Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 31. Aug. 2016 - L 19 R 321/16

bei uns veröffentlicht am31.08.2016
vorgehend
Sozialgericht Bayreuth, S 7 R 982/15, 04.03.2016
nachgehend
Bundessozialgericht, B 13 R 369/16 B, 26.01.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 04.03.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe einer Beitragserstattung nach § 210 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) an die Klägerin.

Die 1963 geborene Klägerin ist türkische Staatsangehörige mit Wohnsitz in ihrem Heimatland. Sie hat in Deutschland seit 1978 mit Unterbrechungen versicherungspflichtig gearbeitet, in der Zeit vom 01.04.1996 bis 31.12.1996 bezog sie Rente wegen Erwerbsminderung, nach ihren Angaben ist sie am 23.06.2011 in ihr Heimatland zurückgekehrt.

Nach einem vorausgegangenen erfolglosen Verfahren nach § 210 SGB VI erstattete die Beklagte der Klägerin auf ihren Antrag vom 13.07.2015 mit Bescheid vom 28.09.2015 Beiträge aus der Rentenversicherung in Höhe von 31.243,88 €.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2015 zurück. Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.04.1996 bis 31.12.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen. Soweit Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen hätten, könnten sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen. Die vor dem 01.04.1996 gezahlten Beiträge könnten daher nicht erstattet werden. Es sei rechtlich nicht möglich, die vom Arbeitgeber getragenen Beitragsanteile zu erstatten.

Hiergegen hat die Klägerin am 18.12.2015 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Sie sei mit einem Beitrag in Höhe von 31.243,88 € „nicht vergnügt“, ihr stehe ein Betrag von 48.163,45 € zu.

Nach Anhörung hat das SG mit Gerichtsbescheid vom 04.03.2016 die Klage abgewiesen. Gemäß § 210 SGB VI könnten Versicherte, wenn sie eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen hätten, nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen. Die Klägerin habe in der Zeit vom 01.04.1996 bis 31.12.1996 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von der Deutschen Rentenversicherung bezogen. Die Erstattung der vor dieser Zeit gezahlten Beiträge komme aufgrund des eindeutigen Wortlauts nicht in Betracht. Ebenso sehe § 210 Abs. 3 SGB VI keinen Anspruch auf Erstattung der Arbeitgeberanteile vor.

Dagegen hat die Klägerin mit einem am 09.05.2016 beim Sozialgericht Bayreuth eingegangenen Schreiben Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt.

Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, sie sei nur neun Monate erwerbsunfähig gewesen, es genüge, dass neun Monate abgezogen würden. Als sie sich über die Rückerstattung der Beiträge informiert habe, sei diese Sache nicht im Spiel gewesen. Auch in der Broschüre türkisch/deutsch habe nichts darüber gestanden.

Die Beklagte hat auf die Gründe des Gerichtsbescheids des SG Bayreuth verwiesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 04.03.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 28.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 zu verurteilen, weitere Beiträge in Höhe von 16.919,57 € zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des SG Bayreuth vom 04.03.2016 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte sowie die Gerichtsakte erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, jedoch unbegründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 28.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2015 ist rechtmäßig.

Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe der Beitragserstattung.

Hinsichtlich der Berechnung der Beitragserstattung regelt § 210 Abs. 3 SGB VI, dass Beiträge in der Höhe erstattet werden, in der die Versicherten sie getragen haben. Gemäß § 210 Abs. 5 SGB VI ist geregelt, wenn Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen haben, werden nur die später gezahlten Beiträge erstattet. Unter Berücksichtigung dieser Regelungen hat die Beklagte die Höhe der Beitragserstattung rechtmäßig berechnet. Sie hat die Beiträge, die die Klägerin vor dem 01.04.1996 geleistet hat, von der Beitragserstattung ausgenommen. Ebenso hat sie die Beiträge nicht erstattet, die nicht von der Klägerin getragen worden sind. Die vor dem 01.04.1996 getragenen Beiträge von der Klägerin betrugen 16.267,91 €. Auf der Grundlage der von der Klägerin getragenen Beiträge in dem Zeitraum vom 01.04.1996 bis 30.09.2009 ergibt sich der Erstattungsbetrag von 31.243,88 €.

Soweit die Klägerin angibt, sie habe nicht gewusst, dass diese Beiträge nicht erstattet würden, ist darauf hinzuweisen, dass in dem Antragsformular, das die Klägerin unterschrieben hat, unter VI folgender Hinweis gegeben ist: „Die Erstattung der Beiträge schließt weitere Ansprüche aus der bis dahin in sämtlichen Zweigen der Deutschen Rentenversicherung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten aus, insbesondere den Anspruch auf Rente. Es verfallen auch eventuell vor einer Geld- oder Sachleistung zurückgelegte Zeiten, für die Beiträge nicht erstattet werden konnten“. Daraus ist zu schließen, dass für Zeiten, die vor einer Geld- oder Sachleistung zurückgelegt werden, Beiträge nicht erstattet werden können.

