 zählte ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) in der Region Sool 89 gewaltsame Vorfälle mit insgesamt 67 Todesfällen. Auf das Jahr 2016 entfielen dabei 58 Vorfälle mit 27 Getöteten und auf 2017 31 Vorfälle mit 40 Getöteten (EASO Security Situation Dezember 2017, S. 112). Rechnet man die Zahl für Januar bis August 2017 auf das Gesamtjahr hoch, kommt man auf 46 Vorfälle mit 60 Getöteten. Dabei ist aber einerseits zu berücksichtigen, dass ACLED nicht zwischen getöteten Waffenträgern und Zivilpersonen unterscheidet, dass es keine durch einen Vorfall Verletzten erfasst und dass es aufgrund der allgemein schlechten Nachrichtenlage zu Untererfassungen kommen kann. Die Zahlen können daher nur als Schätzungen angesehen werden (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 12-13). Legt man sie jedoch mangels anderer, genauerer Zahlen zugrunde, so beläuft sich das Risiko, aufgrund des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in der Region Sool getötet zu werden bei einer Gesamtbevölkerung in der Region von geschätzten 327.428 Einwohnern (EASO, Somalia Security Situation Dezember 2017, S. 111) auf 1:5457. Die Gefahrenlage erreicht damit nicht das für die Bejahung einer Gefahr ohne Vorliegen gefahrerhöhender Umstände im Einzelfall notwendige besonders hohe Niveau.

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (v.a. FFM Report Somalia, BFA, Länderinformationsblatt Somalia – Somaliland Stand 27.6.2017, S. 11 ff. m.w.N.; EASO Security Situation Report, Februar 2016, S. 73 ff. und Dezember 2017, S. 111 ff) in der Region Sool keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Denn alle Erkenntnisquellen stimmen darin überein, dass in Somaliland das im somaliaweiten Vergleich höchste Niveau an Sicherheit erreicht wurde. Dies gilt auch für die grundsätzlich unsicherere Region an der Grenze zu Puntland, zu der auch die Herkunftsregion des Klägers gehört. Denn auch insoweit stimmen die Quellen überein, dass der Konflikt zwischen Puntland und Somaliland derzeit sehr sporadisch und auf geringem Niveau ausgetragen wird. Sowohl Puntland als auch Somaliland verfügen über Verwaltungseinrichtungen in Teilen von Sool und Sanaag, die vor Ort auch zusammen arbeiten (FFM Report Somalia, S. 103). Zwischen Somaliland und Khatumo finden sogar Verhandlungen statt (FFM Report Somalia, S. 104). Damit besteht auch künftig nicht die Aussicht, dass der Konflikt sich in erheblichem Maße zuspitzen wird und die Gefährdung von Zivilpersonen ein nennenswert größeres Ausmaß erreichen wird.

Eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG liegt damit nicht vor.

2. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). In besonderen Ausnahmefällen können sich solche Gründe auch aus einer völlig unzureichenden Versorgungslage ergeben (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff unter Verweis auf EGMR, U.v. 27.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42, und U.v.28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Eine extreme Gefahrenlage besteht beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris).

Abzustellen ist für beide Abschiebungsverbote auf die Verhältnisse im gesamten Abschiebungszielstaat, wobei zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen sind (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12-31, Rn. 26 und 38). Zielort der Abschiebung wäre hier die somaliländische Hauptstadt Hargeysa, da diese über einen internationalen Flughafen verfügt und der Heimatort L … C … des Klägers von dort aus erreichbar ist (FFM Report Somalia, S. 94).

Was den konkreten Fall des Klägers angeht, so ist er einerseits als junger Mann arbeitsfähig und kann daher auf die Einsetzung seiner Arbeitskraft verwiesen werden. Was die wirtschaftliche Situation in Somaliland angeht ist festzuhalten, dass es den Menschen dort aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfall rascher möglich ist, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten. Arbeitsmöglichkeiten gibt es zwar allenfalls im Infrastruktur- und Baubereich (BFA Länderinformationsblatt Somalia-Somaliland, S. 29). Es herrscht insbesondere unter jungen Männern große Arbeitslosigkeit, 84% der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren in Somaliland ist arbeitslos (BfA a.a.O.). Allerdings kann der Kläger bei einer Rückkehr nach Hargeysa und weiter nach L … C … jedenfalls auf die Unterstützung durch seine Schwester, die nach seinen Angaben in der Anhörung dort als Geschäftsführerin einer Firma mit Kohle handelt, vertrauen. Seine wirtschaftliche Situation vor der Ausreise hatte der Kläger wohl aufgrund dessen als „gut“ beschrieben. Daher droht dem Kläger bei einer Rückkehr weder eine Verletzung des Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen an seinem Heimatort noch ist eine existenzielle Extremgefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG erkennbar.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund besteht, § 132 Abs. 2 VwGO.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

Tenor

I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. November 2017 wird, soweit es der Klage stattgegeben hat, geändert. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Der Kläger ist seinen eigenen Angaben zufolge ein am … Januar 1996 in J … geborener somalischer Staatsangehöriger, der ebenfalls seinen eigenen Angaben nach zum Clan Sheikhal gehört. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 5. Mai 2014 nach Deutschland ein und stellte am 21. Mai 2014 einen Asylantrag.

Bei dem persönlichen Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens am 21. Mai 2014 gab der Kläger an, verheiratet zu sein. Seine Ehefrau heiße A J … H …, geboren im Februar 1996 in D … Die Eheschließung sei im November 2012 in D … erfolgt, seine Ehefrau halte sich dort auf. Er sei Vater des im Juli 2013 in D … geborenen Mädchens A … A … M … A …, das sich in D … aufhalte.

