Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tatbestand

Streitig ist die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) aus einem Urteil für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011. Nach seinem Umzug aus dem M.-Kreis bezog der Kläger ab 01.11.2005 Alg II vom Beklagten. Mit Bescheid vom 29.11.2010 bewilligte der Beklagte vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 i. H. v. monatlich 803,33 EUR. Nachdem die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern (DRV) dem Beklagten mitgeteilt hatte, der Kläger erhalte ab 01.11.2010 bis 30.04.2012 eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, änderte dieser mit Bescheid vom 17.02.2011 die Bewilligung des Alg II für den Kläger im Hinblick auf die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 auf monatlich 231,10 EUR ab. Das Alg II in dieser Höhe wurde an den Kläger auch für März 2011 tatsächlich ausgezahlt. Mit Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 01.03.2011 ganz auf, da der Kläger keine Nachweise für die anfallenden Unterkunftskosten vorgelegt habe. Auf die dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobene Klage (S 9 AS 401/11) hat das SG mit Urteil 16.02.2012 den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Hiergegen haben die Beteiligten jeweils Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt (L 11 AS 261/12). Im Rahmen eines Widerspruchs am 11.01.2013 trug der Kläger u. a. vor, ihm sei die Nachzahlung aus dem Urteil des SG vom 16.02.2012 (S 9 AS 401/11) zu gewähren. Er benötige das Geld für seine Therapie. Der Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.03.2013 (WS 88/13) zurück und führte u. a. aus, eine Verpflichtung zur Nachzahlung von Leistungen im Hinblick auf das Urteil des SG vom 16.02.2012 bestehe nicht, da hiergegen Berufung eingelegt worden sei. Die hiergegen gerichtete Klage hat das SG mit Urteil vom 18.06.2013 zurückgewiesen. Ein Auszahlungsanspruch im Hinblick auf das Urteil vom 16.02.2012 (S 9 AS 401/11) bestehe jedenfalls derzeit wegen des diesbezüglich anhängigen Berufungsverfahrens nicht. Dagegen hat der Kläger Berufung beim LSG eingelegt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.06.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 aus dem Bescheid vom 17.02.2011 in Höhe von insgesamt 693,30 Euro und Schadensersatz zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit einer Klageerweiterung auf Schadensersatz bestehe kein Einverständnis.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) und begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage im Hinblick auf das Begehren des Klägers zur Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der Leistungen für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011 i. H. v. monatlich 231,10 EUR abgewiesen. Der Kläger hat einen Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Alg II für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011. Mit Urteil des SG vom 16.02.2012 (S 9 AS 401/11) ist der Bescheid des Beklagten vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben worden. Die dagegen eingelegte Berufung hat keine aufschiebende Wirkung. Nach § 154 Abs. 1 SGG setzt die aufschiebende Wirkung einer Berufung voraus, dass die Klage nach § 86a SGG aufschiebende Wirkung hätte. Die vorliegende Aufhebung der Leistungsbewilligung hat nach § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i. V. m. § 39 Nr. 1 SGB II jedoch keine aufschiebende Wirkung, sondern ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Auch § 154 Abs. 2 SGG ist nicht einschlägig, wonach die Berufung eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung eines Landes Aufschub bewirkt, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlass des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen. Die Vorschrift gilt nicht für die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl, § 154 Rn. 3 m. w. N.). Die Besonderheit der Grundsicherungsleistungen besteht in ihrer Nachrangigkeit. Fallen diese Leistungen weg, so gibt es keine Leistungen mehr, die eine entsprechende Notlage beheben könnten, weshalb es gerechtfertigt ist, Grundsicherungsleistungen nicht in den Anwendungsbereich des § 154 Abs. 2 SGG einzubeziehen (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.06.2013 - L 25 AS 1267/13 ER - juris). Das Urteil des SG vom 16.02.2012 ist zwar als Gestaltungsurteil von vornherein nicht vollstreckbar. Es entfaltet aber seine Wirkung mit Rechtskraft der Entscheidung, ohne dass insoweit eine Vollstreckung möglich wäre. Eine Vollstreckung aus dem Bewilligungsbescheid vom 29.11.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.02.2011 selbst kommt nicht in Betracht, es kann aber unmittelbar auf die hierin bezifferte Leistung geklagt werden, was erst zu einem entsprechend der Zivilprozessordnung (ZPO) durchsetzbaren Vollstreckungstitel nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 SGG führt (BSG, Urteil vom 22.03.1995 - 10 RKg 10/89 - SozR 3-1300 § 45 Nr. 24). Bei der Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG bedarf es keines vorherigen Antrages bei der Verwaltung, die Zahlung gemäß der Bewilligung fortzusetzen. Dennoch hat der Kläger beim Beklagten einen solchen ausdrücklich gestellt. Der Beklagte hat sich unter Verweis auf das anhängige Berufungsverfahren L 11 AS 261/12 gegen das Urteil des SG vom 16.02.2012 geweigert, vorläufig die Zahlungen aufgrund der Leistungsbewilligung zu erbringen (Widerspruchsbescheid vom 22.03.2013). Damit hat der Kläger einen (durchsetzbaren) Anspruch aus dem Bewilligungsbescheid vom 29.11.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.02.2011 i. H. v. 231,10 EUR monatlich für die Zeit vom 01.04.2011 bis 30.06.2011. Der Beklagte war demnach zur Zahlung von insgesamt 693,30 EUR zu verurteilen. Soweit der Kläger auch Schadenersatzansprüche im Berufungsverfahren geltend macht, hat er damit seinen ursprünglich im Klageverfahren vor dem SG gestellten Klageantrag abgeändert. Die Voraussetzungen für eine zulässige Klageänderung im Berufungsverfahren liegen nicht vor. Eine derartige Klageänderung i. S. d. § 99 Abs. 1 SGG ist nur zulässig, wenn der Beklagte zustimmt oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Beides ist vorliegend nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Mai 2014 - L 11 AS 620/13 zitiert 13 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 54


