Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2019 - L 18 SO 110/19

bei uns veröffentlicht am03.07.2019
vorgehend
Sozialgericht Nürnberg, S 19 SO 62/18, 22.02.2019

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII).

Die 1997 geborene Klägerin ist wegen eines Down-Syndroms und eines angeborenen Herzfehlers schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100; ihr sind ferner die Merkzeichen G, aG, H und B zuerkannt. Sie steht unter Betreuung ihres Vaters. Seit dem 04.09.2017 erhält sie von der Agentur für Arbeit A-Stadt ein monatliches Ausbildungsgeld (in Höhe von 67,- € für die Zeit vom 04.09.2017 bis 03.09.2018 sowie 80,- € für die Zeit vom 04.09.2018 bis 03.12.2019), weil sie an einer beruflichen Rehabilitation im Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) teilnimmt. Vor dem Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs der WfbM wurde noch keine Feststellung über das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung getroffen.

Am 28.09.2017 beantragte die Klägerin die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Mit Bescheid vom 25.10.2017 (Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 23.02.2018) lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zum jetzigen Zeitpunkt sei eine dauerhafte volle Erwerbsunfähigkeit von dem Träger der Rentenversicherung nicht bindend festgestellt, so dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII noch nicht gegeben seien. Ab 04.09.2017 besuche die Klägerin den Eingangs- und Ausbildungsbereich der Werkstatt Lebenshilfe A-Stadt. Während dieser Zeit solle gemäß § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII ein Ersuchen zur Feststellung der dauerhaften Erwerbsunfähigkeit gemäß § 109a Abs. 2 SGB VI beim Träger der Rentenversicherung unterbleiben, da gerade erst nach Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs festgestellt werden solle, ob eine dauerhafte Erwerbsunfähigkeit unabhängig von der Arbeitsmarktlage vorliege. Gerade in dieser Zeit solle sich die Klägerin qualifizieren. Es sei daher momentan wenig zielführend, bereits jetzt über den Träger der Rentenversicherung ein Feststellungsverfahren über die dauerhafte Erwerbsunfähigkeit zu betreiben. Das Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs diene der Feststellung, ob die betroffene Person auf Dauer wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein könne, so dass erst nach Durchlaufen des Berufsbildungsbereichs der Fachausschuss der WfbM entscheide, ob eine dauerhafte Erwerbsminderung vorliege. Folglich sei bei Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich keine gutachterliche Feststellung erforderlich, ob sie erwerbsfähig seien. Aus den Vorschriften des Werkstattrechts ergebe sich, dass im Eingangs- und Berufsbildungsbereich ergebnisoffen geprüft werden solle, ob vorrangig eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt oder eine Beschäftigung im Arbeitsbereich der WfbM oder eine andere Maßnahme zur Eingliederung angezeigt sei. Zwar habe der sozialmedizinische Dienst der Agentur für Arbeit A-Stadt in seinem Gutachten vom 10.08.2017 festgestellt, dass die Klägerin aufgrund ihrer erheblich eingeschränkten psycho-physischen Leistungsfähigkeit voraussichtlich auf Dauer nicht in der Lage sei, täglich mehr als drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig zu sein. Die den Sozialhilfeträger bindende Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung treffe aber der Rentenversicherungsträger. Ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes der Agentur für Arbeit sei hierfür nicht ausreichend (§ 45 SGB XII).

Dagegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes von Dr. med. B. sowie durch Beiziehung der Krankenunterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern und der Agentur für Arbeit A-Stadt.

Mit Urteil vom 22. Februar 2019 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2018 verurteilt, der Klägerin für die Zeit ab 01.09.2017 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Klägerin stehe seit dem 01.09.2017 dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII zu. Die Klägerin sei als dauerhaft voll erwerbsgemindert anzusehen. Die Leistungsablehnung beruhe auf einer unrichtigen Auslegung von § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII in der seit 01.07.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 22.12.2016. Zur Begründung verwies das SG auf die Ausführungen des Sozialgerichts Augsburg im Urteil vom 16.02.2018, Az. S 8 SO 143/17. Bei der Klägerin sei nicht nur eine volle, sondern auch eine dauerhafte Erwerbsminderung anzunehmen. Denn der beigezogene Befundbericht und die beigezogenen Krankenunterlagen ließen keinen anderen Schluss zu, als dass die Klägerin unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches sei und es zudem unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne (§ 41 Abs. 3 SGB XII).

Dagegen hat die Beklagte Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, die Vorgaben im Rundschreiben 2017/3 vom 03.07.2017 des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales umzusetzen. Danach würde die neue Nummer 3 des § 45 S. 3 SGB XII zu keinen Abweichungen gegenüber dem bisherigen Rechtsstand bzw. der bisherigen Rechtsauslegung führen. Die neue Fassung habe nicht zur Folge, dass Menschen mit Behinderungen im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich ab 01.07.2017 wegen des Ausschlusses eines Ersuchens an einen Rentenversicherungsträger als Leistungsberechtigte nach dem Vierten Kapitel des SGB XII gelten. Die Begründung zur Änderung von § 45 Satz 3 SGB XII enthalte keine Ausführungen zu den finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfs, was im Falle einer Ausweitung des leistungsberechtigten Personenkreises zwingend erforderlich wäre. Die Beklagte habe es unterlassen, ein Ersuchen an die deutsche Rentenversicherung zu stellen. Sie habe einer Entscheidung des Werkstattausschusses nicht durch ein Ersuchen vorgreifen wollen. Für Personen, die den Eingangsbereich bzw. Berufsbildungsbereich durchlaufen, kämen regelmäßig keine Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII in Betracht. Es spreche nichts dagegen, von einem Ersuchen während des Durchlaufens des Eingangs- und Qualifizierungsbereichs abzusehen, welches auch den Sinn und Zweck einer Qualifizierung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe. Im Verfahren vor dem SG Augsburg, Aktenzeichen S 8 SO 143/17 seien bereits Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vorab gewährt worden und der Sozialhilfeträger bereits vor Aufnahme in den Eingangs- und Qualifizierungsbereich von einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit ausgegangen. Der hier vorliegende Sachverhalt sei somit nicht mit jenem Sachverhalt vergleichbar. Von der im Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 10.01.2019 mitgeteilten Gestattung der Grundsicherungsträger zur Anwendung von § 45 Satz 3 Nr. 3, 1. Alternative SGB XII als gesetzliche Fiktion der dauerhaften vollen Erwerbsminderung von Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer WfbM mache die Beklagte keinen Gebrauch.

Mit Schreiben vom 10.05.2019 hat der Senat darauf hingewiesen, dass die Begründung des SG der Überzeugung des Senats entspreche, und dass er beabsichtige, die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung gemäß § 153 Abs. 4 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unbegründet zurückzuweisen, sowie Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 22. Februar 2019 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.10.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2018 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der Beklagtenakten Bezug genommen.

Gründe

Der Senat konnte die Berufung nach entsprechender Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückweisen, weil das SG nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat (§ 105 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet hält und - wie sich aus der nachstehenden Begründung ergibt - eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Im Übrigen haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung durch Beschluss einverstanden erklärt.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung der Beklagten ist unbegründet.

Der Senat weist die Berufung aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils zurück und nimmt zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf diese Gründe, die auch der Überzeugung des Senats entsprechen. Ergänzend ist lediglich das Folgende auszuführen:

Gemäß §§ 19 Abs. 2 S. 1, 41 Abs. 3 SGB XII ist leistungsberechtigt wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung nach § 41 Abs. 1 SGB XII, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und bei dem unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, sofern er seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten kann. § 45 SGB XII (idF d. Art. 3a Nr. 13 Buchst. a G. v. 22.12.2016, BGBl. I 3159 mWv 01.07.2017) trifft folgende Regelungen: Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken (Satz 1). Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches (Satz 2). Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn … 3. Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen den Eingangs- und Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind (Satz 3 Nr. 3).

Die Klägerin kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten. Sie nimmt seit September 2017 an einer beruflichen Rehabilitation im Eingangsverfahren/Berufsbildungsbereich einer WfbM teil und gehört daher im hier relevanten Zeitraum zu dem von der 1. Alternative des § 45 S. 3 Nr. 3 SGB XII erfassten Personenkreis.

Das SG legt überzeugend dar, dass nach der Neufassung des § 45 S. 3 Nr. 3 SGB XII Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und Berufsbildungsbereich einer WfbM regelmäßig als dauerhaft voll erwerbsgemindert gelten, ohne dass eine gutachterliche Feststellung zu erfolgen hat (ebenso Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Auflage 2018, § 45 Rn 13; Schoch in Bieritz-Harder/Conradis/Thie (Hrsg.), LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 45 Rn. 32; zur 1. Alt. des § 45 S. 3 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums Familie, Arbeit und Soziales vom 10.01.2019, Aktenzeichen II2/6450-1/502). Die entgegenstehende Auffassung der Beklagten und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (vgl. Rundschreiben 2017/3 vom 03.07.2017 und Schreiben vom 21.11.2017), nach der bei dem genannten Personenkreis eine zeitlich befristete, aber noch keine als dauerhaft geltende volle Erwerbsminderung vorliege, überzeugt nicht.

Der Wortlaut der neuen Nummer 3 des § 45 Satz 3 SGB XII ist ambivalent (vgl. dazu SG Augsburg vom 16.02.2018, Az. S 8 SO 143/17 juris Rn 23; abweichend BRDrucksache 196/19, S. 13); er lässt sowohl die von der Beklagten als auch die vom SG vertretene Auffassung zu. Für die vom SG vorgenommene Auslegung sprechen aber sowohl die systematische, die teleologische als auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Senat verweist insofern auf die ausführlichen und überzeugenden Darlegungen des Landessozialgerichts Hessen vom 28.06.2018, L 4 SO 83/18 B ER juris Rn 21 - 24).

Zusammenfassend und ergänzend ist für das systematische Auslegungskriterium hervorzuheben, dass insofern nichts dafür spricht, die Fälle der 1. Alternative des § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII anders zu behandeln als die der 2. Alternative dieser Vorschrift („… im Arbeitsbereich beschäftigt…“) oder auch als die Fallgruppen der Nr. 1 und 4 des § 45 S. 3 SGB XII, in denen jeweils eindeutig von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer ohne gutachterliche Feststellung nach Satz 1 auszugehen ist (vgl. dazu auch SG Augsburg a.a.O.; SG Gießen vom 30.04.2018, S 18 SO 34/18 ER juris Rn 10 ff; Kirchhoff in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand: 10/17, § 45 Rn 36; Schoch in Bieritz-Harder/Conradis/Thie (Hrsg.), LPK-SGB XII, 11. Aufl. 2018, § 45 Rn 32). Zudem würde die von der Beklagten vertretene Auffassung im Ergebnis dazu führen, dass die materiell-rechtliche Vorschrift des § 41 Abs. 3 SGB XII, die den leistungsberechtigten Personenkreis umschreibt, eine faktische Einschränkung durch eine verfahrensrechtliche Bestimmung, eben des § 45 S. 3 Nr. 3 SGB XII, erfährt, wodurch gerade die dort genannte, besonders schutzwürdige Personengruppe von Leistungen des 4. Kapitels des SGB XII ausgeschlossen würde.

Ferner streitet das teleologische Argument für die Fiktion einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer ohne gutachterliche Feststellung. Denn Zweck der zum 01.07.2017 erfolgten Neuregelung war es offensichtlich, eine aufwändige Prüfung der Erwerbsfähigkeit für Menschen zu vermeiden, die in einer WfbM beschäftigt sind und bei denen ohnehin das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung wahrscheinlich erscheint, und den Grundsicherungsträger und den Träger der Rentenversicherung entsprechend zu entlasten. Nur bei dieser Auslegung ist im Übrigen gewährleistet, dass der existenznotwendige Bedarf des betroffenen behinderten Menschen lückenlos gesichert ist, da ohne Fiktionswirkung die Gefahr bestünde, dass allein aufgrund unterlassener Amtsermittlung zumindest vorübergehend keine Leistungen gewährt werden könnten oder aber negative Kompetenzkonflikte entstünden. Der behinderte Mensch wäre in der Konsequenz in den allermeisten Fällen von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ausgeschlossen, ohne dass feststeht, ob er die medizinischen Voraussetzungen nicht doch erfüllt (vgl. dazu SG Augsburg, aaO, Rn 25; SG Gießen, aaO, Rn 12 ff).

De lege ferenda ist unter dem Gesichtspunkt des historischen Deutungskriteriums - über das vom LSG Hessen (aaO Rn 22) Ausgeführte hinaus - darauf hinzuweisen, dass der Bundesrat am 07.06.2019 zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Neunten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Rechtsvorschriften dahingehend Stellung genommen hat, dass die Personen, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen oder bei einem anderen Leistungsanbieter den Eingangs- und Berufsbildungsbereich durchlaufen, in § 41 Abs. 1 SGB XII ausdrücklich in den Kreis der Leistungsberechtigten aufzunehmen sind (BR-Drucksache 196/19, S. 13). Die Änderung wird in der Stellungnahme als hilfreiche Klarstellung zur Erbringung von Leistungen der Grundsicherung im Eingangs- und Berufsbildungsbereich der Werkstatt für behinderte Menschen bezeichnet. Die Änderung soll am 01.01.2020 in Kraft treten (BRDrucksache 196/19, S. 18 f.). Der Gesetzentwurf befindet sich derzeit im weiteren Gesetzgebungsverfahren (vgl. dazu BT-Plenarprotokoll 19/107 vom 27.06.2019, 13303 ff). Vor diesem Hintergrund spricht auch die im oben dargestellten Sinn geplante Änderung für die hier vorgenommene Auslegung.

Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob bereits Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vorab gewährt worden sind oder ob der Sozialhilfeträger bereits vor Aufnahme in den Eingangs- und Qualifizierungsbereich von einer dauerhaften Erwerbsunfähigkeit ausgegangen ist, kommt es aus den genannten Gründen nicht an.

Die konkreten Umstände des vorliegenden Falles belegen die Richtigkeit der hier vorgenommenen Auslegung. Die im hier fraglichen Zeitraum ab September 2017 den Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM durchlaufende und damit zur Personengruppe des § 45 S. Nr. 3 1. Alt. SGB XII zählende Klägerin ist aufgrund ihrer Behinderung voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 des Sechsten Buches; zudem ist es unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann (§ 41 Abs. 3 SGB XII). Alle eingeholten Stellungnahmen bestätigen, dass eine dauerhafte volle Erwerbsminderung vorliegt. So stellt ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen Bayern vom 05.06.2014 fest, dass die Alltagskompetenz der Klägerin seit November 1997 erheblich eingeschränkt ist. Ein sonderpädagogisches Gutachten vom 07.03.2017 kommt zu dem Ergebnis, dass der Bildungsbereich einer WfbM für die Klägerin empfohlen werde und dass auch im Anschluss daran eine WfbM, gerne auch ein Außenarbeitsplatz, der richtige Ort für die Klägerin sei, um ihre Fähigkeiten entfalten zu können. Zur Dauerhaftigkeit führt ein Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie W. vom 01.09.2015 aus, dass es sich nicht um eine vorübergehende krankhafte Störung der Geistestätigkeit handele. Die Klägerin sei als geschäfts- und testierunfähig anzusehen und bedürfe einer Betreuung für die Wirkungskreise Gesundheitsfürsorge inklusive daraus resultierender Aufenthaltsbestimmung, Vermögenssorge, Vertretung bei Ämtern, Behörden, Versicherungsträgern, Wohnungsangelegenheiten sowie Öffnen der Post. Nach einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit erscheint die Klägerin dauerhaft nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer geregelten beruflichen Tätigkeit nachzugehen bzw. eine erwerbssichernde Tätigkeit aufzunehmen. Auch für zustandsangepasste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei von einem Leistungsvermögen von weniger als drei Stunden täglich auszugehen. Der behandelnde Kinderarzt Dr. B. geht davon aus, dass die Klägerin sicherlich nicht dem ersten Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen könne und werde. Es sei mit keiner Befundbesserung zu rechnen, eher bzw. sicher mit einer progredienten Verschlechterung in den nächsten 10-15 Jahren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2019 - L 18 SO 110/19

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2019 - L 18 SO 110/19

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2019 - L 18 SO 110/19 zitiert 12 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 43 Rente wegen Erwerbsminderung


(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind,2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 19 Leistungsberechtigte


(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. (2)

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 41 Leistungsberechtigte


(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen n

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 45 Feststellung der dauerhaften vollen Erwerbsminderung


Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es a

Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 109a Hilfen in Angelegenheiten der Grundsicherung


(1) Die Träger der Rentenversicherung informieren und beraten Personen, die 1. die Regelaltersgrenze erreicht haben oder2. das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2019 - L 18 SO 110/19 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juli 2019 - L 18 SO 110/19 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Sozialgericht Augsburg Urteil, 16. Feb. 2018 - S 8 SO 143/17

bei uns veröffentlicht am 16.02.2018

Tenor I. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin von August 2017 bis Juli 2018 Grund

Referenzen

Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn

1.
ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat,
2.
ein Träger der Rentenversicherung bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 des Sechsten Buches eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat,
3.
Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind oder
4.
der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt.
In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.

(1) Die Träger der Rentenversicherung informieren und beraten Personen, die

1.
die Regelaltersgrenze erreicht haben oder
2.
das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 sind und bei denen es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann,
über die Leistungsvoraussetzungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches, soweit die genannten Personen rentenberechtigt sind. Personen nach Satz 1, die nicht rentenberechtigt sind, werden auf Anfrage beraten und informiert. Liegt eine Rente unter dem 27fachen des aktuellen Rentenwertes, ist der Information zusätzlich ein Antragsformular beizufügen. Es ist darauf hinzuweisen, dass der Antrag auf Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches auch bei dem zuständigen Träger der Rentenversicherung gestellt werden kann, der den Antrag an den zuständigen Träger der Sozialhilfe weiterleitet. Darüber hinaus sind die Träger der Rentenversicherung verpflichtet, mit den zuständigen Trägern der Sozialhilfe zur Zielerreichung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches zusammenzuarbeiten. Eine Verpflichtung nach Satz 1 besteht nicht, wenn eine Inanspruchnahme von Leistungen der genannten Art wegen der Höhe der gezahlten Rente sowie der im Rentenverfahren zu ermittelnden weiteren Einkünfte nicht in Betracht kommt.

(2) Die Träger der Rentenversicherung prüfen und entscheiden auf ein Ersuchen nach § 45 des Zwölften Buches durch den zuständigen Träger der Sozialhilfe, ob Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 sind und es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Ergibt die Prüfung, dass keine volle Erwerbsminderung vorliegt, ist ergänzend eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben, ob hilfebedürftige Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 des Zweiten Buches sind.

(3) Die Träger der Rentenversicherung geben nach § 44a Absatz 1 Satz 5 des Zweiten Buches eine gutachterliche Stellungnahme ab, ob hilfebedürftige Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet haben, erwerbsfähig im Sinne des § 8 des Zweiten Buches sind. Ergibt die gutachterliche Stellungnahme, dass Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 Satz 2 sind, ist ergänzend zu prüfen, ob es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(4) Zuständig für die Prüfung und Entscheidung nach Absatz 2 und die Erstellung der gutachterlichen Stellungnahme nach Absatz 3 ist

1.
bei Versicherten der Träger der Rentenversicherung, der für die Erbringung von Leistungen an den Versicherten zuständig ist,
2.
bei sonstigen Personen der Regionalträger, der für den Sitz des Trägers der Sozialhilfe oder der Agentur für Arbeit örtlich zuständig ist.

(5) Die kommunalen Spitzenverbände, die Bundesagentur für Arbeit und die Deutsche Rentenversicherung Bund können Vereinbarungen über das Verfahren nach den Absätzen 2 und 3 schließen.

Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn

1.
ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat,
2.
ein Träger der Rentenversicherung bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 des Sechsten Buches eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat,
3.
Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind oder
4.
der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt.
In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin von August 2017 bis Juli 2018 Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu bewilligen.

II. Es wird eine vorläufige monatliche Zahlung des Beklagten an die Klägerin in Höhe von 500 EUR von August 2017 bis Juli 2018 angeordnet.

III. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten; im Übrigen erfolgt keine Kostenerstattung.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Monate August 2017 bis Juli 2018.

Die 1997 geborene Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen „G“, „B“, „H“ und „aG“ und war zunächst in Pflegestufe II und ist inzwischen in Pflegegrad 4 eingestuft. Sie lebt in einem Haus mit ihren Eltern und bezog vom Beklagten ab August 2015 Grundsicherung bei Erwerbsminderung von zuletzt 796,71 EUR pro Monat. Seit 1. September 2017 besucht die Klägerin den Eingangs- bzw. Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).

Nach Anhörung der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2017 die Grundsicherung ab August 2017 ein. Es stehe nicht fest, dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei. Dies sei bisher nicht durch den Rentenversicherungsträger festgestellt worden. Andere Kriterien für eine derartige Annahme würden nicht mehr anerkannt. Daher bestehe kein Anspruch mehr auf diese Leistung.

Der Widerspruch wurde damit begründet, dass eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung der Klägerin liege eindeutig vor. Die Prüfung durch den Rentenversicherungsträger müsse schnellstmöglich in die Wege geleitet werden.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 zurückgewiesen. Solange nicht feststehe, dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei, bestehe kein Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Nach den seit Juli 2017 geltenden Verfahrensregelungen unterbleibe ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger. Bereits bislang sei angenommen worden, dass lediglich eine aufwändige Prüfung für in einer WfbM Beschäftigte vermieden werden solle. Aus der Neuregelung ergebe sich nichts anderes. Der Gesetzgeber stelle lediglich klar, dass kein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger erfolge, weil die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne. Bei der Klägerin sei bislang noch keine gutachterliche Feststellung zur Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung vorgenommen worden. Damit erfülle sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherung. Soweit diese bisher gewährt worden sei, sei dies ohne Rechtsgrundlage und damit unrechtmäßig erfolgt. Die Klägerin sei vielmehr als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aus ihr und ihren Eltern dem grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis der Grundsicherung für Arbeitssuchende zuzuordnen. Demzufolge habe sie auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Sozialhilfeträger.

Dagegen ist für die Klägerin durch ihre Eltern und Betreuer am 16. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben worden. Die Prozessbevollmächtigten haben später argumentiert, auch nach der neuen Rechtslage sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung gegeben sei. Zwar sei es nicht zu beanstanden, wenn der Eingangs- und Berufsbildungsbereich noch als ergebnisoffen angesehen werde. Dennoch dürften den Betroffenen nicht die Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung verwehrt werden. Es sei so, dass nur solche behinderten Menschen in den Eingangs- und Berufsbildungsbereich gelangten, bei denen bereits offensichtlich sei, dass eine Übernahme in den ersten Arbeitsmarkt nicht infrage komme. In erster Linie werde daher festgestellt, ob für den betroffenen Menschen eine Unterbringung in der WfbM überhaupt möglich sei. Der Fachausschuss stelle daher in der Mehrzahl der Fälle nicht das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit fest. Die Betroffenen seien vor einer endgültigen Aufnahme in die WfbM von einem Anspruch auf Grundsicherung ausgeschlossen. Es wäre dann untersagt, eine Einzelfallentscheidung herbeizuführen, selbst wenn absehbar wäre, dass eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt offensichtlich nicht infrage kommt. Systematisch wäre dies ebenfalls widersprüchlich, weil für die anderen Fallgruppen ebenfalls vorgesehen sei, dass das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung feststeht. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wäre sachlich nicht begründet, weil keine Unterscheidung der Personen im Arbeitsbereich und im Berufsbildungsbereich gerechtfertigt sei. Auch würden Personen, bei denen bereits vor Eintritt in die WfbM eine dauerhafte volle Erwerbsminderung festgestellt wurde, besser behandelt. Die Klägerin sei aber voll und dauerhaft erwerbsgemindert. Das werde sich nach Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs nicht verbessern.

Der Beklagte hat erwidert, nach den früher geltenden bayerischen Sozialhilferichtlinien habe bei Pflegestufe II ohne Einschaltung des Rentenversicherungsträgers eine dauerhafte volle Erwerbsminderung unterstellt werden dürfen. Diese Praxis sei nicht mehr möglich. Nach den Weisungen des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales führe die Neuregelung zu keinen Abweichungen gegenüber dem bisherigen Rechtsstand, sondern bedeute eine Klarstellung der seit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vertretenen Rechtsauffassung. Folge sei deshalb nicht, dass Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich als leistungsberechtigt nach dem Grundsicherungsrecht gelten würden. Denn durch ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger solle nicht der Entscheidung des Werkstattausschusses vorgegriffen werden. Zudem handle es sich um eine verfahrensrechtliche Regelung, die nicht den leistungsberechtigten Personenkreis bestimme. In der Phase des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs stehe zwar fest, dass die Menschen mit Behinderung voll erwerbsgemindert seien, die gesonderte Stellungnahme des Fachausschusses stehe aber noch aus. Die Aufgabe dieser Phase einer WfbM liege ja auch darin, die Möglichkeiten für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu fördern. Daher sei eine vorzeitige Begutachtung durch den Rentenversicherungsträger nicht angezeigt, sondern die Stellungnahme des Fachausschusses sei ein gegenüber dem Ersuchen vorrangiges Instrument. Systematische Gründe sprächen nicht gegen diese Rechtsauslegung. Aufgrund rentenrechtlicher Regelung gälten alle in einer WfbM tätigen, behinderten Personen als voll erwerbsgemindert und hätten - wenngleich teilweise befristet - Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente. Deshalb sei es konsequent, ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger zu vermeiden. Der Eingangs- und Berufsbildungsbereich werde ergebnisoffen durchlaufen. Daran habe der Bundesgesetzgeber festhalten wollen.

Mit Beschluss vom 8. Januar 2018 ist das zuständige Jobcenter beigeladen worden.

Für die Klägerin wird beantragt,

Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum August 2017 bis Juli 2018 Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Beigeladenen ist kein Antrag gestellt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht entscheidet trotz Ausbleibens eines Vertreters für das beigeladene Jobcenter in der mündlichen Verhandlung. Es ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 110 Abs. 1, § 126 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), und die Sache war auch ohne Anwesenheit des Beigeladenen entscheidungsreif. Eine Verhinderung ist zudem nicht geltend gemacht und keine Terminsänderung beantragt worden.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Eine reine Anfechtung würde vorliegend nicht genügen, um das klägerische Ziel zu erreichen, über den Juli 2017 hinaus Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung vom Beklagten zu erhalten. Denn die vorausgehende Leistungsbewilligung war nicht zeitlich unbegrenzt, sondern befristet bis einschließlich Juli 2017. Für den nachfolgenden, streitgegenständlichen Zeitraum war damit bisher keine Regelung getroffen worden.

Die Klage hat in der Sache im Sinn der Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach Erfolg.

Die Klägerin hat auch ab August 2017 gegen den Beklagten Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der dem entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gemäß § 8 Nr. 2, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2, §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) Anspruch gegen den Beklagten auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), da der bei ihr festgestellte Grad der Behinderung von 100 und der Pflegegrad 4 sowie die Tätigkeit in der WfbM dafür sprechen, dass sie nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann. Des Weiteren hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Beklagten, ist älter als 18 Jahre und kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken. Der Beklagte ist außerdem zuständig für die Leistungserbringung nach § 97 Abs. 1, § 98 Abs. 2 SGB XII, Art. 81 ff. des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG).