Bei der Anhörung am 8. September 2016 gab der Kläger seinen Stamm mit Sheikhal an, sein Clan heiße Loo Bogay und der Sub-Clan Tolweyn. Bis zu der Ausreise habe er sich in Somalia in der Region L … C …, im Stadtviertel S …, in der S …straße aufgehalten. Verlassen habe er sein Heimatland im Dezember 2012 und in Deutschland sei er nach Aufenthalten in Kenia, Tansania, Uganda, Süd-Sudan, Nord-Sudan, Tschad, Libyen und Italien am 5. Mai 2014 eingereist. Die Reise habe 5.400,00 $ gekostet, die seine Schwester finanziert habe. Seine Schwester sei Geschäftsführerin in der gleichen Region, in der er gewohnt habe. Er habe über Telefon noch Kontakt zu ihr. Seine Eltern lebten in Süd-Somalia in der Region H …, zu ihnen habe er keinen Kontakt mehr, da sie Nomaden seien. Seit er acht Jahre alt gewesen sei, habe er bei seiner Schwester gewohnt. Von deren Wohnung aus habe er Somalia verlassen. Er habe noch drei Brüder, eine Tante und einen Onkel väterlicherseits, mütterlicherseits ebenfalls eine Tante und einen Onkel. Eine Schule habe er nicht besucht. Einen Beruf habe er nicht erlernt und er habe in Somalia auch nie gearbeitet. Seine finanzielle Situation schätze er mit „durchschnittlich“ ein. Seine Schwester kaufe Kohle um sie weiter zu verkaufen. Auf Vorhalt, wieso er die Situation als „durchschnittlich“ einschätze, erklärte der Kläger, dass er die finanzielle Situation als „gut“ einschätze.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, gab der Kläger an, dass er in Laas Canood eine Frau kennengelernt habe. Sie hätten ohne Zustimmung ihrer Familie geheiratet. Diese Frau sei Dhulbahante. Die Familie habe ihm gesagt, dass er zu einer Minderheit gehöre und die Tochter nicht heiraten könne. Zwei Monate lang habe seine Schwester ihn in ein Zimmer eingesperrt, damit die Familie seiner Frau ihn nicht finde und verletze. Danach habe seine Schwester ihm Geld gegeben, um zu fliehen. Dies habe er getan. Auf Nachfrage, wie er die Frau kennengelernt habe, erklärte der Kläger, dass sie sich 2010 in einem großen Markt in Laas Canood kennengelernt hätten. Sie heiße A … H … M … und sei damals 16 Jahre alt gewesen. Die Sheikhal würden von allen anderen Gruppen diskriminiert. Sie nähmen sie wie Sklaven und erlaubten nicht, dass sie Frauen aus anderen Gruppen heiraten. Auf Nachfrage, ob er persönlich diskriminiert worden sei, erklärte der Kläger, dass die Dhulbahante ihn bedroht hätten. Sie hätten ihn geschlagen und mit Waffen bedroht. Sie hätten ihn verletzt. Auf Nachfrage, wann das passiert sei und wo er sich genau befunden hätte erklärte der Kläger, dass er, nachdem er von der Wohnung seiner Schwester geflohen sei, nach H … gegangen sei. Die Leute aus diesem Clan hätten ihn dort gefunden. Dort hätten sie ihn geschlagen und verletzt. Es seien ca. sechs Personen gewesen, aus der Familie seiner Frau. Brüder, Cousinen (gemeint wohl: Cousins), Onkel. Auf Nachfrage, wie diese Leute ihn gefunden hätten, erklärte der Kläger, dass er in einem Hotel gewesen sei. Er sei kurz weggegangen, um Kat zu kaufen. Er habe es gekauft und auf dem Weg zurück ins Hotel hätten diese Leute ihn gefunden und geschlagen. Auf Nachfrage, wie es ihm gelungen sei, diesen Leuten zu entkommen, erklärte der Kläger, dass sie ihn angehalten hätten und einer von ihnen habe gesagt, „Du Sklave, was willst Du von uns“. Er habe geantwortet und gefragt, warum sie ihn beschimpften. Er habe angefangen, ihn mit der Faust zu schlagen. Danach hätten die anderen ihn mit Holzstangen geschlagen. Auf Nachfrage, wie er es geschafft habe zu fliehen, erklärte der Kläger, dass einer von den anderen ihm gesagt habe, dass er, wenn er wieder hierher komme, getötet würde. Er habe große Angst gehabt und daher wegen dieser Drohung das Land verlassen. Auf erneute Nachfrage, wie er sechs Leuten habe entkommen können, erklärte der Kläger, dass eine Frau dort gewesen sei und geschrien habe. Sie habe um Hilfe gerufen. Daraufhin seien drei Männer hinzugekommen. Danach hätten die „Jungen“ ihn freiwillig gelassen. Auf Nachfrage, ob er sich an die Polizei gewandt habe, erklärte der Kläger, dass es zwar Polizei in Somalia gebe, aber da er zu einer Minderheit gehöre, helfe die Polizei ihm nicht. Auf erneute Nachfrage, ob er zur Polizei gegangen sei, erklärte er, dass er zur Polizei gegangen sei, aber die Polizei habe nichts unternommen. Wenn er an einen anderen Ort innerhalb Somalias gehe, würden die Leute ihn dort auch finden. Auf Nachfrage, was mit seiner Frau passiert sei, erklärte der Kläger, dass er ein Kind mit dieser Frau habe. Die Frau sei bei ihrer Familie geblieben und die Tochter sei bei seiner Schwester. Befragt, warum die Leute jetzt noch Interesse haben sollten, ihn umzubringen, erklärte der Kläger, dass sie seine Schwester bedrohten, weil sie ihm geholfen hätte. Dies wisse er, da sie miteinander telefonierten. Seine Schwester sei verheiratet, ihr Ehemann heiße Abd …, den Nachnamen kenne er nicht. Er gehöre zu den Dhulbahante. Befragt, wieso seine Schwester und ihr Ehemann verheiratet sein könnten, obwohl sie aus verschiedenen Volksgruppen stammten, erklärte der Kläger, dass die Männer der Dhulbahante mit Frauen aus seinem Stamm verheiratet sein könnten, aber nicht umgekehrt. Ergänzend gab der Kläger an, dass seine Frau gerade schwanger sei und er bitte, dass sie zusammen hierbleiben dürften. Sie wohne in D … in einem Flüchtlingslager.

Mit Bescheid vom 8. November 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Ziff. 1), lehnte den Antrag auf Asylanerkennung ab (Ziff. 2), erkannte ihm den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Ziff. 3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziff. 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland binnen 30 Tagen zu verlassen, andernfalls wurde ihm die Abschiebung, zuvorderst nach Somalia, angedroht (Ziff. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziff. 6). Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.

Hiergegen ließ der Kläger am 16. November 2016 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben. In der mündlichen Verhandlung vom 27. September 2017 nahm die Bevollmächtigte des Klägers die Klage in Bezug auf die Ziffern 1 und 2 des Bescheids vom 8. November 2016 zurück. Außerdem verzichtete sie auf eine weitere mündliche Verhandlung.

Der Kläger beantragte zuletzt,

den Bescheid vom 8. November 2016, Geschäftszeichen: 57 59 444 – 273 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, festzustellen, dass bei dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus (§ 4 AsylG) vorliegt, hilfsweise, dass Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 2 - 7 AufenthG vorliegen.

Mit Urteil vom 15. November 2017, das ohne weitere mündliche Verhandlung erging, stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren, soweit die Klage zurückgenommen worden ist, ein und verpflichtete die Beklagte, dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger aus dem Gesichtspunkt des subsidiären Schutzes für Familienangehörige einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus habe. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 1 und 2 AsylG werde den Eltern eines minderjährigen ledigen subsidiären Schutzberechtigten bei Erfüllung der in § 26 Abs. 3 Satz 1 bis 5 AsylG genannten Voraussetzungen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt. Das bedeute, dass einem Elternteil eines minderjährigen ledigen stammberechtigten Kindes, hier Mohamed A … A …, dem der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, ebenfalls der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt werde, wenn die weiteren Voraussetzungen von § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 bis 5 AsylG erfüllt seien. Dies sei der Fall. Der Kläger habe die Vaterschaft des oben genannten Kindes anerkannt. Die Entscheidung vom 19. April 2017, mit der dem Kind der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden sei, sei unanfechtbar. Der Umstand, dass das Kind des Klägers im Bundesgebiet geboren sei, spreche nicht dagegen, dass die Familieneinheit schon im Herkunftsstaat bestanden habe im Sinne des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG. Insoweit wurde auf die Ausführungen des VG Sigmaringen in seinem Urteil vom 19. Mai 2017 (A 3 K 3301/16 – juris, Rn. 24 ff.) verwiesen. § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG stehe der Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht entgegen, weil diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut, der eine andere Auslegung nicht zulasse, die Geltung des § 26 Abs. 2 und 3 AsylG eben nur für Kinder, nicht aber für einen Elternteil eines Ausländers ausschließe, der abgeleitet von einem Stammberechtigten selbst nur nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG anerkannt sei.

Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom Senat zugelassenen Berufung.

Sie beantragt,

unter Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung die Klage abzuweisen, soweit ihr stattgegeben wurde.