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 86a


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung. (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt 1. bei der Entscheidung

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 99


(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Bürgergeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Dezember 2003, BGBl. I S. 2954) - SGB 2 | § 39 Sofortige Vollziehbarkeit


Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,1.der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsans

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 199


(1) Vollstreckt wird 1. aus gerichtlichen Entscheidungen, soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes kein Aufschub eintritt,2. aus einstweiligen Anordnungen,3. aus Anerkenntnissen und gerichtlichen Vergleichen,4. aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,5

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 154


(1) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 haben aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a Aufschub bewirkt. (2) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung ei

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Mai 2014 - L 11 AS 261/12

bei uns veröffentlicht am 14.05.2014

Tatbestand Streitig ist die Aufhebung der für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Ni

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(1) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 haben aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a Aufschub bewirkt.

(2) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung eines Landes bewirken Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlaß des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Drittwirkung.

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt

1.
bei der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten,
2.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und der Bundesagentur für Arbeit bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung entziehen oder herabsetzen,
3.
für die Anfechtungsklage in Angelegenheiten der Sozialversicherung bei Verwaltungsakten, die eine laufende Leistung herabsetzen oder entziehen,
4.
in anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen,
5.
in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 kann die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder die über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 1 soll die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. In den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 ist in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts die nächsthöhere Behörde zuständig, es sei denn, diese ist eine oberste Bundes- oder eine oberste Landesbehörde. Die Entscheidung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Die Stelle kann die Entscheidung jederzeit ändern oder aufheben.

(4) Die aufschiebende Wirkung entfällt, wenn eine Erlaubnis nach Artikel 1 § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Februar 1995 (BGBl. I S. 158), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Juli 2001 (BGBl. I S. 1852) geändert worden ist, aufgehoben oder nicht verlängert wird. Absatz 3 gilt entsprechend.

Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,

1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt,
2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder
3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.

(1) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 haben aufschiebende Wirkung, soweit die Klage nach § 86a Aufschub bewirkt.

(2) Die Berufung und die Beschwerde nach § 144 Abs. 1 eines Versicherungsträgers oder in der Kriegsopferversorgung eines Landes bewirken Aufschub, soweit es sich um Beträge handelt, die für die Zeit vor Erlaß des angefochtenen Urteils nachgezahlt werden sollen.

(1) Vollstreckt wird

1.
aus gerichtlichen Entscheidungen, soweit nach den Vorschriften dieses Gesetzes kein Aufschub eintritt,
2.
aus einstweiligen Anordnungen,
3.
aus Anerkenntnissen und gerichtlichen Vergleichen,
4.
aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen,
5.
aus Vollstreckungsbescheiden.