Die Klägerin ist zudem als auf Dauer voll erwerbsgemindert anzusehen im Sinn von § 41 Abs. 3 SGB XII. Das folgt zwar noch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits seit September 2015 Grundsicherung bei Erwerbsminderung vom Beklagten erhalten hat. Allerdings ergibt sich dies unter Anwendung von § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII. Die Vorschrift des § 45 SGB XII - in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 3159), gültig seit 1. Juli 2017 - schränkt mit ihrem Satz 1 zunächst abweichend von § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Amtsermittlung des Sozialhilfeträgers dahin ein, dass dieser das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII nicht selbst in freier Amtsermittlung prüft, sondern den zuständigen Rentenversicherungsträger um Prüfung zu ersuchen hat. Das gilt aber nur, wenn der Sozialhilfeträger in einem ersten Schritt, quasi einer Vorprüfung, es für wahrscheinlich hält, dass die betreffende Person - neben ihrer Bedürftigkeit - die medizinischen Voraussetzungen erfüllt, also voll und dauerhaft erwerbsgemindert ist. Hält der Sozialhilfeträger dies nicht für wahrscheinlich, findet § 45 SGB XII schon keine Anwendung (vgl. Juris-PK, SGB XII, § 45 Rz. 25 ff.; Hauck/Noftz, SGB XII, § 45 Rz. 8 ff. und 27 ff.). Greift demnach § 45 SGB XII ein, hat der Sozialhilfeträger den Rentenversicherungsträger um die Prüfung der medizinischen Voraussetzungen mit bindender Wirkung zu ersuchen, es sei denn, es greift einer der Fälle des § 45 Satz 3 SGB XII.

Dabei ist auch bei dem hier im Raum stehenden § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII in seiner ersten Alternative, also bezüglich Personen im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM, nicht nur ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger entbehrlich, sondern ebenso wie bei den anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen.

Die vom Beklagten angewandte Rechtsauslegung, die nicht von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer ausgeht, ist zwar zuzugeben, dass sie mit dem Wortlaut der neuen Nummer 3 des § 45 Satz 3 SGB XII in Einklang zu bringen ist. Ebenso steht ihr die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9984) nicht zwingend entgegen. Dort ist die Rede davon, dass die Dauerhaftigkeit einer Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne und deswegen kein Ersuchen auf gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erfolge. Allerdings ergibt sich nach Ansicht des Gerichts aus der Gesetzesbegründung nicht der vom Beklagten bzw. dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gezogene Schluss, dass in dieser Phase des Aufenthalts in einer WfbM gerade bzw. noch nicht von der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung auszugehen sei. Alleine deutlich zu sehen ist, dass der Gesetzgeber die Amtsermittlungspflicht des Sozialhilfeträgers dahin einschränken wollte, dass dieser sich nicht an den Rentenversicherungsträger zu wenden hat. Mit anderen Worten können also aus der Begründung der Neuregelung und aus ihrem Wortlaut keine zwingenden Schlüsse für die eine oder andere Ansicht gezogen werden. Beides wäre damit vereinbar.

Betrachtet man weiter den Kontext der Vorschrift, spricht dieser nach Meinung des Gerichts dafür, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII unterstellt wird. Bei anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII einschließlich der zweiten Alternative der Nummer 3 ist nämlich klar, dass von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen ist, ohne dass eine gutachterliche Feststellung erfolgt. In dieser Systematik würde die vom Beklagten vertretene Auslegung des § 45 Satz 3 Nr. 3 Alternative 1 SGB XII einen Fremdkörper darstellen, der so ohne Weiteres nicht erkennbar ist. Es hätte folglich für den Gesetzgeber zumindest naheliegen können, den Unterschied in der Konsequenz deutlicher herauszustellen oder separat zu regeln. Dass dies nicht geschehen ist, deutet das Gericht als Beleg dafür, dass eben keine andere Konsequenz hinsichtlich der Frage der Dauerhaftigkeit gezogen werden soll, sondern diese unterstellt wird. Andernorts wird aus § 45 Satz 3 SGB XII der Schluss gezogen, dass damit für jede Phase des Besuchs der WfbM die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII gelockert werden sollten (Hauck/Noftz, SGB XII, § 45 Rz. 36). Auch dies korrespondiert mit der vom Gericht angenommenen Rechtsauslegung.

Für diese ist außerdem anzuführen, dass die - nicht zuletzt von der Klägerseite kritisierte - Situation des Anspruchsstellers auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung bei der vom Beklagten angenommenen Rechtsansicht kaum vom Gesetzgeber gewollt sein kann. Der betreffende Mensch wäre in der Konsequenz in den allermeisten Fällen von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ausgeschlossen, ohne dass feststeht, ob er die medizinischen Voraussetzungen nicht doch erfüllt. Denn einerseits wird dies nicht unterstellt, wie bei anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII und andererseits ist es dem Sozialhilfeträger untersagt, diesbezüglich Ermittlungen anzustellen. Das würde bedeuten, dass die nachfragende Person zunächst das gesamte Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren durchlaufen müsste und erst im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einer Prüfung der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII bekäme, indem dann beispielsweise eine Begutachtung vom Gericht in Auftrag gegeben wird. Dem Gericht ist bezüglich anderer existenzsichernder Sozialsysteme keine derartige Regelungskonstruktion bekannt und das Gericht hat auch Zweifel, ob dies mit der aus Art. 20 des Grundgesetzes (GG) folgenden Rechtsbindung der Verwaltung vereinbar ist. Denn - wovon auch der Beklagte ausgeht - bei § 45 SGB XII handelt es sich dem Wesen nach um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, nicht aber primär um eine Modifikation des von § 41 Abs. 3 SGB XII als leistungsberechtigt normierten Personenkreises. Ebenso wie die Norm diesen Kreis einerseits nicht erweitern soll, darf sie ihn andererseits daher nicht (faktisch) einschränken. Letzteres ist aber die unausweichliche Folge der Ansicht des Beklagten. Einem im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM Tätigem wäre es verwehrt, dass die Verwaltung prüft, ob die Voraussetzungen für einen sozialhilferechtlichen Anspruch gegeben sind. Das bedeutet, die Verwaltung müsste gegebenenfalls auch berechtigte Ansprüche ablehnen. Nach dem Dafürhalten des Gerichts wäre dies ein rechtsstaatlich bedenkliches Ergebnis.

Gewichtige Gründe für ein derartiges Szenario sieht das Gericht nicht. Für die entsprechende Ansicht lässt sich vornehmlich anführen, dass Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger von (zeit- und kostenaufwändigen) Ermittlungen entlastet würden. Hinzu käme wohl noch eine schnellere Entscheidung des Sozialhilfeträgers. Beide Effekte ließen sich aber genauso erreichen, wenn man - wie hier vertreten - davon ausgeht, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ohne weitere Ermittlungen als gegeben erachtet wird. Im Unterschied zur Ansicht des Beklagten hätte dies aber keine Verkürzung von Ansprüchen auf existenzsichernde Leistungen zur Folge. Das Gericht will ferner dem Bundesgesetzgeber nicht die Absicht unterstellen, sozusagen über die Hintertür der Neugestaltung des Verfahrens in § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII Einsparungen zu erzielen, indem im Verwaltungsverfahren objektiv unberechtigte Anspruchsablehnungen provoziert werden. Um außerdem noch das Argument der Ergebnisoffenheit des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs einer WfbM aufzugreifen: Dies - und damit ebenso die Entscheidung über den Wechsel in den Arbeitsbereich - würde gleichermaßen nicht infrage gestellt, wenn bei Eintritt in die WfbM zunächst oder weiter vom Vorliegen einer dauerhaften und vollen Erwerbsminderung auszugehen ist, zumal genauso gut die Konstellation denkbar ist, dass bei einem voll erwerbsgeminderten Menschen schon zuvor die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung festgestellt wurde. Dann könnte allein wegen des Besuchs des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs einer WfbM kaum in Abrede gestellt werden, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Bezug von Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach wie vor gegeben sind. Für das Gericht ist kein guter Grund ersichtlich, weshalb dies zwingend bei Personen, die zuvor noch nicht begutachtet wurden, anders gehandhabt werden muss.

Damit ist gleich das nächste Problemfeld bei der vom Beklagten vertretenen Ansicht erreicht, nämlich die Frage der Ungleichbehandlung, insbesondere eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Aus den oben skizzierten Konstellationen lässt sich ersehen, dass es verschiedentlich zu unterschiedlichen Behandlungen von Anspruchsstellern kommen würde. Ebenso würden Personen, die sich im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM befinden, anders behandelt als Personen im Sinn von § 219 Abs. 2 Satz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), die also von vorneherein nicht in eine WfbM aufgenommen werden. Das ließe sich angesichts des genannten Personenkreises vielleicht noch rechtfertigen mit der Überlegung, dass bei diesen Menschen die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung deutlicher auf der Hand liegen dürfte. Dieser Argumentation mangelt es aber spätestens dann an Überzeugungskraft, wenn man bedenkt, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ohne weitere Prüfung gegeben sein soll, sobald der behinderte Mensch in den Arbeitsbereich der WfbM wechselt. Die Regelungen dazu besagen aber zu wenig für die Frage nach dem Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII. Vielmehr sind die entsprechenden Vorschriften im SGB IX ausgerichtet auf die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Damit haben sie zwar einen Bezug zu den rentenrechtlichen Bestimmungen über die Erwerbsminderungsrenten, weil beide Regelungskomplexe auf die Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt abstellen. Jedoch ist daraus noch nicht zwingend der Schluss auf eine fehlende Dauerhaftigkeit dieser Fähigkeiten während der Dauer des Besuchs des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs begründbar. Nur ein zwingender Grund ist aber ausreichend, um als Unterscheidungskriterium für eine andere Behandlung behinderter Menschen genügen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2015, 1 BvR 2803/11). Auch wenn weiter berücksichtigt wird, dass dem Gesetzgeber bei massenhaft anfallenden Verwaltungsvorgängen im Interesse der Praktikabilität eine Typisierungsbefugnis zusteht, die Verallgemeinerungen und Pauschalierungen erlaubt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14), erscheint es dem Gericht dennoch zweifelhaft, dass dem Wechsel in den Arbeitsbereich eine derartige Aussagekraft in Bezug auf ein Merkmal wie der Erwerbsfähigkeit zukommen soll. Dieses Merkmal stellt letztlich ein personenbezogenes Unterscheidungskriterium dar, weil es naturgemäß mit dem Vorliegen einer Behinderung - welche nach § 2 Abs. 1 SGB IX nicht dauerhaft sein muss - einhergeht, was auch aus § 219 SGB IX folgt („… Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen…“).

Zwar könnte demgegenüber eingewandt werden, dass das Merkmal „Erwerbsfähigkeit“ als tragende Weichenstellung für die Zuweisung zu einem der sozialen Sicherungssysteme SGB II oder SGB XII dient. Allerdings ist dann weiter zu sehen, dass sich nach beiden Systemen grundsätzlich eine Absicherung nach denselben Prinzipien und auf gleichem Niveau ergibt - betrachtet man das Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld und die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Gesetzgeber hat aber mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Jahr 2003, fortgeführt ab 2005 im 4. Kapitel des SGB XII, Verbesserungen bzw. Privilegierungen für diesen Personenkreis festgelegt. Dazu zählt unter anderem, was auch bei der Klägerin zum Tragen kommen könnte, das Einkommen und Vermögen der mit einem Anspruchssteller in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern nicht bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Diese gesetzlich angestrebte Verbesserung für behinderte Menschen würde demjenigen verwehrt, der sich in eine WfbM begibt, ohne dass die Frage der Dauerhaftigkeit seiner vollen Erwerbsminderung geklärt ist. Gerade die darauf basierende Annahme, dass der Betreffende seine Existenzsicherung eben auf Dauer nicht selbst bewerkstelligen kann, war aber der Beweggrund für die Einführung der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Personen. Das Gericht kann sich nicht vorstellen, dass über den neuen § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII der Gesetzgeber gerade diesen entscheidenden Umstand zukünftig für die Betreffenden unaufklärbar(er) machen wollte. Wie der Blick auf andere Regelungsbereiche zeigt, hätte aber die weniger einschneidende Möglichkeit bestanden, eine entsprechende gesetzliche Vermutung zu statuieren, die widerleglich ist. Davon hat der Gesetzgeber hier jedoch keinen Gebrauch gemacht. In den Augen des Gerichts ein Zeichen dafür, dass er nicht das vom Beklagten angenommene Ergebnis bezweckt hat.

Selbst wenn man annähme, es handle sich bei der Neuregelung nur um eine Klarstellung, ergäbe sich nichts anderes. In diesem Fall wäre es ebenfalls zumindest ungewöhnlich, im Mantel einer Verfahrensvorschrift eine einschränkende Regelung des leistungsberechtigten Personenkreises zu verbergen. Bei der Begründung der Klarstellung hätte es sich folglich aufdrängen müssen, die gewollte Konsequenz noch einmal zu verdeutlichen - Anlass für eine Klarstellung sah man ja wohl. Das ist aber aus der Gesetzesbegründung nicht herauszulesen. Sollte hier lediglich ein ungeschicktes gesetzgeberisches Tätigwerden eine Unschärfe hervorgerufen haben, kann dies jedenfalls nicht gleichsam durch ministerielles Nachschieben von Gründen geheilt werden. Äußerungen des federführend zuständigen Bundesministeriums zum Inhalt von Regelungen können allenfalls eine Auslegungshilfe darstellen, ihnen kommt aber keine Bindungswirkung und kein Vorrang im Rahmen der üblichen gerichtlichen Auslegungsmethodik zu. Für das Gericht liegt daher aus den oben genannten Gründen die These der Klarstellung ebenso fern wie die Annahme eines neuerdings eingeschränkten leistungsberechtigten Personenkreises.