Zur Begründung bezieht sie sich zunächst auf ihr Vorbringen im Zulassungsverfahren. Dort hat sie ausgeführt, dass die Meinung des Verwaltungsgerichts sich nur schwer mit dem klaren Gesetzeswortlaut vereinbaren lasse. Ihr werde auch in der instanzgerichtlichen Spruchpraxis widersprochen. So führe das VG Würzburg in seinem Urteil vom 29. August 2017 (W 4 K 17.31679 – juris Rn. 15) aus, dass die Voraussetzung des § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG nicht gegeben sei, wenn es an einer Betreuungs- und Erziehungsgemeinschaft im Verfolgerstaat fehle. Ebenso interpretiere das VG Münster in seinem Urteil vom 13. Februar 2017 (5 K 1254/15.A) den § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG. Unter Bezug auf die Kommentarausführungen von Hofmann (Ausländerrecht, 2. Aufl., § 26 AsylG Rn. 27 f) führt sie aus, es sei maßgeblich, dass die Familie schon in dem Staat bestanden habe, in dem der Stammberechtigte verfolgt worden sei. Es müsse eine Betreuungs- und Erziehungsgemeinschaft bestanden haben. Die Voraussetzung läge jedenfalls dann nicht vor, wenn keine Anhaltspunkte dafür vorgebracht oder anderweitig ersichtlich seien, dass bereits im Heimatland eine Familie bestanden habe, in die ein Kind in Deutschland hätte hineingeboren werden können. § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG entspreche im Übrigen im Verhältnis von Ehegatten zueinander dem § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, bei dem einhellige Meinung in Rechtsprechung und Literatur sei, dass im Verfolgerstaat zwingend bereits eine eheliche Lebensgemeinschaft habe bestanden müssen. Soweit sich das Verwaltungsgericht auf die Erwägungen des VG Sigmaringen beziehe, beträfen diese eine wesentlich andere Konstellation. Denn für das VG Sigmaringen sei es im Wesentlichen um die Frage gegangen, ob mit Blick auf § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG ein erst im Bundesgebiet geborenes Kind überhaupt anspruchsvermittelnd sein könne und sich daraus für ein Geschwisterkind ein Anspruch über § 26 Abs. 5 AsylG herleiten lasse. Insoweit verweise das VG Sigmaringen zwar maßgeblich auf Gesichtspunkte des Kindswohls beim Anspruchsteller. Auf solche komme es vorliegend nicht an, denn der Kläger sei volljährig. Überdies habe in dem vom VG Sigmaringen entschiedenen Verfahren anders als vorliegend die familiäre Lebensgemeinschaft der Eltern bereits im Verfolgerstaat bestanden, so dass das in Deutschland geborene Geschwisterkind in eine im Verfolgerstaat schon bestehende Familie habe geboren werden können.

Soweit das VG München den Rechtssatz vertrete, ein Anspruch könne über § 26 Abs. 5 AsylG auch auf Grundlage eines seinerseits nur über § 26 Abs. 5 AsylG abgeleiteten Status hergeleitet werden, widerspreche diese Meinung der grundsätzlichen Struktur der durch § 26 AsylG vermittelten Ansprüche. Zur grundsätzlichen Konzeption des Familienasylanspruchs habe das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 16. August 1993 (9 C 7.93 – NVwZ 1994, 504 ff.) bereits klargestellt, dass ein Anspruch nur von einem aus originären Gründen anerkannten, nicht aber einem seinerseits nur aufgrund § 26 AsylVfG Berechtigten abgeleitet werden könne. Diesen Grundsatz nehme § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG zwar nur insoweit ausdrücklich auf, als es die Kinder von ihrerseits nach § 26 Abs. 2 oder Abs. 3 AsylG Anerkannten anbelange. Es sei aber nicht erkennbar, dass diese Regelung dem Zweck hätte dienen sollen, entgegen der bereits höchstrichterlichen Klarstellungen für die Eltern von ihrerseits nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG Anerkannten eine Anspruchserweiterung zu bewirken. Denn nach zutreffender Interpretation des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG sei davon auszugehen, dass nur ein bereits im Verfolgerstaat bereits in familiärer Gemeinschaft mit seinen Eltern lebendes Kind überhaupt einen Anspruch vermitteln könne. Dann bedürfe es aber keiner weiteren gesetzlichen Regelung zur Begrenzung der Anspruchsvermittlung auf den Fall einer aus originären Gründen erfolgten Statuszuerkennung bei Stammberechtigten. Bereits in der Vergangenheit habe die berufungsgerichtliche Spruchpraxis eine Anwendung des § 26 AsylG auf Fallgestaltungen, in denen die Ableitung der Asylberechtigung zugunsten der Eltern von einem asylberechtigten Kind in Rede stehe, abgelehnt (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 9.6.1997 – A 4 S 182/96 – EZAR 2015 Nr. 16; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 11.5.1994 – 21 A 3262/91.A – juris). Gleiches werde in der Kommentarliteratur vertreten. Danach schließe § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG nicht nur die Möglichkeit aus, dass familienasylberechtigte Kinder, Eltern, sonstige Erwachsene und Geschwister ihrerseits Familienasyl an ihre Kinder, also insbesondere an die Enkel des Stammberechtigten vermittelten. Vielmehr werde daneben auch die Vorschrift herangezogen, um den Willen des Gesetzgebers zu verdeutlichen, dass grundsätzlich nur ein wegen eigener politischer Verfolgung Asylberechtigter, nicht aber ein allein FamilienasylBerechtigter in der Lage sei, als Stammberechtigter Familienasyl zu vermitteln (BeckOK Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 26).

Ergänzend wurde im Berufungsverfahren vorgetragen, dass das vom Verwaltungsgericht gefundene Ergebnis sich auch nicht auf anderer Grundlage bejahen lasse. Dass die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 AsylG in der Person des Klägers erfüllt sein könnten, sei nicht erkennbar. Gleiches gelte für die Zuerkennung nationalen Abschiebungsschutzes. Insbesondere würde der im Hinblick auf das bleibeberechtigte Kind zu berücksichtigende Schutzbereich des Art. 6 GG nicht zu als zielstaatsbezogen zu wertenden Gefahrenlagen führen. Auch aus der unzureichenden Versorgungslage in Somalia folge kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei dabei auf Mogadischu abzustellen, weil dort die Abschiebung ende. Die Hauptstadt könne, wie der Senat in seinem Urteil vom 23. März 2017 (20 B 15.30110) festgestellt habe, mit Linienflügen direkt angeflogen werden, ohne dass die Gefahr bestehe, in einem anderen, weniger sicheren Landesteil Somalias landen oder diesen durchreisen zu müssen. Die allgemein schlechte Versorgungslage begründe ebenso wenig ein generelles Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Der Kläger verteidigt die verwaltungsgerichtliche Entscheidung. Zu Recht führe das Verwaltungsgericht aus, dass der Stammberechtigte (hier: das Kind des Klägers) nicht bereits vor der Einreise der Familie geboren sein müsse. Das Erstgericht setze sich auch damit auseinander, dass § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG, wonach die Familie bereits im Heimatland bestanden haben müsse, in dem der Flüchtige politisch verfolgt werde, lediglich auf den Herkunftsstaat verweise (siehe auch Heranziehung der Nachfluchttatbestände unter Berücksichtigung der europarechtlichen Vorgaben des Art. 2 lit. j Richtlinie/95/EG) und ersichtlich dazu diene, das Wort Heimatland zu definieren und zu beschreiben.

Er beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Bundesamtsakten und die Akten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 26. April 2018 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Der Kläger hat weder aus abgeleitetem Recht noch originär einen Anspruch auf Feststellung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG (hierzu 1. und 2.). Auch die Voraussetzungen für die Feststellung des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG liegen nicht vor (hierzu 3.). Das Urteil des Verwaltungsgerichts München ist daher, soweit darin der Klage stattgegeben wurde, aufzuheben und die Klage insoweit abzuweisen.

1. Entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts begründet die Tatsache, dass das Kind des Klägers Mohammed A  … A …, geb. am … November 2016 in D …, abgeleitet von dessen Mutter I … A … A …, der subsidiäre Schutzstatus mit Bescheid des Bundesamts vom 19. April 2017 zuerkannt wurde, keinen Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 3 AsylG. Nach § 26 Abs. 5 Satz 1 AsylG sind auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt nach § 26 Abs. 5 Satz 2 AsylG die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 AsylG werden die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist (Nr. 1), die Familie im Sinne des Art. 1 Buchst. j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird (Nr. 2), sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben (Nr. 3), die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist (Nr. 4), und sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben (Nr. 5).

Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, 3 und 4 AsylG liegen im Falle des Klägers i.V.m. § 26 Abs. 5 AsylG unstreitig vor: Die Anerkennung des Kindes des Klägers als subsidiär Schutzberechtigter ist unanfechtbar (Nr. 1), der Kläger ist vor der Anerkennung seines Sohnes als subsidiär Schutzberechtigter eingereist (Nr. 3) und dessen Anerkennung ist nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen (Nr. 4). Allerdings scheitert die Zuerkennung der subsidiären Schutzberechtigung an den fehlenden Voraussetzungen nach § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG (hierzu a)). Daneben steht § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für den Kläger abgeleitet von dessen Sohn entgegen (hierzu b)). Und schließlich fehlt es auch an der Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. Abs. 5 AsylG (hierzu c)).

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG liegen nicht vor. Nach § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG muss die Familie im Sinne des Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden haben, in dem der Asylberechtigte (bzw. subsidiär Schutzberechtigte, § 26 Abs. 5 AsylG) politisch verfolgt wird. Hier hat die Familie, die der Kläger zusammen mit dem Stammberechtigten bildet, in dem Land, in dem dem Stammberechtigten ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG droht, also in Somalia, noch nicht bestanden.

Der Kläger hatte nach seinen eigenen Angaben beim Bundesamt in Somalia bereits zwei unterschiedliche Frauen. Bei der Befragung zur Feststellung des zuständigen Mitgliedstaats am 21. Mai 2014 gab der Kläger an, verheiratet zu sein, seine Frau heiße Ali Yasmin Hussein, geboren im Februar 1996 in Dhimbil und halte sich dort auf. Auch ein 2013 geborenes Mädchen halte sich dort auf.

In der Anhörung vom 8. September 2016 gab der Kläger daneben an, aus Somalia geflüchtet zu sein, da er ein Mädchen aus einem Mehrheitsclan geheiratet und mit dieser ein gemeinsames Kind habe. Als Name dieser Frau gab er A … H … M … an, sie lebe bei seiner Mutter in L … C … Bei beiden Frauen (und den dazugehörigen Kindern) handelt es sich offensichtlich nicht um die gleichen Personen.

Darüber hinaus gab er zu Beginn seiner Anhörung vom 8. September 2016 an, dass er seine jetzige Frau, die Mutter des Stammberechtigten, in Deutschland kennengelernt und „traditionell“ geheiratet habe. Auch diese Frau ist daher mit keiner der Frauen, die der Kläger in Somalia geheiratet hat, und mit denen er dort zumindest teilweise zusammengelebt hat bzw. angibt, zusammen gelebt zu haben, identisch. Daher liegt, ungeachtet der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Entscheidung des VG Sigmaringen und der dort thematisierten Frage, ob auch ein erst in Deutschland geborenes Kind Stammberechtigter im Sinne des § 26 AsylG sein kann, im Falle des Klägers jedenfalls keine Familie in Deutschland vor, die in Somalia schon im Sinne von § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG bestanden hat. Der Sohn des Klägers, von dem dieser den subsidiären Schutzstatus ableiten will, ist daher (anders als in dem vom VG Sigmaringen entschiedenen Fall) nicht in eine Familie hinein geboren worden, die bereits in dem Land bestanden hat, in dem ihm ein Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen würde. Vielmehr ist die Familie, in die er hinein geboren wurde, erst in Deutschland entstanden. Daher scheidet die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 AsylG an der fehlenden Tatbestandsvoraussetzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AsylG aus (ebenso Schröder in Hofmann, Ausländerrecht, 2. Aufl. 2016, § 26 AsylG, Rn. 29; Günther in Beck-OK Ausländerrecht, § 26 Rn. 23b, 9; Bergmann in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2008, § 26 Rn. 16 i.V.m. Rn. 12).

b) Daneben steht § 26 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus für den Kläger, abgeleitet von dessen Sohn, entgegen. Nach § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG gelten die Absätze 2 und 3 nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Abs. 2 oder Abs. 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist. Aufgrund der Beschränkung des Ausschlusses auf „Kinder eines Ausländers“ hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (S. 9) ausgeführt, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus auf Grund § 26 AsylG nicht entgegenstehe, weil diese Vorschrift nach ihrem eindeutigen Wortlaut, der eine andere Auslegung nicht zulasse, die Geltung des § 26 Abs. 2 und 3 AsylG eben nur für Kinder, nicht aber für einen Elternteil eines Ausländers ausschließe, der abgeleitet von einem Stammberechtigten (nur) nach § 26 Abs. 2 oder 3 AsylG anerkannt worden sei. Diese Auslegung durch das Verwaltungsgericht trägt aber weder der Entstehungsgeschichte der Norm noch dem Sinn und Zweck der Regelung Rechnung. Tatsächlich ist § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG weit dahingehend auszulegen, dass eine Gewährung von abgeleitetem Schutz nach § 26 AsylG von einem Familienangehörigen, der selbst diesen Schutzstatus über § 26 AsylG erhalten hat, nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus den folgenden Überlegungen:

§ 26 AsylG hat seine derzeitige Fassung im Wesentlichen durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (BGBl 2013, 3474) erhalten. Damit wurde in § 26 Abs. 3 AsylG einerseits die Möglichkeit eröffnet, auch den Eltern oder minderjährigen ledigen Geschwistern eines anerkannten Asylberechtigten einen abgeleiteten Schutzstatus zu gewähren. Darüber hinaus wurde in Absatz 5 die entsprechende Anwendung der auf Asylberechtigte abzielenden Regelung in den Absätzen 1 bis 4 auf international Schutzberechtigte, also Personen mit Flüchtlingsstatus oder subsidiärer Schutzberechtigung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), eingeführt. Die Gesetzesmaterialien führen zu Absatz 4 Satz 2 lediglich aus, dass dieser Ableitungsketten ausschließe. Die Möglichkeit für Familienangehörige, einen Asylantrag auf eigene Verfolgungsgründe zu stützen, bleibe unberührt (BT-Drs. 17/13063, S. 21). Mit der Verwendung des Begriffs „Ausschluss von Ableitungsketten“ bezieht sich die Gesetzesbegründung auf die alte Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum früheren § 26 AsylVfG (U.v. 16.8.1993 – 9 C 7/93 – DVBl 1994, 58, juris 1. Leitsatz; U.v. 7.3.1995 – 9 C 389/94 – BayVBl 1995, 471). Dieses hat ausgeführt, dass Asyl nach § 26 AsylVfG nur Ehegatten und Kindern eines aufgrund Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. bzw. Art. 16a Abs. 1 GG Asylberechtigten, nicht jedoch eines seinerseits nur aufgrund § 26 AsylVfG Berechtigten zustehe. Dies ergebe sich aus Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck des § 26 AsylVfG. Die Vorschrift definiere in ihrem Abs. 1 Nr. 1 die Familienasyl vermittelnde Person als „Asylberechtigten“, der „politisch verfolgt wird“ und versage in ihrem Abs. 3 Familienasyl den Kindern eines Ausländers, der selbst nur gemäß § 26 Abs. 2 AsylVfG Familienasyl berechtigt sei (BVerwG, Urteil v. 16.8.1993 – 9 C 7/93 – juris Rn. 8). Auch in der Rechtsprechung zur Frage der Asylberechtigung von Familienangehörigen politisch Verfolgter sei es immer um die Asylberechtigung von Familienangehörigen eines im Sinne des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG a.F. politisch Verfolgten gegangen. Eine der maßgebenden Überlegungen dieser Rechtsprechung sei gewesen, dass nächste Angehörige nicht völlig außerhalb der Reichweite der einem politisch Verfolgten drohenden Gefahr gesehen werden könnten (BVerwG a.a.O. unter Verweis auf BVerwG, Urteil v. 25.6.1991 – 9 C 48.91 – BVerfGE 88, 326). Im Falle einer Ableitungskette, also wenn zwischen dem originär Schutzberechtigten und dem den abgeleiteten Schutz nach § 26 AsylG Begehrenden weitere Personen stehen, greift dieser Grundgedanke der Nähe des den Schutz nach § 26 AsylG Begehrenden zum originär Schutzberechtigten und damit politisch Verfolgten nicht (vgl. hierzu Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 32).