(2) Hat ein Rechtsmittel keine aufschiebende Wirkung, so kann der Vorsitzende des Gerichts, das über das Rechtsmittel zu entscheiden hat, die Vollstreckung durch einstweilige Anordnung aussetzen. Er kann die Aussetzung und Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung abhängig machen; die §§ 108, 109, 113 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Die Anordnung ist unanfechtbar; sie kann jederzeit aufgehoben werden.

(3) Absatz 2 Satz 1 gilt entsprechend, wenn ein Urteil nach § 131 Abs. 4 bestimmt hat, daß eine Wahl oder eine Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane zu wiederholen ist. Die einstweilige Anordnung ergeht dahin, daß die Wiederholungswahl oder die Ergänzung der Selbstverwaltungsorgane für die Dauer des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt.

(4) Für die Vollstreckung können den Beteiligten auf ihren Antrag Ausfertigungen des Urteils ohne Tatbestand und ohne Entscheidungsgründe erteilt werden, deren Zustellung in den Wirkungen der Zustellung eines vollständigen Urteils gleichsteht.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

Tatbestand

Streitig ist die Aufhebung der für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) wegen der Nichtzahlung der Miete durch den Kläger an seine Vermieterin. Nach seinem Umzug aus dem M.-Kreis bezog der Kläger ab 01.11.2005 Alg II vom Beklagten. Er leidet insbesondere unter einer Laktose- und Fruktoseintoleranz. Nach dem Mietvertrag der bis zum 30.11.2011 bewohnten Wohnung und der Bescheinigung der Vermieterin betrug die Miete zunächst 305 EUR (Kaltmiete 220 EUR, kalte Nebenkosten 45 EUR und Heizung 40 EUR) und wurde vom Beklagten - gemäß der Vereinbarung im Mietvertrag - bis 31.10.2009 und wieder ab 01.05.2010 direkt an die Vermieterin überwiesen. Mit Bescheid vom 29.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.02.2011 bewilligte der Beklagte vorläufig Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 i. H. v. monatlich 803,33 EUR. Die monatliche Miete i. H. v. 338 EUR werde weiterhin an die Vermieterin überwiesen. Nach Mitteilung der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (DRV), der Kläger erhalte ab 01.11.2010 bis 30.04.2012 eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, änderte der Beklagte mit Bescheid vom 17.02.2011 die Bewilligung des Alg II für die Zeit vom 01.01.2011 bis 30.06.2011 auf monatlich 231,10 EUR ab. Wegen des nur noch ergänzenden Leistungsanspruchs könne die Miete nicht länger direkt an die Vermieterin überwiesen werden. Unterkunftskosten würden i. H. v. 375,53 EUR anerkannt. Der Kläger sei verpflichtet, diesen Betrag an die Vermieterin bzw. die zuständigen Stellen vollständig zu zahlen, andernfalls müsse er mit einer Rückforderung der zweckwidrig verwendeten Leistungen rechnen. Entsprechende Zahlungen seien jeweils bis zum 10. des Monats nachzuweisen. Mit Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 hob der Beklagte die Leistungsbewilligung ab 01.03.2011 ganz auf, da der Kläger keine Nachweise für die anfallenden Unterkunftskosten vorgelegt habe. Der Kläger sei im Bescheid vom 17.02.2011 darüber informiert worden, dass die Unterkunftskosten nicht mehr direkt an die Vermieterin überwiesen werden würden und er verpflichtet sei, die vollständigen berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung i. H. v. 375,53 EUR an seine Vermieterin weiterzuleiten. Trotz entsprechender Aufforderung habe der Kläger keinen Nachweis für die Mietzahlungen ab 01.03.2011 vorgelegt. Unterkunftskosten, die ein Leistungsberechtigter nicht zahle, stellten keinen Bedarf im Sinne von „tatsächlichen Aufwendungen“ dar. Den übrigen Bedarf habe er mit seinem Renteneinkommen decken