Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 13. Februar 2015 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Kostenbeamtin in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 21 KA 1452/12 (später: S 55 KA 1452/12) beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren des Erinnerungsgegners und jetzigen Beschwerdegegners (im Folgenden: Beschwerdegegner) gegen den 2. Berufungsausschuss für Ärzte - Bayern - endete dadurch, dass der Beschwerdegegner dem SG mit Schreiben vom 07.05.2014 mitteilte „Wegen neuer Fakten und Erkenntnisse bitte ich um Einstellung der beiden Verfahren gegen den Zulassungsausschuss bzw. Berufungsausschuss für Ärzte - Bayern - (Kassenarztzulassung), da es keinen Sinn mehr macht.“ und der Beklagte dazu auf mit Schreiben vom 15.05.2014 erfolgter Nachfrage des SG mit Schriftsatz vom 16.06.2014 mitteilte, dass „der Erledigterklärung zugestimmt“ werde.

Anschließend erlegte das SG mit Beschluss vom 28.08.2014 dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens auf und stützte dies auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Zudem wurde der Streitwert auf 5.000,- € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 12.09.2014 setzte die Kostenbeamtin des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 121,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde.

Dagegen hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schriftsatz vom 06.10.2014 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass die Gerichtskosten nur ermäßigt werden dürften, wenn sich die Gerichtskostenentscheidung auf eine aktenkundige Einigung (der Beteiligten) stützen könne und nicht nach billigem Ermessen getroffen werden müsse. Dies sei bei dem Beschluss vom 28.08.2014, mit dem die Kosten dem Beschwerdegegner auferlegt worden seien, nicht der Fall.

Mit Beschluss vom 13.02.2015 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Es ist von einem Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG ausgegangen. In den Gründen des Beschlusses hat das SG ausführlich erläutert, warum in der Erklärung des Beschwerdegegners vom 07.05.2014 eine Rücknahme der Klage und keine Erledigungserklärung zu sehen sei. Davon sei auch die zuständige Richterin der Hauptsache, die zunächst noch eine Erledigungserklärung angenommen habe, ausgegangen, wie sich aus dem Beschluss vom 28.08.2014 ergebe. Dass nach der Klagerücknahme noch eine formale Entscheidung über die Kosten ergangen sei, stehe der Ermäßigung nicht entgegen. Denn die Kostentragungspflicht bei Klagerücknahme ergebe sich gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 2 VwGO zwingend aus dem Gesetz, ohne dass das Gericht eine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands getroffen hätte.

Gegen den Beschluss des SG hat der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.02.2015 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass eine Ermäßigung bei Erledigungserklärungen nicht in Betracht komme, wenn die Kostenentscheidung weder auf einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten noch auf einer Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten beruhe. Vorliegend sei von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung auszugehen, wie sich aus dem gerichtlichen Schreiben vom 15.05.2014, mit dem beim damaligen Beklagten nachgefragt worden sei, ob der Erledigungserklärung des Beschwerdegegners zugestimmt werde, und der Abschlussverfügung im Hauptsacheverfahren ergebe.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Gerichtskostenfeststellung vom 12.09.2014 ist nicht zu beanstanden, wie dies auch das SG mit Beschluss zur Erinnerung vom 13.02.2015 zutreffend festgestellt hat; der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG kommt vorliegend zur Anwendung.

Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.

Mit der inmitten stehenden Problematik, ob eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestands im Sinn der Nr. 7111 KV GKG im Übrigen einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, befasst und Folgendes ausgeführt:

„3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens

Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus, dass entweder überhaupt kein gerichtlicher Beschluss des Gerichts der Hauptsache zu den Kosten zu treffen ist oder die zu erlassende Kostengrundentscheidung einzig und allein darin besteht, dass das Gericht nur eine von Gesetzes wegen vorgegebene eindeutige Rechtsfolge in Form eines Beschlusses auszusprechen hat, für den es - mit Ausnahme des zur Beendigung führenden Schreibens - keiner Kenntnis der Akten bedarf („unechte“ Kostengrundentscheidung), oder die Kostenentscheidung nur die einvernehmlich von den Beteiligten gefundene Kostentragung aufgreifen muss.

„3.1. Gesamtbeendigung

Es entspricht dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG, der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. - teilweise zu vergleichbaren Ermäßigungstatbeständen - Oberlandesgericht - OLG - Hamburg, Beschluss vom 08.06.1996, Az.: 8 W 140/96; OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2005, Az.: 3 Ta 136/05; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.04.2008, Az.: 6 AZR 1049/06; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2014, Az.: 11 C 14.1588; a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E), der Literatur (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 3 und 5; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2015, KV 7111, Rdnr. 8, KV 5111, Rdnr. 5, KV 1211, Rdnr. 27) und dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der oben (vgl. Ziff. 1.) angeführten Gesetzesbegründung ergibt, dass die Gebührenermäßigung eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraussetzt.

3.2. Fehlende Kostenentscheidung

Muss das Gericht der Hauptsache nach der Beendigung des Verfahrens im Übrigen noch eine Entscheidung zu den Kosten treffen, steht dies grundsätzlich einer Ermäßigung entgegen. Lediglich dann, wenn nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen ist, ist der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 KV GKG anzuwenden.

3.2.1. Grundsatz

Eine streitige Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht steht einer Ermäßigung entgegen.

Denn nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte des Rechtsstreits wird das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Justiz (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69) nachhaltig erreicht. Ein Entlastungseffekt tritt hingegen nur eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der Kostenentscheidung inhaltlich mit der Sache befassen muss.

Wenn demgegenüber der 12. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E, die Ansicht vertreten hat, dass allein das Vorliegen eines Beendigungstatbestands aus den Nr. 1 bis 3 von Nr. 7111 KV GKG ausreiche, um eine Ermäßigung zu begründen, ohne dass eine Beendigung des gesamten Verfahrens, also auch im Kostenpunkt, vorliegen müsse, und dies sowohl mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelung begründet hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

Dass beim Ermäßigungstatbestand für alle Alternativen der Nr. 7111 KV GKG - und nicht nur für die dortige Nr. 4, wie dies im vorgenannten Beschluss vom 04.04.2012 vertreten wird - eine Beendigung auch im Kostenpunkt erforderlich ist, ergibt sich aus dem Obersatz der Nr. 7111 KV GKG, wenn dort eine Beendigung des „gesamten“ Verfahrens vorausgesetzt wird. Zweifel an dieser Ansicht, wie sie der vorgenannten Entscheidung des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012 zugrunde liegen, können nicht damit begründet werden, dass nur unter Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG aufgeführt werde, dass keine (streitige) Entscheidung über die Kosten zu ergehen habe. Denn dieser Zusatz hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11), begründet aber kein zusätzliches, nicht bereits in Nr. 7111 KV GKG enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien, in denen der Streitstand zu den bis dahin nicht gesetzlich geregelten Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO und damit der Grund für den klarstellenden gesetzlichen Hinweis aufgezeigt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.). Der Senat sieht daher keinen Raum für eine erweiternde Auslegung im Sinn des Beschlusses des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnrn. 2 f. - m. w. N.).

3.2.2. Ausnahme

Hat das Gericht nach Beendigung des Verfahrens in der Sache nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen, steht dies einer Ermäßigung nicht entgegen.

Dass nicht jedwede gerichtliche Kostengrundentscheidung nach im Übrigen vollständiger Beendigung des Verfahrens die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 VV GKG verbietet, ergibt sich selbstredend schon daraus, dass gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein gerichtlicher Beschluss über die Kosten zu erfolgen hat. Würde davon ausgegangen, dass allein dieses Erfordernis eines Beschlusses einer „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG entgegen stehen würde, würde die Regelung der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG neben der in Nr. 7111 Nr. 4, 2. Alt. KV GKG aufgezeigten Konstellation auf die Fälle der in Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG genannten Beendigungstatbestände einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis, wobei in beiden Fällen auch eine Regelung zu den Kosten enthalten sein müsste, beschränkt. In allen anderen in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbeständen wäre eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen. Dieses in konträrem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehende Ergebnis zeigt überdeutlich, dass allein die Tatsache, dass das Gericht noch eine Entscheidung zu den Kosten zu treffen hat, der Anwendung der Ermäßigungsregelung der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehen kann.

Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum KostRMoG (vgl. a. a. O., S. 159 f.) ergibt, kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG trotz Erforderlichkeit noch eines Kostenbeschlusses grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung und Einsichtnahme in die Akten treffen muss (vgl. auch zum Fall eines Verzichts auf Begründung des Kostenbeschlusses: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2008, 2 UF 135/07; a. A. zum Fall des Begründungsverzichts: OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; offen gelassen vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06), also bei seiner Entscheidung entweder nur der von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgen muss oder wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat.

Nichts anderes kann nach der Ansicht des Senats gelten, wenn sich die Kostenfolge allein aus der Form der Beendigung ergibt, ohne dass es zur Kostenentscheidung noch eines Blicks in die Akten des erledigten Verfahrens bedarf, der gerichtliche Kostenbeschluss also nur die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge in Beschlussform fassen muss (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5). Denn in einem so einfach gelagerten Fall ist der für das Gericht entstehende Aufwand für die Kostenentscheidung auch nicht ansatzweise mit dem bei der Abfassung eines Urteils anfallenden richterlichen Arbeitsaufwand vergleichbar, sondern weitgehend identisch mit der Konstellation, dass wegen der von den Beteiligten mitgeteilten Einigung über die Kosten überhaupt kein Beschluss nötig ist oder nur die von einem Beteiligten erklärte Bereitschaft zur Kostenübernahme in Beschlussform „gegossen“ werden muss.

Liegt demgegenüber eine „echte“ Kostengrundentscheidung in dem Sinn vor, dass die Entscheidung nur nach einem erneuten Blick in die Akten getroffen werden kann, kann der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung anfallende Aufwand für das entscheidende Gericht erheblich bis nahezu genauso umfangreich werden wie im Fall eines Urteils (vgl. die Gesetzesbegründungen zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69 f., und zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.) und steht daher einer Gebührenermäßigung entgegen (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5).

Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass auch bei einer „echten“ Kostengrundentscheidung im vorgenannten Sinn der dadurch für das Gericht entstehende Aufwand nicht in jedem Fall an den eines Urteils heranreicht. In durchaus nicht wenigen Fällen wird der Aufwand eher dem Zeitumfang ähneln, wie er auch bei einer „unechten“ Kostengrundentscheidung, in dem das Gericht lediglich durch deklaratorischen Beschluss die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge feststellt, anfällt. Insbesondere ist dann an eine Situation mit geringem Aufwand zu denken, wenn zur Ermittlung der Quote der Kostentragung im Rahmen der Kostengrundentscheidung, die im Regelfall anhand des Erfolgsprinzips vorzunehmen ist (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 24.05.2011, Az.: L 15 SB 66/09), lediglich ein Vergleich zwischen dem ursprünglich angestrebten Klageziel und dem letztlich Erreichten vorgenommen werden muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage einer Gebührenermäßigung allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden ist, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss. Denn im Sinne der gebotenen Verwaltungspraktikabilität kann es vom Urkundsbeamten genauso wie vom Kostenrichter nicht erwartet werden, den tatsächlich durch die zu treffende Kostengrundentscheidung anfallenden Aufwand zu ermitteln, zumal auch keinerlei Kriterien vorhanden wären, zwischen einem ausgesprochen geringen Zeitaufwand, wie er dem einer „unechten“ Kostengrundentscheidung ähnelt, und einem darüber hinausgehenden Aufwand zu differenzieren. Alles andere würde die Prüfpflichten und -möglichkeiten der Kostenbeamten und Kostenrichter übersteigen und dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats auch zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), widersprechen.

Diese Ansicht des Senats findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien. In der Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994 (vgl. a. a. O., S. 70) hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der mit dem Ermäßigungstatbestand verbundenen Anreizwirkung die Bereitschaft der Parteien gefördert werden solle,

„die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen.“

Aus diesem Hinweis wird deutlich, dass der Gesetzgeber bereits das Erfordernis einer nach dem Erfolgsprinzip zu treffenden und daher mit wenig Aufwand verbundenen Kostengrundentscheidung als schädlich für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands erachtet hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr. 7111 KV GKG unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben, insbesondere der Praktikabilität, sieht der Senat keine Möglichkeit für eine weitergehende und kostenschuldnerfreundlichere Auslegung.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine vom Gericht der Hauptsache zu treffende Kostengrundentscheidung nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG nicht entgegensteht, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum (vgl. auch Beschlüsse des Senats vom 07.01.2016, Az.: L 15 SF 95/13 B, vom 08.01.2016, Az.: L 15 SF 37/12 B, und vom 11.01.2016, Az.: L 15 SF 46/15 E).

Ob im vorliegenden Fall das Klageverfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärung, wie dies das Gericht der Hauptsache zunächst im Schreiben vom 15.05.2014 und in der (gerichtsinternen) Abschlussverfügung vom 20.06.2014 angenommen hat, oder durch Klagerücknahme, was das Gericht der Hauptsache später im Kostenbeschluss vom 28.08.2014 angenommen hat, erledigt worden ist, bedarf keiner erneuten inhaltlichen Prüfung des Kostengerichts. Entscheidend für das Kostenansatzverfahren ist allein, von welcher Grundlage das Gericht der Hauptsache bei der von ihm getroffenen Kostengrundentscheidung ausgegangen ist. Denn die im Hauptsacheverfahren getroffenen Entscheidungen sind wegen der den Kostenbeamten und den Kostenrichter treffenden Bindungswirkung einer Überprüfung im Kostenansatzverfahren entzogen (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 06.12.2015, Az.: L 15 SF 329/15 E - m. w. N.). Dies gilt unabhängig von der materiellen Richtigkeit der Entscheidung im Hauptsacheverfahren (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 08.12.2015, Az.: L 15 SF 332/15 E - m. w. N.). Im Erinnerungs- und Beschwerdeverfahren zum Kostenansatz kann daher lediglich geprüft werden, ob die im Hauptsacheverfahren erfolgten Festlegungen kostenrechtlich richtig umgesetzt worden sind.

Im vorliegenden Fall ist der Gerichtskostenfeststellung zugrunde zu legen, dass der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden ist. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus dem Kostenbeschluss des Gerichts der Hauptsache vom 28.08.2014, in dem die Kostengrundentscheidung auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO gestützt worden ist; das Gericht der Hauptsache hat nur die in § 155 Abs. 2 VwGO vorgegebene Kostenfolge in Beschlussform gefasst. Diese Festlegung bindet den Kostenbeamten und das Gericht der Kostensache, so dass mit dem Kostenbeschluss vom 28.08.2014 von einer „unechten“ Kostengrundentscheidung auszugehen ist, die ohne weitere Kenntnis der Akten getroffen werden konnte (vgl. Beschluss des Senats vom 11.01.2016, Az.: L 15 SF 46/15 E). Dies hat zur Folge, dass die Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 Nr. 1 KV GKG zur Anwendung kommt (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.01.2016, Az.: L 15 SF 37/12 B, und vom 11.01.2016, Az.: L 15 SF 46/15 E).

Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 66 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde


(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. W

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 161


(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden. (2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 1

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Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 03. Juni 2014 - L 15 SF 402/13 E

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Gründe I. Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine Begleitung zu einem Erörterungstermin nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). In dem am Sozialgericht Bayre

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Mai 2014 - L 15 SF 42/12

bei uns veröffentlicht am 08.05.2014

Gründe I. Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung zweier gerichtlich angeordneter Begutachtungstermine nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). In dem am Bayerischen Landessoz

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 5. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Urkundsbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 11 R 765/09 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren der Erinnerungsführerin und jetzigen Beschwerdeführerin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) wegen einer Betriebsprüfung nach § 28 p Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch wurde durch Teilabhilfebescheid der damaligen Beklagten vom 19.05.2011 und im Übrigen durch Klagerücknahme (Schriftsatz vom 05.06.2012) erledigt. Mit Beschluss vom 13.06.2012 wurden, gestützt auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), die Kosten des Verfahrens entsprechend dem Obsiegen und Unterliegen zu 4/7 der Beschwerdeführerin und zu 3/7 der damaligen Beklagten auferlegt und der Streitwert auf 67.912,40 € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 11.04.2013 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtskosten in Höhe von 1.124,57 € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG zugrunde.

Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 30.04.2013 Erinnerung eingelegt.