Zudem fand sich die Beschränkung auf „Kinder eines Ausländers“ bereits in der vor dem Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU geltenden Fassung des § 26 AsylVfG vom 2. September 2008 (BGBl 2008, 1798). Nach dieser Fassung des § 26 AsylVfG konnte ein abgeleiteter Schutzstatus nur für Ehegatten nach § 26 Abs. 1 AsylVfG a.F. bzw. für minderjährige ledige Kinder nach § 26 Abs. 2 AsylVfG a.F. eines Asylberechtigten gewährt werden. Die Begrenzung im damaligen § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylVfG a.F. auf Kinder eines Ausländers war also zum diesem Zeitpunkt folgerichtig. Sie wurde bei der Erweiterung des Geltungsbereichs des § 26 AsylVfG durch das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU (s.o.) übernommen, ohne dass dabei gesehen wurde, dass der Anwendungsbereich des § 26 AsylVfG sich enorm vergrößert hatte. Nachdem die Gesetzesbegründung insoweit lediglich ausführt, dass § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG Ableitungsketten ausschließen solle, deutet dies darauf hin, dass es sich dabei um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers handelt.

Zudem knüpfen § 26 Abs. 1 Nr. 2 AsylG und § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG jeweils an den Staat, in dem der „Asylberechtigte“ bzw. i.V.m. § 26 Abs. 5 AsylG der international Schutzberechtigte politisch verfolgt wird. Politisch verfolgt ist aber nur der Stammberechtigte, nicht der seinerseits nur nach § 26 AsylG Berechtigte (Hailbronner, Ausländerrecht, § 26 AsylG, Rn. 32).

Damit spricht auch § 26 Abs. 3 Nr. 2 AsylG im Falle des Klägers gegen eine Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus an diesen abgeleitet von seinem Sohn: Denn der Sohn des Klägers hat den subsidiären Schutzstatus wiederum nur abgeleitet von seiner Mutter erhalten. Er wird daher nicht im Sinne von § 26 Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 AsylG in seinem Heimatland Somalia politisch verfolgt bzw. droht ihm dort kein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 AsylG. Vielmehr hat er diesen Schutzstatus abgeleitet von seiner Mutter und ungeachtet der Frage, ob ihm selbst dort ein Schaden i.S.v. § 4 Abs. 1 AsylG droht, erhalten (vgl. die Begründung des ihm subsidiären Schutz gewährenden Bescheids des Bundesamts vom 19. April 2017). Daher steht der Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus an den Kläger auch § 26 Abs. 4 Satz 2 AsylG entgegen (im Ergebnis ebenso Günther in Beck-OK Ausländerrecht, § 26 Rn. 22 und 26; Bodenbender in GK-AsylG, Stand Juni 2008, § 26 Rn. 71). Das vom Verwaltungsgericht zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 19. Mai 2017 (A 3 K 3301/16 – juris) verhält sich zu dieser Frage nicht.

c) Dem Kläger steht darüber hinaus auch die Personensorge für seinen Sohn nicht zu, so dass die Tatbestandsvoraussetzung des § 26 Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. Abs. 5 AsylG nicht vorliegt. Das Verwaltungsgericht beschränkt sich in seinem Urteil insoweit auf die Feststellung, dass nicht ersichtlich sei, dass der Kläger nicht die Personensorge innehaben könnte. Diese Feststellung ist jedoch unzureichend. Das Innehaben der Personensorge für den Stammberechtigten ist ein Tatbestandsmerkmal nach § 26 Abs. 3 i.V.m. Abs. 5 AsylG. Für die positive Feststellung des subsidiären Schutzstatus aus abgeleitetem Recht ist es daher erforderlich, dass das Verwaltungsgericht dieses Tatbestandmerkmal positiv feststellt. Dies gebietet bereits der Amtsermittlungsgrundsatz des § 86 VwGO (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 6). Will das Verwaltungsgericht aus diesem Grunde der Klage stattgeben, so kann es sich nicht darauf beschränken, festzuhalten, dass nicht ersichtlich sei, dass dieses Tatbestandsmerkmal nicht vorliege.

Im Gegenteil ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen, dass der Kläger gerade nicht die Personensorge für den Stammberechtigten innehat. Zum einen wurde beim Bundesamt (Bl. 63 d. BA-Akte) und als Anlage zur Klageschrift lediglich die Urkunde vom 28. Juli 2016 vorgelegt, mit der der Kläger die Vaterschaft für den zu diesem Zeitpunkt noch nicht geborenen Stammberechtigten anerkannt hat. Damit steht allein fest, dass der Kläger Vater des Stammberechtigten ist, § 1592 Nr. 2 BGB. Eine Aussage zur Personensorge für den Stammberechtigten wird damit nicht getroffen. Für die elterliche Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern regelt § 1626a BGB, dass, wenn die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zusteht, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärung) oder wenn sie einander heiraten. Nach § 1626a Abs. 2 BGB hat im Übrigen die Mutter die elterliche Sorge.

Der Kläger hat bei der Anhörung gegenüber dem Bundesamt (Bl. 56 d. BA-Akte) erklärt, dass er die Mutter des Stammberechtigten „traditionell“ im Bundesgebiet geheiratet habe. Damit kann ungeachtet der Tatsache, dass sowohl der Kläger als auch die Kindsmutter somalische Staatsangehörige sind, nicht von einer wirksam geschlossenen Ehe ausgegangen werden, da diese nach Art. 13 Abs. 4 Satz 1 EGBGB im Inland nur in der hier vorgeschriebenen Form geschlossen werden kann (vgl. auch VG Münster, U.v. 28.2.2018 – 8 L 198/18.A – juris Rn. 3). Anhaltspunkte dafür, dass die Voraussetzungen nach Art. 13 Abs. 4 Satz 2 EGBGB vorliegen, sind nicht ersichtlich. Gegen eine wirksame Eheschließung in Deutschland spricht auch, dass der Kläger seine Vaterschaft für den Stammberechtigten in der vorgelegten Urkunde anerkannt hat. Wären der Kläger und die Mutter des Stammberechtigten wirksam verheiratet, so wäre dies aufgrund § 1592 Nr. 1 BGB nicht notwendig gewesen. Hinzu kommt, dass in der Belehrung vor Anerkennung der Vaterschaft vom 28. Juli 2016 (Bl. 64 d. BA-Akte) durch das Jugendamt Do … darauf hingewiesen wurde, dass das Sorgerecht für das Kind nicht miteinander verheirateter Eltern, grundsätzlich allein der volljährigen Mutter zustehe. Ein gemeinsames Sorgerecht setze voraus, dass sowohl die Mutter als auch der Vater in öffentlich beurkundeter Form erklärten, die Sorge gemeinsam ausüben zu wollen. Nachdem eine derartige Sorgerechtserklärung nicht vorgelegt wurde, ist davon auszugehen, dass eine solche auch nicht erfolgt ist.

Ein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus aus abgeleitetem Recht scheitert daher auch an der fehlenden Personensorge des Klägers für den „Stammberechtigten“.

2. Der Kläger hat aufgrund seiner Angaben im Asylverfahren keinen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus. Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).