können. Die entsprechende Änderung der tatsächlichen Verhältnisse habe der Kläger zumindest grob fahrlässig nicht mitgeteilt. Im Rahmen einer Vorsprache gab die Vermieterin beim Beklagten an, der Kläger habe seit dem 01.03.2011 keine Mietzahlungen mehr geleistet. Mit Urteil des Amtsgerichts O. - Zweigstelle M. - vom 02.11.2011 (14 C 372/11) wurde der Kläger u. a. zur Räumung seiner Wohnung und Zahlung von Mietrückständen für die Zeit von März bis August 2011 i. H. v. insgesamt 2.028 EUR sowie Restschulden aus Haus- und Heizkostenabrechnungen für 2009 und 2010 i. H. v. 514,87 EUR verurteilt. Nach einem Umzug zum 01.11.2011 bewilligte der Beklagte wieder Alg II. Mit seiner beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt die Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 beantragt. Neben der Rentengewährung durch die DRV habe der Beklagte ergänzend Alg II zu zahlen. Mittlerweile könne er keine Miete mehr bezahlen, da seine medizinische Versorgung vorrangig sei. Mit Urteil vom 16.02.2012 hat das SG den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Die Tatsache, dass der Kläger keine Mietzahlungen erbringe, sei für den Bedarf unerheblich. Es genüge, wenn der Leistungsberechtigte einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sei. Es fehle an einer wesentlichen Änderung iSv § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Auch aus § 22 Abs. 7 Satz 2 SGB II ergebe sich, dass der Leistungsanspruch bei fehlender Mietzahlung nicht entfalle, sondern der Leistungsträger dann vielmehr die Miete direkt an die Vermieterin zahlen könne. Dies gelte auch, wenn nur ein Teilbetrag gewährt werde. Der Kläger hat ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG erklärt, er verzichte auf Rechtsmittel gegen das Urteil. Dagegen haben beide Beteiligte Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der Beklagte hat vorgetragen, die Nichtzahlung der Miete durch den Kläger stelle eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse dar. Aus dem Begriff „Aufwendungen“ in § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II folge, dass solche nur dann anzunehmen seien, wenn die Miete tatsächlich bezahlt werde. So sehe auch das BSG (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R) die tatsächliche Zahlung als notwendig an. Ab März 2011 habe der Kläger keine Miete mehr gezahlt, mithin keine Aufwendungen mehr gehabt. Auch spätere Versuche, ihn noch zur Mietzahlung zu veranlassen, um eine Leistungsgewährung zu ermöglichen, seien ohne Erfolg geblieben. Im Übrigen sei das Mietverhältnis bereits zum 31.10.2008 gekündigt worden und der Kläger habe vorgebracht, es bestehe gar keine Pflicht zur Mietzahlung. Er habe versucht, eine Mietminderung vorzunehmen. Hätte der Beklagte die Miete direkt überwiesen, so würden die Voraussetzungen des § 47 SGB X vorliegen. Eine Direktzahlung an die Vermieterin wäre ebenfalls nicht zielführend gewesen, da der Kläger nicht bereit gewesen sei, seinen Anteil selbst zu überweisen. § 22 Abs. 7 SGB II sei nicht einschlägig, da der Kläger sich ganz bewusst entschieden habe, die Miete nicht an seine Vermieterin zu überweisen. Soweit der Kläger weitere Ansprüche geltend mache, die nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen seien, bestehe kein Einverständnis mit einer entsprechenden Klageerweiterung.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2012 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 abzuweisen sowie die Berufung des Klägers zu verwerfen. Der Kläger beantragt, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen und den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Würzburg vom 16.02.2012 zu verurteilen, Schadensersatz zu zahlen.