Zuletzt ist noch darauf zu verweisen, dass die Auslegung des § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB IX dergestalt, dass für Personen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM nicht vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII auszugehen und zugleich dem Sozialhilfeträger entsprechende Ermittlungen untersagt werden, zu einem Konflikt mit Art. 104a Abs. 1 GG führt. Danach tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Wie aus den obigen Ausführungen leicht ersehen werden kann, würde die vom Beklagten vertretene Auffassung jedoch faktisch dazu führen, dass nachfragende Personen mehr oder weniger gezwungen wären, Ansprüche auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung gerichtlich geltend zu machen. Wegen der durch § 45 SGB XII nicht eingeschränkten Ermittlungspflicht der Sozialgerichte nach § 103 SGG hätte dies wiederrum zur Folge, dass bei den Ländern als Träger der ermittelnden Sozial- und Landessozialgerichte (§§ 2, 7 und 28 SGG) regelmäßig die Kosten für die erstmalige Ermittlung der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGG anfallen würden. Den Gerichten wäre nämlich die Möglichkeit verwehrt, gemäß § 131 Abs. 5 SGG vorzugehen und den Sozialhilfeträger zu - erstmaligen - Ermittlungen zu verpflichten, weil § 45 SGB XII dessen Amtsermittlungspflicht ja gerade einschränkt bzw. insofern gänzlich ausschließt, so dass auf dieser Ebene kein Ermittlungsdefizit vorläge. Obschon die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt wird (Art. 104a Abs. 2 und 3 GG i.V.m. § 46a Abs. 1 SGB XII, Art. 81 Abs. 2 AGSG), würden mithin im Ergebnis die Länder mit per se vom Bund zu tragenden Ausgaben belastet.

In der Gesamtschau der Argumente ergibt sich für das Gericht, dass sich allein mit Blick auf die dargelegten verfassungsrechtlich problematischen Folgen ein Verständnis von § 45 Satz 3 Nr. 3 Alternative 1 SGB XII dahin, dass die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII nicht gegeben sind, verbietet. Als Konsequenz leitet das Gericht ab, dass die Regelung nur so unproblematisch anzuwenden ist, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen ohne weitere Ermittlungen des Sozialhilfeträgers anzunehmen ist, wenn er das Vorliegen für wahrscheinlich hält. Hält er es für unwahrscheinlich, greift

§ 45 SGB XII ohnehin nicht (vgl. Hauck/Noftz a.a.O.) und es sind die gebotenen Ermittlungen gemäß § 20 SGB X ohne Einschränkung durchzuführen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass bei der Klägerin nicht nur eine volle, sondern auch eine dauerhafte Erwerbsminderung (weiterhin) anzunehmen ist. Denn seitens des Beklagten wurde in der mündlichen Verhandlung bejaht, dass er es für wahrscheinlich hält, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII erfüllt werden.

Deswegen ist der Klage stattzugeben.

Da der konkrete Bedarf bisher nicht ermittelt wurde und der Streit der Beteiligten sich ausschließlich um die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Klägerin dreht, beschränkt sich das Gericht analog § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG (zu dieser Möglichkeit: BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016, B 8 SO 15/15 R) auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistungsgewährung dem Grunde nach. Dies entlastet zudem ein etwaiges weiteres gerichtliches Verfahren von der Befassung mit der konkreten Anspruchshöhe. Zugleich ist bei Bejahung der Leistungsberechtigung der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit für den streitigen Zeitraum davon auszugehen, dass die Klägerin hilfebedürftig ist.

Wegen der existenziellen Bedeutung der Leistungen für die Klägerin und im Hinblick darauf, dass eine abschließende Klärung wahrscheinlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird, ordnet das Gericht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 SGG vorläufige laufende Leistungen des Beklagten an die Klägerin in Höhe von 500 EUR pro Monat von August 2017 bis Juli 2018 an. Die zeitliche Begrenzung folgt dabei dem Streitgegenstand in der Hauptsache. Bei der Bemessung der Höhe orientiert sich das Gericht an dem zuletzt vom Beklagten bewilligten Leistungsbetrag von 796,71 EUR. In dieser Höhe wird mit Wahrscheinlichkeit weiterhin ein offener Bedarf der Klägerin bestehen. Das Gericht nimmt wegen der Vorläufigkeit der Regelung jedoch einen Abschlag vor, angelehnt an die im einstweiligen Rechtsschutz bei existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II zulässigen Spanne eines Abschlags von bis zu 30% (vgl. BayLSG, Beschlüsse vom 6. Februar 2017, L 16 AS 56/17 B ER, und vom 8. April 2016, L 11 AS 138/16 B ER). Zudem wird berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Mutter einen Mietvertrag abgeschlossen hat und insofern nicht anzunehmen ist, dass ihr bei ausbleibenden oder zu geringen Mietzahlungen Obdachlosigkeit droht. Angesichts dieser Umstände hält das Gericht einen laufenden Betrag von 500 EUR für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Seitens des Beigeladenen ist kein Antrag gestellt und aber auch nicht (hilfsweise) dessen Verurteilung beantragt worden oder eine solche erfolgt. Daher besteht kein Grund, dass er an der Kostenerstattung teilnimmt.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.

(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:


für den Geburtsjahrgangerfolgt eine Anhebung um Monateauf Vollendung eines Lebensalters von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie

1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder
2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn

1.
ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat,
2.
ein Träger der Rentenversicherung bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 des Sechsten Buches eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat,
3.
Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind oder
4.
der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt.
In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin von August 2017 bis Juli 2018 Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu bewilligen.

II. Es wird eine vorläufige monatliche Zahlung des Beklagten an die Klägerin in Höhe von 500 EUR von August 2017 bis Juli 2018 angeordnet.

III. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten; im Übrigen erfolgt keine Kostenerstattung.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Monate August 2017 bis Juli 2018.

Die 1997 geborene Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen „G“, „B“, „H“ und „aG“ und war zunächst in Pflegestufe II und ist inzwischen in Pflegegrad 4 eingestuft. Sie lebt in einem Haus mit ihren Eltern und bezog vom Beklagten ab August 2015 Grundsicherung bei Erwerbsminderung von zuletzt 796,71 EUR pro Monat. Seit 1. September 2017 besucht die Klägerin den Eingangs- bzw. Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).

Nach Anhörung der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2017 die Grundsicherung ab August 2017 ein. Es stehe nicht fest, dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei. Dies sei bisher nicht durch den Rentenversicherungsträger festgestellt worden. Andere Kriterien für eine derartige Annahme würden nicht mehr anerkannt. Daher bestehe kein Anspruch mehr auf diese Leistung.

Der Widerspruch wurde damit begründet, dass eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung der Klägerin liege eindeutig vor. Die Prüfung durch den Rentenversicherungsträger müsse schnellstmöglich in die Wege geleitet werden.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 zurückgewiesen. Solange nicht feststehe, dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei, bestehe kein Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Nach den seit Juli 2017 geltenden Verfahrensregelungen unterbleibe ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger. Bereits bislang sei angenommen worden, dass lediglich eine aufwändige Prüfung für in einer WfbM Beschäftigte vermieden werden solle. Aus der Neuregelung ergebe sich nichts anderes. Der Gesetzgeber stelle lediglich klar, dass kein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger erfolge, weil die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne. Bei der Klägerin sei bislang noch keine gutachterliche Feststellung zur Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung vorgenommen worden. Damit erfülle sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherung. Soweit diese bisher gewährt worden sei, sei dies ohne Rechtsgrundlage und damit unrechtmäßig erfolgt. Die Klägerin sei vielmehr als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aus ihr und ihren Eltern dem grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis der Grundsicherung für Arbeitssuchende zuzuordnen. Demzufolge habe sie auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Sozialhilfeträger.

Dagegen ist für die Klägerin durch ihre Eltern und Betreuer am 16. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben worden. Die Prozessbevollmächtigten haben später argumentiert, auch nach der neuen Rechtslage sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung gegeben sei. Zwar sei es nicht zu beanstanden, wenn der Eingangs- und Berufsbildungsbereich noch als ergebnisoffen angesehen werde. Dennoch dürften den Betroffenen nicht die Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung verwehrt werden. Es sei so, dass nur solche behinderten Menschen in den Eingangs- und Berufsbildungsbereich gelangten, bei denen bereits offensichtlich sei, dass eine Übernahme in den ersten Arbeitsmarkt nicht infrage komme. In erster Linie werde daher festgestellt, ob für den betroffenen Menschen eine Unterbringung in der WfbM überhaupt möglich sei. Der Fachausschuss stelle daher in der Mehrzahl der Fälle nicht das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit fest. Die Betroffenen seien vor einer endgültigen Aufnahme in die WfbM von einem Anspruch auf Grundsicherung ausgeschlossen. Es wäre dann untersagt, eine Einzelfallentscheidung herbeizuführen, selbst wenn absehbar wäre, dass eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt offensichtlich nicht infrage kommt. Systematisch wäre dies ebenfalls widersprüchlich, weil für die anderen Fallgruppen ebenfalls vorgesehen sei, dass das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung feststeht. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wäre sachlich nicht begründet, weil keine Unterscheidung der Personen im Arbeitsbereich und im Berufsbildungsbereich gerechtfertigt sei. Auch würden Personen, bei denen bereits vor Eintritt in die WfbM eine dauerhafte volle Erwerbsminderung festgestellt wurde, besser behandelt. Die Klägerin sei aber voll und dauerhaft erwerbsgemindert. Das werde sich nach Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs nicht verbessern.

Der Beklagte hat erwidert, nach den früher geltenden bayerischen Sozialhilferichtlinien habe bei Pflegestufe II ohne Einschaltung des Rentenversicherungsträgers eine dauerhafte volle Erwerbsminderung unterstellt werden dürfen. Diese Praxis sei nicht mehr möglich. Nach den Weisungen des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales führe die Neuregelung zu keinen Abweichungen gegenüber dem bisherigen Rechtsstand, sondern bedeute eine Klarstellung der seit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vertretenen Rechtsauffassung. Folge sei deshalb nicht, dass Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich als leistungsberechtigt nach dem Grundsicherungsrecht gelten würden. Denn durch ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger solle nicht der Entscheidung des Werkstattausschusses vorgegriffen werden. Zudem handle es sich um eine verfahrensrechtliche Regelung, die nicht den leistungsberechtigten Personenkreis bestimme. In der Phase des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs stehe zwar fest, dass die Menschen mit Behinderung voll erwerbsgemindert seien, die gesonderte Stellungnahme des Fachausschusses stehe aber noch aus. Die Aufgabe dieser Phase einer WfbM liege ja auch darin, die Möglichkeiten für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu fördern. Daher sei eine vorzeitige Begutachtung durch den Rentenversicherungsträger nicht angezeigt, sondern die Stellungnahme des Fachausschusses sei ein gegenüber dem Ersuchen vorrangiges Instrument. Systematische Gründe sprächen nicht gegen diese Rechtsauslegung. Aufgrund rentenrechtlicher Regelung gälten alle in einer WfbM tätigen, behinderten Personen als voll erwerbsgemindert und hätten - wenngleich teilweise befristet - Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente. Deshalb sei es konsequent, ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger zu vermeiden. Der Eingangs- und Berufsbildungsbereich werde ergebnisoffen durchlaufen. Daran habe der Bundesgesetzgeber festhalten wollen.

Mit Beschluss vom 8. Januar 2018 ist das zuständige Jobcenter beigeladen worden.

Für die Klägerin wird beantragt,

Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum August 2017 bis Juli 2018 Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Beigeladenen ist kein Antrag gestellt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht entscheidet trotz Ausbleibens eines Vertreters für das beigeladene Jobcenter in der mündlichen Verhandlung. Es ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 110 Abs. 1, § 126 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), und die Sache war auch ohne Anwesenheit des Beigeladenen entscheidungsreif. Eine Verhinderung ist zudem nicht geltend gemacht und keine Terminsänderung beantragt worden.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Eine reine Anfechtung würde vorliegend nicht genügen, um das klägerische Ziel zu erreichen, über den Juli 2017 hinaus Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung vom Beklagten zu erhalten. Denn die vorausgehende Leistungsbewilligung war nicht zeitlich unbegrenzt, sondern befristet bis einschließlich Juli 2017. Für den nachfolgenden, streitgegenständlichen Zeitraum war damit bisher keine Regelung getroffen worden.

Die Klage hat in der Sache im Sinn der Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach Erfolg.

Die Klägerin hat auch ab August 2017 gegen den Beklagten Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der dem entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gemäß § 8 Nr. 2, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2, §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) Anspruch gegen den Beklagten auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), da der bei ihr festgestellte Grad der Behinderung von 100 und der Pflegegrad 4 sowie die Tätigkeit in der WfbM dafür sprechen, dass sie nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann. Des Weiteren hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Beklagten, ist älter als 18 Jahre und kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken. Der Beklagte ist außerdem zuständig für die Leistungserbringung nach § 97 Abs. 1, § 98 Abs. 2 SGB XII, Art. 81 ff. des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG).