Nach den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen stellt sich die allgemeine Situation in Somalia aktuell im Wesentlichen wie folgt dar: Somalia ist spätestens seit Beginn des Bürgerkriegs 1991 ohne flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden „Somaliland“ im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen Al-Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Das Land zerfällt faktisch in drei Teile, nämlich das südliche und mittlere Somalia, die Unabhängigkeit beanspruchende „Republik Somaliland“ im Nordwesten und die autonome Region Puntland im Nordosten. In Puntland gibt es eine vergleichsweise stabile Regierung; die Region ist von gewaltsamen Auseinandersetzungen deutlich weniger betroffen als Süd-/Zentralsomalia. In „Somaliland“ wurde im somaliaweiten Vergleich das bislang größte Maß an Sicherheit, Stabilität und Entwicklung erreicht. In Südbzw. Zentralsomalia mit der Hauptstadt Mogadischu kämpfen die somalischen Sicherheitskräfte mit Unterstützung der Militärmission der Afrikanischen Union AMISOM gegen die Al-Shabaab-Miliz. Die Gebiete befinden sich teilweise unter der Kontrolle der Regierung, teilweise unter der Kontrolle der Al-Shabaab-Miliz oder anderer Milizen. Die meisten größeren Städte sind schon seit längerer Zeit in der Hand der Regierung, in den ländlichen Gebieten herrscht oft noch die Al-Shabaab. In den „befreiten“ Gebieten finden keine direkten kämpferischen Auseinandersetzungen mehr statt. Die Al-Shabaab verübt jedoch immer wieder Sprengstoffattentate auf bestimmte Objekte und Personen, bei denen auch Unbeteiligte verletzt oder getötet werden (siehe Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia vom 7. März 2018 – Stand: Januar 2018, S. 4 f.; Österreichisches Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia – vom 12. Januar 2018, S. 7 ff. und Analyse der Staatendokumentation – Somalia – Sicherheitslage, 12. Oktober 2015, S. 32; siehe auch EGMR, U.v. 10.9.2015 – Nr. 4601/14 [R.H./Schweden] – NVwZ 2016, 1785; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11, [K.A.B. ./. Schweden] – Rn. 87 ff.; BayVGH, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris, U.v. 17.3.2016 – 20 B 13.30233 – juris und U.v. 28. März 2017 – 20 B 19.30204 – juris; OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29).

Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger in seinem Heimatland Somalia die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe droht, wurden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Dem Kläger droht in seinem Heimatland Somalia auch keine Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG. Soweit der Kläger in der Anhörung eine Bedrohung durch die zum Mehrheitsclan der Dhulbahante gehörende Familie des Mädchens, das er in L … C … kennengelernt und geheiratet habe und mit der er ein Mädchen gezeugt habe, geltend macht, erachtet der Senat seinen Vortrag als unglaubhaft. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf zutreffenden Ausführungen des Bundesamts im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen und gemäß § 77 Abs. 2 AsylG von einer weiteren Darstellung abgesehen.

Dem Kläger droht auch keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit als Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). Für die Gefahrenprognose ist bei einem nicht landesweiten Konflikt auf den tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr abzustellen. Für die Frage, welche Region als Zielort seiner Rückkehr anzusehen ist, kommt es weder darauf an, für welche Region sich ein unbeteiligter Betrachter vernünftigerweise entscheiden würde, noch darauf, in welche Region der betroffene Ausländer aus seinem subjektiven Blickwinkel strebt. Zielort der Abschiebung ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird (BVerwG, U.v. 14.7.2009 – 10 C 9.08 – juris Rn. 17 unter Hinweis auf EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji]; zum Ganzen OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 16.12.2015 – 10 A 10689/15 – juris = Asylmagazin 2016, 29). Im Falle des Klägers, der vor seiner Ausreise nach seinen Angaben seit er acht Jahre alt war bei seiner Schwester in L … C … in der Region Sool, die zu Somaliland gehört, gelebt hat, ist auf diese Region als Herkunfts- und Rückkehrregion abzustellen.

Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grades an Gewalt ist (EuGH, Urteil v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakite] – NVwZ 2014, 573 = juris, Leitsatz 1 und Rn. 28; BayVGH, Urteil v. 7.4.2016 – 20 B 14.30101 – juris Rn. 20).

Im Südosten Somalilands haben Angehörige des Dulbahante-Clans 2012 den Staat Khatumo ausgerufen. Dieser umfasst die bereits zuvor von der Miliz SSC (Sool-Sanaag-Cayn) beanspruchten Gebiete des Dulbahante-Clans und damit auch die Herkunftsregion des Klägers. Allerdings kontrolliert Khatumo nur kleine Teile des beanspruchten Territoriums. Khatumo verfügt über eine eigene Miliz, nicht aber über funktionierende Verwaltungsstrukturen. Khatumo hat keinen großen Einfluss und der Konflikt zwischen Somaliland und Khatumo wird nur mit geringer Intensität ausgetragen; es kommt in den Regionen Togdheer und Sool zu vereinzelten bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen somaliländischer Armee und der Miliz von Khatumo (BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Somalia Somaliland – Stand: 27.6.2017, S. 11 und insb. die Karte auf S. 12). Seit 2008 wurden keine terroristischen Aktivitäten der Al-Shabaab in Somaliland mehr registriert. Die Region wird als Rückzugsraum auch für höherrangige Mitglieder der Al-Shabaab genutzt, es wird vermutet, dass es eine Art Stillhalteabkommen zwischen der Al-Shabaab und der somaliländischen Regierung gibt (Fact Finding Mission (FFM) Report Somalia, Sicherheitslage in Somalia, Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, August 2017, S. 105). Al-Shabaab bleibt grundsätzlich eine Bedrohung unbekannten Ausmaßes für Somaliland und verfügt über eine Präsenz in Hargeysa. Daneben wird eine temporäre Präsenz und sporadische Aktivitäten der Gruppe in den umstrittenen Gebieten Ost-Somalilands und in Burco gemeldet, wo es zu gezielten Tötungen von Deserteuren der Al-Shabaab gekommen ist (FFM Report Somalia, S. 106/107). Dennoch ist die Al-Shabaab aber nicht generell in der Lage, in Somaliland gezielte Attentate durchzuführen, dazu fehlt ihr das dafür notwendige Netzwerk (FFM Report Somalia S. 107). In der Region Sool kommt es zudem zu vereinzelten Grenzauseinandersetzungen mit Puntland, wobei beide Verwaltungen vor Ort aber auch zusammen arbeiten (FFM Report Somalia, S. 103). Laut EASO sind die wesentlichen Akteure im Konflikt in der Region neben den Streitkräften bzw. Polizeieinheiten Somalilands und Puntlands die Clan-Milizen der Dulbahante (bzw. des Staates Khatumo) (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 22, 111). Nachdem damit immer wieder verschiedene bewaffnete Gruppen in der Region Sool aufeinandertreffen, ist grundsätzlich von einem bewaffneten innerstaatlichen Konflikt dort im Sinne des genannten Urteils des Europäischen Gerichtshofs auszugehen.

Allerdings ist der Kläger aufgrund der beschriebenen Konfliktlage in seiner Heimatregion als Zivilperson keiner ernsthaften, individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt. Für die Annahme einer ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung führt (BVerwG, U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Die von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich jedoch individuell verdichten. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhenden persönlichen Umständen beruhen. Dies sind solche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 17.11.2010 – 10 C 13.10 – juris Rn. 18). Im Ausnahmefall kann eine ernsthafte individuelle Bedrohung von Leib oder Leben aber auch durch eine allgemeine Gefahr hervorgerufen sein, die sich in besonderer Weise zugespitzt hat. Gefahren, denen die Bevölkerung oder eine Bevölkerungsgruppe eines Landes „allgemein“ ausgesetzt ist, stellen normalerweise zwar keine individuelle Bedrohung dar. Eine Ausnahme davon gilt aber bei besonderer Verdichtung der Gefahr, die unabhängig von individuellen gefahrerhöhenden Umständen zu deren Individualisierung führt. Davon ist auszugehen, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder die betroffene Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr liefe, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH, U.v. 17.2.2009 – C-465/07 [Elgafaji] – juris Rn. 35, 39; U.v. 30.1.2014 – C-285/12 [Diakité] – juris Rn. 30; BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 32; U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 19).