Im Übrigen ist dies auch dem Hinweisblatt deutsch/türkisch bezüglich der Beitragserstattung zu entnehmen, das der Klägerin auf ihr formloses Schreiben vom 12.04.2015 hin bezüglich der Beitragserstattung mit Schreiben der Beklagten vom 04.05.2015 mit den Antragsformularen übersandt wurde. Darin heißt es (auch in türkischer Übersetzung) ausdrücklich:„… Von der Erstattung ausgenommen sind außerdem Beiträge, die vor einer vom Rentenversicherungsträger gewährten Sachleistung oder Geldleistung entrichtet wurden. Solche Leistungen sind neben dem Rentenbezug … “. Sollte die Klägerin noch Fragen gehabt haben, wäre es an ihr gelegen, sich weiter an die Beklagte zu wenden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 31. Aug. 2016 - L 19 R 321/16 zitiert 6 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 210 Beitragserstattung


(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet 1. Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,2. Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt hab

Referenzen

(1) Beiträge werden auf Antrag erstattet

1.
Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben,
2.
Versicherten, die die Regelaltersgrenze erreicht und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben,
3.
Witwen, Witwern, überlebenden Lebenspartnern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe, ein Witwer oder ein überlebender Lebenspartner nicht vorhanden ist. Mehreren Waisen steht der Erstattungsbetrag zu gleichen Teilen zu.

(1a) Beiträge werden auf Antrag auch Versicherten erstattet, die versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind, wenn sie die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben. Dies gilt nicht für Personen, die wegen Geringfügigkeit einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit versicherungsfrei oder von der Versicherungspflicht befreit sind. Beiträge werden nicht erstattet,

1.
wenn während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht von dem Recht der freiwilligen Versicherung nach § 7 Gebrauch gemacht wurde oder
2.
solange Versicherte als Beamte oder Richter auf Zeit oder auf Probe, Soldaten auf Zeit, Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst versicherungsfrei oder nur befristet von der Versicherungspflicht befreit sind.
Eine freiwillige Beitragszahlung während einer Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des Satzes 3 Nummer 2 ist für eine Beitragserstattung nach Satz 1 unbeachtlich.

(2) Beiträge werden nur erstattet, wenn seit dem Ausscheiden aus der Versicherungspflicht 24 Kalendermonate abgelaufen sind und nicht erneut Versicherungspflicht eingetreten ist.

(3) Beiträge werden in der Höhe erstattet, in der die Versicherten sie getragen haben. War mit den Versicherten ein Nettoarbeitsentgelt vereinbart, wird der von den Arbeitgebern getragene Beitragsanteil der Arbeitnehmer erstattet. Beiträge aufgrund einer Beschäftigung nach § 20 Abs. 2 des Vierten Buches, einer selbständigen Tätigkeit oder freiwillige Beiträge werden zur Hälfte erstattet. Beiträge der Höherversicherung werden in voller Höhe erstattet. Erstattet werden nur Beiträge, die im Bundesgebiet für Zeiten nach dem 20. Juni 1948, im Land Berlin für Zeiten nach dem 24. Juni 1948 und im Saarland für Zeiten nach dem 19. November 1947 gezahlt worden sind. Beiträge im Beitrittsgebiet werden nur erstattet, wenn sie für Zeiten nach dem 30. Juni 1990 gezahlt worden sind.

(4) Ist zugunsten oder zulasten der Versicherten ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird der zu erstattende Betrag um die Hälfte des Betrages erhöht oder gemindert, der bei Ende der Ehezeit oder Lebenspartnerschaftszeit als Beitrag für den Zuschlag oder den zum Zeitpunkt der Beitragserstattung noch bestehenden Abschlag zu zahlen gewesen wäre. Dies gilt beim Rentensplitting entsprechend.

(5) Haben Versicherte eine Sach- oder Geldleistung aus der Versicherung in Anspruch genommen, können sie nur die Erstattung der später gezahlten Beiträge verlangen.

(6) Der Antrag auf Erstattung kann nicht auf einzelne Beitragszeiten oder Teile der Beiträge beschränkt werden. Mit der Erstattung wird das bisherige Versicherungsverhältnis aufgelöst. Ansprüche aus den bis zur Erstattung zurückgelegten rentenrechtlichen Zeiten bestehen nicht mehr.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.