Zwar habe ihm das SG für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 Recht gegeben, daneben müsse der Beklagte auch Schadenersatz leisten. Seinen Verzicht auf Rechtsmittel erkläre er für nichtig.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet; die Berufung des Klägers ist bereits unzulässig. Das SG hat zu Recht den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Der Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Berufung des Klägers ist unzulässig. Es fehlt an einer Beschwer. Eine solche liegt nur vor, wenn die angefochtene Entscheidung dem Berufungskläger etwas versagt hat, was er beantragt hatte (formelle Beschwer), also bei Klageabweisung oder teilweiser Klageabweisung, nicht aber bei Stattgabe in vollem Umfang, grds. auch nicht, wenn das Gericht der Klage aus anderen Gründen stattgegeben hat, als vom Kläger vorgetragen (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, vor § 143 Rn. 6 m. w. N.). Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem SG vom 16.02.2012 hat er zuletzt beim SG allein die Aufhebung des Bescheides vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 beantragt. Damit hat er sein Klagebegehren auf diesen Streitgegenstand - die Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 - beschränkt. Eine solche Beschränkung war auch zulässig. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 - insoweit waren dem Kläger Leistungen mit dem Bescheid vom 29.11.2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 17.02.2011 bewilligt worden - aufgehoben. Statthafte Klageart gegen diese Aufhebung ist die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG). Der Antrag ist ihm nach der Niederschrift auch vorgelesen und von ihm genehmigt worden, er wurde nach ausführlicher Erörterung der Sach- und Rechtslage gestellt. An der Wirksamkeit dieser Prozesserklärung besteht damit kein Zweifel. Ihr Inhalt wird durch den Inhalt der Sitzungsniederschrift bewiesen (§ 122 SGG i. V. m. § 165 Zivilprozessordnung -ZPO-) und ist unter Beachtung der Anforderungen von § 160 Abs. 3 Nr. 2 SGG und § 162 Abs. 1 ZPO protokolliert worden. Die Niederschrift ist entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausgefertigt und vom Vorsitzenden sowie von der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle unterschrieben worden (§ 122 SGG i. V. m. §§ 159 f ZPO). Diesem Antrag hat das SG in vollem Umfang entsprochen. Es hat (antragsgemäß) den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 aufgehoben. Damit ist der Kläger durch die Entscheidung des SG nicht beschwert. Auch wenn teilweise vertreten wird, eine Anschlussberufung - die im Hinblick auf die bereits zuvor vom Beklagten eingelegte Berufung angenommen werden könnte - könne alleine zum Zwecke einer Klageerweiterung eingelegt werden (vgl. dazu Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 143 Rn. 5d m. w. N.), wäre eine solche Klageerweiterung im Berufungsverfahren mangels Zustimmung des Beklagten bzw. einer Sachdienlichkeit im Sinne einer Prozessökonomie nicht zulässig (§ 99 SGG). Der Kläger hat die im Berufungsverfahren gestellten Anträge zudem zuletzt auch nicht hilfsweise im Rahmen des Klageverfahrens vor dem SG gestellt (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.05.1988 - 10 RKg 3/87 - BSGE 63, 167; Leitherer a. a. O.). Die Berufung des Klägers war damit als unzulässig zu verwerfen, ohne dass es darauf ankommt, ob einer solchen schon der nach der Niederschrift vom 16.02.2012 erklärte Rechtsmittelverzicht des Klägers - der nach dem Protokoll nicht nochmals vorgelesen und vom Kläger genehmigt worden ist - entgegen steht. Die zulässige Berufung des Beklagten ist dagegen unbegründet. Die mit dem Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 verfügte Aufhebung der Leistungsbewilligung ab dem 01.03.2011 ist rechtswidrig. Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II i. d. F. des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) bzw. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 3 SGB II i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.05.2011 (BGBl I 850) i. V. m. § 330 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist. Zutreffend hat das SG ausgeführt, dass vorliegend für die Zeit ab 01.03.2011 keine Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen eingetreten ist. Der Umstand, dass der Kläger die Miete nicht an seine Vermieterin gezahlt und die Leistungen des Beklagten nach eigenen Angaben im Hinblick auf den von ihm angenommenen krankheitsbedingten Mehrbedarf vorrangig eingesetzt hat, ist leistungsrechtlich nicht erheblich. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. d. F. des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.03.2011 -BGBl I 453-). Bereits aus dem Gesetzeswortlaut folgt, dass danach nur solche Bedarfe zu berücksichtigen sind, die dem Leistungsberechtigten tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf besteht. Der Kläger hat für die Überlassung der von ihm bewohnten Wohnung im streitigen Zeitraum keine Mietzinszahlungen an die Vermieterin der Wohnung geleistet. Allerdings führt dies nicht - wie der Beklagte meint - bereits dazu, dass keine Unterkunftskosten mehr zu berücksichtigen wären. „Tatsächliche Aufwendungen“ für eine Wohnung liegen nicht nur dann vor, wenn die Miete bereits gezahlt wurde und nunmehr deren Erstattung verlangt wird, sondern es genügt, dass der Leistungsberechtigte im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1; Urteil vom 07.11.2006 - B 7b AS 8/06 R - BSGE 97, 217; Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R - BSGE 104, 179; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn. 46; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 10/2012, § 22 Rn. 43). Dies ergibt sich schon daraus, dass bei einer Nichtzahlung der Miete regelmäßig die Kündigung und Räumung der Unterkunft droht. Zweck der Regelung über die Erstattung der Kosten für die Unterkunft ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen und den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Für die Frage, ob tatsächlich Aufwendungen für Unterkunft entstanden sind, kommt es nicht darauf an, ob der Leistungsberechtigte der Verpflichtung aus eigenen Mitteln wird nachkommen können oder in der Vergangenheit nachkommen konnte, auch nicht, ob die Aufwendungen bisher durch andere Sozialleistungen gedeckt wurden. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist in erster Linie der Mietvertrag mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (so insgesamt BSG, Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Auch aus dem vom Beklagten im Widerspruchsbescheid in Bezug genommene Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen (Beschluss vom 22.06.2006 - L 8 AS 165/06 ER) ergibt sich nichts anderes, da dort ebenfalls nur auf die Notwendigkeit tatsächlicher Aufwendungen abgestellt wird, die das Gericht dort u. a. im Hinblick auf die tatsächlichen Zahlungen für gegeben erachtet hat. Dass alleine tatsächliche Zahlungen „tatsächliche Aufwendungen“ darstellen sollen, geht daraus nicht hervor. Dies gilt auch für die vom Beklagten im Rahmen der Berufung angegebene Entscheidung des BSG (Urteil vom 22.09.2009 - B 4 AS 8/09 R). Dort wurde alleine die Höhe der tatsächlichen Zahlungen für maßgeblich dafür befunden, in welcher Höhe Aufwendungen zugrunde zu legen sind, wenn rein rechtlich ggf. nur ein geringerer Mietzinsanspruch des Vermieters besteht. Es wird aber nicht umgekehrt eine tatsächliche Zahlung als Anspruchsvoraussetzung bezeichnet. Der Kläger war für die Zeit vom 01.03.2011 bis 30.06.2011 unverändert einer entsprechenden Mietzinsforderung ausgesetzt. Mit Urteil des Amtsgerichts O. - Zweigstelle M. - vom 02.11.2011 (14 C 372/11) wurde er u. a. zur Zahlung der Mietrückständen für diesen Zeitraum verurteilt. Damit steht fest, dass - trotz einer etwaigen vorhergehenden Kündigung - ein Mietverhältnis fortbestanden und ebenso eine entsprechend wirksame Mietzinsforderung bestanden hat. Im Übrigen ist der Beklagte auch zuvor nicht davon ausgegangen, der Kläger habe wirksam eine Mietminderung vorgenommen oder es habe wegen einer Kündigung kein Mietzinsanspruch mehr bestanden. Bis einschließlich 28.02.2011 hat er entsprechende Aufwendungen berücksichtigt. Aber selbst eine der Vermieterin unzweifelhaft zustehende Nutzungsentschädigung bei Nichträumung der Wohnung durch den Kläger nach Kündigung würde als Aufwendung im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sein (vgl. Luik a. a. O. Rn. 49). Es hätte dem Beklagten frei gestanden, wie zuvor auch, eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung über die Direktzahlung der bewilligten Kosten der Unterkunft und Heizung an die Vermieterin zu treffen (§ 22 Abs. 7 SGB II). Eine Einschränkung, dass die Direktzahlung nur dann möglich sein soll, wenn die vollständige Miete gezahlt werden kann, ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Ebenso greift die Möglichkeit auch in den Fällen, in denen der Leistungsberechtigte eine Mietzinszahlung (unberechtigterweise) nicht vornehmen will. Wie oben ausgeführt, bestand nicht zuletzt nach dem Urteil des Amtsgerichts O. ein Anspruch auf ungeminderte Mietzinszahlung im streitgegenständlichen Zeitraum. Schließlich kann der Beklagte seine Entscheidung auch nicht auf § 47 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X stützen. Ein Widerruf der Bewilligungsentscheidung nach dieser Vorschrift setzt in jedem Fall eine Ermessensentscheidung voraus. Anders als für die Vorschrift des § 48 SGB X gibt es nach § 40 Abs. 1 SGB II aF bzw. § 40 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB II nF i. V. m. § 330 SGB III keine Einschränkung des Ermessens. Eine solche Ermessensentscheidung hat der Beklagte im Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 nicht getroffen. Eine entsprechende Widerrufsentscheidung wäre schon deshalb aufzuheben. Das SG hat demnach den Bescheid vom 01.04.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.05.2011 zu Recht aufgehoben. Die Berufung des Beklagten war mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.