Unabhängig davon, ob die individuelle Bedrohungssituation auf persönliche Umstände oder ausnahmsweise auf die allgemeine Lage im Herkunftsland zurückgeht, sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem jeweiligen Gebiet zu treffen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. In beiden Konstellationen ist eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die dort von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen verübt werden, notwendig (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33). Es bedarf zudem einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (BVerwG, U.v. 27.4.2010 – 10 C 4.09 – juris Rn. 33; U.v. 13.2.2014 – 10 C 6.13 – juris Rn. 24). Das Bundesverwaltungsgericht sieht ein Risiko von 1:800, in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 – 10 C 13.10 – juris Rn. 22 f.; U.v. 17.11.2011 – 10 C 11/10 – juris Rn. 20 f. [Risiko von 1:1000]).

Gemessen an den vorgenannten Kriterien fehlt es an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers bei einer Rückkehr nach L … C … in der Region Sool.

Gefahrerhöhende persönliche Umstände, die ihn wegen persönlicher Merkmale einem besonderen Sicherheitsrisiko aussetzen könnten, liegen nicht vor. Der Kläger gehört keiner Risikogruppe an. Insbesondere stellt seine Zugehörigkeit zu dem Minderheitenclan der Sheikhal keinen gefahrerhöhenden Umstand dar. Zwar werden die Angehörigen berufsständischer Gruppen (wie die Tumal oder die Gabooye) und ethnischer Minderheiten (wie die Bantu oder die Sheikal) in der somalischen Gesellschaft häufig diskriminiert und marginalisiert (Schweizer Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Somalia – Clans und Minderheiten, Mai 2017, S. 38). Polizei und Justiz benachteiligen Angehörige von Minderheiten aber nicht (mehr) systematisch, insbesondere aus Somaliland wird berichtet, dass die dortige Justiz die Minderheiten in den letzten Jahren mehrheitlich fair behandelt habe (SEM, Focus Somalia – Clans und Minderheiten, Mai 2017, S. 41). Jedenfalls lässt sich aus der Zugehörigkeit zu einem Minderheitenclan kein erhöhtes Risiko ableiten, Opfer der willkürlichen Gewalt im Rahmen des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in der Region Sool zu werden.

Während des Jahres 2017 gab es fast keine bewaffneten Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit dem Grenzkonflikt zwischen Somaliland und Puntland. Dennoch bleibt die Situation im östlichen Somaliland an der Grenze zum Khatumo-Staat zerbrechlich. Dies liegt aber hauptsächlich an Auseinandersetzungen zwischen lokalen Clans (hauptsächlich Sub-Clans der Dulbahante), die 2017 eskaliert sind, vermutlich aufgrund der Dürre und der dadurch ausgelösten Ressourcenknappheit (EASO, Somalia Security Situation Dezember 2017, S. 112; FFM Report Somalia, S. 102). Zwischen Khatumo und Somaliland finden derzeit Verhandlungen mit dem Ziel, einen Aus Weg aus der Situation zu finden, statt (FFM Report Somalia, S. 104). Von Januar 2016 bis einschließlich August 2017 zählte ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) in der Region Sool 89 gewaltsame Vorfälle mit insgesamt 67 Todesfällen. Auf das Jahr 2016 entfielen dabei 58 Vorfälle mit 27 Getöteten und auf 2017 31 Vorfälle mit 40 Getöteten (EASO Security Situation Dezember 2017, S. 112). Rechnet man die Zahl für Januar bis August 2017 auf das Gesamtjahr hoch, kommt man auf 46 Vorfälle mit 60 Getöteten. Dabei ist aber einerseits zu berücksichtigen, dass ACLED nicht zwischen getöteten Waffenträgern und Zivilpersonen unterscheidet, dass es keine durch einen Vorfall Verletzten erfasst und dass es aufgrund der allgemein schlechten Nachrichtenlage zu Untererfassungen kommen kann. Die Zahlen können daher nur als Schätzungen angesehen werden (EASO, Somalia Security Situation, Dezember 2017, S. 12-13). Legt man sie jedoch mangels anderer, genauerer Zahlen zugrunde, so beläuft sich das Risiko, aufgrund des bewaffneten innerstaatlichen Konflikts in der Region Sool getötet zu werden bei einer Gesamtbevölkerung in der Region von geschätzten 327.428 Einwohnern (EASO, Somalia Security Situation Dezember 2017, S. 111) auf 1:5457. Die Gefahrenlage erreicht damit nicht das für die Bejahung einer Gefahr ohne Vorliegen gefahrerhöhender Umstände im Einzelfall notwendige besonders hohe Niveau.

Auch ungeachtet einer quantitativen Bewertung ergibt sich unter Zugrundelegung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen (v.a. FFM Report Somalia, BFA, Länderinformationsblatt Somalia – Somaliland Stand 27.6.2017, S. 11 ff. m.w.N.; EASO Security Situation Report, Februar 2016, S. 73 ff. und Dezember 2017, S. 111 ff) in der Region Sool keine solche Gefahrendichte, dass jedermann alleine aufgrund seiner Anwesenheit dort mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen muss, Opfer willkürlicher Gewalt zu werden. Denn alle Erkenntnisquellen stimmen darin überein, dass in Somaliland das im somaliaweiten Vergleich höchste Niveau an Sicherheit erreicht wurde. Dies gilt auch für die grundsätzlich unsicherere Region an der Grenze zu Puntland, zu der auch die Herkunftsregion des Klägers gehört. Denn auch insoweit stimmen die Quellen überein, dass der Konflikt zwischen Puntland und Somaliland derzeit sehr sporadisch und auf geringem Niveau ausgetragen wird. Sowohl Puntland als auch Somaliland verfügen über Verwaltungseinrichtungen in Teilen von Sool und Sanaag, die vor Ort auch zusammen arbeiten (FFM Report Somalia, S. 103). Zwischen Somaliland und Khatumo finden sogar Verhandlungen statt (FFM Report Somalia, S. 104). Damit besteht auch künftig nicht die Aussicht, dass der Konflikt sich in erheblichem Maße zuspitzen wird und die Gefährdung von Zivilpersonen ein nennenswert größeres Ausmaß erreichen wird.

Eine ernsthafte individuelle Bedrohung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG liegt damit nicht vor.

2. Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG liegen nicht vor.

a) Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist. Einschlägig ist hier das Verbot der Folter und der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung des Art. 3 EMRK. Denn die Abschiebung durch einen Konventionsstaat kann dessen Verantwortlichkeit auch dann begründen, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass der Betroffene dadurch tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (EGMR, U.v. 12.1.2016 – Nr. 13442/08 [A.G.R./Niederlande] – NVwZ 2017, 293; U.v. 5.9.2013 – Nr. 886/11 [K.A.B./Schweden] – Rn. 68; U.v. 28.2.2008 – Nr. 37201/06 [Saadi/Italien] – NVwZ 2008, 1330 Rn. 125; ebenso BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 m.w.N.). In besonderen Ausnahmefällen können sich solche Gründe auch aus einer völlig unzureichenden Versorgungslage ergeben (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – juris Rn. 23 ff unter Verweis auf EGMR, U.v. 27.5.2008 – Nr. 26565/05 [N./Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2008, 1334 Rn. 42, und U.v.28.6.2011 – Nr. 8319/07 [Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich] – NVwZ 2012, 681; ebenso BayVGH, U.v. 21.11.2014 – 13a B 14.30284 – juris Rn. 17 f.).

b) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG sind Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Diese Sperrwirkung kann nur dann im Wege einer verfassungskonformen Auslegung eingeschränkt werden, wenn für den Schutzsuchenden ansonsten eine verfassungswidrige Schutzlücke besteht (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2008 – 10 C 43.07 – juris Rn. 32 m.w.N.). Im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die den Kläger in Somalia erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, kann er Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Die drohenden Gefahren müssen nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Die Gefahren müssen dem Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Nach diesem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad muss eine Abschiebung dann ausgesetzt werden, wenn der Ausländer ansonsten „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde“ (vgl. BVerwG, U.v. 12.7.2001 – 1 C 5.01 – BVerwGE 115, 1 m.w.N. = juris). Schließlich müssen sich diese Gefahren alsbald nach der Rückkehr realisieren. Eine extreme Gefahrenlage besteht beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. zu alldem BVerwG, U.v. 29.9.2011 – 10 C 24.10 – BVerwGE 137, 226 = juris).