Mit Beschluss vom 05.06.2013 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Für die von der Beschwerdeführerin begehrte Anwendung des Ermäßigungstatbestands nach Nr. 7111 KV GKG hat es schon wegen des Wortlauts dieser Regelung keinen Raum gesehen, da sich das Verfahren durch „Annahme eines Teilanerkenntnisses“ und Klagerücknahme im Übrigen erledigt habe. Zudem sei - so das SG - mangels Einigung der Beteiligten hinsichtlich der Kosten eine richterliche Kostengrundentscheidung nach § 197 a SGG i.V.m § 161 Abs. 2 VwGO notwendig gewesen. Sowohl im Sinn der Kostengerechtigkeit als auch zum Zweck der Prozesswirtschaftlichkeit könne den Parteien der Ermäßigungstatbestand nicht zugutekommen, wenn mangels Einigung über die Kostentragung eine richterliche Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Rechtsstands mit einem möglicherweise erheblichen richterlichen Arbeitsaufwand erforderlich sei. Dies entspreche der Gesetzesintention, wie sie in Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG ihren Ausdruck finde, wonach eine Einigung über die Kosten Voraussetzung für die Ermäßigung sei. Offenbleiben könne, ob für die Anwendung der Nr. 7111 KV GKG grundsätzlich das gesamte Verfahren, d. h. inklusive der Kosten, erledigt sein müsse oder ob im Fall eines Vergleichs aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 160 VwGO die Ermäßigung angewandt werden könne, da der gerichtliche Beschluss nur auf das Gesetz verweisen müsse. Denn vorliegend sei jedenfalls eine richterliche Ermessensentscheidung und somit ein Mehraufwand erforderlich gewesen. In Fällen, in denen mangels Einigung der Beteiligten über die Kosten das Gericht tätig werden müsse, könne eine Ermäßigung nicht gewährt werden.

Mit Schreiben vom 24.06.2013 hat die Beschwerdeführerin Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt und diese mit Hinweis auf das Vorbringen im Erinnerungsverfahren (Schreiben vom 09.01.2013) begründet. Sie ist der Ansicht, dass eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen habe. Aufgrund der teilweisen Klagerücknahme und des „Teilanerkenntnisses“ habe das SG nicht über die materielle Begründetheit der streitgegenständlichen Forderung entscheiden müssen; ein mit der Abfassung eines Urteils vergleichbarer richterlicher Arbeitsaufwand sei nicht entstanden. Im Beschluss vom 13.06.2012 sei lediglich eine Kostenverteilung gemäß der Quote des Unterliegens erfolgt. Diese habe sich aus der Höhe der zurückgenommenen im Verhältnis zu der anerkannten Forderung errechnet.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Gerichtskostenfeststellung vom 11.04.2013 ist nicht zu beanstanden, wie dies auch das SG mit Beschluss zur Erinnerung vom 05.06.2013 festgestellt hat; der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG kommt vorliegend nicht zur Anwendung.

Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.

1. Gesetzliche Regelung der Nr. 7111 KV GKG

Die Voraussetzungen einer Ermäßigung des Satzes der Gebühr nach § 34 GKG vom 3,0-Fachen für das Verfahren im Allgemeinen (Nr. 7110 KV GKG) auf das 1,0-Fache sind in Nr. 7111 KV GKG wie folgt formuliert:

„Beendigung des gesamten Verfahrens durch

1. Zurücknahme der Klage

a) vor dem Schluss der mündlichen Verhandlung oder,

b) wenn eine solche nicht stattfindet, vor Ablauf des Tages, an dem das Urteil oder der Gerichtsbescheid der Geschäftsstelle übermittelt wird,

2. Anerkenntnisurteil,

3. gerichtlichen Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis oder

4. Erledigungserklärungen nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO, wenn keine Entscheidung über die Kosten ergeht oder die Entscheidung einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten über die Kostentragung oder der Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten folgt,

es sei denn, dass bereits ein Urteil oder ein Gerichtsbescheid vorausgegangen ist.“

Die mit dem Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG) vom 05.05.2004 (BGBl I S. 718) eingeführte Regelung der Nr. 7111 KV GKG hat der Gesetzgeber weitgehend an Nr. 5111 KV GKG und diese wiederum strukturell an Nr. 1211 KV GKG angelehnt (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 173, 170).

Zu den allgemein-strukturellen Änderungen des KostRMoG hat der Gesetzgeber Folgendes ausgeführt (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 141 f.):

„Mit dem Gesetzentwurf wird eine vollständige Neufassung des Gerichtskostengesetzes vorgeschlagen. Neben einer Vielzahl struktureller Änderungen sollen in Teilbereichen die Gebühren erhöht werden.

...

Strukturelle Änderungen

1. ...

2. Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 wurde für Prozessverfahren erster Instanz in Zivilsachen ohne Familiensachen und für das erstinstanzliche Verfahren über Anträge auf Anordnung, Aufhebung oder Abänderung eines Arrests oder einer einstweiligen Verfügung eine neue Gebührenstruktur (Pauschalgebührensystem) eingeführt: Das gesamte Verfahren wird durch eine pauschale Verfahrensgebühr abgegolten, neben der Entscheidungsgebühren nicht mehr erhoben werden. Eine Ermäßigung der pauschalen Verfahrensgebühr tritt nur ein, wenn das gesamte Verfahren durch Klagerücknahme, Anerkenntnis- oder Verzichtsurteil oder durch Vergleich endet. Wird nur ein Teil des Verfahrens auf eine dieser Arten erledigt, verbleibt es bei der vollen pauschalen Verfahrensgebühr. Das Pauschalgebührensystem wurde zunächst auf Zivilsachen erster Instanz ohne Familiensachen beschränkt, da die Auswirkungen auf den Prozessverlauf nicht vorhersehbar waren. Eine Entscheidung über die Ausdehnung der neuen Gebührenstruktur auf weitere Bereiche sollte erst zu einem späteren Zeitpunkt getroffen werden. Die zwischenzeitlich gewonnenen Erfahrungen haben ergeben, dass das Pauschalgebührensystem zu einer spürbaren Arbeitserleichterung bei den Gerichten geführt hat. Insbesondere der Verwaltungsaufwand für die Berechnung und die Einziehung der Gerichtskosten konnte spürbar verringert werden. Die der Einführung des Pauschalgebührensystems zugrunde liegenden Überlegungen (vgl. Bundestagsdrucksache 12/6962, S. 52) haben sich als zutreffend erwiesen. Negative Auswirkungen auf den Verlauf der Rechtsstreitigkeiten sind nicht festgestellt worden. Zudem hat sich die Erwartung erfüllt, dass mit der eingeführten Gebührenstruktur der Verlust an Gebührengerechtigkeit auf ein im Interesse der Vereinfachung vertretbares und zumutbares Maß begrenzt werden konnte.

3. Aufgrund der positiven Erfahrungen wird nunmehr vorgeschlagen, das Pauschalgebührensystem auf alle Rechtszüge und die Verfahren aller Gerichtsbarkeiten ausdehnen. ...“

Zur Begründung von Nr. 1211 KV GKG ist Folgendes erläutert worden (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.):

„... Eine Gebührenermäßigung soll wie bisher nur erfolgen, wenn durch den Eintritt des Ermäßigungstatbestands das gesamte Verfahren erledigt wird. Zusätzlich zu den bisher geregelten Ermäßigungstatbeständen wird vorgeschlagen, auch Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO in die Begünstigung einzubeziehen, wenn entweder eine Entscheidung über die Kosten überhaupt nicht ergeht, weil die Parteien übereinstimmend auf eine Kostenentscheidung verzichten, oder aber die Entscheidung einer zuvor dem Gericht mitgeteilten (außergerichtlichen) Einigung der Parteien in der Kostenfrage bzw. der Erklärung einer Partei, die Kosten übernehmen zu wollen, folgt. In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob bereits das geltende Recht in diesen Fällen eine Gebührenprivilegierung zulässt (vgl. zum Meinungsstand: Zöller-Vollkommer/Herget, ZPO, 23. Aufl., Rnr. 59 zu § 91a). Gegen eine Privilegierung wird eingewandt, der klare Wortlaut des Gesetzes stehe ihr entgegen. Die Gegenmeinung befürwortet zur Vermeidung von „Unbilligkeiten“ eine Gebührenermäßigung in den Fällen, in denen die wechselseitigen Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO von einem Verzicht auf die Kostenentscheidung, von Erklärungen zu einer übereinstimmenden Kostenregelung oder von der Kostenübernahmeerklärung einer Partei begleitet werden und die Kostenentscheidung des Gerichts deshalb entweder unterbleibt oder der Übereinkunft oder der Übernahmeerklärung in vollem Umfang folgt. Die vorgeschlagene Regelung schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Erledigungserklärungen nach § 91a ZPO sind zwar grundsätzlich allein für sich betrachtet noch nicht geeignet, einen der Abfassung eines Urteils vergleichbaren richterlichen Arbeitsaufwand bei der abschließenden Verfahrensentscheidung entbehrlich werden zu lassen, weil das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen zu entscheiden hat. Dieser Aufwand entfällt aber nicht nur, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung treffen muss, sondern auch, wenn es bei seiner Entscheidung einer zuvor von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgt. In diesen Fällen reicht zur Begründung der Entscheidung eine Bezugnahme auf die aktenkundig gemachte Einigung aus. Gleiches gilt, wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat. Im Falle einer Entscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO soll die Ermäßigung ausgeschlossen werden, es sei denn, die Entscheidung folgt einer zuvor dem Gericht mitgeteilten (außergerichtlichen) Einigung der Parteien in der Kostenfrage bzw. der Erklärung einer Partei zur Kostenübernahme. Dies entspricht der Regelung im Falle einer Entscheidung nach § 91a ZPO.“

Nr. 1202 KV GKG, die Vorgängerregelung zu Nr. 1211 KV GKG, die mit dem Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen (Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 - KostRÄndG 1994) vom 24.06.1994 (BGBl I S. 1325) eingeführt worden war, hatte der Gesetzgeber wie folgt begründet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen [Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 - KostRÄndG 1994] - Bundestags-Drucksache 12/6962, S. 70):

„Künftig soll eine Ermäßigung der Gebühr nur dann eintreten, wenn das gesamte Verfahren durch Zurücknahme der Klage, durch Anerkenntnis- und Verzichtsurteil oder durch Abschluss eines Vergleichs vor Gericht erledigt wird. Wird nur ein Teil des Verfahrens auf diese Weise erledigt, soll eine Ermäßigung demnach nicht eintreten. Die Ermäßigung soll aber auch eintreten, wenn das gesamte Verfahren durch mehrere der genannten Varianten vollständig beendet wird. Entscheidungen nach § 91 a ZPO sollen nicht mehr gebührenmäßig begünstigt werden, weil sie erheblichen richterlichen Arbeitsaufwand auslösen. Sie erfordern eine weitgehende Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insbesondere mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien. Die Nichtbegünstigung dieser Entscheidungen könnte die Parteien überdies dazu veranlassen, die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen. Der Ausschluss einer Ermäßigung für die Fälle, in denen nur für Teile des Streitgegenstandes die Voraussetzungen vorliegen, ist unerläßlich, will man eine spürbare Vereinfachung der Kostenberechnung bewirken. Würde die Ermäßigung auch eintreten, wenn die Voraussetzungen nur für Teile des Streitgegenstandes erfüllt sind, müßten nach § 21 Abs. 3 GKG die Gebühren für die Teile gesondert berechnet werden. Die Summe dieser Gebühren dürfte aber die nach dem höchsten Gebührensatz aus dem Gesamtbetrag der Wertteile errechnete Gebühr nicht überschreiten. Ferner würden in sehr viel mehr Fällen Gebührenermäßigungen eintreten, die zu einer Rückzahlung eines Teils der als Vorauszahlung geleisteten Gebühr führen und damit Mehrarbeit verursachen würden.“

2. Anwendbarkeit der Nr. 7111 KV GKG bei Verfahrensbeendigung durch zwei Beendigungstatbestände

Eine Ermäßigung im Sinn der Nr. 7111 KV GKG kommt grundsätzlich nicht nur bei einer Beendigung des Verfahrens durch einen einzigen der in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbestände in Betracht, sondern auch bei einer Beendigung durch eine Kombination von zwei (oder mehr) Beendigungstatbeständen.

Sofern das SG eine Anwendung der Nr. 7111 KV GKG schon wegen des Wortlauts abgelehnt hat, weil das Verfahren durch „Teilanerkenntnis“ - ob im Teilabhilfebescheid vom 19.05.2011 tatsächlich ein (angenommenes) Teilanerkenntnis zu sehen ist oder nicht eher von einer (übereinstimmenden) Erledigungserklärung im Sinn des § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 161 Abs. 2 VwGO auszugehen ist mit der Folge, dass insofern ein Fall der Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG gegeben wäre, kann dahingestellt bleiben, da bei Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG keine geringeren Anforderungen für eine Gebührenermäßigung gelten - und Klagerücknahme und nicht durch einen einzigen Beendigungstatbestand beendet worden sei, hält der Senat diese Ansicht für zu streng.

Es ist dem SG zwar durchaus zuzugestehen, dass der Wortlaut des Gesetzes („oder“ am Ende von Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG) bei strenger Betrachtung dahingehend interpretiert werden könnte, dass eine Ermäßigung nur bei einer Klagerücknahme (Nr. 7111 Nr. 1 KV GKG) oder einem Anerkenntnisurteil (Nr. 7111 Nr. 2 KV GKG) oder einem gerichtlichen Vergleich oder angenommenen Anerkenntnis (Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG) oder einer Erledigungserklärung (Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG) in Betracht komme, nicht aber bei einer Beendigung des Verfahrens durch die Kombination von zwei (oder mehr) der vorgenannten Beendigungstatbestände. Eine derartige Auslegung hält der Senat aber für zu restriktiv. Sie würde auch der gesetzgeberischen Intention nicht gerecht. So hat der Gesetzgeber bereits zum KostRÄndG 1994 Folgendes ausgeführt (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 70):

„Die Ermäßigung soll aber auch eintreten, wenn das gesamte Verfahren durch mehrere der genannten Varianten vollständig beendet wird.“

3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens

Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus, dass entweder überhaupt kein gerichtlicher Beschluss des Gerichts der Hauptsache zu den Kosten zu treffen ist oder die zu erlassende Kostengrundentscheidung einzig und allein darin besteht, dass das Gericht nur eine von Gesetzes wegen vorgegebene eindeutige Rechtsfolge in Form eines Beschlusses auszusprechen hat, für den es - mit Ausnahme des zur Beendigung führenden Schreibens - keiner Kenntnis der Akten bedarf („unechte“ Kostengrundentscheidung), oder die Kostenentscheidung nur die einvernehmlich von den Beteiligten gefundene Kostentragung aufgreifen muss.

3.1. Gesamtbeendigung

Es entspricht dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG, der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. - teilweise zu vergleichbaren Ermäßigungstatbeständen - Oberlandesgericht - OLG - Hamburg, Beschluss vom 08.06.1996, Az.: 8 W 140/96; OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2005, Az.: 3 Ta 136/05; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.04.2008, Az.: 6 AZR 1049/06; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2014, Az.: 11 C 14.1588; a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E), der Literatur (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 3 und 5; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2015, KV 7111, Rdnr. 8, KV 5111, Rdnr. 5, KV 1211, Rdnr. 27) und dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der oben (vgl. Ziff. 1.) angeführten Gesetzesbegründung ergibt, dass die Gebührenermäßigung eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraussetzt.

3.2. Fehlende Kostenentscheidung

Muss das Gericht der Hauptsache nach der Beendigung des Verfahrens im Übrigen noch eine Entscheidung zu den Kosten treffen, steht dies grundsätzlich einer Ermäßigung entgegen. Lediglich dann, wenn nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen ist, ist der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 KV GKG anzuwenden.

3.2.1. Grundsatz

Eine streitige Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht steht einer Ermäßigung entgegen.

Denn nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte des Rechtsstreits wird das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Justiz (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69) nachhaltig erreicht. Ein Entlastungseffekt tritt hingegen nur eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der Kostenentscheidung inhaltlich mit der Sache befassen muss.

Wenn demgegenüber der 12. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E, die Ansicht vertreten hat, dass allein das Vorliegen eines Beendigungstatbestands aus den Nr. 1 bis 3 von Nr. 7111 KV GKG ausreiche, um eine Ermäßigung zu begründen, ohne dass eine Beendigung des gesamten Verfahrens, also auch im Kostenpunkt, vorliegen müsse, und dies sowohl mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelung begründet hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

Dass beim Ermäßigungstatbestand für alle Alternativen der Nr. 7111 KV GKG - und nicht nur für die dortige Nr. 4, wie dies im vorgenannten Beschluss vom 04.04.2012 vertreten wird - eine Beendigung auch im Kostenpunkt erforderlich ist, ergibt sich aus dem Obersatz der Nr. 7111 KV GKG, wenn dort eine Beendigung des „gesamten“ Verfahrens vorausgesetzt wird. Zweifel an dieser Ansicht, wie sie der vorgenannten Entscheidung des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012 zugrunde liegen, können nicht damit begründet werden, dass nur unter Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG aufgeführt werde, dass keine (streitige) Entscheidung über die Kosten zu ergehen habe. Denn dieser Zusatz hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11), begründet aber kein zusätzliches, nicht bereits in Nr. 7111 KV GKG enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien, in denen der Streitstand zu den bis dahin nicht gesetzlich geregelten Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO und damit der Grund für den klarstellenden gesetzlichen Hinweis aufgezeigt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.). Der Senat sieht daher keinen Raum für eine erweiternde Auslegung im Sinn des Beschlusses des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 1 f. - m. w. N.).