Die Klägerin ist zudem als auf Dauer voll erwerbsgemindert anzusehen im Sinn von § 41 Abs. 3 SGB XII. Das folgt zwar noch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits seit September 2015 Grundsicherung bei Erwerbsminderung vom Beklagten erhalten hat. Allerdings ergibt sich dies unter Anwendung von § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII. Die Vorschrift des § 45 SGB XII - in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 3159), gültig seit 1. Juli 2017 - schränkt mit ihrem Satz 1 zunächst abweichend von § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Amtsermittlung des Sozialhilfeträgers dahin ein, dass dieser das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII nicht selbst in freier Amtsermittlung prüft, sondern den zuständigen Rentenversicherungsträger um Prüfung zu ersuchen hat. Das gilt aber nur, wenn der Sozialhilfeträger in einem ersten Schritt, quasi einer Vorprüfung, es für wahrscheinlich hält, dass die betreffende Person - neben ihrer Bedürftigkeit - die medizinischen Voraussetzungen erfüllt, also voll und dauerhaft erwerbsgemindert ist. Hält der Sozialhilfeträger dies nicht für wahrscheinlich, findet § 45 SGB XII schon keine Anwendung (vgl. Juris-PK, SGB XII, § 45 Rz. 25 ff.; Hauck/Noftz, SGB XII, § 45 Rz. 8 ff. und 27 ff.). Greift demnach § 45 SGB XII ein, hat der Sozialhilfeträger den Rentenversicherungsträger um die Prüfung der medizinischen Voraussetzungen mit bindender Wirkung zu ersuchen, es sei denn, es greift einer der Fälle des § 45 Satz 3 SGB XII.

Dabei ist auch bei dem hier im Raum stehenden § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII in seiner ersten Alternative, also bezüglich Personen im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM, nicht nur ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger entbehrlich, sondern ebenso wie bei den anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen.

Die vom Beklagten angewandte Rechtsauslegung, die nicht von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer ausgeht, ist zwar zuzugeben, dass sie mit dem Wortlaut der neuen Nummer 3 des § 45 Satz 3 SGB XII in Einklang zu bringen ist. Ebenso steht ihr die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9984) nicht zwingend entgegen. Dort ist die Rede davon, dass die Dauerhaftigkeit einer Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne und deswegen kein Ersuchen auf gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erfolge. Allerdings ergibt sich nach Ansicht des Gerichts aus der Gesetzesbegründung nicht der vom Beklagten bzw. dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gezogene Schluss, dass in dieser Phase des Aufenthalts in einer WfbM gerade bzw. noch nicht von der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung auszugehen sei. Alleine deutlich zu sehen ist, dass der Gesetzgeber die Amtsermittlungspflicht des Sozialhilfeträgers dahin einschränken wollte, dass dieser sich nicht an den Rentenversicherungsträger zu wenden hat. Mit anderen Worten können also aus der Begründung der Neuregelung und aus ihrem Wortlaut keine zwingenden Schlüsse für die eine oder andere Ansicht gezogen werden. Beides wäre damit vereinbar.

Betrachtet man weiter den Kontext der Vorschrift, spricht dieser nach Meinung des Gerichts dafür, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII unterstellt wird. Bei anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII einschließlich der zweiten Alternative der Nummer 3 ist nämlich klar, dass von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen ist, ohne dass eine gutachterliche Feststellung erfolgt. In dieser Systematik würde die vom Beklagten vertretene Auslegung des § 45 Satz 3 Nr. 3 Alternative 1 SGB XII einen Fremdkörper darstellen, der so ohne Weiteres nicht erkennbar ist. Es hätte folglich für den Gesetzgeber zumindest naheliegen können, den Unterschied in der Konsequenz deutlicher herauszustellen oder separat zu regeln. Dass dies nicht geschehen ist, deutet das Gericht als Beleg dafür, dass eben keine andere Konsequenz hinsichtlich der Frage der Dauerhaftigkeit gezogen werden soll, sondern diese unterstellt wird. Andernorts wird aus § 45 Satz 3 SGB XII der Schluss gezogen, dass damit für jede Phase des Besuchs der WfbM die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII gelockert werden sollten (Hauck/Noftz, SGB XII, § 45 Rz. 36). Auch dies korrespondiert mit der vom Gericht angenommenen Rechtsauslegung.

Für diese ist außerdem anzuführen, dass die - nicht zuletzt von der Klägerseite kritisierte - Situation des Anspruchsstellers auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung bei der vom Beklagten angenommenen Rechtsansicht kaum vom Gesetzgeber gewollt sein kann. Der betreffende Mensch wäre in der Konsequenz in den allermeisten Fällen von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ausgeschlossen, ohne dass feststeht, ob er die medizinischen Voraussetzungen nicht doch erfüllt. Denn einerseits wird dies nicht unterstellt, wie bei anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII und andererseits ist es dem Sozialhilfeträger untersagt, diesbezüglich Ermittlungen anzustellen. Das würde bedeuten, dass die nachfragende Person zunächst das gesamte Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren durchlaufen müsste und erst im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einer Prüfung der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII bekäme, indem dann beispielsweise eine Begutachtung vom Gericht in Auftrag gegeben wird. Dem Gericht ist bezüglich anderer existenzsichernder Sozialsysteme keine derartige Regelungskonstruktion bekannt und das Gericht hat auch Zweifel, ob dies mit der aus Art. 20 des Grundgesetzes (GG) folgenden Rechtsbindung der Verwaltung vereinbar ist. Denn - wovon auch der Beklagte ausgeht - bei § 45 SGB XII handelt es sich dem Wesen nach um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, nicht aber primär um eine Modifikation des von § 41 Abs. 3 SGB XII als leistungsberechtigt normierten Personenkreises. Ebenso wie die Norm diesen Kreis einerseits nicht erweitern soll, darf sie ihn andererseits daher nicht (faktisch) einschränken. Letzteres ist aber die unausweichliche Folge der Ansicht des Beklagten. Einem im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM Tätigem wäre es verwehrt, dass die Verwaltung prüft, ob die Voraussetzungen für einen sozialhilferechtlichen Anspruch gegeben sind. Das bedeutet, die Verwaltung müsste gegebenenfalls auch berechtigte Ansprüche ablehnen. Nach dem Dafürhalten des Gerichts wäre dies ein rechtsstaatlich bedenkliches Ergebnis.

Gewichtige Gründe für ein derartiges Szenario sieht das Gericht nicht. Für die entsprechende Ansicht lässt sich vornehmlich anführen, dass Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger von (zeit- und kostenaufwändigen) Ermittlungen entlastet würden. Hinzu käme wohl noch eine schnellere Entscheidung des Sozialhilfeträgers. Beide Effekte ließen sich aber genauso erreichen, wenn man - wie hier vertreten - davon ausgeht, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ohne weitere Ermittlungen als gegeben erachtet wird. Im Unterschied zur Ansicht des Beklagten hätte dies aber keine Verkürzung von Ansprüchen auf existenzsichernde Leistungen zur Folge. Das Gericht will ferner dem Bundesgesetzgeber nicht die Absicht unterstellen, sozusagen über die Hintertür der Neugestaltung des Verfahrens in § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII Einsparungen zu erzielen, indem im Verwaltungsverfahren objektiv unberechtigte Anspruchsablehnungen provoziert werden. Um außerdem noch das Argument der Ergebnisoffenheit des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs einer WfbM aufzugreifen: Dies - und damit ebenso die Entscheidung über den Wechsel in den Arbeitsbereich - würde gleichermaßen nicht infrage gestellt, wenn bei Eintritt in die WfbM zunächst oder weiter vom Vorliegen einer dauerhaften und vollen Erwerbsminderung auszugehen ist, zumal genauso gut die Konstellation denkbar ist, dass bei einem voll erwerbsgeminderten Menschen schon zuvor die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung festgestellt wurde. Dann könnte allein wegen des Besuchs des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs einer WfbM kaum in Abrede gestellt werden, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Bezug von Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach wie vor gegeben sind. Für das Gericht ist kein guter Grund ersichtlich, weshalb dies zwingend bei Personen, die zuvor noch nicht begutachtet wurden, anders gehandhabt werden muss.

Damit ist gleich das nächste Problemfeld bei der vom Beklagten vertretenen Ansicht erreicht, nämlich die Frage der Ungleichbehandlung, insbesondere eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Aus den oben skizzierten Konstellationen lässt sich ersehen, dass es verschiedentlich zu unterschiedlichen Behandlungen von Anspruchsstellern kommen würde. Ebenso würden Personen, die sich im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM befinden, anders behandelt als Personen im Sinn von § 219 Abs. 2 Satz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), die also von vorneherein nicht in eine WfbM aufgenommen werden. Das ließe sich angesichts des genannten Personenkreises vielleicht noch rechtfertigen mit der Überlegung, dass bei diesen Menschen die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung deutlicher auf der Hand liegen dürfte. Dieser Argumentation mangelt es aber spätestens dann an Überzeugungskraft, wenn man bedenkt, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ohne weitere Prüfung gegeben sein soll, sobald der behinderte Mensch in den Arbeitsbereich der WfbM wechselt. Die Regelungen dazu besagen aber zu wenig für die Frage nach dem Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII. Vielmehr sind die entsprechenden Vorschriften im SGB IX ausgerichtet auf die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Damit haben sie zwar einen Bezug zu den rentenrechtlichen Bestimmungen über die Erwerbsminderungsrenten, weil beide Regelungskomplexe auf die Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt abstellen. Jedoch ist daraus noch nicht zwingend der Schluss auf eine fehlende Dauerhaftigkeit dieser Fähigkeiten während der Dauer des Besuchs des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs begründbar. Nur ein zwingender Grund ist aber ausreichend, um als Unterscheidungskriterium für eine andere Behandlung behinderter Menschen genügen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2015, 1 BvR 2803/11). Auch wenn weiter berücksichtigt wird, dass dem Gesetzgeber bei massenhaft anfallenden Verwaltungsvorgängen im Interesse der Praktikabilität eine Typisierungsbefugnis zusteht, die Verallgemeinerungen und Pauschalierungen erlaubt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14), erscheint es dem Gericht dennoch zweifelhaft, dass dem Wechsel in den Arbeitsbereich eine derartige Aussagekraft in Bezug auf ein Merkmal wie der Erwerbsfähigkeit zukommen soll. Dieses Merkmal stellt letztlich ein personenbezogenes Unterscheidungskriterium dar, weil es naturgemäß mit dem Vorliegen einer Behinderung - welche nach § 2 Abs. 1 SGB IX nicht dauerhaft sein muss - einhergeht, was auch aus § 219 SGB IX folgt („… Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen…“).

Zwar könnte demgegenüber eingewandt werden, dass das Merkmal „Erwerbsfähigkeit“ als tragende Weichenstellung für die Zuweisung zu einem der sozialen Sicherungssysteme SGB II oder SGB XII dient. Allerdings ist dann weiter zu sehen, dass sich nach beiden Systemen grundsätzlich eine Absicherung nach denselben Prinzipien und auf gleichem Niveau ergibt - betrachtet man das Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld und die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Gesetzgeber hat aber mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Jahr 2003, fortgeführt ab 2005 im 4. Kapitel des SGB XII, Verbesserungen bzw. Privilegierungen für diesen Personenkreis festgelegt. Dazu zählt unter anderem, was auch bei der Klägerin zum Tragen kommen könnte, das Einkommen und Vermögen der mit einem Anspruchssteller in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern nicht bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Diese gesetzlich angestrebte Verbesserung für behinderte Menschen würde demjenigen verwehrt, der sich in eine WfbM begibt, ohne dass die Frage der Dauerhaftigkeit seiner vollen Erwerbsminderung geklärt ist. Gerade die darauf basierende Annahme, dass der Betreffende seine Existenzsicherung eben auf Dauer nicht selbst bewerkstelligen kann, war aber der Beweggrund für die Einführung der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Personen. Das Gericht kann sich nicht vorstellen, dass über den neuen § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII der Gesetzgeber gerade diesen entscheidenden Umstand zukünftig für die Betreffenden unaufklärbar(er) machen wollte. Wie der Blick auf andere Regelungsbereiche zeigt, hätte aber die weniger einschneidende Möglichkeit bestanden, eine entsprechende gesetzliche Vermutung zu statuieren, die widerleglich ist. Davon hat der Gesetzgeber hier jedoch keinen Gebrauch gemacht. In den Augen des Gerichts ein Zeichen dafür, dass er nicht das vom Beklagten angenommene Ergebnis bezweckt hat.

Selbst wenn man annähme, es handle sich bei der Neuregelung nur um eine Klarstellung, ergäbe sich nichts anderes. In diesem Fall wäre es ebenfalls zumindest ungewöhnlich, im Mantel einer Verfahrensvorschrift eine einschränkende Regelung des leistungsberechtigten Personenkreises zu verbergen. Bei der Begründung der Klarstellung hätte es sich folglich aufdrängen müssen, die gewollte Konsequenz noch einmal zu verdeutlichen - Anlass für eine Klarstellung sah man ja wohl. Das ist aber aus der Gesetzesbegründung nicht herauszulesen. Sollte hier lediglich ein ungeschicktes gesetzgeberisches Tätigwerden eine Unschärfe hervorgerufen haben, kann dies jedenfalls nicht gleichsam durch ministerielles Nachschieben von Gründen geheilt werden. Äußerungen des federführend zuständigen Bundesministeriums zum Inhalt von Regelungen können allenfalls eine Auslegungshilfe darstellen, ihnen kommt aber keine Bindungswirkung und kein Vorrang im Rahmen der üblichen gerichtlichen Auslegungsmethodik zu. Für das Gericht liegt daher aus den oben genannten Gründen die These der Klarstellung ebenso fern wie die Annahme eines neuerdings eingeschränkten leistungsberechtigten Personenkreises.