Abzustellen ist für beide Abschiebungsverbote auf die Verhältnisse im gesamten Abschiebungszielstaat, wobei zunächst die Verhältnisse am Zielort der Abschiebung zu prüfen sind (BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15.12 – BVerwGE 146, 12-31, Rn. 26 und 38). Zielort der Abschiebung wäre hier die somaliländische Hauptstadt Hargeysa, da diese über einen internationalen Flughafen verfügt und der Heimatort L … C … des Klägers von dort aus erreichbar ist (FFM Report Somalia, S. 94).

Was den konkreten Fall des Klägers angeht, so ist er einerseits als junger Mann arbeitsfähig und kann daher auf die Einsetzung seiner Arbeitskraft verwiesen werden. Was die wirtschaftliche Situation in Somaliland angeht ist festzuhalten, dass es den Menschen dort aufgrund der besseren Sicherheitslage und der grundsätzlich besseren Organisation der staatlichen Stellen und besseren staatlichen Interventionen im Krisenfall rascher möglich ist, den Lebensunterhalt wieder aus eigener Kraft zu bestreiten. Arbeitsmöglichkeiten gibt es zwar allenfalls im Infrastruktur- und Baubereich (BFA Länderinformationsblatt Somalia-Somaliland, S. 29). Es herrscht insbesondere unter jungen Männern große Arbeitslosigkeit, 84% der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren in Somaliland ist arbeitslos (BfA a.a.O.). Allerdings kann der Kläger bei einer Rückkehr nach Hargeysa und weiter nach L … C … jedenfalls auf die Unterstützung durch seine Schwester, die nach seinen Angaben in der Anhörung dort als Geschäftsführerin einer Firma mit Kohle handelt, vertrauen. Seine wirtschaftliche Situation vor der Ausreise hatte der Kläger wohl aufgrund dessen als „gut“ beschrieben. Daher droht dem Kläger bei einer Rückkehr weder eine Verletzung des Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensbedingungen an seinem Heimatort noch ist eine existenzielle Extremgefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 AufenthG erkennbar.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da kein Revisionsgrund besteht, § 132 Abs. 2 VwGO.

(1) Der Ehegatte oder der Lebenspartner eines Asylberechtigten wird auf Antrag als Asylberechtigter anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Ehe oder Lebenspartnerschaft mit dem Asylberechtigten schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
der Ehegatte oder der Lebenspartner vor der Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter eingereist ist oder er den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt hat und
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.
Für die Anerkennung als Asylberechtigter nach Satz 1 ist es unbeachtlich, wenn die Ehe nach deutschem Recht wegen Minderjährigkeit im Zeitpunkt der Eheschließung unwirksam oder aufgehoben worden ist; dies gilt nicht zugunsten des im Zeitpunkt der Eheschließung volljährigen Ehegatten.

(2) Ein zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylberechtigten wird auf Antrag als asylberechtigt anerkannt, wenn die Anerkennung des Ausländers als Asylberechtigter unanfechtbar ist und diese Anerkennung nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist.

(3) Die Eltern eines minderjährigen ledigen Asylberechtigten oder ein anderer Erwachsener im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU werden auf Antrag als Asylberechtigte anerkannt, wenn

1.
die Anerkennung des Asylberechtigten unanfechtbar ist,
2.
die Familie im Sinne des Artikels 2 Buchstabe j der Richtlinie 2011/95/EU schon in dem Staat bestanden hat, in dem der Asylberechtigte politisch verfolgt wird,
3.
sie vor der Anerkennung des Asylberechtigten eingereist sind oder sie den Asylantrag unverzüglich nach der Einreise gestellt haben,
4.
die Anerkennung des Asylberechtigten nicht zu widerrufen oder zurückzunehmen ist und
5.
sie die Personensorge für den Asylberechtigten innehaben.
Für zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung minderjährige ledige Geschwister des minderjährigen Asylberechtigten gilt Satz 1 Nummer 1 bis 4 entsprechend.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten nicht für Familienangehörige im Sinne dieser Absätze, die die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder des § 3 Absatz 2 erfüllen oder bei denen das Bundesamt nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen hat. Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Kinder eines Ausländers, der selbst nach Absatz 2 oder Absatz 3 als Asylberechtigter anerkannt worden ist.

(5) Auf Familienangehörige im Sinne der Absätze 1 bis 3 von international Schutzberechtigten sind die Absätze 1 bis 4 entsprechend anzuwenden. An die Stelle der Asylberechtigung tritt die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz. Der subsidiäre Schutz als Familienangehöriger wird nicht gewährt, wenn ein Ausschlussgrund nach § 4 Absatz 2 vorliegt.

(6) Die Absätze 1 bis 5 sind nicht anzuwenden, wenn dem Ausländer durch den Familienangehörigen im Sinne dieser Absätze eine Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht oder er bereits einer solchen Verfolgung ausgesetzt war oder einen solchen ernsthaften Schaden erlitten hat.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(1) Das Urteil des Verwaltungsgerichts, durch das die Klage in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet abgewiesen wird, ist unanfechtbar. Das gilt auch, wenn nur das Klagebegehren gegen die Entscheidung über den Asylantrag als offensichtlich unzulässig oder offensichtlich unbegründet, das Klagebegehren im Übrigen hingegen als unzulässig oder unbegründet abgewiesen worden ist.

(2) In den übrigen Fällen steht den Beteiligten die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zu, wenn sie von dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(3) Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

(4) Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss, der keiner Begründung bedarf. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) § 134 der Verwaltungsgerichtsordnung findet keine Anwendung, wenn das Urteil des Verwaltungsgerichts nach Absatz 1 unanfechtbar ist.

(7) Ein Rechtsbehelf nach § 84 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Gerichtsbescheids zu erheben.

(8) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 132 Absatz 1 und § 137 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung auch zu, wenn das Oberverwaltungsgericht

1.
in der Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat von deren Beurteilung durch ein anderes Oberverwaltungsgericht oder durch das Bundesverwaltungsgericht abweicht und
2.
die Revision deswegen zugelassen hat.
Eine Nichtzulassungsbeschwerde kann auf diesen Zulassungsgrund nicht gestützt werden. Die Revision ist beschränkt auf die Beurteilung der allgemeinen asyl-, abschiebungs- oder überstellungsrelevanten Lage in einem Herkunfts- oder Zielstaat. In dem hierfür erforderlichen Umfang ist das Bundesverwaltungsgericht abweichend von § 137 Absatz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen gebunden. Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt für die Beurteilung der allgemeinen Lage diejenigen herkunfts- oder zielstaatsbezogenen Erkenntnisse, die von den in Satz 1 Nummer 1 genannten Gerichten verwertet worden sind, die ihm zum Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung oder Entscheidung (§ 77 Absatz 1) von den Beteiligten vorgelegt oder die von ihm beigezogen oder erhoben worden sind. Die Anschlussrevision ist ausgeschlossen.

(8a) Das Bundesministerium des Innern und für Heimat evaluiert im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Justiz die Revision nach Absatz 8 drei Jahre nach Inkrafttreten.