3.2.2. Ausnahme

Hat das Gericht nach Beendigung des Verfahrens in der Sache nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen, steht dies einer Ermäßigung nicht entgegen.

Dass nicht jedwede gerichtliche Kostengrundentscheidung nach im Übrigen vollständiger Beendigung des Verfahrens die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 VV GKG verbietet, ergibt sich selbstredend schon daraus, dass gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein gerichtlicher Beschluss über die Kosten zu erfolgen hat. Würde davon ausgegangen, dass allein dieses Erfordernis eines Beschlusses einer „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG entgegen stehen würde, würde die Regelung der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG neben der in Nr. 7111 Nr. 4, 2. Alt. KV GKG aufgezeigten Konstellation auf die Fälle der in Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG genannten Beendigungstatbestände einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis, wobei in beiden Fällen auch eine Regelung zu den Kosten enthalten sein müsste, beschränkt. In allen anderen in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbeständen wäre eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen. Dieses in konträrem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehende Ergebnis zeigt überdeutlich, dass allein die Tatsache, dass das Gericht noch eine Entscheidung zu den Kosten zu treffen hat, der Anwendung der Ermäßigungsregelung der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehen kann.

Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum KostRMoG (vgl. a. a. O., S. 159 f.) ergibt, kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG trotz Erforderlichkeit noch eines Kostenbeschlusses grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung und Einsichtnahme in die Akten treffen muss (vgl. auch zum Fall eines Verzichts auf Begründung des Kostenbeschlusses: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2008, 2 UF 135/07; a.A. zum Fall des Begründungsverzichts: OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; offengelassen vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06), also bei seiner Entscheidung entweder nur der von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgen muss oder wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat.

Nichts anderes kann nach der Ansicht des Senats gelten, wenn sich die Kostenfolge allein aus der Form der Beendigung ergibt, ohne dass es zur Kostenentscheidung noch eines Blicks in die Akten des erledigten Verfahrens bedarf, der gerichtliche Kostenbeschluss also nur die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge in Beschlussform fassen muss (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5). Denn in einem so einfach gelagerten Fall ist der für das Gericht entstehende Aufwand für die Kostenentscheidung auch nicht ansatzweise mit dem bei der Abfassung eines Urteils anfallenden richterlichen Arbeitsaufwand vergleichbar, sondern weitgehend identisch mit der Konstellation, dass wegen der von den Beteiligten mitgeteilten Einigung über die Kosten überhaupt kein Beschluss nötig ist oder nur die von einem Beteiligten erklärte Bereitschaft zur Kostenübernahme in Beschlussform „gegossen“ werden muss.

Liegt demgegenüber eine „echte“ Kostengrundentscheidung in dem Sinn vor, dass die Entscheidung nur nach einem erneuten Blick in die Akten getroffen werden kann, kann der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung anfallende Aufwand für das entscheidende Gericht erheblich bis nahezu genauso umfangreich werden wie im Fall eines Urteils (vgl. die Gesetzesbegründungen zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69 f., und zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.) und steht daher einer Gebührenermäßigung entgegen (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5).

Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass auch bei einer „echten“ Kostengrundentscheidung im vorgenannten Sinn der dadurch für das Gericht entstehende Aufwand nicht in jedem Fall an den eines Urteils heranreicht. In durchaus nicht wenigen Fällen wird der Aufwand eher dem Zeitumfang ähneln, wie er auch bei einer „unechten“ Kostengrundentscheidung, in dem das Gericht lediglich durch deklaratorischen Beschluss die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge feststellt, anfällt. Insbesondere ist dann an eine Situation mit geringem Aufwand zu denken, wenn zur Ermittlung der Quote der Kostentragung im Rahmen der Kostengrundentscheidung, die im Regelfall anhand des Erfolgsprinzips vorzunehmen ist (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 24.05.2011, Az.: L 15 SB 66/09), lediglich ein Vergleich zwischen dem ursprünglich angestrebten Klageziel und dem letztlich Erreichten vorgenommen werden muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage einer Gebührenermäßigung allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden ist, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss. Denn im Sinne der gebotenen Verwaltungspraktikabilität kann es vom Urkundsbeamten genauso wie vom Kostenrichter nicht erwartet werden, den tatsächlich durch die zu treffende Kostengrundentscheidung anfallenden Aufwand zu ermitteln, zumal auch keinerlei Kriterien vorhanden wären, zwischen einem ausgesprochen geringen Zeitaufwand, wie er dem einer „unechten“ Kostengrundentscheidung ähnelt, und einem darüber hinausgehenden Aufwand zu differenzieren. Alles andere würde die Prüfpflichten und -möglichkeiten der Kostenbeamten und Kostenrichter übersteigen und dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats auch zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), widersprechen.

Diese Ansicht des Senats findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien. In der Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994 (vgl. a. a. O., S. 70) hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der mit dem Ermäßigungstatbestand verbundenen Anreizwirkung die Bereitschaft der Parteien gefördert werden solle,

„die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen.“

Aus diesem Hinweis wird deutlich, dass der Gesetzgeber bereits das Erfordernis einer nach dem Erfolgsprinzip zu treffenden und daher mit wenig Aufwand verbundenen Kostengrundentscheidung als schädlich für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands erachtet hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr. 7111 KV GKG unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben, insbesondere der Praktikabilität, sieht der Senat keine Möglichkeit für eine weitergehende und kostenschuldnerfreundlichere Auslegung.

4. Zur Entscheidung im vorliegenden Fall

Im vorliegenden Fall ist zwar das Klagebegehren in der Hauptsache unstreitig erledigt worden. Das Gericht der Hauptsache hat jedoch eine Kostengrundentscheidung treffen müssen, die sich nicht lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft hat. Eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG kommt daher nicht in Betracht.

Dies gilt unabhängig davon, ob neben einer Klagerücknahme im Übrigen - wie das SG - von einer Erledigung durch Teilanerkenntnis (dann Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG) oder - so die Ansicht des Senats - von einer übereinstimmenden Erledigungserklärung (dann Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG) ausgegangen wird.

Für letzteren Fall ergibt sich dies schon aus dem klaren Wortlaut der Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG, da sich die Beteiligten nicht über die Kostentragung des Hauptsacheverfahrens geeinigt haben und keine Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten erfolgt ist.

Wird hingegen - wie das SG - von einer Erledigung durch Teilanerkenntnis und im Übrigen durch Klagerücknahme ausgegangen, gilt Folgendes: Das Gericht der Hauptsache hat sich zumindest insofern nochmals mit der Hauptsache beschäftigen müssen, als es den Umfang des Obsiegens einerseits und des Unterliegens andererseits ermitteln und diese in Verhältnis setzen hat müssen. Dafür war ein erneuter Blick in die Akten erforderlich und nicht nur eine bereits im Gesetz vorgegebene Kostenentscheidung in Form eines Beschlusses auszusprechen. Damit ist die Kostengrundentscheidung des Hauptsachegerichts über den Umfang einer „unechten“ Kostengrundentscheidung hinausgegangen, so dass auch in diesem Fall eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG ausscheidet.

Der Kostensenat des Bayer. LSG entscheidet über die Beschwerde nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 66 Abs. 3 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 GKG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Er ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

Tenor

In Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 7. April 2014 wird der Streitwert für das Klageverfahren auf 2.400,- Euro festgesetzt.

Gründe

Die im eigenen Namen erhobene Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen die Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts München, über die gemäß § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist zulässig (§ 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG). Insbesondere übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstands, der sich bei aus eigenem Recht eingelegten Beschwerden von Rechtsanwälten aus der Differenz zwischen der bisherigen und der ihnen zustehenden Vergütung (Gebühren und Auslagen unter Einrechnung der Umsatzsteuer) ergibt (BayVGH, B. v. 3.9.2013 - 6 C 13.1598 - juris Rn. 2; B. v. 1.4.2014 - 10 C 14.550 - juris Rn. 4), die in § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG festgelegte Wertgrenze von 200,- Euro. Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. Anlage 1 Nrn. 3100 und 3104 erhält der Prozessbevollmächtigte der Klägerin für seine Tätigkeit im ersten Rechtszug eine 1,3-fache Verfahrensgebühr und aufgrund der mündlichen Verhandlung am 2. April 2014, zu der das Verwaltungsgericht geladen hatte, eine 1,2-fache Terminsgebühr. Bei dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert von 1.200,- Euro und den nach § 13 RVG i. V. m. Anlage 2 maßgeblichen Gebühren ergäbe sich dabei eine Gebührengesamthöhe einschließlich Umsatzsteuer von 342,13 Euro ([115,- Euro x 1,3 + 115,- Euro x 1,2] + 19%). Dem stünde bei einem Streitwert von 2.400,- Euro eine Gebührengesamthöhe einschließlich Umsatzsteuer von 597,98 Euro gegenüber ([201,- Euro x 1,3 + 201,- Euro x 1,2] + 19%).

Die Beschwerde ist auch begründet. Der Streitwert für das erstinstanzliche Hauptsacheverfahren wegen einer Fahrtenbuchauflage beträgt nach Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung und ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. BayVGH, B. v. 9.12.2013 - 11 ZB 13.1748 - juris Rn. 20) 400,- Euro je Monat. Vorliegend hatte die Beklagte die Klägerin mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. August 2013 zur Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von sechs Monaten verpflichtet. Daraus ergibt sich ein Streitwert von 2.400,- Euro. Dieser ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch nicht deswegen zu reduzieren, weil sich der Rechtsstreit hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage durch Zeitablauf erledigt hat. Auf die Höhe des Streitwerts und der zu erhebenden Gebühren haben die von den Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung insoweit abgegebenen übereinstimmenden Erledigungserklärungen keinen Einfluss. Die Verfahrens- und Terminsgebühren des Prozessbevollmächtigten der Klägerin sind bereits in voller Höhe angefallen. Auch die Gerichtsgebühren gemäß § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Anlage 1 Nr. 5110 sind aufgrund der Erledigungserklärungen nicht zu ermäßigen, da das Verwaltungsgericht eine Kostenentscheidung getroffen hat und diese weder auf einer zuvor mitgeteilten Einigung der Beteiligten noch auf der Kostenübernahmeerklärung eines Beteiligten beruht. Der Ermäßigungstatbestand des § 3 Abs. 2 GKG i. V. m. Anlage 1 Nr. 5111 4. ist daher nicht erfüllt.

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Verfahren gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 68 Abs. 3 GKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO; § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Das Gericht hat im Urteil oder, wenn das Verfahren in anderer Weise beendet worden ist, durch Beschluß über die Kosten zu entscheiden.

(2) Ist der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt, so entscheidet das Gericht außer in den Fällen des § 113 Abs. 1 Satz 4 nach billigem Ermessen über die Kosten des Verfahrens durch Beschluß; der bisherige Sach- und Streitstand ist zu berücksichtigen. Der Rechtsstreit ist auch in der Hauptsache erledigt, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Erledigungserklärung enthaltenden Schriftsatzes widerspricht und er vom Gericht auf diese Folge hingewiesen worden ist.

(3) In den Fällen des § 75 fallen die Kosten stets dem Beklagten zur Last, wenn der Kläger mit seiner Bescheidung vor Klageerhebung rechnen durfte.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung zweier gerichtlich angeordneter Begutachtungstermine nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen geführten Rechtsstreit wurde die dortige Klägerin und jetzige Antragstellerin am 09.09.2011 im Rahmen von zwei von Amts wegen angeordneten Begutachtungen durch die Sachverständigen Dres. C. und A. untersucht. Die Untersuchungen fanden zwischen 8.15 Uhr und 11.45 Uhr statt.

Mit auf den 12.09.2011 datiertem Entschädigungsantrag, bei Gericht eingegangen am 08.12.2011, beantragte die Antragstellerin die Entschädigung für das Erscheinen zu den gutachtlichen Untersuchungen am 09.09.2011.

Im Entschädigungsantrag gab die Antragstellerin an, für die Fahrt zu und von den Begutachtungen ein Taxi benutzt zu haben; sie legte dafür eine Rechnung des Taxiunternehmens über 212,20 EUR vor. Als gefahrene Kilometer gab sie 145 km an. Nach ihren Angaben sei sie von zu Hause um 6.50 Uhr weggefahren und um 13.00 Uhr wieder zurückgekehrt. Die Taxibenutzung begründete sie damit, dass eine Bahnanbindung zu dieser Uhrzeit nicht bestehe.

Die Sachverständigen sahen keine medizinische Notwendigkeit für die An- und Abreise per Taxi.

Mit Schreiben vom 04.01.2012 bewilligte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG als Entschädigung Fahrtkosten für eine Fahrtstrecke von insgesamt 145 km in Höhe von 36,25 EUR. Die Taxikosten seien nicht erstattungsfähig, da eine Beförderung mit dem Taxi nach den Angaben des Sachverständigen nicht notwendig gewesen sei. Es könnten daher nur die tatsächlich gefahrenen Kilometer erstattet werden.

Mit Schreiben ihrer anwaltlichen Vertreterin vom 31.01.2012 hat sich die Antragstellerin gegen die Ablehnung der Erstattung der Taxikosten gewandt. Sie - so die Antragstellerin - besitze kein Fahrzeug und hätte daher nicht selbst mit einem Auto reisen können. Bei Anreise mit dem Zug hätte sie zum Untersuchungstermin nicht rechtzeitig erscheinen können.

Auf die Aufforderung des Gerichts, näher darzulegen, warum bei einer Anreise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln ein rechtzeitiges Erscheinen nicht möglich gewesen wäre, hat die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 08.05.2012 nur mitgeteilt, dass die Antragstellerin wegen Schmerzen in der Hand und einer sich daraus ergebenden Angst vor Menschenansammlungen unumgänglich mit dem Taxi fahren habe müssen.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom 31.01.2012 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Wahrnehmung der Termine bei den Gutachtern am 09.09.2012 ist auf 36,25 EUR festzusetzen. Ein weitergehender Anspruch, insbesondere auf Erstattung der Taxikosten, besteht nicht.

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m. w. N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Bayer. LSG, Beschluss vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 4, Rdnr. 12 - m. w. N.).

2. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn dem Antrag liegt eine Heranziehung zu einem gerichtlich angeordneten Begutachtungstermin vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG zugrunde.

3. Fristgerechter Entschädigungsantrag

Grundvoraussetzung für eine Entschädigung ist ein fristgerecht gestellter Entschädigungsantrag. Ein solcher liegt vor.

Der Entschädigungsantrag für die Untersuchung am 09.09.2011 ist am 08.12.2011 und damit kurz vor Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG eingegangen.

4. Entschädigungstatbestände

Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.

4.1. Fahrtkosten

Der Antragstellerin sind Fahrtkosten gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG in Höhe von 36,25 EUR zu erstatten. Ein weitergehender Anspruch auf Erstattung der Taxikosten über § 5 Abs. 3 JVEG besteht nicht.

4.1.1. Keine vollständige Erstattung der Taxikosten

Grundsätzlich besteht ein Recht zur freien Wahl des Beförderungsmittels im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 5 JVEG (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 5 JVEG, Rdnrn. 1, 5). Dies bedeutet, dass es regelmäßig im Belieben des Berechtigten steht, ob er mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit einem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) anreist (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B). Bei der Anreise mit einem Kraftfahrzeug macht der Gesetzgeber entschädigungsrechtlich keinen Unterschied, ob es sich um ein eigenes bzw. unentgeltlich zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 Satz 1 JVEG) oder um ein anderes, höhere Kosten verursachendes Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG) wie z. B. einen Mietwagen oder ein Taxi handelt; es gilt immer ein Kilometersatz von 0,25 EUR bei Beteiligten und Zeugen.

Die sinngemäße Vorgabe, im Rahmen der durch § 5 Abs. 1 und 2 JVEG eröffneten Möglichkeiten grundsätzlich das preisgünstigste Verkehrsmittel zu wählen, wie sie noch im zeitlichen Geltungsbereich des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) in § 9 Abs. 1 Satz 1 ZuSEG bestanden hatte, hat der Gesetzgeber mit Einführung des JVEG zum 01.07.2004 fallen gelassen. Gleichwohl ist auch nach dieser Gesetzesänderung bei der Auslegung zu beachten, dass schon wegen des allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Bundeshaushaltsordnung; Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung) im Bereich der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten und ehrenamtlichen Richtern das im gesamten Bereich des Kostenrechts geltende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung zu beachten ist (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 2; Hartmann, a. a. O., § 5 JVEG, Rdnr. 2).