Zuletzt ist noch darauf zu verweisen, dass die Auslegung des § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB IX dergestalt, dass für Personen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM nicht vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII auszugehen und zugleich dem Sozialhilfeträger entsprechende Ermittlungen untersagt werden, zu einem Konflikt mit Art. 104a Abs. 1 GG führt. Danach tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Wie aus den obigen Ausführungen leicht ersehen werden kann, würde die vom Beklagten vertretene Auffassung jedoch faktisch dazu führen, dass nachfragende Personen mehr oder weniger gezwungen wären, Ansprüche auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung gerichtlich geltend zu machen. Wegen der durch § 45 SGB XII nicht eingeschränkten Ermittlungspflicht der Sozialgerichte nach § 103 SGG hätte dies wiederrum zur Folge, dass bei den Ländern als Träger der ermittelnden Sozial- und Landessozialgerichte (§§ 2, 7 und 28 SGG) regelmäßig die Kosten für die erstmalige Ermittlung der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGG anfallen würden. Den Gerichten wäre nämlich die Möglichkeit verwehrt, gemäß § 131 Abs. 5 SGG vorzugehen und den Sozialhilfeträger zu - erstmaligen - Ermittlungen zu verpflichten, weil § 45 SGB XII dessen Amtsermittlungspflicht ja gerade einschränkt bzw. insofern gänzlich ausschließt, so dass auf dieser Ebene kein Ermittlungsdefizit vorläge. Obschon die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt wird (Art. 104a Abs. 2 und 3 GG i.V.m. § 46a Abs. 1 SGB XII, Art. 81 Abs. 2 AGSG), würden mithin im Ergebnis die Länder mit per se vom Bund zu tragenden Ausgaben belastet.

In der Gesamtschau der Argumente ergibt sich für das Gericht, dass sich allein mit Blick auf die dargelegten verfassungsrechtlich problematischen Folgen ein Verständnis von § 45 Satz 3 Nr. 3 Alternative 1 SGB XII dahin, dass die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII nicht gegeben sind, verbietet. Als Konsequenz leitet das Gericht ab, dass die Regelung nur so unproblematisch anzuwenden ist, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen ohne weitere Ermittlungen des Sozialhilfeträgers anzunehmen ist, wenn er das Vorliegen für wahrscheinlich hält. Hält er es für unwahrscheinlich, greift

§ 45 SGB XII ohnehin nicht (vgl. Hauck/Noftz a.a.O.) und es sind die gebotenen Ermittlungen gemäß § 20 SGB X ohne Einschränkung durchzuführen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass bei der Klägerin nicht nur eine volle, sondern auch eine dauerhafte Erwerbsminderung (weiterhin) anzunehmen ist. Denn seitens des Beklagten wurde in der mündlichen Verhandlung bejaht, dass er es für wahrscheinlich hält, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII erfüllt werden.

Deswegen ist der Klage stattzugeben.

Da der konkrete Bedarf bisher nicht ermittelt wurde und der Streit der Beteiligten sich ausschließlich um die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Klägerin dreht, beschränkt sich das Gericht analog § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG (zu dieser Möglichkeit: BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016, B 8 SO 15/15 R) auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistungsgewährung dem Grunde nach. Dies entlastet zudem ein etwaiges weiteres gerichtliches Verfahren von der Befassung mit der konkreten Anspruchshöhe. Zugleich ist bei Bejahung der Leistungsberechtigung der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit für den streitigen Zeitraum davon auszugehen, dass die Klägerin hilfebedürftig ist.

Wegen der existenziellen Bedeutung der Leistungen für die Klägerin und im Hinblick darauf, dass eine abschließende Klärung wahrscheinlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird, ordnet das Gericht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 SGG vorläufige laufende Leistungen des Beklagten an die Klägerin in Höhe von 500 EUR pro Monat von August 2017 bis Juli 2018 an. Die zeitliche Begrenzung folgt dabei dem Streitgegenstand in der Hauptsache. Bei der Bemessung der Höhe orientiert sich das Gericht an dem zuletzt vom Beklagten bewilligten Leistungsbetrag von 796,71 EUR. In dieser Höhe wird mit Wahrscheinlichkeit weiterhin ein offener Bedarf der Klägerin bestehen. Das Gericht nimmt wegen der Vorläufigkeit der Regelung jedoch einen Abschlag vor, angelehnt an die im einstweiligen Rechtsschutz bei existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II zulässigen Spanne eines Abschlags von bis zu 30% (vgl. BayLSG, Beschlüsse vom 6. Februar 2017, L 16 AS 56/17 B ER, und vom 8. April 2016, L 11 AS 138/16 B ER). Zudem wird berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Mutter einen Mietvertrag abgeschlossen hat und insofern nicht anzunehmen ist, dass ihr bei ausbleibenden oder zu geringen Mietzahlungen Obdachlosigkeit droht. Angesichts dieser Umstände hält das Gericht einen laufenden Betrag von 500 EUR für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Seitens des Beigeladenen ist kein Antrag gestellt und aber auch nicht (hilfsweise) dessen Verurteilung beantragt worden oder eine solche erfolgt. Daher besteht kein Grund, dass er an der Kostenerstattung teilnimmt.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel ist Personen zu leisten, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.

(2) Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel dieses Buches ist Personen zu leisten, die die Altersgrenze nach § 41 Absatz 2 erreicht haben oder das 18. Lebensjahr vollendet haben und dauerhaft voll erwerbsgemindert sind, sofern sie ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können. Die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gehen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel vor.

(3) Hilfen zur Gesundheit, Hilfe zur Pflege, Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten und Hilfen in anderen Lebenslagen werden nach dem Fünften bis Neunten Kapitel dieses Buches geleistet, soweit den Leistungsberechtigten, ihren nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern und, wenn sie minderjährig und unverheiratet sind, auch ihren Eltern oder einem Elternteil die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen nach den Vorschriften des Elften Kapitels dieses Buches nicht zuzumuten ist.

(4) Lebt eine Person bei ihren Eltern oder einem Elternteil und ist sie schwanger oder betreut ihr leibliches Kind bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres, werden Einkommen und Vermögen der Eltern oder des Elternteils nicht berücksichtigt.

(5) Ist den in den Absätzen 1 bis 3 genannten Personen die Aufbringung der Mittel aus dem Einkommen und Vermögen im Sinne der Absätze 1 und 2 möglich oder im Sinne des Absatzes 3 zuzumuten und sind Leistungen erbracht worden, haben sie dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen in diesem Umfang zu ersetzen. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner.

(6) Der Anspruch der Berechtigten auf Leistungen für Einrichtungen oder auf Pflegegeld steht, soweit die Leistung den Berechtigten erbracht worden wäre, nach ihrem Tode demjenigen zu, der die Leistung erbracht oder die Pflege geleistet hat.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.

(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:


für den Geburtsjahrgangerfolgt eine Anhebung um Monateauf Vollendung eines Lebensalters von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie

1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder
2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

(1) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie

1.
teilweise erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

(2) Versicherte haben bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie

1.
voll erwerbsgemindert sind,
2.
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3.
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voll erwerbsgemindert sind auch
1.
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und
2.
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.

(3) Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

(4) Der Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung verlängert sich um folgende Zeiten, die nicht mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind:

1.
Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
2.
Berücksichtigungszeiten,
3.
Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten sechs Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt,
4.
Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu sieben Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung.

(5) Eine Pflichtbeitragszeit von drei Jahren für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit ist nicht erforderlich, wenn die Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit vorzeitig erfüllt ist.

(6) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren und seitdem ununterbrochen voll erwerbsgemindert sind, haben Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.

Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn

1.
ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat,
2.
ein Träger der Rentenversicherung bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 des Sechsten Buches eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat,
3.
Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind oder
4.
der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt.
In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird dem Grunde nach verpflichtet, der Klägerin von August 2017 bis Juli 2018 Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu bewilligen.

II. Es wird eine vorläufige monatliche Zahlung des Beklagten an die Klägerin in Höhe von 500 EUR von August 2017 bis Juli 2018 angeordnet.

III. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten; im Übrigen erfolgt keine Kostenerstattung.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung für die Monate August 2017 bis Juli 2018.

Die 1997 geborene Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 100 mit den Merkzeichen „G“, „B“, „H“ und „aG“ und war zunächst in Pflegestufe II und ist inzwischen in Pflegegrad 4 eingestuft. Sie lebt in einem Haus mit ihren Eltern und bezog vom Beklagten ab August 2015 Grundsicherung bei Erwerbsminderung von zuletzt 796,71 EUR pro Monat. Seit 1. September 2017 besucht die Klägerin den Eingangs- bzw. Berufsbildungsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM).

Nach Anhörung der Klägerin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 28. Juli 2017 die Grundsicherung ab August 2017 ein. Es stehe nicht fest, dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei. Dies sei bisher nicht durch den Rentenversicherungsträger festgestellt worden. Andere Kriterien für eine derartige Annahme würden nicht mehr anerkannt. Daher bestehe kein Anspruch mehr auf diese Leistung.

Der Widerspruch wurde damit begründet, dass eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung der Klägerin liege eindeutig vor. Die Prüfung durch den Rentenversicherungsträger müsse schnellstmöglich in die Wege geleitet werden.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2017 zurückgewiesen. Solange nicht feststehe, dass die Klägerin dauerhaft voll erwerbsgemindert sei, bestehe kein Anspruch auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Nach den seit Juli 2017 geltenden Verfahrensregelungen unterbleibe ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger. Bereits bislang sei angenommen worden, dass lediglich eine aufwändige Prüfung für in einer WfbM Beschäftigte vermieden werden solle. Aus der Neuregelung ergebe sich nichts anderes. Der Gesetzgeber stelle lediglich klar, dass kein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger erfolge, weil die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne. Bei der Klägerin sei bislang noch keine gutachterliche Feststellung zur Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung vorgenommen worden. Damit erfülle sie nicht die Voraussetzungen für die Gewährung von Grundsicherung. Soweit diese bisher gewährt worden sei, sei dies ohne Rechtsgrundlage und damit unrechtmäßig erfolgt. Die Klägerin sei vielmehr als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft aus ihr und ihren Eltern dem grundsätzlich anspruchsberechtigten Personenkreis der Grundsicherung für Arbeitssuchende zuzuordnen. Demzufolge habe sie auch keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Sozialhilfeträger.

Dagegen ist für die Klägerin durch ihre Eltern und Betreuer am 16. Oktober 2017 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben worden. Die Prozessbevollmächtigten haben später argumentiert, auch nach der neuen Rechtslage sei davon auszugehen, dass bei der Klägerin eine volle und dauerhafte Erwerbsminderung gegeben sei. Zwar sei es nicht zu beanstanden, wenn der Eingangs- und Berufsbildungsbereich noch als ergebnisoffen angesehen werde. Dennoch dürften den Betroffenen nicht die Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung verwehrt werden. Es sei so, dass nur solche behinderten Menschen in den Eingangs- und Berufsbildungsbereich gelangten, bei denen bereits offensichtlich sei, dass eine Übernahme in den ersten Arbeitsmarkt nicht infrage komme. In erster Linie werde daher festgestellt, ob für den betroffenen Menschen eine Unterbringung in der WfbM überhaupt möglich sei. Der Fachausschuss stelle daher in der Mehrzahl der Fälle nicht das Vorliegen von Erwerbsfähigkeit fest. Die Betroffenen seien vor einer endgültigen Aufnahme in die WfbM von einem Anspruch auf Grundsicherung ausgeschlossen. Es wäre dann untersagt, eine Einzelfallentscheidung herbeizuführen, selbst wenn absehbar wäre, dass eine Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt offensichtlich nicht infrage kommt. Systematisch wäre dies ebenfalls widersprüchlich, weil für die anderen Fallgruppen ebenfalls vorgesehen sei, dass das Vorliegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung feststeht. Die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wäre sachlich nicht begründet, weil keine Unterscheidung der Personen im Arbeitsbereich und im Berufsbildungsbereich gerechtfertigt sei. Auch würden Personen, bei denen bereits vor Eintritt in die WfbM eine dauerhafte volle Erwerbsminderung festgestellt wurde, besser behandelt. Die Klägerin sei aber voll und dauerhaft erwerbsgemindert. Das werde sich nach Durchlaufen des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs nicht verbessern.

Der Beklagte hat erwidert, nach den früher geltenden bayerischen Sozialhilferichtlinien habe bei Pflegestufe II ohne Einschaltung des Rentenversicherungsträgers eine dauerhafte volle Erwerbsminderung unterstellt werden dürfen. Diese Praxis sei nicht mehr möglich. Nach den Weisungen des zuständigen Bundesministeriums für Arbeit und Soziales führe die Neuregelung zu keinen Abweichungen gegenüber dem bisherigen Rechtsstand, sondern bedeute eine Klarstellung der seit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vertretenen Rechtsauffassung. Folge sei deshalb nicht, dass Menschen mit Behinderung im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich als leistungsberechtigt nach dem Grundsicherungsrecht gelten würden. Denn durch ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger solle nicht der Entscheidung des Werkstattausschusses vorgegriffen werden. Zudem handle es sich um eine verfahrensrechtliche Regelung, die nicht den leistungsberechtigten Personenkreis bestimme. In der Phase des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs stehe zwar fest, dass die Menschen mit Behinderung voll erwerbsgemindert seien, die gesonderte Stellungnahme des Fachausschusses stehe aber noch aus. Die Aufgabe dieser Phase einer WfbM liege ja auch darin, die Möglichkeiten für die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu fördern. Daher sei eine vorzeitige Begutachtung durch den Rentenversicherungsträger nicht angezeigt, sondern die Stellungnahme des Fachausschusses sei ein gegenüber dem Ersuchen vorrangiges Instrument. Systematische Gründe sprächen nicht gegen diese Rechtsauslegung. Aufgrund rentenrechtlicher Regelung gälten alle in einer WfbM tätigen, behinderten Personen als voll erwerbsgemindert und hätten - wenngleich teilweise befristet - Anspruch auf eine volle Erwerbsminderungsrente. Deshalb sei es konsequent, ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger zu vermeiden. Der Eingangs- und Berufsbildungsbereich werde ergebnisoffen durchlaufen. Daran habe der Bundesgesetzgeber festhalten wollen.