Das Recht auf freie Wahl des Beförderungsmittels im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben des § 5 JVEG endet dort, wo durch die Auswahl des Transportmittels weitere, über § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hinausgehende Kosten entstehen würden. Dies ergibt sich primär aus Sinn und Zweck der in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG getroffenen Regelungen. Mit der Aufgabe der noch im ZuSEG geltenden Vorgabe, nur das kostengünstigste Reisemittel zu entschädigen, hat der Gesetzgeber nur eine Verwaltungsvereinfachung (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 180 - zu § 5 JVEG) erzielen wollen, nicht aber eine Eröffnung von weitgehenden Möglichkeiten, durch die Wahl des Beförderungsmittels objektiv nicht erforderliche, weil bei Nutzung eines anderen Verkehrsmittels vermeidbare, Kosten der Staatskasse aufzubürden. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 JVEG, sofern dieser auf die absolut betrachtete objektive Notwendigkeit der höhere Kosten verursachenden Umstände abstellt. Objektiv nötig sind aber solche Kosten, die über den Rahmen des § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hinausgehen, nicht mehr, wenn sie mit der Nutzung eines anderen möglichen und zumutbaren Verkehrsmittels vermieden werden können. Alles andere wäre mit dem Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung nicht in Einklang zu bringen

Das Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung kommt auch in § 5 Abs. 3 JVEG zum Ausdruck, der die Entschädigung von Kosten regelt, die über die nach § 5 Abs. 1 oder 2 JVEG zu ermittelnden Kosten hinausgehen. Nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 JVEG können höhere Fahrtkosten, als sie bei der Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln oder dem eigenen bzw. einem unentgeltlich überlassenen Kraftfahrzeug unter Beachtung der Vorgaben für die Entschädigung in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG entstehen, nur aus wirtschaftlichen Gründen (§ 5 Abs. 3 JVEG: „soweit dadurch Mehrbeträge an Vergütung oder Entschädigung erspart werden“) oder „wegen besonderer Umstände“, d. h. bei Notwendigkeit, ersetzt werden. Über den Wortlaut des Gesetzes hinaus sind zudem Fälle denkbar, in denen wegen eines vom Gericht geschaffenen oder ihm zurechenbaren Vertrauenstatbestands eine Kostenerstattung zu erfolgen hat (ähnlich zu den Kosten einer Begleitperson: Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B. Nichts Anderes als der Gesichtspunkt eines Vertrauenstatbestands ist auch der Hintergrund der Regelung in § 5 Abs. 5 JVEG, sofern danach die Kosten einer Anreise von einem weiter entfernt liegendem Ort als dem Ladungsort erstattungsfähig sind, wenn nur die Anzeige an das Gericht unverzüglich erfolgt ist - vgl. Beschluss des Senats vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

Eine Erstattung der angefallenen Kosten für eine Reise mit einem Taxi kommt daher nur in folgenden Konstellationen in Betracht:

a) Reise weder mit einem in § 5 Abs. 1 JVEG noch in § 5 Abs. 2 JVEG genannten Verkehrsmittel unter den dort zugrunde gelegten Bedingungen möglich (Fall des § 5 Abs. 3, 2. Alt. JVEG - objektive Notwendigkeit des teureren Beförderungsmittels)

Die Anreise mit einem Taxi müsste objektiv zur Terminsteilnahme erforderlich sein.

Eine Reise mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel (öffentliches, regelmäßig verkehrendes Verkehrsmittel oder eigenes bzw. zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug) ist überhaupt nicht möglich oder zumutbar, so dass der Berechtigte ohne Reise mit einem Taxi den gerichtlich angeordneten Termin nicht wahrnehmen kann.

b) Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt (Fall des § 5 Abs. 3, 1. Alt. JVEG - Wirtschaftlichkeit des teureren Beförderungsmittels im Gesamtvergleich)

Die Reise mit einem Taxi müsste aus wirtschaftlichen Gründen, also bei Berücksichtigung der entstehenden Gesamtkosten, angezeigt sein.

Dies ist dann der Fall, wenn die Gesamtkosten bei Reise mit einem Taxi niedriger (oder nicht höher) sind als die Gesamtkosten, die bei Benutzung eines in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrmittels entstehen würden.

Als Vergleichsmaßstab ist zu errechnen, welche entschädigungsrechtlich relevanten Kosten die Anreise mit einem (eigenen) Kraftfahrzeug oder mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln verursachen würde. Dabei kommt es nicht auf die individuellen Umstände des konkret Betroffenen an, sondern darauf, welche Kosten bei uneingeschränkter Reisefähigkeit unter normalen Bedingungen entstehen würden. Der sich dabei ergebende höhere Betrag, der die Obergrenze der sich aus § 5 Abs. 1 oder 2 JVEG ergebenden Entschädigung darstellt, ist der Vergleichsmaßstab.

Aus einem Gesamtkostenvergleich kann sich eine Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines teureren Beförderungsmittels beispielsweise dann ergeben, wenn dadurch weitere, bei einer Anreise mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrmittel ansonsten entstehende Kosten (z. B. Übernachtungskosten, höherer Verdienstausfall wegen längerer Abwesenheit) vermieden oder reduziert werden können, so dass letztlich die Reise ohne das teurere Beförderungsmittel der Staatskasse nicht billiger käme (vgl. vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 14, der eine Berücksichtigung der Mehrkosten für einen Flugschein grundsätzlich dann für geboten bezeichnet, wenn die „Gesamtentschädigung ... nicht höher als bei Benutzung anderer, regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel“ bezeichnet; Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 180 - zu § 5 JVEG).

c) Reise mit einem Taxi aus Vertrauensschutzgründen zulässig

Der Berechtigte müsste ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben, dass er trotz höherer Kosten mit einem Taxi anreisen darf.

Ausnahmsweise sind über die Regelunge des § 5 Abs. 3 JVEG hinaus, die für eine Erstattung von Taxikosten die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Taxibenutzung voraussetzen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die Kosten einer - nicht notwendigen oder unwirtschaftlichen - Reise mit einem Taxi zu erstatten. Davon ist dann auszugehen, wenn der Berechtigte aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er mit einem Taxi reisen darf. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat. In Betracht kommt hier insbesondere die vor der Reise ausgesprochene Zustimmung durch den in der Hauptsache zuständigen Richter. In einem solchen Fall ist für den Berechtigten ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihn - unabhängig von der objektiven Erforderlichkeit oder Wirtschaftlichkeit - zur Benutzung eines Taxis auf Staatskosten berechtigt. Gleichzustellen der vor der Reise erteilten Zustimmung ist die (nachträglich erfolgte) Genehmigung durch den Hauptsacherichter, die dieser jederzeit, z. B. auf Nachfrage des Kostenbeamten, aussprechen kann und bei der er die von ihm gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke vom Berechtigten, z. B. bei der mündlichen Verhandlung, verwerten kann.

Der Klarstellung halber weist der Senat darauf hin, dass das Fehlen einer vorherigen Mitteilung des Berechtigten an das Gericht, dass er mit einem Taxi zum gerichtlich angeordneten Termin zu reisen beabsichtige, einer Kostenerstattung nicht per se entgegen steht. Diese Ansicht hat das Bayer. LSG noch in seinem Beschluss vom 14.04.2002, Az.: L 16 RJ 609/98, vertreten. Auch wenn diese Entscheidung im Geltungsbereich des ZuSEG ergangen ist, hat sich die zugrunde liegende rechtliche Problematik seitdem nicht entscheidend verändert. Das Bayer. LSG hat damals wegen der trotz entsprechender Hinweise im Ladungsschreiben nicht erfolgten vorherigen Mitteilung des Berechtigten über die verteuernden Umstände einen Anspruchsverlust gesehen und dies mit einer Obliegenheitsverletzung begründet. Es hat in der genannten Entscheidung - wie auch in anderen Entscheidungen (vgl. z. B. Beschlüsse vom 28.12. 1994, Az.: L 13 An 135/89 Ko, vom 18.08.1995, Az.: L 1 U 172/89.Ko, und vom 19.01.1998, Az.: L 15 Bl 1/94.Ko) argumentiert, dass die Verletzung der Nebenpflicht (Obliegenheit), das Gericht vorab über die Möglichkeit des Entstehens höherer Kosten zu informieren, dann zum Verlust des einem Beteiligten zustehenden Ersatzes der (höheren) Fahrtkosten führe, wenn ein adäquat kausaler Schaden eingetreten sei. Ein derartiger Schaden entstehe durch das schuldhafte Unterlassen der Mitteilung, wenn Fahrtkosten entstanden seien, die bei rechtzeitiger Mitteilung nicht entstanden wären.

Diese Argumentation kann der Senat so nicht aufrecht erhalten. Sie verkennt, dass der Gesetzgeber eine Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruchsverlust nicht vorgesehen hat. Eine Mitteilungspflicht hat der Gesetzgeber für den Fall, dass die Anreise nicht mit einem öffentlichen, regelmäßig verkehrenden oder dem eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeug erfolgt, nicht vorgesehen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass auch eine Verletzung einer Anzeigepflicht, wie sie für die Anreise von einem anderen Ort als dem Ladungsort in § 5 Abs. 5 JVEG konstituiert ist, nicht automatisch zu einem Anspruchsverlust führt.

Zwar empfiehlt sich eine vorherige Anzeige des beabsichtigten „teureren“ Beförderungsmittels schon deshalb, damit der Berechtigte vorab die Haltung des Gerichts zu seiner Einschätzung der besonderen Umstände im Sinn des § 5 Abs. 3 JVEG erfährt und auf diesem Weg spätere Streitigkeiten bei der Entschädigung - sei es durch weitere Abklärung mit dem Gericht vor dem Termin, sei es durch die Wahl eines günstigeren Verkehrsmittels - vermeiden kann. Sanktionen werden aber durch den Gesetzgeber an eine nicht erfolgte Mitteilung nicht geknüpft. Konsequenz einer nicht vorher getätigten Mitteilung ist daher nur, dass der Berechtigte das Risiko tragen muss, dass das Gericht die erhöhten Kosten bei der Entschädigung nach Prüfung in der Sache nicht berücksichtigt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.12.2011, Az.: L 2 SF 319/11 B). Würde hingegen der früher vom Senat vertretenen Ansicht gefolgt, hätte dies zur Konsequenz, dass auch dann eine Erstattung der höheren Kosten nicht erfolgen könnte, wenn die Benutzung des teureren Verkehrsmittels objektiv notwendig war. Ein derartiges Ergebnis wäre nicht vertretbar.

Im vorliegenden Fall ist eine (volle) Erstattung der Taxikosten unter keinem Gesichtspunkt angezeigt:

Zu a. - mögliche Reise mit einem alternativen - hier: öffentlichen, regelmäßig verkehrenden - Verkehrsmittel

Einer Reise der Antragstellerin, die über kein eigenes Kraftfahrzeug verfügt, mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln wäre nichts entgegen gestanden. Eine Benutzung wäre ihr aus gesundheitlichen Gründen möglich gewesen. Dies ist einhellige Einschätzung der Sachverständigen. Die von der Bevollmächtigten der Antragstellerin im Schreiben vom 08.05.2012 gegebene Begründung, die Antragstellerin habe wegen Schmerzen in der Hand und einer sich daraus ergebenden Angst vor Menschenansammlungen nicht mit dem Zug anreisen können, kann demgegenüber nicht überzeugen. Weder hat die Antragstellerin bei den Begutachtungen entsprechende glaubhafte Angaben gemacht noch hat der psychiatrische Gutachter irgendwelche Feststellungen in Richtung einer solchen Angst machen können. Auch sonst ist nichts ersichtlich, was einer Benutzung öffentlicher, regelmäßig verkehrender Verkehrsmittel im Prinzip - der zeitliche Gesichtspunkt ist an dieser Stelle noch ohne Bedeutung - entgegen gestanden hätte. Jedenfalls hat sich der Senat nicht die Überzeugung davon bilden können, dass die Antragstellerin nicht auch mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln anreisen hätte können, so dass die Unerweislichkeit nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast, der auch im Bereich des JVEG gilt (vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 14.08.2013, Az.: L 15 SF 253/12, und vom 30.10.2013, Az.: L 15 SF 231/13 E) zulasten der Antragstellerin geht.

Zu b. - Gesamtkostenvergleich der Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln und der von der Antragstellerin gewählten Reise mit einem Taxi

Eine Reise der Antragstellerin mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln wäre offenkundig, ohne dass dies einer Berechnung im Detail bedürfte, mit deutlich geringeren Kosten verbunden gewesen. Zwar wären dann weitere Kosten wie z. B. Übernachtungskosten für eine Nacht (die Antragstellerin hätte wegen der ungünstigen Zugverbindungen, wie sie sich aus einer vom Senat im Rahmen der Ermittlungen von Amts wegen eingeholten Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn ergeben, bereits am Vortag zum Begutachtungsort anreisen müssen) angefallen. Da die Antragstellerin aber keinen Verdienstausfall geltend gemacht hat, wäre eine Anreise am Vortag mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln und Übernachtung auf jeden Fall deutlich günstiger gewesen als die Reise am Begutachtungstag mit einem Taxi. Mit den durch die Reise mit einem Taxi erhöhten Kosten ist also keine so weit gehende Kosteneinsparung an anderer Stelle verbunden gewesen, dass die Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten angezeigt gewesen wäre.

Zu c. - Vertrauensschutzgesichtspunkte

Einen Vertrauensschutz hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht; es ist dafür kein Anhaltspunkt ersichtlich. Eine richterliche Genehmigung der Reise mit einem Taxi ist weder vor noch nach der Fahrt erfolgt.

4.1.2. Keine anteilige Erstattung der angefallenen Taxikosten bis zu der Höhe, in der bei einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln Kosten angefallen wären

Der Gesetzgeber hat keine Regelung geschaffen, die eine anteilige Erstattung tatsächlich angefallener, aber nicht erforderlicher Kosten bis zur maximal erstattungsfähigen Höhe, d. h. bei der im Rahmen des § 5 Abs. 1 und 2 JVEG kostenaufwändigsten noch erstattungsfähigen Anreise, vorsehen würde.

§ 5 Abs. 3 JVEG ist dahingehend zu verstehen, dass eine Berücksichtigung höherer als in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG bezeichneter Fahrtkosten aus wirtschaftlichen Gründen nur dann möglich ist, wenn der Gesamtvergleich ergibt, dass die gewählte Reiseart insgesamt günstiger (oder zumindest nicht teurer) ist. Ist dies nicht der Fall, ergeben sich die zu erstattenden Kosten ausschließlich aus den Vorgaben des § 5 Abs. 1 und 2 JVEG. Für den hier vorliegenden Fall der Reise mit Taxi bedeutet dies, dass bei einer im Gesamtvergleich teureren Reise mit Taxi gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG nur Fahrtkosten bei Zugrundelegung der Kilometerpauschale des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG zu erstatten sind. Hat der Berechtigte eine zu teure Reiseart gewählt, geht er betreffend die Mehrkosten komplett leer aus.

Eine Erstattung der angefallenen Kosten bis zu der Höhe, in der sie auch bei einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln insgesamt angefallen wären - hier wäre eine Übernachtung nötig gewesen -, ermöglicht § 5 Abs. 3 JVEG nicht.

Der Senat geht bei der Auslegung des § 5 Abs. 3 JVEG davon aus, dass das Wort „soweit“ in § 5 Abs. 3 JVEG als „wenn“ zu lesen ist. Er ist sich sehr wohl bewusst, dass der Wortlaut des Gesetzes einer - eine anteilsmäßige Erstattung der Mehrkosten ermöglichenden - Auslegung des Wortes „soweit“ im Sinn von „in dem Umfang, in dem“ nicht zwingend entgegen steht. Für eine Auslegung im Sinn von „in dem Umfang, in dem“ (so ohne irgendeine Begründung Hartmann, a. a. O., § 5 JVEG, Rdnr. 19 anhand eines Beispiels; a.A. - ebenso ohne Begründung - Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 14 [zu Kosten einer Flugzeugbenutzung]: „Wird die „Gesamtentschädigung ... bei Benutzung eines Flugzeuges nicht höher als bei Benutzung anderer, regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel“, und § 5, Rdnr. 19 [zu höheren Fahrtkosten]: „Höhere Fahrtkosten als die nach Abs. 1 oder Abs. 2 zu berechnenden Fahrtkosten können ... nur dann erstattet werde, wenn die insgesamt zu berechnende Entschädigung ... dadurch niedriger wird ...“) könnte auch ins Feld geführt werden, dass damit der Berechtigte bei unwirtschaftlichem Verhalten zumindest das erhalten würde, was ihm bei wirtschaftlichem Verhalten zustehen würde, der Staat also nicht im Einzelfall von einem unwirtschaftlichen Verhalten profitieren könnte - dies ist nämlich die Konsequenz der vom Senat und Meyer/Höver/Bach/Oberlack vorgenommenen Auslegung. Gegen eine solche, der materiellen Gerechtigkeit in jedem Einzelfall dienenden Auslegung im Sinn von „in dem Umfang, in dem“ sprechen aber gewichtige Argumente:

- Gegen die Möglichkeit einer anteiligen Erstattung spricht ganz klar die Gesetzesbegründung zu § 5 JVEG.

So hat der Gesetzgeber die Neuregelung in § 5 JVEG insbesondere deshalb vorgenommen, um „aus Vereinfachungsgründen“ die nach der damaligen, d. h. unter Geltung des ZuSEG bestehenden Rechtslage „unumgängliche und für alle Beteiligten mühsame und zeitintensive Vergleichsberechnung zukünftig entfallen zu lassen“ (vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 143 und 180). Diese gesetzgeberische Intention würde missachtet, wenn eine anteilmäßige Erstattung zugelassen würde. Denn dies würde in Fällen wie hier die Durchführung der vom Gesetzgeber unerwünschten, bis ins letzte Detail gehenden Vergleichsberechnung verlangen.

In der Gesetzesbegründung zu § 5 Abs. 3 JVEG hat der Gesetzgeber weiter explizit darauf hingewiesen, dass entscheidend sein soll, ob durch die höheren Fahrtkosten die Vergütung oder Entschädigung „insgesamt höher“ wird. Wie aus dem von ihm ausgeführten Beispiel der Benutzung eines Taxis zu entnehmen ist, geht der Gesetzgeber von einer Erstattungsfähigkeit aus, wenn die Benutzung des Taxis „die ansonsten insgesamt zu gewährende Vergütung oder Entschädigung (deutlich) zu verringern geeignet sein wird“ (vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 180 - zu § 5 JVEG). Aus der Gesetzesbegründung wird damit für den Senat zweifelsfrei ersichtlich, dass eine Erstattung von Taxikosten nur dann möglich ist, wenn die zur Entschädigung im Raum stehenden tatsächlich angefallenen Kosten durch die Anreise mit dem Taxi nicht höher werden als bei einer anderen möglichen und zumutbaren Anreiseart, hier also mit dem Zug am Vortag und Übernachtung. An eine anteilige Erstattung hat der Gesetzgeber bei der Neuregelung nicht gedacht. Vielmehr ist er nach dem Prinzip „Alles oder Nichts“ vorgegangen.

Bei dieser Begründung verkennt der Senat nicht, dass auch bei der von ihm gewählten Auslegung eine Vergleichsberechnung nicht vollständig und in jedem Fall entbehrlich ist. Denn wegen des Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkts ist in jedem Fall einer Anreiseart mit einem Beförderungsmittel, das über § 5 Abs. 1 oder 2 JVEG hinausgehende Mehrkosten verursacht, zu prüfen, ob dadurch nicht andere, ansonsten zu entschädigende Kosten eingespart werden konnten und nicht die Gesamtentschädigung für den Staat günstiger ausfällt, als dies bei der Benutzung der in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel ohne Mehrkosten im Sinn des § 5 Abs. 3 JVEG der Fall wäre. Dies stellt aber die grundsätzliche Intention des Gesetzgebers nicht in Frage und lässt keine Zweifel an der Richtigkeit der vom Senat vertretenen Auslegung aufkeimen. Denn nur mit dieser Auslegung kann dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nach einer Verwaltungsvereinfachung weitestgehend Rechnung getragen werden. Es ist zu berücksichtigen, dass bei der - auch nach Ansicht des Senats nicht völlig zu vermeidenden - Vergleichsberechnung in der ganz überwiegenden Zahl der Fälle - so wie hier - schon nach einer grob-überschlägigen Rechnung erkennbar ist, dass die Reise mit dem vom Antragsteller gewählten, aber nicht in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel unwirtschaftlich ist. Eine genaue und mit ungleich höherem Aufwand verbundene Vergleichsberechnung wird daher nur selten nötig sein. Würde hingegen - wie dies der Senat ablehnt - eine anteilige Kostenerstattung möglich sein, würde dies die Rechtsanwendung wieder dem Stand des ZuSEG annähern und in jedem Fall eine bis ins letzte Detail vorzunehmende Vergleichsberechnung verlangen. Denn ohne eine solche, mit einem erheblichen Aufwand und einem nicht zu unterschätzenden Streitpotential verbundene Vergleichsberechnung könnte in keinem Fall die festzusetzende Entschädigung ermittelt werden. Der Wille des Gesetzgebers wäre damit weitgehend ad absurdum geführt.

- Eine anteilsmäßige Erstattung würde im Ergebnis auf eine fiktive Kostenerstattung herauslaufen. Der Berechtigte würde so gestellt, wie wenn er ein anderes Verkehrmittel genutzt hätte. Eine fiktive Kostenerstattung ist dem JVEG aber fremd. Vielmehr ist das JVEG von dem Grundsatz durchzogen, dass nur (erforderliche und) tatsächlich entstandene Kosten zu berücksichtigen sind. Dies wird vielerorts im JVEG deutlich, insbesondere in § 5 JVEG (Abs. 1: „tatsächlich entstandenen Auslagen“; Abs. 2: „jeden gefahrenen Kilometer“, „bare Auslagen“, „tatsächlich entstandenen Auslagen“). Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat an dieser Stelle darauf hin, dass der Gesetzgeber mit der Festlegung von Kilometer-Pauschalen lediglich eine Pauschalierung und Deckelung von tatsächlich entstandenen Kosten, die im Einzelfall kaum genau zu bestimmen sind, und damit eine Erleichterung der Berechnung geschaffen, nicht aber eine Berücksichtigung fiktiver Kosten vorgenommen hat.

- Hätte der Gesetzgeber - anders als anzunehmen (vgl. erster Spiegelstrich) - eine anteilige Erstattung ermöglichen wollen, hätte er dies bei der Formulierung des § 5 Abs. 3 JVEG zum Ausdruck bringen müssen. So hätte er § 5 Abs. 3 JVEG durchaus wie folgt formulieren können: „Höhere als die sich aus Absatz 1 oder Absatz 2 ergebenden Fahrtkosten werden, wenn sie nicht schon wegen besonderer Umstände erforderlich sind, bis zu der Höhe ersetzt, dass die Vergütung oder Entschädigung dem entspricht, was sich bei Zugrundelegung einer Benutzung von Verkehrsmitteln im Sinn des Abs. 1 oder 2 als maximale Vergütung oder Entschädigung ergeben kann.“ Dass der Gesetzgeber diese oder eine ähnliche Formulierung nicht gewählt hat, bestätigt den Senat in der auch in der Gesetzesbegründung ihren Niederschlag findenden Ansicht, dass der Gesetzgeber keine anteilige Berücksichtigung ermöglichen wollte.

- Die vom Senat vorgenommene Auslegung steht in Übereinstimmung mit seinem die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedanken, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B,vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13). Dieser Leitgedanke würde konterkariert, wenn in Fällen wie hier eine exakte Vergleichsberechnung zur Ermittlung des Entschädigungsbetrags unverzichtbar wäre. Eine solche Konterkarierung verbietet sich umso mehr, als der Gesetzgeber den selben Gedanken wie den Leitgedanken des Senats zur Grundlage seiner gesetzlichen Änderung gemacht hat (vgl. erster Spiegelstrich).

- Dass die Staatskasse letztlich in Einzelfällen einen Vorteil daraus ziehen kann, dass ein Berechtigter sich bei der Reise „unwirtschaftlich“ verhält und damit unter Umständen einen möglichen Entschädigungsanspruch nicht voll ausschöpft - davon kann im vorliegenden Fall ausgegangen werden, da die ansonsten erforderlichen und damit erstattungsfähigen Übernachtungskosten unberücksichtigt bleiben müssen (siehe dazu unten Ziff. 4.1.3.) -, kann eine andere Auslegung nicht begründen. Bei Berücksichtigung der gesetzgeberischen Zielsetzung einer Verwaltungsvereinfachung ist diese Konsequenz hinzunehmen. Dabei ist auch zu bedenken, dass der Gesetzgeber bei der Benutzung von Kraftfahrzeugen, die nicht ein eigenes oder unentgeltlich überlassenes Fahrzeug darstellen und daher regelmäßig zu höheren Kosten als bei der Fahrt mit einem eigenen oder unentgeltlich überlassenen Kraftfahrzeug führen, mit § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG eine nur eingeschränkte Kostenerstattung geregelt hat - nämlich in demselben Umfang, wie sie auch bei eigenen oder unentgeltlich überlassenen Kraftfahrzeugen erfolgt. Dies macht deutlich, dass Mehrkosten nur sehr eingeschränkt berücksichtigungsfähig sein sollen, und belegt die restriktive Haltung des Gesetzgebers.

- Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Ziel, in möglichst jedem Einzelfall materielle Gerechtigkeit herzustellen, im Rahmen des JVEG nicht bedingungslos gilt. Vielmehr ist die Ausgestaltung des JVEG durch zwei nicht immer deckungsgleiche Zielsetzungen geprägt, nämlich einerseits eine der wirtschaftlichen Entwicklung angepasste (vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 140) Entschädigung tatsächlich entstandener Nachteile, andererseits eine zügige und handhabbare verwaltungsvereinfachende Regelung (vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 2, 143 und 180) und damit eine Entkomplizierung des bis dahin geltenden Kostenrechts (vgl. Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 140). Der Gedanke der materiellen Gerechtigkeit ist damit kein bedingungslos geltendes Prinzip, sondern nur ein Auslegungsgesichtspunkt unter mehreren. Dass der Gesetzgeber den Gedanken der materiellen Gerechtigkeit nicht höher bewertet als den der Verwaltungsvereinfachung und leichten Handhabbarkeit durch die Verwaltung, wird auch an anderer Stelle deutlich. So hat der Gesetzgeber mit dem JVEG beispielsweise die für die Geltendmachung des Vergütungs- oder Entschädigungsanspruchs geltende Ausschlussfrist von durchaus knapp bemessenen drei Monaten gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG - anders als noch um ZuSEG - auf Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer erweitert hat, ohne dass er für den Anspruchsverlust eine zuvor erfolgte individuelle Fristsetzung und Belehrung verlangt hätte. Dass unter dieser strengen Frist die materielle Gerechtigkeit leiden kann, hat der Gesetzgeber beim Erlass des JVEG in Kauf genommen. Der Gedanke der Verwaltungsvereinfachung stand bei der Einführung des JVEG ersichtlich im Vordergrund. Das Prinzip der materiellen Einzelfallgerechtigkeit hat der Gesetzgeber hintangestellt, wenn die Verwirklichung des Gerechtigkeitsgedanken im Widerspruch zu dem Ziel der Verwaltungsvereinfachung, die auch einen zeitnahen Abschluss des Vergütungs- oder Entschädigungsverfahrens beinhaltet, steht. Insofern sieht der Senat keine durchgreifenden Bedenken dagegen, im Fall des § 5 Abs. 3 JVEG einer der Verwaltungsvereinfachung den Vorzug gebenden Auslegung zu folgen.

Diese strenge Auslegung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Überarbeitung des Kostenrechts durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vereinzelt die Tendenz erkennen lässt, die dem JVEG zugrunde liegende stark durch die Verwaltungsvereinfachung geprägte Abrechnung im Sinne materieller Gerechtigkeit für den Berechtigten wohlwollender zu gestalten. Vielmehr bestätigt die Überarbeitung des JVEG durch das 2. KostRMoG gerade die strenge Auslegung. Denn im 2. KostRMoG hat der Gesetzgeber zwar seine strenge Vorgabe zur Geltendmachung des Vergütungs- und Entschädigungsanspruchs u. a. wegen der verbreiteten Unkenntnis der Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines 2. KostRMoG, Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 258 f.) dadurch abgemildert hat, dass er in § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG eine Belehrungspflicht über Frist und Fristbeginn eingefügt hat. Eine Überarbeitung des § 5 Abs. 3 JVEG ist aber nicht erfolgt, was den Schluss zulässt, dass der Gesetzgeber bei dieser Regelung - anders als bei § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG - keinen Anlass für eine weniger strenge Handhabung und damit keinen Korrekturbedarf gesehen hat.

- Auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten besteht kein Anlass, an der strengen Auslegung des § 5 Abs. 3 JVEG zu zweifeln. Aus Verfassungsrecht lässt sich ohnehin kein Anspruch auf Entschädigung wegen der Teilnahme an einem gerichtlich angeordneten Termin für einen Zeugen (und damit erst recht nicht für einen Beteiligten) ableiten. Die Wahrnehmung derartiger Termin ist Ausfluss verfassungsmäßiger staatsbürgerlicher Pflichten, für deren Ausübung der Staat verfassungsrechtlich nicht verpflichtet ist, dem Bürger einen Ausgleich zu gewähren (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschlüsse vom 14.07.1970, Az.: 1 BvL 2/67 - zum Ersatz von Verdienstausfall wegen der Musterungsuntersuchung im Rahmen der Wehrpflicht -, und vom 10.10.1978, Az.: 2 BvL 3/78 - zur Entschädigung von Zeugen ohne Verdienstausfall gemäß § 2 Abs. 3 ZuSEG) bzw. liegt bei einem Beteilten sogar in dessen Eigeninteresse. Wenn der Gesetzgeber gleichwohl eine Entschädigung ermöglicht, hat er dabei, da es sich um Ansprüche im Bereich der darreichenden Verwaltung handelt, eine deutlich größere Gestaltungsfreiheit als bei der Regelung staatlicher Eingriffe (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1970, Az.: 1 BvL 2/67 - m. w. N.). Eine Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten ist insbesondere auch durch einen im Sinn des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich gerechtfertigt. Denn mit einer Regelung, wie sie § 5 Abs. 3 JVEG enthält, wird sichergestellt, dass die Kosten des gerichtlichen Verfahrens, unabhängig davon, ob sie die Staatskasse oder die verlierende Prozesspartei zu tragen hat, nicht unangemessen steigen. Eine vom Gesetzgeber eingeführte Limitierung der Entschädigung dient der Überschaubarkeit des Kostenrisikos und damit der Rechtssicherheit; auch eine gewisse Rücksichtnahme auf die Belastung der öffentlichen Haushalte ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss 27.06.1972, Az.: 1 BvL 34/70).

4.1.3. Keine Erstattung der fiktiven Kosten einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln

Eine Regelung, wonach - unabhängig vom Nachweis entstandener Kosten - die fiktiven Kosten zu erstatten wären, die bei einer Anreise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln (und einer dabei erforderlichen Übernachtung) angefallen wären, enthält das JVEG nicht.

Die Regelung des § 5 JVEG sieht - wie das ganze JVEG - nur die Erstattung tatsächlich entstandener Kosten (vgl. auch oben Ziff. 4.1.2., zweiter Spiegelstrich) - wenngleich teilweise pauschaliert und der Höhe nach begrenzt - vor, kennt aber keine Erstattung fiktiver Kosten. Auch wenn die Antragstellerin bei Benutzung öffentlicher, regelmäßig verkehrender Verkehrsmittel möglicherweise einen höheren Erstattungsanspruch, als er ihr jetzt zugesprochen werden kann, gehabt hätte, weil sie wegen der schlechten Zugverbindung bereits am Vortag anreisen hätte müssen und daher erstattungsfähige Übernachtungskosten angefallen wären, kann dies nicht über das Institut einer fiktiven Kostenerstattung Berücksichtigung finden. Denn eine Erstattung fiktiver Kosten sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor (vgl. Bayer. LSG, Beschlüsse vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B - zur Frage der Erstattung von Kosten für eine Begleitperson; vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11 - zur Frage der Kostenerstattung einer fiktiven Einzelfahrkarte bei Erwerb einer Wochenkarte). Im Übrigen fällt es in den Risikobereich der Antragstellerin, wenn sie eine mit höheren Kosten verbundene Reiseart wählt, ohne dies vorher mit dem Gericht abzuklären. Dies wäre im vorliegenden Fall angezeigt gewesen. Wenn die Antragstellerin stattdessen das Gericht mit vollendeten Tatsachen konfrontiert, ist dies kein geeignetes Mittel, die Erstattung nicht erforderlicher Kosten wegen der Benutzung eines Taxis (teilweise) durchzusetzen.

4.1.4. Ergebnis

Konsequenz der Tatsache, dass die Reise mit einem Taxi jedenfalls höhere Gesamtkosten verursacht hat, als sie bei einer Reise mit einem der in § 5 Abs. 1 oder 2 JVEG genannten Verkehrsmittel angefallen wären, ist, dass gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG lediglich Fahrtkosten nach der Kilometerpauschale von 0,25 EUR für gefahrene 145 km, insgesamt 36,25 EUR zu erstatten sind. Darüber hinausgehende Kosten sind nicht erstattungsfähig.

4.2. Entschädigung für Zeitversäumnis

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG ist nicht zu leisten.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird - auch bei Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens - regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil erstanden ist.

Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem grundlegenden Beschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn dem Antragsteller „ersichtlich“ kein Nachteil entstanden ist, eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist dann auszugehen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d. h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter nicht zu.

Im vorliegenden Fall kann eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht erfolgen, da die gesetzliche Vermutung des § 20 letzter Halbsatz JVEG als widerlegt zu betrachten ist. Die Antragstellerin hat weder durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gegeben, dass ihr eine Zeitversäumnis entstanden ist, noch im Antrag irgend etwas angegeben, was auf eine Zeitversäumnis hindeuten könnte, noch sind irgendwelche anderen Gründe, die eine Zeitversäumnis begründen könnten, offensichtlich erkennbar.

Der Antragstellerin ist daher für die Wahrnehmung der Untersuchungstermine am 09.09.2011 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 36,25 EUR zu gewähren.

Der Kostensenat des Bayer. LSG trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Gründe

I.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin begehrt die Erstattung von Kosten für eine Begleitung zu einem Erörterungstermin nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In dem am Sozialgericht Bayreuth (SG) unter dem Aktenzeichen S 8 KR 189/10 geführten Klageverfahren wurde mit Ladung vom 30.07.2013 ein Erörterungstermin für den 25.09.2013, 12.30 Uhr, angesetzt, zu dem das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin angeordnet wurde. Mit Schreiben vom 28.08.2013 teilte die Beschwerdeführerin dem SG mit, dass sie beabsichtige, mit Herrn R. als Begleitperson („12,- EUR /Stunde“) anzureisen. Die Notwendigkeit der Begleitung ergebe sich aus dem Schwerbehindertenausweis (Grad der Behinderung 90) mit Merkzeichen G und B. Sie müsse sich ein Fahrzeug ausleihen, bei dem km-Entschädigung anfalle. Alternativ könne sie nur mit Taxi und Taxifahrer als Begleitperson anreisen.

Die Anschrift des als Begleitperson angegebenen Herrn R. (C-Stadt) war dem SG zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt.

Auf die Nachfrage des Gerichts, warum ihr die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit Begleitperson nicht möglich sei, antwortete die Beschwerdeführerin trotz zweimaliger Erinnerung vor dem Erörterungstermin nicht. Eine weitere gerichtliche Mitteilung an die Beschwerdeführerin erfolgte nicht.

Am 25.09.2013 nahm die Beschwerdeführerin von 12.45 Uhr bis 13.10 Uhr am Erörterungstermin teil.

Mit Entschädigungsantrag vom 26.09.2013 machte die Beschwerdeführerin die Kosten für die Begleitung durch Herrn R. geltend und gab dazu Folgendes an:

Herr R. sei um 6.30 Uhr in C-Stadt weggefahren und habe sie um ca. 10.00 Uhr abgeholt. Um 16.30 Uhr sei sie und um 19.30 Uhr Herr R. wieder zu Hause gewesen. Sie habe Herrn R. pauschal 100,- EUR gegeben. Sie seien mit dem Auto von C. R. gefahren, für das nur Kilometergeld zu entschädigen sei. Die Entfernung zwischen dem Wohnort von Herrn R. und ihrem Wohnort betrage 250 km.

Dem Entschädigungsantrag legte die Beschwerdeführerin eine Quittung des Herrn R. vom 25.09.2013 über den Erhalt von 100,- EUR für „Zeitentschädigung“ als Begleitperson am 25.09.2013 sowie ein Attest ihres Hausarztes bei, wonach sie öffentliche Verkehrsmittel auch mit Begleitperson nur beschränkt auf den Nahverkehrsbereich nutzen könne.

Der Kostenbeamtin des SG lehnte mit Schreiben vom 08.10.2013 eine Entschädigung von Kosten für die Begleitperson ohne Begründung ab.

Mit Schreiben vom 20.10.2013 hat die Beschwerdeführerin die richterliche Kostenfestsetzung wegen der Kosten der Begleitung beantragt. Sie hat darauf hingewiesen, dass offenbar die Entschädigung bezüglich der Kosten für die Begleitperson übergangen oder übersehen worden sei. Die zuständige Richterin habe telefonisch vor dem Erörterungstermin die notwendige Begleitperson genehmigt.

Der Vortrag der Beschwerdeführerin zur Genehmigung der Begleitperson ist von der Hauptsacherichterin am 23.10.2013 bestätigt worden, weil die Beschwerdeführerin Inhaberin eines Scherbehindertenausweises mit dem Merkzeichen B sei.

Mit Beschluss vom 27.11.2013 hat es das SG abgelehnt, Kosten für eine Begleitperson zu entschädigen. Das SG hat dies wie folgt begründet:

„Nach § 191 SGG i. V. m. § 7 Abs. 1 JVEG werden auch die in den §§ 5, 6 und 12 JVEG nicht besonders genannten Auslagen ersetzt, soweit sie notwendig sind (Satz 1); dies gilt insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen (Satz 2).

Dass eine Begleitung der Antragstellerin als solche notwendig war, ist nachgewiesen und von der zuständigen Vorsitzenden auch als solches vor dem Termin genehmigt worden.

Die richterliche Genehmigung, sich zur Terminswahrnehmung von einer Begleitperson unterstützen lassen zu können, sagt aber überhaupt nichts darüber aus, welche Kosten für die Begleitperson aus der Staatskasse erstattet werden. Auch hier gilt, dass nur die gesetzlich vorgesehen Kosten der Begleitperson zu erstatten sind. Welche Beträge die Antragstellerin individuell ihrer Begleitperson zuwendet, ist ihre ganz persönliche Entscheidung und bindet weder die Staatskasse noch den Kostenbeamten.

Zunächst ist auch im Rahmen des Ersatzes für sonstige Aufwendungen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG zu berücksichtigen, dass der Erstattungsberechtigte die Kosten so niedrig als möglich zu halten hat. Es können daher Kosten einer Begleitperson überhaupt nur erstattet werden, soweit sie für die Wahrnehmung des Termins durch den Betroffenen erforderlich waren. Erforderlich zur Terminswahrnehmung war eine Begleitung von der Wohnung zum Gericht und wieder zurück zur Wohnung. Ein Antragsteller kann sich seine Begleitperson frei auswählen und, wenn er dies möchte, diese auch vom anderen Ende der Welt zu seiner Wohnung anreisen lassen - aber nicht auf Kosten der Allgemeinheit. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin das Gericht nicht über die Besonderheiten ihrer Begleitperson und die damit verbundenen exorbitanten Kosten informiert hat, die tatsächlich anfallenden Kosten also bei Gericht gar nicht bekannt waren und schon gar nicht genehmigt worden waren. Eine Begleitung findet ohnedies schon begrifflich erst ab der Wohnung des zu Begleitenden statt; die zur Vorbereitung einer Begleitung entstehenden Kosten trägt der Betreffende fraglos selbst. Die zur Anreise der Begleitperson von C-Stadt zur Wohnung und wieder zurück angefallenen Kosten trägt die Antragstellerin selbst.

Der Zeitaufwand einer Begleitperson für die Begleitung zwischen Wohnung und Gericht und wieder zurück, ist nach den Bestimmungen des JVEG nicht erstattungsfähig.

... Die Entschädigung für Zeitausfall während der Reise von der Wohnung zum Gericht, des Aufenthalts bei Gericht und der Rückreise zur Wohnung steht nur der Klagepartei zu, aber nicht ihrer Begleitperson (§ 20 JVEG); diese Entschädigung für 4 volle Stunden á 3,50 EUR (=14,00 EUR) wurde der Antragstellerin bereits zutreffend überwiesen.

b. Der Antrag auf Übernahme der von der Antragstellerin im einzelnen gewünschten Kosten der Begleitperson war nach alledem abzulehnen.“

Dagegen hat die Beschwerdeführerin mit Eingang vor dem 24.12.2013 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Herr R. habe sie zum Erörterungstermin begleitet. In gleich gelagerten Fällen sei bei ihr mal so, mal anders entschieden worden. Die Beschwerde sei entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung schon deshalb zulässig, da das SG gegenteilig entschieden habe.

Der Senat hat die Akten des SG auch im Hauptsacheverfahren beigezogen

II.

Die Beschwerde ist zulässig und teilweise begründet. Für die Kosten der Begleitung sind der Beschwerdeführerin 100,- EUR zu erstatten. Ein darüber hinaus gehender Entschädigungsanspruch besteht nicht.

1. Zulässigkeit der Beschwerde

Die Beschwerde ist nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - zulässig, weil widersprüchliche Entscheidungen verschiedener Sozialgerichte vorliegen, sondern ausschließlich deswegen, weil der Beschwerdewert des § 4 Abs. 3 JVEG erreicht ist.

Eine Beschwerde gegen die erstinstanzliche Festsetzung der Entschädigung ist nur dann zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder wenn sie das Sozialgericht aufgrund grundsätzlicher Bedeutung zugelassen hat. Der Wert des Beschwerdegegenstands ist die Differenz zwischen dem vom Beschwerdeführer angestrebten Betrag und der erfolgten Festsetzung (vgl. Beschluss des Senats vom 03.08.2012, Az.: L 15 SF 139/12 B NZB).

Bei einer wie hier auf 0,- EUR festgesetzten Entschädigung für Kosten der Begleitperson muss der angestrebte Betrag daher über 200,- EUR liegen, um den für die Zulässigkeit der Beschwerde erforderlichen Beschwerdewert zu erreichen. Dies ist vorliegend der Fall.

Unter Zugrundelegung und vollständiger Übernahme der Angaben der Beschwerdeführerin im Entschädigungsantrag vom 26.09.2013, die die Grundlage für den von ihr angestrebten Entschädigungsbetrag darstellen, ergibt sich eine beantragte Entschädigung von mehr als 200,- EUR für die Kosten der Begleitperson.

Die Beschwerdeführerin macht für die Begleitung Folgendes geltend: 2 mal 250 Km Fahrtstrecke der Begleitperson (von C-Stadt bis zu ihrem Wohnort und zurück) sowie 100,- EUR pauschale Entschädigung. Bei den geltend gemachten insgesamt 500 km, die dem Antrag der Beschwerdeführerin folgend nach den Regelungen des JVEG als „Kilometergeld“ zu entschädigen seien, ergäbe sich gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG ein Fahrtkostenersatz von 125,- EUR. Zusammen mit den als „Zeitentschädigung“ von der Beschwerdeführerin an Herrn R. gezahlten 100,- EUR beträgt der Beschwerdewert 225,- EUR. Die Beschwerde ist damit zulässig.

2. Begründetheit der Beschwerde

Der Beschwerdeführerin steht für die Begleitung durch Herr R. ein Auslagenersatz in Höhe von 100,- EUR zu. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

2.1. Anwendbarkeit des JVEG

Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinne des § 183 SGG handelt.

Der Senat sieht keinerlei Anlass, bei der Entschädigung eines Beteiligten, der ein Eigeninteresse am Verfahren hat, andere Maßstäbe anzulegen als beispielsweise bei einem Zeugen, bei dem ein solches Eigeninteresse fehlt (vgl. dazu die ausführlichen Begründungen in den Beschlüssen des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, und vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13). Der Senat verkennt zwar nicht die unterschiedlichen Interessenslagen, der Gesetzgeber hat aber diesem Gesichtspunkt offenkundig keine Bedeutung zugemessen.

2.2. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn die Beschwerdeführerin als Berechtigte ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.

2.3. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m. w. N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 4 JVEG, Rdnr. 28).

2.4. Erstattung von Kosten für eine Begleitperson

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. § 7 Abs. 1 JVEG kann ein Zeuge bzw. gemäß § 191 SGG ein Beteiligter den Ersatz von Kosten für eine Begleitperson als sonstige Aufwendung verlangen. § 7 Abs. 1 JVEG lautet wie folgt:

„Auch die in den §§ 5, 6 und 12 nicht besonders genannten baren Auslagen werden ersetzt, soweit sie notwendig sind. Dies gilt insbesondere für die Kosten notwendiger Vertretungen und notwendiger Begleitpersonen.“

2.4.1. Voraussetzungen für die Erstattung von Kosten für eine Begleitperson

Die Entschädigung setzt zunächst den Nachweis voraus, dass überhaupt Kosten („bare Auslagen“) für die Begleitung entstanden sind, (s. unten Ziff. 2.4.1.1.). Berücksichtigungs- und damit erstattungsfähig sind diese Kosten dann, wenn einerseits eine Notwendigkeit der Begleitung (s. unten Ziff. 2.4.1.2.), andererseits die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten (s. unten Ziff. 2.4.1.3.) nachgewiesen sind. Es wird daher zutreffend von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung gesprochen (vgl. LSG Niedersachsen, Beschluss vom 06.01.2000, Az.: L 4 B 240/99 SF).

Die Notwendigkeit der Begleitung und der dabei entstandenen Kosten ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung - nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. die Rspr. des Senat zur objektiven Notwendigkeit unter verschiedenen Gesichtspunkten - zur Begleitung: Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12, und zur Dauer der zu entschädigenden Zeit: Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11 ). Dabei ist auch der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (in Bayern: Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung), der im Bereich des gesamten Kostenrechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05; Landgericht Meiningen, Beschluss vom 01.09.2009, Az.: 2 Qs 138/09; Hartmann, a. a. O., § 5 JVEG, Rdnr. 2) zu beachten (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 20.07.2009, Az.: L 15 SF 152/09, und vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; Thüringer LSG, Beschluss vom 02.04.2007, Az.: L 6 B 116/06 SF; vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 7, Rdnr. 15).

Die entstandenen Kosten sowie die doppelte Notwendigkeit müssen, den allgemeinen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren folgend, im Vollbeweis nachgewiesen sein. Vollbeweis bedeutet, dass die erforderlichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen (vgl. Urteil des Senats vom 20.05.2014, Az.: L 15 VK 13/10; Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R). Beweiserleichterungen enthält das JVEG nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11).

2.4.1.1. Für die Begleitung entstandene Kosten

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin die ihr entstandenen Kosten durch die Vorlage einer Quittung der Begleitperson Herrn R. vom 25.09.2013 über den Erhalt von 100,- EUR nachgewiesen. Dass die Beschwerdeführerin darüber hinausgehende bare Auslagen gehabt hätte, ist hingegen nicht nachgewiesen.

Anhaltspunkte dafür, dass die Quittung nur zum Schein ausgestellt worden wäre, um einen möglichst hohen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können, kann der Senat bei Berücksichtigung seines die gesamte Rechtsprechung zum JVEG durchziehenden Leitgedankens, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B,vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, und vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12), nicht erkennen.

Dass der Beschwerdeführerin selbst - nicht Herrn R. - weitergehende Kosten, und zwar für die Reise zwischen dem Wohnort von Herrn R. und ihrem Wohnort, entstanden wären, ist nicht nachgewiesen. Der Senat ist sich zwar durchaus bewusst, dass diese beiden Fahrten des Herrn R. zum Wohnort der Beschwerdeführerin vor dem Gerichtstermin und im Anschluss daran wieder zurück Kosten verursacht haben müssen. Eine Entschädigung dafür könnte der Beschwerdeführerin aber - unabhängig von der anschließend zu prüfenden Frage der Notwendigkeit - nur dann zugesprochen werden, wenn sie selbst dafür bare Auslagen im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG gehabt hätte. Derartige Auslagen hat sie im Rahmen der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG - und im Übrigen auch bis heute nicht - nachgewiesen. Wenn die Beschwerdeführerin im Hauptsacheverfahren vor der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 28.08.2013 angekündigt hat, mit einem geliehenen Fahrzeug anzureisen, für das km-Entschädigung anfalle, belegt dies keine Zahlung von Fahrzeugkosten an eine dritte Person, sondern kann lediglich als Hinweis auf eine solche Zahlungsabsicht gesehen werden. Auch hat die Beschwerdeführerin nie behauptet, tatsächlich eine km-Entschädigung an Herrn R. oder die von ihr angegebene Halterin des Fahrzeugs Frau C. R. gezahlt zu haben. Es liegt daher der Schluss sehr nahe, dass die Beschwerdeführerin allenfalls beabsichtigt hat, der Halterin des Fahrzeugs einen Geldbetrag für die Nutzung des Fahrzeugs für die Fahrt vom Wohnort des Herrn R. zu ihrem Wohnort und zurück zuzuwenden, wenn sie selbst dafür eine Entschädigung durch die Staatskasse bekommen würde. Von einem Geldfluss an die Halterin oder Herrn R. kann daher nicht ausgegangen werden. Ob eine vertragliche Verpflichtung zur Nutzungsentschädigung zwischen der Beschwerdeführerin und der Halterin des Fahrzeugs, ohne dass eine Zahlung schon erfolgt wäre, ausreichen würde, um von „baren Auslagen“ auszugehen, was angesichts des Wortlauts des § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG bezweifelt werden kann, kann vorliegend offenbleiben. Denn eine derartige vertragliche Verpflichtung ist den ansonsten sehr umfangreichen Angaben der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen.