Mit Beschluss vom 8. Januar 2018 ist das zuständige Jobcenter beigeladen worden.

Für die Klägerin wird beantragt,

Der Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin für den Zeitraum August 2017 bis Juli 2018 Grundsicherung bei Erwerbsminderung zu bewilligen.

Für den Beklagten wird beantragt,

die Klage abzuweisen.

Für den Beigeladenen ist kein Antrag gestellt worden.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie die Niederschrift Bezug genommen.

Gründe

Das Gericht entscheidet trotz Ausbleibens eines Vertreters für das beigeladene Jobcenter in der mündlichen Verhandlung. Es ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden, § 110 Abs. 1, § 126 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), und die Sache war auch ohne Anwesenheit des Beigeladenen entscheidungsreif. Eine Verhinderung ist zudem nicht geltend gemacht und keine Terminsänderung beantragt worden.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Eine reine Anfechtung würde vorliegend nicht genügen, um das klägerische Ziel zu erreichen, über den Juli 2017 hinaus Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung vom Beklagten zu erhalten. Denn die vorausgehende Leistungsbewilligung war nicht zeitlich unbegrenzt, sondern befristet bis einschließlich Juli 2017. Für den nachfolgenden, streitgegenständlichen Zeitraum war damit bisher keine Regelung getroffen worden.

Die Klage hat in der Sache im Sinn der Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach Erfolg.

Die Klägerin hat auch ab August 2017 gegen den Beklagten Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der dem entgegenstehende Bescheid des Beklagten vom 28. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. September 2017 ist daher rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Die Klägerin hat gemäß § 8 Nr. 2, § 17 Abs. 1, § 19 Abs. 2, §§ 41 ff. des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - (SGB XII) Anspruch gegen den Beklagten auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Die Klägerin ist voll erwerbsgemindert gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI), da der bei ihr festgestellte Grad der Behinderung von 100 und der Pflegegrad 4 sowie die Tätigkeit in der WfbM dafür sprechen, dass sie nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann. Des Weiteren hat die Klägerin ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Beklagten, ist älter als 18 Jahre und kann ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen und Vermögen decken. Der Beklagte ist außerdem zuständig für die Leistungserbringung nach § 97 Abs. 1, § 98 Abs. 2 SGB XII, Art. 81 ff. des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze (AGSG).

Die Klägerin ist zudem als auf Dauer voll erwerbsgemindert anzusehen im Sinn von § 41 Abs. 3 SGB XII. Das folgt zwar noch nicht aus dem Umstand, dass die Klägerin bereits seit September 2015 Grundsicherung bei Erwerbsminderung vom Beklagten erhalten hat. Allerdings ergibt sich dies unter Anwendung von § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII. Die Vorschrift des § 45 SGB XII - in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, S. 3159), gültig seit 1. Juli 2017 - schränkt mit ihrem Satz 1 zunächst abweichend von § 20 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) die Amtsermittlung des Sozialhilfeträgers dahin ein, dass dieser das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII nicht selbst in freier Amtsermittlung prüft, sondern den zuständigen Rentenversicherungsträger um Prüfung zu ersuchen hat. Das gilt aber nur, wenn der Sozialhilfeträger in einem ersten Schritt, quasi einer Vorprüfung, es für wahrscheinlich hält, dass die betreffende Person - neben ihrer Bedürftigkeit - die medizinischen Voraussetzungen erfüllt, also voll und dauerhaft erwerbsgemindert ist. Hält der Sozialhilfeträger dies nicht für wahrscheinlich, findet § 45 SGB XII schon keine Anwendung (vgl. Juris-PK, SGB XII, § 45 Rz. 25 ff.; Hauck/Noftz, SGB XII, § 45 Rz. 8 ff. und 27 ff.). Greift demnach § 45 SGB XII ein, hat der Sozialhilfeträger den Rentenversicherungsträger um die Prüfung der medizinischen Voraussetzungen mit bindender Wirkung zu ersuchen, es sei denn, es greift einer der Fälle des § 45 Satz 3 SGB XII.

Dabei ist auch bei dem hier im Raum stehenden § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII in seiner ersten Alternative, also bezüglich Personen im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM, nicht nur ein Ersuchen an den Rentenversicherungsträger entbehrlich, sondern ebenso wie bei den anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen.

Die vom Beklagten angewandte Rechtsauslegung, die nicht von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer ausgeht, ist zwar zuzugeben, dass sie mit dem Wortlaut der neuen Nummer 3 des § 45 Satz 3 SGB XII in Einklang zu bringen ist. Ebenso steht ihr die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/9984) nicht zwingend entgegen. Dort ist die Rede davon, dass die Dauerhaftigkeit einer Erwerbsminderung erst nach Beendigung des Berufsbildungsbereichs festgestellt werden könne und deswegen kein Ersuchen auf gutachterliche Feststellung der Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung erfolge. Allerdings ergibt sich nach Ansicht des Gerichts aus der Gesetzesbegründung nicht der vom Beklagten bzw. dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales gezogene Schluss, dass in dieser Phase des Aufenthalts in einer WfbM gerade bzw. noch nicht von der Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung auszugehen sei. Alleine deutlich zu sehen ist, dass der Gesetzgeber die Amtsermittlungspflicht des Sozialhilfeträgers dahin einschränken wollte, dass dieser sich nicht an den Rentenversicherungsträger zu wenden hat. Mit anderen Worten können also aus der Begründung der Neuregelung und aus ihrem Wortlaut keine zwingenden Schlüsse für die eine oder andere Ansicht gezogen werden. Beides wäre damit vereinbar.

Betrachtet man weiter den Kontext der Vorschrift, spricht dieser nach Meinung des Gerichts dafür, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII unterstellt wird. Bei anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII einschließlich der zweiten Alternative der Nummer 3 ist nämlich klar, dass von einer vollen Erwerbsminderung auf Dauer auszugehen ist, ohne dass eine gutachterliche Feststellung erfolgt. In dieser Systematik würde die vom Beklagten vertretene Auslegung des § 45 Satz 3 Nr. 3 Alternative 1 SGB XII einen Fremdkörper darstellen, der so ohne Weiteres nicht erkennbar ist. Es hätte folglich für den Gesetzgeber zumindest naheliegen können, den Unterschied in der Konsequenz deutlicher herauszustellen oder separat zu regeln. Dass dies nicht geschehen ist, deutet das Gericht als Beleg dafür, dass eben keine andere Konsequenz hinsichtlich der Frage der Dauerhaftigkeit gezogen werden soll, sondern diese unterstellt wird. Andernorts wird aus § 45 Satz 3 SGB XII der Schluss gezogen, dass damit für jede Phase des Besuchs der WfbM die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII gelockert werden sollten (Hauck/Noftz, SGB XII, § 45 Rz. 36). Auch dies korrespondiert mit der vom Gericht angenommenen Rechtsauslegung.

Für diese ist außerdem anzuführen, dass die - nicht zuletzt von der Klägerseite kritisierte - Situation des Anspruchsstellers auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung bei der vom Beklagten angenommenen Rechtsansicht kaum vom Gesetzgeber gewollt sein kann. Der betreffende Mensch wäre in der Konsequenz in den allermeisten Fällen von Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung ausgeschlossen, ohne dass feststeht, ob er die medizinischen Voraussetzungen nicht doch erfüllt. Denn einerseits wird dies nicht unterstellt, wie bei anderen Fallgruppen des § 45 Satz 3 SGB XII und andererseits ist es dem Sozialhilfeträger untersagt, diesbezüglich Ermittlungen anzustellen. Das würde bedeuten, dass die nachfragende Person zunächst das gesamte Verwaltungsverfahren einschließlich Widerspruchsverfahren durchlaufen müsste und erst im gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit einer Prüfung der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII bekäme, indem dann beispielsweise eine Begutachtung vom Gericht in Auftrag gegeben wird. Dem Gericht ist bezüglich anderer existenzsichernder Sozialsysteme keine derartige Regelungskonstruktion bekannt und das Gericht hat auch Zweifel, ob dies mit der aus Art. 20 des Grundgesetzes (GG) folgenden Rechtsbindung der Verwaltung vereinbar ist. Denn - wovon auch der Beklagte ausgeht - bei § 45 SGB XII handelt es sich dem Wesen nach um eine verfahrensrechtliche Bestimmung, nicht aber primär um eine Modifikation des von § 41 Abs. 3 SGB XII als leistungsberechtigt normierten Personenkreises. Ebenso wie die Norm diesen Kreis einerseits nicht erweitern soll, darf sie ihn andererseits daher nicht (faktisch) einschränken. Letzteres ist aber die unausweichliche Folge der Ansicht des Beklagten. Einem im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM Tätigem wäre es verwehrt, dass die Verwaltung prüft, ob die Voraussetzungen für einen sozialhilferechtlichen Anspruch gegeben sind. Das bedeutet, die Verwaltung müsste gegebenenfalls auch berechtigte Ansprüche ablehnen. Nach dem Dafürhalten des Gerichts wäre dies ein rechtsstaatlich bedenkliches Ergebnis.

Gewichtige Gründe für ein derartiges Szenario sieht das Gericht nicht. Für die entsprechende Ansicht lässt sich vornehmlich anführen, dass Sozialhilfeträger und Rentenversicherungsträger von (zeit- und kostenaufwändigen) Ermittlungen entlastet würden. Hinzu käme wohl noch eine schnellere Entscheidung des Sozialhilfeträgers. Beide Effekte ließen sich aber genauso erreichen, wenn man - wie hier vertreten - davon ausgeht, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ohne weitere Ermittlungen als gegeben erachtet wird. Im Unterschied zur Ansicht des Beklagten hätte dies aber keine Verkürzung von Ansprüchen auf existenzsichernde Leistungen zur Folge. Das Gericht will ferner dem Bundesgesetzgeber nicht die Absicht unterstellen, sozusagen über die Hintertür der Neugestaltung des Verfahrens in § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII Einsparungen zu erzielen, indem im Verwaltungsverfahren objektiv unberechtigte Anspruchsablehnungen provoziert werden. Um außerdem noch das Argument der Ergebnisoffenheit des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs einer WfbM aufzugreifen: Dies - und damit ebenso die Entscheidung über den Wechsel in den Arbeitsbereich - würde gleichermaßen nicht infrage gestellt, wenn bei Eintritt in die WfbM zunächst oder weiter vom Vorliegen einer dauerhaften und vollen Erwerbsminderung auszugehen ist, zumal genauso gut die Konstellation denkbar ist, dass bei einem voll erwerbsgeminderten Menschen schon zuvor die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung festgestellt wurde. Dann könnte allein wegen des Besuchs des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs einer WfbM kaum in Abrede gestellt werden, dass die medizinischen Voraussetzungen für den Bezug von Grundsicherung bei Erwerbsminderung nach wie vor gegeben sind. Für das Gericht ist kein guter Grund ersichtlich, weshalb dies zwingend bei Personen, die zuvor noch nicht begutachtet wurden, anders gehandhabt werden muss.

Damit ist gleich das nächste Problemfeld bei der vom Beklagten vertretenen Ansicht erreicht, nämlich die Frage der Ungleichbehandlung, insbesondere eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 3 GG. Aus den oben skizzierten Konstellationen lässt sich ersehen, dass es verschiedentlich zu unterschiedlichen Behandlungen von Anspruchsstellern kommen würde. Ebenso würden Personen, die sich im Eingangs- oder Berufsbildungsbereich einer WfbM befinden, anders behandelt als Personen im Sinn von § 219 Abs. 2 Satz 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), die also von vorneherein nicht in eine WfbM aufgenommen werden. Das ließe sich angesichts des genannten Personenkreises vielleicht noch rechtfertigen mit der Überlegung, dass bei diesen Menschen die Dauerhaftigkeit einer vollen Erwerbsminderung deutlicher auf der Hand liegen dürfte. Dieser Argumentation mangelt es aber spätestens dann an Überzeugungskraft, wenn man bedenkt, dass die Dauerhaftigkeit der vollen Erwerbsminderung ohne weitere Prüfung gegeben sein soll, sobald der behinderte Mensch in den Arbeitsbereich der WfbM wechselt. Die Regelungen dazu besagen aber zu wenig für die Frage nach dem Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII. Vielmehr sind die entsprechenden Vorschriften im SGB IX ausgerichtet auf die Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Damit haben sie zwar einen Bezug zu den rentenrechtlichen Bestimmungen über die Erwerbsminderungsrenten, weil beide Regelungskomplexe auf die Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt abstellen. Jedoch ist daraus noch nicht zwingend der Schluss auf eine fehlende Dauerhaftigkeit dieser Fähigkeiten während der Dauer des Besuchs des Eingangs- und Berufsbildungsbereichs begründbar. Nur ein zwingender Grund ist aber ausreichend, um als Unterscheidungskriterium für eine andere Behandlung behinderter Menschen genügen zu können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. März 2015, 1 BvR 2803/11). Auch wenn weiter berücksichtigt wird, dass dem Gesetzgeber bei massenhaft anfallenden Verwaltungsvorgängen im Interesse der Praktikabilität eine Typisierungsbefugnis zusteht, die Verallgemeinerungen und Pauschalierungen erlaubt (vgl. BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 2017, 1 BvL 3/14, 1 BvL 4/14), erscheint es dem Gericht dennoch zweifelhaft, dass dem Wechsel in den Arbeitsbereich eine derartige Aussagekraft in Bezug auf ein Merkmal wie der Erwerbsfähigkeit zukommen soll. Dieses Merkmal stellt letztlich ein personenbezogenes Unterscheidungskriterium dar, weil es naturgemäß mit dem Vorliegen einer Behinderung - welche nach § 2 Abs. 1 SGB IX nicht dauerhaft sein muss - einhergeht, was auch aus § 219 SGB IX folgt („… Einrichtung zur Teilhabe behinderter Menschen…“).