Anlass für den Senat, im Rahmen der von Amts wegen durchzuführenden Ermittlungen der Frage nachzugehen, ob die Beschwerdeführerin ein Kilometergeld an die Begleitperson oder die Halterin des von Herrn R. benutzten Kraftfahrzeugs gezahlt hat, bestand nicht. Es ist Sache der Antragstellerin, ihre getätigten und zu erstattenden Auslagen dem Gericht innerhalb der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG vorzutragen und so einem (teilweisen) Erlöschen vorzubeugen.

2.4.1.2. Notwendigkeit der Begleitung bzw. Berücksichtigungsfähigkeit aus Vertrauensschutzgründen

Es hat die Notwendigkeit einer Begleitung bestanden.

Zur Frage der Notwendigkeit einer Begleitperson hat sich der Senat bereits mit Beschluss vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, geäußert und ist dort nach umfassenden Abwägungen zu folgendem Ergebnis gekommen:

„Die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson kommt daher nur in folgenden Konstellationen in Betracht: 1. Eine Anreise ohne Begleitperson mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel ist überhaupt nicht möglich oder zumutbar. 2. Die Inanspruchnahme einer Begleitperson ist aus wirtschaftlichen Gründen, d. h. bei Berücksichtigung der entstehenden Gesamtkosten, angezeigt. Daran wäre z. B. zu denken, wenn durch die Anreise mit einer Begleitperson weitere, sonst entstehende Kosten (z. B. Übernachtungskosten) vermieden werden könnten, so dass letztlich die Anreise ohne Begleitperson der Staatskasse nicht „billiger käme“.

Über die zwei vorgenannten Konstellationen, in denen sich die Notwendigkeit der Begleitung aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gesichtspunkten ergibt, hat der Senat auch bedacht, dass aus Vertrauensschutzgesichtspunkten eine Entschädigung angezeigt sein kann. Er hat dies im Beschluss vom 24.05.2012 wie folgt als dritte Konstellation bezeichnet:

„3. Ausnahmsweise sind über die Regelungen des JVEG hinaus, die die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Begleitperson voraussetzen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die Kosten einer Begleitperson zu erstatten. Dies ist der Fall, wenn der Betroffene aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er in Begleitung anreisen durfte. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich das Gericht daher zurechnen lassen muss.“

Sinngemäß mit der Frage, wann ein dem Gericht zuzurechnender Vertrauenstatbestand erfüllt ist, und damit mit der Konkretisierung der vorgenannten Ziff. 3. hat sich der Senat bereits im Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E, dort unter dem Aspekt, wann eine Anreise von einem weiter entfernt liegenden Ort als dem Ladungsort bei der Entschädigung zu berücksichtigen ist, befasst. Er hat dort Folgendes ausgeführt:

„Wird die die Anreise von einem anderen Ort angetreten und liegt dieser Ort weiter entfernt, verursacht er also höhere Anfahrtskosten als der in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichnete Ort, ist der andere, weiter entfernt liegende Ort dann zugrunde zu legen, wenn er dem Gericht als zuständiger Stelle unverzüglich angezeigt worden ist, wobei der Gesetzgeber in § 5 Abs. 5 JVEG das Erfordernis einer gerichtlichen Genehmigung der Anreise von dem angezeigten, weiter entfernt liegenden Ort nicht vorgesehen hat. Ist die Angabe des weiter entfernt liegenden Abfahrts-/Rückkehrorts so rechtzeitig erfolgt, dass das Gericht darauf durch eine Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens hätte reagieren können, sind mangels Abladung des Gerichts die höheren Reisekosten zu erstatten (vgl. Meyer/Höver/Bach, a. a. O., Rdnr. 5.23, Buchst. h; Hartmann, a. a. O., § 5 JVEG, Rdnr. 23 - m. w. N.).“

Unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes ist der Senat daher in der Entscheidung vom 06.11.2013 für Fälle, in denen eine vorher erteilte Zustimmung des Gerichts zur Anreise vom weiter entfernt liegenden Ort fehlt, zu folgendem Ergebnis gekommen:

„In folgenden Konstellationen sind daher die durch eine weitere Anreise verursachten Mehrkosten berücksichtigungsfähig: * Der Berechtigte zeigt den Anreiseort unverzüglich an und das Gericht hebt die Anordnung des persönlichen Erscheinens nicht auf. * Der Berechtigte zeigt den Anreiseort nicht (unverzüglich) an, das Gericht der Hauptsache genehmigt aber die erfolgte Anreise (nachträglich).“

Dieses Ergebnis ist auf die Frage der Berücksichtigung von Kosten für eine Begleitung zu übernehmen, jedenfalls dann, wenn - wie in der bayerischen Sozialgerichtsbarkeit üblich - die Ladungsschreiben mit dem Hinweis darauf versehen sind, dass der Geladene das Gericht über kostensteigernde Umstände beim Erscheinen zum gerichtlichen Termin vorab zu informieren hat („Falls Sie Ihre Reise zum Termin von einem anderen als dem in Ihrer umseitigen Anschrift bezeichneten Ort antreten wollen oder andere besondere Umstände Ihr Erscheinen erheblich verteuern (z. B. Transport mit Krankenwagen bzw. Taxi oder Begleitperson), ist dies dem Gericht unter Angabe des Aktenzeichens sofort mitzuteilen und schriftliche Nachricht abzuwarten“). Der Senat sieht eine weitgehende Vergleichbarkeit der Frage der Erstattung von Kosten für eine Begleitperson mit der Frage der Entschädigung von Kosten einer weiteren Anreise als vom Ladungsort aus. Beides sind Umstände, die die Anreise zum Gericht verteuern und die das Gericht bei Kenntnis möglicherweise veranlasst hätten, vom persönlichen Erscheinen abzusehen (vgl. die ausführlichen Überlegungen im Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch in Zweifel gezogen, dass im Ladungsschreiben neben der Aufforderung zur sofortigen Mitteilung auch der Hinweis enthalten ist, dass „schriftliche Nachricht“ des Gerichts „abzuwarten“ sei. Genauso wie vom Beteiligten erwartet wird, dass er so frühzeitig das Gericht über die kostenerhöhenden Umstände informiert, genauso kann der Beteiligte erwarten, dass ihm, wenn er das Gericht über die kostensteigernden Umstände informiert hat, rechtzeitig vor dem Termin die Information des Gerichts zugeht, wie er sich bei der Anreise verhalten soll, um nicht das Risiko einzugehen, auf Reisekosten sitzen zu bleiben. Informiert der Beteiligte das Gericht über die verteuernden Umstände so spät, dass ihm das Gericht keine Hinweise zur Anreise mehr geben kann, geht dies zulasten des Beteiligten. Reagiert hingegen das Gericht nicht rechtzeitig vor dem Termin, kann der Beteiligte darauf vertrauen, dass von Seiten des Gerichts keine Einwände gegen die von ihm mitgeteilte Art und Weise der Anreise bestehen, er also mit einer Berücksichtigung der Kosten für die Begleitung jedenfalls dem Grunde nach rechnen kann. Eine unterbliebene Mitteilung durch das Gericht muss daher im Sinne des Vertrauensschutzes zulasten der Staatskasse gehen.

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin das Gericht umfassend und rechtzeitig informiert; drei Wochen vor dem Termin war das Gericht über sämtliche Umstände (Merkzeichen B, Erforderlichkeit einer Begleitung, beabsichtigter Begleiter Herr R., Wohnort des Herrn R., voraussichtliche Kosten des Herrn R. von 12,- EUR pro Stunde, alternative Anreise mit einem Taxi) im Detail in Kenntnis gesetzt.

Dass die Beschwerdeführerin auf die wiederholten Anfragen des Gerichts ab dem 05.09.2013, warum ihr eine Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln mit Unterstützung einer Begleitperson nicht möglich sei, nicht reagiert hat, steht der Notwendigkeit einer Begleitung nicht entgegen. Ganz offensichtlich ist das Gericht der Hauptsache - und dies wegen der Zuerkennung des Merkzeichens B zutreffend - davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin ohne Begleitung überhaupt nicht zum Termin erscheinen könne. Bei Zugrundelegung dieser Prämisse war die Frage nach der Möglichkeit einer begleiteten Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln keine sachdienliche Frage, da die Beschwerdeführerin, auch wenn sie als Inhaberin des Merkzeichens B die Möglichkeit zur kostenfreien Mitnahme einer Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln hat, insofern die freie Wahl des Beförderungsmittels im Rahmen des § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hat, solange nicht durch die Wahl des Beförderungsmittels weitere, über § 5 Abs. 1 und 2 JVEG hinausgehende Kosten produziert werden, obwohl bei Inanspruchnahme eines anderen, möglichen und zumutbaren Transportmittels derartige erhöhte Kosten nicht entstanden wären (vgl. Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B). Die Nichtbeantwortung könnte der Beschwerdeführerin daher nicht mit der Begründung zum Nachteil gereichen, dass sie es dem Gericht der Hauptsache nicht ermöglicht habe, die Entscheidung über die Anordnung des persönlichen Erscheinens aus Kostengründen zu überdenken (vgl. zum Gesichtspunkt der durch die Anordnung des persönlichen Erscheinens entstehenden Kosten: Beschluss des Senats vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

2.4.1.3. Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten

Die von der Beschwerdeführerin Herrn R. als „Zeitentschädigung“ gezahlten 100,- EUR sind aus Gründen des Vertrauensschutzes zu erstatten.

2.4.1.3.1. Keine Orientierung an den Vorgaben der in § 19 JVEG aufgelisteten Entschädigungstatbestände bei der Bestimmung der Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten

Der Ersatz der Kosten für eine notwendige Begleitung wird nicht durch die Vorgaben der in § 19 JVEG aufgelisteten Entschädigungstatbestände bestimmt.

Der Gesetzgeber hat im JVEG keine Konkretisierung der Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten im Sinn des § 7 Abs. 1 Satz 2 JVEG vorgenommen. Insbesondere hat er die für die Begleitperson berücksichtigungs- und damit entschädigungsfähigen Kosten nicht den Vorgaben unterworfen, die für die Entschädigung von Zeugen und Beteiligten selbst gemäß § 19 JVEG in Verbindung mit der jeweiligen Entschädigungstatbeständen gelten.

Wie aus § 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG („die baren Auslagen werden ersetzt, soweit“) ersichtlich wird, hat der Gesetzgeber die Erstattung von Kosten für die Begleitperson nicht den pauschalierenden Vorgaben des JVEG (z. B. zu Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG und Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG) unterworfen, wie sie für die Entschädigung von Zeugen (und Beteiligten) gelten, sondern betrachtet die Entschädigung für Kosten einer Begleitung als Aufwendungsersatz. Maßgeblich sind daher die tatsächlich dem begleiteten Zeugen oder Beteiligten für die Begleitung entstandenen Kosten, nicht eine fiktive Entschädigung, wie sie die Begleitperson, die ohnehin keinen eigenen Anspruch nach dem JVEG hat, nach den Regelung des JVEG erhalten würde, wenn sie selbst Zeuge oder Beteiligter wäre (a.A. ohne nähere Begründung: LSG Thüringen, Beschluss vom 25.05.2011, Az.: L 6 SF 152/11 E).

Dies kann im Ergebnis dazu führen, dass die Begleitperson bei entsprechender „Vergütung“ im weitesten Sinn durch den begleiteten Zeugen oder Beteiligten mittelbar, nämlich über den Zeugen oder Beteiligten, einen (deutlich) höheren Geldbetrag erhalten kann, als dies bei einer Beteiligten- oder Zeugeneigenschaft der Fall wäre. Dieses auf den ersten Blick möglicherweise überraschende Ergebnis stellt die Richtigkeit dieses Ergebnisses aber nicht in Frage. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

- In § 7 Abs. 1 JVEG fehlt, obwohl dort ausdrücklich die Entschädigung wegen Kosten einer Begleitperson aufgeführt wird, ein Hinweis darauf, dass die Kosten der Begleitperson nach den Regelungen, wie sie für Zeugen (§ 19 ff. JVEG) gelten, zu ermitteln wären. Vielmehr hat der Gesetzgeber ausdrücklich die zu entschädigenden Kosten als die „baren Auslagen ..., soweit sie notwendig sind“, beschrieben. Entscheidend für den Gesetzgeber sind also der Zahlungsfluss („bare“) und die Notwendigkeit. Eine Interpretation dahingehend, dass mit dem Adjektiv „notwendig“ eine Anwendung der Regelungen der §§ 19 ff. JVEG gemeint sein könnte, verbietet sich.

- Die Regelungen der in § 19 JVEG aufgezählten Entschädigungstatbestände stellen weitgehend gerade nicht auf eine betragsgenaue Notwendigkeit oder einen zu erstattenden Schaden ab, sondern beinhalten eine pauschalierende Entschädigung nach Billigkeitsgründen. Dieser gesetzgeberische Ansatz findet sich in § 7 Abs. 1 JVEG nicht wieder.

- Der Senat kann bei seiner Auslegung des § 7 Abs. 1 JVEG keinen Wertungswiderspruch zu den gesetzgeberischen Grundentscheidungen des JVEG erkennen. Zwar enthält das JVEG die gesetzgeberische Festlegung, dass wegen der staatsbürgerlichen Pflicht (vgl. Hartmann, a. a. O., § 19 JVEG, Rdnr. 2) zur Aussage vor Gericht eine Entschädigung von Zeugen nur aus Billigkeitsgründen zu erfolgen hat (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10.10.1978, Az.: 2 BvL 3/78; Hartmann, a.a.O, § 22 JVEG, Rdnr. 7 - m. w. N.). Deshalb sieht das JVEG z. B. bezüglich des Verdienstausfalls gemäß § 22 JVEG keinen echten Schadensersatz vor (vgl. die ausführlichen Erläuterungen im Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11). Dieser Grundsatz kann aber nicht auf die im Rahmen des Aufwendungsersatzes zu entschädigenden Kosten einer Begleitung übertragen werden. Denn dies hätte zur Folge, dass Menschen mit Behinderung, die einer Begleitung bedürfen, in nicht seltenen Fällen doppelt durch die wegen der Billigkeit reduzierte Entschädigung betroffen wären - einerseits bei der Entschädigung für originär ihnen entstandene Kosten oder Ausfälle, andererseits aber auch wegen der einer Kürzung (aus Billigkeitsgründen) unterliegenden Entschädigung der von ihnen für die Begleitperson aufgewendeten Kosten. Eine solche behindertenfeindliche Auslegung hält der Senat mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nicht für vereinbar.

- Würden die Kosten einer Begleitung nur in dem Umfang erstattet, wie sie der Begleitperson zuständen, wenn diese selbst Zeuge oder Beteiligter wäre, würde dies in der Praxis oft dazu führen, dass der begleitete Zeuge oder Beteiligte seinem Begleiter nur einen solchen Geldbetrag zuwenden würde, wie ihn der Begleiter als Zeuge oder Beteiligte erhalten würde. Denn anderenfalls würde der Begleitete auf einem Teil der ihm für die Begleitung entstandenen Kosten sitzen bleiben und hätte einen doppelten Nachteil (vgl. oben vorheriger Spiegelstrich). Damit würde der Begleiter so gestellt, wie wenn er am gerichtlich angeordneten Termin aufgrund einer staatsbürgerlichen Pflicht teilgenommen hätte. Von einer staatsbürgerlichen Pflicht kann aber bei der Begleitperson keine Rede sein.

- Der Senat ist der Überzeugung, dass die von ihm getroffene Auslegung nicht in größerem Umfang zu unbilligen Ergebnissen führen kann, als dies bei jeder anderen gesetzlichen Regelung auch der Fall ist und vom Gesetzgeber hingenommen wird. Denn den Fällen, in denen der Begleitete dem Begleiter durch die Zahlung einer überhöhten „Vergütung“ im weitesten Sinn einen wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Vorteil verschaffen will, lässt sich einem Missbrauch durch den Begriff der Notwendigkeit der Kosten ein Riegel vorschieben (vgl. unten Ziff. 2.4.1.3.2.1.).

Der Senat sieht daher weder in § 7 Abs. 1 JVEG eine analogiefähige Regelungslücke noch können die Regelungen der in § 19 JVEG aufgezählten Entschädigungstatbestände mangels Vergleichbarkeit analog angewandt werden. Sollte - was der Senat nicht in allen Fällen ausschließen möchte - die bestehende gesetzliche Regelung die Möglichkeit zu einem Missbrauch, soweit dem nicht über den Begriff der Notwendigkeit der baren Auslagen entgegen getreten werden kann, eröffnen, wäre es Sache des Gesetzgebers, hier korrigierend einzugreifen. Den Gerichten wäre eine solche Korrektur versagt, da sie sich damit zum Gesetzgeber aufschwingen und gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GG verstoßen würden.