Zwar könnte demgegenüber eingewandt werden, dass das Merkmal „Erwerbsfähigkeit“ als tragende Weichenstellung für die Zuweisung zu einem der sozialen Sicherungssysteme SGB II oder SGB XII dient. Allerdings ist dann weiter zu sehen, dass sich nach beiden Systemen grundsätzlich eine Absicherung nach denselben Prinzipien und auf gleichem Niveau ergibt - betrachtet man das Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld und die Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Gesetzgeber hat aber mit der Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Jahr 2003, fortgeführt ab 2005 im 4. Kapitel des SGB XII, Verbesserungen bzw. Privilegierungen für diesen Personenkreis festgelegt. Dazu zählt unter anderem, was auch bei der Klägerin zum Tragen kommen könnte, das Einkommen und Vermögen der mit einem Anspruchssteller in Haushaltsgemeinschaft lebenden Eltern nicht bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Diese gesetzlich angestrebte Verbesserung für behinderte Menschen würde demjenigen verwehrt, der sich in eine WfbM begibt, ohne dass die Frage der Dauerhaftigkeit seiner vollen Erwerbsminderung geklärt ist. Gerade die darauf basierende Annahme, dass der Betreffende seine Existenzsicherung eben auf Dauer nicht selbst bewerkstelligen kann, war aber der Beweggrund für die Einführung der Grundsicherung für erwerbsgeminderte Personen. Das Gericht kann sich nicht vorstellen, dass über den neuen § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB XII der Gesetzgeber gerade diesen entscheidenden Umstand zukünftig für die Betreffenden unaufklärbar(er) machen wollte. Wie der Blick auf andere Regelungsbereiche zeigt, hätte aber die weniger einschneidende Möglichkeit bestanden, eine entsprechende gesetzliche Vermutung zu statuieren, die widerleglich ist. Davon hat der Gesetzgeber hier jedoch keinen Gebrauch gemacht. In den Augen des Gerichts ein Zeichen dafür, dass er nicht das vom Beklagten angenommene Ergebnis bezweckt hat.

Selbst wenn man annähme, es handle sich bei der Neuregelung nur um eine Klarstellung, ergäbe sich nichts anderes. In diesem Fall wäre es ebenfalls zumindest ungewöhnlich, im Mantel einer Verfahrensvorschrift eine einschränkende Regelung des leistungsberechtigten Personenkreises zu verbergen. Bei der Begründung der Klarstellung hätte es sich folglich aufdrängen müssen, die gewollte Konsequenz noch einmal zu verdeutlichen - Anlass für eine Klarstellung sah man ja wohl. Das ist aber aus der Gesetzesbegründung nicht herauszulesen. Sollte hier lediglich ein ungeschicktes gesetzgeberisches Tätigwerden eine Unschärfe hervorgerufen haben, kann dies jedenfalls nicht gleichsam durch ministerielles Nachschieben von Gründen geheilt werden. Äußerungen des federführend zuständigen Bundesministeriums zum Inhalt von Regelungen können allenfalls eine Auslegungshilfe darstellen, ihnen kommt aber keine Bindungswirkung und kein Vorrang im Rahmen der üblichen gerichtlichen Auslegungsmethodik zu. Für das Gericht liegt daher aus den oben genannten Gründen die These der Klarstellung ebenso fern wie die Annahme eines neuerdings eingeschränkten leistungsberechtigten Personenkreises.

Zuletzt ist noch darauf zu verweisen, dass die Auslegung des § 45 Satz 3 Nr. 3 SGB IX dergestalt, dass für Personen im Eingangs- und Berufsbildungsbereich einer WfbM nicht vom Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII auszugehen und zugleich dem Sozialhilfeträger entsprechende Ermittlungen untersagt werden, zu einem Konflikt mit Art. 104a Abs. 1 GG führt. Danach tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Wie aus den obigen Ausführungen leicht ersehen werden kann, würde die vom Beklagten vertretene Auffassung jedoch faktisch dazu führen, dass nachfragende Personen mehr oder weniger gezwungen wären, Ansprüche auf Grundsicherung bei Erwerbsminderung gerichtlich geltend zu machen. Wegen der durch § 45 SGB XII nicht eingeschränkten Ermittlungspflicht der Sozialgerichte nach § 103 SGG hätte dies wiederrum zur Folge, dass bei den Ländern als Träger der ermittelnden Sozial- und Landessozialgerichte (§§ 2, 7 und 28 SGG) regelmäßig die Kosten für die erstmalige Ermittlung der medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGG anfallen würden. Den Gerichten wäre nämlich die Möglichkeit verwehrt, gemäß § 131 Abs. 5 SGG vorzugehen und den Sozialhilfeträger zu - erstmaligen - Ermittlungen zu verpflichten, weil § 45 SGB XII dessen Amtsermittlungspflicht ja gerade einschränkt bzw. insofern gänzlich ausschließt, so dass auf dieser Ebene kein Ermittlungsdefizit vorläge. Obschon die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Bundesauftragsverwaltung ausgeführt wird (Art. 104a Abs. 2 und 3 GG i.V.m. § 46a Abs. 1 SGB XII, Art. 81 Abs. 2 AGSG), würden mithin im Ergebnis die Länder mit per se vom Bund zu tragenden Ausgaben belastet.

In der Gesamtschau der Argumente ergibt sich für das Gericht, dass sich allein mit Blick auf die dargelegten verfassungsrechtlich problematischen Folgen ein Verständnis von § 45 Satz 3 Nr. 3 Alternative 1 SGB XII dahin, dass die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII nicht gegeben sind, verbietet. Als Konsequenz leitet das Gericht ab, dass die Regelung nur so unproblematisch anzuwenden ist, dass das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen ohne weitere Ermittlungen des Sozialhilfeträgers anzunehmen ist, wenn er das Vorliegen für wahrscheinlich hält. Hält er es für unwahrscheinlich, greift

§ 45 SGB XII ohnehin nicht (vgl. Hauck/Noftz a.a.O.) und es sind die gebotenen Ermittlungen gemäß § 20 SGB X ohne Einschränkung durchzuführen.

Für den vorliegenden Fall bedeutet das, dass bei der Klägerin nicht nur eine volle, sondern auch eine dauerhafte Erwerbsminderung (weiterhin) anzunehmen ist. Denn seitens des Beklagten wurde in der mündlichen Verhandlung bejaht, dass er es für wahrscheinlich hält, dass die Voraussetzungen des § 41 Abs. 3 SGB XII erfüllt werden.

Deswegen ist der Klage stattzugeben.

Da der konkrete Bedarf bisher nicht ermittelt wurde und der Streit der Beteiligten sich ausschließlich um die grundsätzliche Leistungsberechtigung der Klägerin dreht, beschränkt sich das Gericht analog § 130 Abs. 1 Satz 1 SGG (zu dieser Möglichkeit: BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016, B 8 SO 15/15 R) auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Leistungsgewährung dem Grunde nach. Dies entlastet zudem ein etwaiges weiteres gerichtliches Verfahren von der Befassung mit der konkreten Anspruchshöhe. Zugleich ist bei Bejahung der Leistungsberechtigung der Klägerin mit hoher Wahrscheinlichkeit für den streitigen Zeitraum davon auszugehen, dass die Klägerin hilfebedürftig ist.

Wegen der existenziellen Bedeutung der Leistungen für die Klägerin und im Hinblick darauf, dass eine abschließende Klärung wahrscheinlich längere Zeit in Anspruch nehmen wird, ordnet das Gericht gemäß § 130 Abs. 1 Satz 2 SGG vorläufige laufende Leistungen des Beklagten an die Klägerin in Höhe von 500 EUR pro Monat von August 2017 bis Juli 2018 an. Die zeitliche Begrenzung folgt dabei dem Streitgegenstand in der Hauptsache. Bei der Bemessung der Höhe orientiert sich das Gericht an dem zuletzt vom Beklagten bewilligten Leistungsbetrag von 796,71 EUR. In dieser Höhe wird mit Wahrscheinlichkeit weiterhin ein offener Bedarf der Klägerin bestehen. Das Gericht nimmt wegen der Vorläufigkeit der Regelung jedoch einen Abschlag vor, angelehnt an die im einstweiligen Rechtsschutz bei existenzsichernden Leistungen nach dem SGB II zulässigen Spanne eines Abschlags von bis zu 30% (vgl. BayLSG, Beschlüsse vom 6. Februar 2017, L 16 AS 56/17 B ER, und vom 8. April 2016, L 11 AS 138/16 B ER). Zudem wird berücksichtigt, dass die Klägerin mit ihrer Mutter einen Mietvertrag abgeschlossen hat und insofern nicht anzunehmen ist, dass ihr bei ausbleibenden oder zu geringen Mietzahlungen Obdachlosigkeit droht. Angesichts dieser Umstände hält das Gericht einen laufenden Betrag von 500 EUR für angemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Seitens des Beigeladenen ist kein Antrag gestellt und aber auch nicht (hilfsweise) dessen Verurteilung beantragt worden oder eine solche erfolgt. Daher besteht kein Grund, dass er an der Kostenerstattung teilnimmt.

Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn

1.
ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat,
2.
ein Träger der Rentenversicherung bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 des Sechsten Buches eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat,
3.
Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind oder
4.
der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt.
In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.

(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:


für den Geburtsjahrgangerfolgt eine Anhebung um Monateauf Vollendung eines Lebensalters von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie

1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder
2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

Der jeweils für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständige Träger ersucht den nach § 109a Absatz 2 des Sechsten Buches zuständigen Träger der Rentenversicherung, die medizinischen Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 zu prüfen, wenn es auf Grund der Angaben und Nachweise des Leistungsberechtigten als wahrscheinlich erscheint, dass diese erfüllt sind und das zu berücksichtigende Einkommen und Vermögen nicht ausreicht, um den Lebensunterhalt vollständig zu decken. Die Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung ist bindend für den ersuchenden Träger, der für die Ausführung des Gesetzes nach diesem Kapitel zuständig ist; dies gilt auch für eine Entscheidung des Trägers der Rentenversicherung nach § 109a Absatz 3 des Sechsten Buches. Ein Ersuchen nach Satz 1 erfolgt nicht, wenn

1.
ein Träger der Rentenversicherung bereits die Voraussetzungen des § 41 Absatz 3 im Rahmen eines Antrags auf eine Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt hat,
2.
ein Träger der Rentenversicherung bereits nach § 109a Absatz 2 und 3 des Sechsten Buches eine gutachterliche Stellungnahme abgegeben hat,
3.
Personen in einer Werkstatt für behinderte Menschen das Eingangsverfahren oder den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder im Arbeitsbereich beschäftigt sind oder
4.
der Fachausschuss einer Werkstatt für behinderte Menschen über die Aufnahme in eine Werkstatt oder Einrichtung eine Stellungnahme nach den §§ 2 und 3 der Werkstättenverordnung abgegeben und dabei festgestellt hat, dass ein Mindestmaß an wirtschaftlich verwertbarer Arbeitsleistung nicht vorliegt.
In Fällen des Satzes 3 Nummer 4 wird die Stellungnahme des Fachausschusses bei Durchführung eines Teilhabeplanverfahrens nach den §§ 19 bis 23 des Neunten Buches durch eine entsprechende Feststellung im Teilhabeplanverfahren ersetzt; dies gilt entsprechend, wenn ein Gesamtplanverfahren nach den §§ 117 bis 121 des Neunten Buches durchgeführt wird.

(1) Leistungsberechtigt nach diesem Kapitel sind Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen nach § 43 bestreiten können, wenn sie die Voraussetzungen nach Absatz 2, 3 oder 3a erfüllen.

(2) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen Alters, wenn sie die Altersgrenze erreicht haben. Personen, die vor dem 1. Januar 1947 geboren sind, erreichen die Altersgrenze mit Vollendung des 65. Lebensjahres. Für Personen, die nach dem 31. Dezember 1946 geboren sind, wird die Altersgrenze wie folgt angehoben:


für den Geburtsjahrgangerfolgt eine Anhebung um Monateauf Vollendung eines Lebensalters von
1947165 Jahren und 1 Monat
1948265 Jahren und 2 Monaten
1949365 Jahren und 3 Monaten
1950465 Jahren und 4 Monaten
1951565 Jahren und 5 Monaten
1952665 Jahren und 6 Monaten
1953765 Jahren und 7 Monaten
1954865 Jahren und 8 Monaten
1955965 Jahren und 9 Monaten
19561065 Jahren und 10 Monaten
19571165 Jahren und 11 Monaten
19581266 Jahren
19591466 Jahren und 2 Monaten
19601666 Jahren und 4 Monaten
19611866 Jahren und 6 Monaten
19622066 Jahren und 8 Monaten
19632266 Jahren und 10 Monaten
ab 19642467 Jahren.

(3) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1 wegen einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben, unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Absatz 2 des Sechsten Buches sind und bei denen unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann.

(3a) Leistungsberechtigt sind Personen nach Absatz 1, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, für den Zeitraum, in dem sie

1.
in einer Werkstatt für behinderte Menschen (§ 57 des Neunten Buches) oder bei einem anderen Leistungsanbieter (§ 60 des Neunten Buches) das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich durchlaufen oder
2.
in einem Ausbildungsverhältnis stehen, für das sie ein Budget für Ausbildung (§ 61a des Neunten Buches) erhalten.

(4) Keinen Anspruch auf Leistungen nach diesem Kapitel hat, wer in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.