2.4.1.3.2. Bestimmung des Begriffs der Notwendigkeit der tatsächlich aufgewendeten Kosten

Notwendig (zum Begriff der Notwendigkeit s. oben Ziff. 2.4.1.) sind die Kosten für eine Begleitung grundsätzlich dann, wenn sie entweder als Taxikosten entstanden sind oder die Kosten einer An- und Abreise mit einem Taxi nicht übersteigen oder der Berechtigte auf die Erstattungsfähigkeit der Kosten vertrauen durfte.

2.4.1.3.2.1. Objektiv erforderlich: Taxikosten

Für den Senat ergeben sich die objektiv notwendigen Kosten aus der Höhe der Kosten, wie sie bei Anreise mit einem Taxi angefallen sind oder - wenn eine andere begleitete Anreiseart gewählt wird - wären. Nur so lässt sich einigermaßen zuverlässig eine Bestimmung der notwendigen Kosten aus objektiver Sicht vornehmen.

Es ginge im Rahmen der nur eingeschränkten Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter (vgl. dazu oben Ziff. 2.4.1.1.) zu weit, diesen eine Ermittlung der Kosten der individuell möglichen begleiteten Anreise zuzumuten, zumal sie sich dabei weitgehend auf die Angaben des Berechtigten verlassen müssten.

Von ganz seltenen Ausnahmefällen abgesehen wird einem Berechtigten, der für die Anreise zum gerichtlich angeordneten Termin einer Begleitung bedarf, diese Anreise mit einem Taxi möglich sein. Diesen Weg werden insbesondere auch die Berechtigten wählen, die nicht auf die Unterstützung von Familienangehörigen oder Freunden zurückgreifen können. Im Gegensatz zu ehrenamtlich organisierten Begleitungen ist die Möglichkeit der Benutzung eines Taxis auch jedermann bekannt und eröffnet. Ein vernünftig und wirtschaftlich denkender Beteiligter wird daher, jedenfalls dann, wenn er keine kostengünstigere Anreisemöglichkeit hat, bei der Anreise mit Begleitung auf ein Taxi zurückgreifen. Hat er eine andere Art der Begleitung gewählt, sind ihm jedenfalls die tatsächlich entstandenen Kosten zu erstatten, soweit diese die Kosten einer Taxibenutzung nicht übersteigen.

Die Ermittlung der Kosten, wie sie bei der Benutzung eines Taxis anfallen, sind über diverse Seiten im Internet zumindest als Näherungswerte zu ermitteln und stellen damit ein Hilfsmittel zur verwaltungsökonomischen Kostenermittlung für den Kostenbeamten und Kostenrichter dar.

2.4.1.3.2.2. Schutzwürdiges Vertrauen

Die tatsächlich entstandenen Kosten sind auch dann, wenn sie die Kosten einer (fiktiven) Taxibenutzung übersteigen, zu erstatten, wenn der Berechtigte ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben durfte, dass er so, wie er dies getan hat, anreisen durfte.

Von einem solchen schutzwürdigen Vertrauen ist nur dann auszugehen, wenn es vom Gericht oder einer ihm zuzurechnenden Person gesetzt worden ist. Das oben (s. Ziff. 2.4.1.2.) zur Notwendigkeit der Begleitung bzw. Berücksichtigungsfähigkeit aus Vertrauensschutzgründen Ausgeführte gilt hier in gleicher Weise.

2.4.1.3.3. Prüfung im vorliegenden Fall

Die Herrn R. von der Beschwerdeführerin gezahlte „Zeitentschädigung“ von 100,- EUR ist schon aus Vertrauensschutzgründen zu erstatten.

Mit Schreiben vom 28.08.2013 hat die Beschwerdeführerin dem Gericht der Hauptsache bis ins Detail die Konditionen der von ihr beabsichtigten Begleitung, insbesondere die Person des Begleiters, dessen Wohnort dem Gericht der Hauptsache schon länger bekannt war, und die von ihr Herrn R. zugedachte Entschädigung von 12,- EUR pro Stunde mitgeteilt. Angesichts des Wohnorts des Begleiters war damit für das Gericht der Hauptsache absehbar, dass die Beschwerdeführerin allein für die vom Begleiter aufzuwendende Zeit diesem einen Betrag von (mindestens) 100,- EUR zuwenden würde. In der Folge hat das Gericht der Hauptsache der Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt signalisiert, dass es mit einer Begleitung unter diesen Konditionen nicht einverstanden wäre. Vielmehr könnten die Nachfragen des Gerichts der Hauptsache, warum die Klägerin nicht begleitet mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen könne, aus dem objektivem Empfängerhorizont dahingehend sogar dahingehend interpretiert werden, dass das Gericht mit dem zugesagten Stundensatz einverstanden sei. Jedenfalls hat das Gericht einen Vertrauenstatbestand bei der Beschwerdeführerin geschaffen, der die Erstattung der gezahlten 100,- EUR nach sich ziehen muss.

Darauf, wie hoch die Kosten eine An- und Rückreise mit einem Taxi, wie sie im Übrigen auch die Beschwerdeführerin alternativ vorgeschlagen hat, gewesen wären, kommt es daher nicht mehr an. Lediglich der Vollständigkeit halber merkt der Senat an, dass eine Reise mit einem Taxi deutlich teurer gekommen wäre; Taxikostenrechner geben für die einfache Strecke 151,- EUR (www.taxi-rechner.de) an, so dass auch aus diesem Grund die Herrn R. gewährte „Zeitentschädigung“ von 100,- EUR zu erstatten wäre.

Der Beschwerdeführerin ist daher für Kosten der Begleitung zum Gerichtstermin am 25.09.2013 ein Betrag in Höhe von 100,- EUR zu erstatten.

Der Kostensenat des Bayer. LSG trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG). Sofern der Kostensenat des Bayer. LSG in der Vergangenheit die Entschädigung für eine Begleitperson so vorgenommen hat, wie wenn diese ein Beteiligter oder Zeuge gewesen wäre, wird diese Rechtsprechung nicht mehr aufrecht erhalten.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Tenor

Die Vergütung für die Anfertigung des Gutachtens vom 12.09.2012 wird auf 1.928,65 € festgesetzt.

Gründe

I.

In dem am Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 4 KR 338/09 geführten krankenversicherungsrechtlichen Berufungsverfahren erstellte die Antragstellerin gemäß § 106 Abs. 3 Nr. 5 und Abs. 4, § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) am 12.09.2012 ein nervenärztliches Gutachten.

Mit Rechnung vom 18.10.2012 machte sie dafür einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.935,22 € wie folgt geltend: 1.870,- € für Zeitaufwand von insgesamt 22 Stunden (in der Rechnung näher aufgeschlüsselt) zu einem Stundensatz von 85,- €, Schreibgebühren 51,30 €, 18 Kopien zu je 0,39 €, Porto 6,90 €.

Der Kostenbeamte des Bayer. LSG bewilligte mit Schreiben vom 15.11.2012 einen Betrag von 1.378,65 €, wobei sich die Reduzierung der Forderung der Antragstellerin im Wesentlichen aus der Zugrundelegung der Honorargruppe M 2 (60,- €) statt der beantragten Honorargruppe M 3 (85,- €) ergab. Die Anwendung der Honorargruppe M 2 begründete der Kostenbeamte wie folgt: Es seien weder ein ursächlicher Zusammenhang noch schwierige ätiologische Fragen zu klären gewesen. Einzugehen gewesen sei lediglich auf die vorliegenden Gesundheitsstörungen und deren Behandlungsmöglichkeiten. Es könne daher nur die Honorargruppe M 2 zugrunde gelegt werden. Die Zahl der Anschläge sei auf 56.166 geschätzt worden. Die Kopien seien mit 0,50 € pro Stück zu erstatten.

Die Antragstellerin hat sich mit Schreiben vom 19.11.2012 gegen die Abrechnung nach der Honorargruppe M 2 gewandt. Die Einstufung nach der Honorargruppe M 3 richte sich nicht nur nach dem Schwierigkeitsgrad der Kausalitätsbeurteilung, sondern in zumindest gleicher Weise nach der Komplexität der medizinischen Problematik. Bei dem zu Begutachtenden habe eine hochkomplexe medizinische Ausgangslage vorgelegen, die sie bei einer höchst problematischen, letztendlich vitalgefährdenden Gegebenheit angemessen beurteilen und Alternativen vorschlagen habe müssen.

II.

Die Festsetzung der Vergütung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier die Berechtigte mit Schreiben vom19.11.2012 sinngemäß die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Vergütung für das Gutachten vom 12.09.2012 ist auf 1.928,65 € festzusetzen.

1. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz -

2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der Gutachtensauftrag ist vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG erteilt worden.

2. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m. w. N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Vergütungs- oder Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann deshalb auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 4, Rdnr. 12 - m. w. N.).

3. Berechnung der Vergütung der Antragstellerin

Die Antragstellerin hat einen Vergütungsanspruch in Höhe von 1.928,65 €.

Die Vergütung eines Sachverständigen setzt sich gemäß § 8 Abs. 1 JVEG aus dem Honorar für seine Leistungen, dem Ersatz von Fahrtkosten, der Entschädigung für Aufwand und dem Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen zusammen.

3.1. Honorar/Vergütung für Zeitaufwand

Das Honorar gemäß § 9 JVEG beträgt 1.870,- €.

Das Honorar eines Sachverständigen ist nach Stundensätzen zu bemessen. Es wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.

Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i. V. m. der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1).

3.1.1. Zeitaufwand

Der objektiv erforderliche Zeitaufwand beträgt 22 Stunden.

Der von der Antragstellerin angegebene Zeitaufwand von 22 Stunden begegnet in Ansehung der Rechtsprechung des Senats zur Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands (vgl. Beschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11) keinen Bedenken und ist daher der Abrechnung zugrunde zu legen.

3.1.2. Honorargruppe

Die Berechnung des Honorars ist antragsgemäß nach der Honorargruppe

M 3 (Stundensatz: 85,- €) vorzunehmen.

Im Rahmen der Entscheidung zu diskutieren ist, ob das im Bereich eines krankenversicherungsrechtlichen Rechtsstreits erstellte Gutachten der Antragstellerin der Honorargruppe M 2, wie dies der Kostenbeamte angenommen hat, oder M 3, wie dies die Antragstellerin begehrt, unterfällt.

3.1.2.1. Keine explizite Zuordnung von im Bereich des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung erstellten Gutachten im JVEG

Krankenversicherungsrechtliche Gutachten finden in den Honorargruppen M 1 bis M 3 der Anlage 1 zum JVEG keine explizite Erwähnung.

Die Zuordnung eines Gutachtens zu einer Honorargruppe bestimmt sich gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 JVEG nach der Anlage 1 zum JVEG. Für medizinische (und psychologische) Gutachten sind die drei Honorargruppen M 1 bis M 3 vorgesehen.

Danach sind beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einer medizinischen Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad der Honorargruppe M 2 zuzurechnen. Beispielhaft hat der Gesetzgeber der Honorargruppe M 2 Gutachten in Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zugeordnet.

Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtung spezieller Kausalzusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen), insbesondere Gutachten zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, zu ärztlichen Behandlungsfehlern, in Verfahren nach dem Opferentschädigungsgesetz oder in Verfahren nach dem Häftlingshilfegesetz, sind nach der Honorargruppe M 3 zu vergüten.

Eine explizite Zuordnung von Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, wie es das Gutachten der Antragstellerin darstellt, hat der Gesetzgeber in den einzelnen Spiegelstrichen bei den Honorargruppen M 1 bis M 3 der Anlage 1 nicht vorgenommen.

3.1.2.2. Vorgehen bei nicht vom Gesetzgeber explizit einer Honorargruppe zugeordneten Gutachten

3.1.2.2.1. Überlegungen zu der Ermittlung der Zuordnung zu einer Honorargruppe

Für den Fall, dass die sachverständige Leistung auf einem Sachgebiet erbracht wird, das in keiner Honorargruppe explizit genannt wird, ist das Gutachten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3, 1. Halbsatz JVEG unter Berücksichtigung der allgemein für Leistungen dieser Art außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze einer Honorargruppe nach billigem Ermessen zuzuordnen. Dies gilt gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz JVEG entsprechend, wenn ein medizinisches Gutachten einen Gegenstand betrifft, der in keiner Honorargruppe aufgeführt wird, wobei diese Regelung nur so interpretiert werden kann, dass die dort gegebenen Hinweise zur Zuordnung dann zu beachten sind, wenn der konkrete Gutachtensgegenstand nicht in den einzelnen Spiegelstrichen bei den Honorargruppen M 1 bis M 3 der Anlage 1 enthalten ist.

Die gesetzgeberischen Vorgaben zur Zuordnung könnten dem Wortlaut nach dahingehend interpretiert werden, dass die Honorargruppe und damit der zugrunde zu legende Stundensatz durch die Erhebung von Vergleichskosten bei Berücksichtigung von in der freien Wirtschaft gezahlten Vergütungen zu ermitteln wäre, wobei das Gericht im Rahmen der Ausübung des Ermessens regelmäßig die bezogen auf den ermittelten Stundensatz nächstniedrigere Honorargruppe der Abrechnung zugrunde zu legen hätte (so vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 9, Rdnr. 2). Einer solchen Interpretation kann sich der Senat aber nicht anschließen. Er hält eine solche Auslegung nicht für praktikabel.

Wie die Erfahrung zeigt und wie auch Äußerungen von Sachverständigen in anderen Verfahren zu entnehmen ist, erreichen die Stundensätze, wie sie in § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG vorgesehen sind, regelmäßig die außergerichtlich und außerbehördlich vereinbarten Stundensätze nicht und bleiben teilweise deutlich dahinter zurück. Auch die im Rahmen der Vorarbeiten zum 2. KostRMoG vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Marktanalyse hat dies gezeigt; danach liegen die Stundensätze bei außergerichtlichen Gutachten um mindestens 13% bis zu 80% über den Sätzen des JVEG (vgl. Hommerich/Reiß, Marktanalyse zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetschern und Übersetzern -, Mai 2010, S. 10). Dieser Erkenntnis hat der Gesetzgeber damit Rechnung getragen, dass mit der zum 01.08.2013 erfolgten Überarbeitung des JVEG durch das 2. KostRMoG mit Blick auf die Preisentwicklung auf dem Markt der Begutachtungen eine merkbare Anhebung der Stundensätze erfolgt ist. So ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. KostRMoG dazu Folgendes ausgeführt (vgl. Bundesrats-Drucksache 517/12, S. 204):

„Die Höhe der Honorare orientiert sich bereits bei der geltenden Fassung des JVEG an den Marktpreisen. Die Marktpreise unterliegen jedoch ständigen Veränderungen, die im JVEG nachvollzogen werden sollen. Zu diesem Zweck hat die Hommerich Forschung im Jahr 2009 im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz eine umfangreiche Marktanalyse durchgeführt, deren Ergebnisse im Dezember 2009 veröffentlicht worden sind (Prof. Dr. Christoph Hommerich, Dipl.-Soz. Nicole Reiß, Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz - Evaluation und Marktanalyse -, Bundesanzeiger Verlagsges. mbH). Grundlage der Marktanalyse war hinsichtlich der Sachverständigen die zuvor erarbeitete neue Sachgebietsliste. In diese sind bestimmte Sachgebiete nicht einbezogen worden, die - ohne dass sich aus der seinerzeitigen Sicht des Bundesministeriums der Justiz ein hinreichend konkret zu beschreibender Markt entwickelt hat - ebenfalls besondere Anforderungen an die Qualifikation der Sachverständigen stellen; dies ist namentlich im Bereich des Kartellrechts der Fall. Die ... Honorarsätze sollen sich an dem Ergebnis der Marktanalyse ausrichten. ... Wie schon bei den geltenden Honorarsätzen soll auch bei den vorgeschlagenen Sätzen mit Rücksicht auf die öffentlichen Haushalte ein Abschlag auf die ermittelten Marktpreise vorgenommen werden. Dieser Abschlag lässt sich damit begründen, dass die Justiz als öffentlicher Auftraggeber ein solventer Schuldner ist und auf dem Markt als „Großauftraggeber“ auftritt.“

Würde dem Wortlaut des Gesetzes gefolgt, müsste in einem ersten Schritt der durchschnittliche auf dem außergerichtlichen und außerbehördlichen Markt gezahlte Stundensatz für ein derartiges Gutachten, also aus dem Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung, ermittelt werden.

Dieser Ansatz ist schon deshalb problematisch, weil es einen außergerichtlichen Markt für derartige Gutachten nicht geben dürfte, da solche Gutachten regelmäßig nur im Verlauf von sozialgerichtlichen (oder gegebenenfalls behördlicher) Verfahren durch das Gericht (oder die Behörde) eingeholt werden. Dass zur Vorbereitung oder anlässlich eines sozialgerichtlichen Verfahrens der gesetzlich Versicherte selbst ein Gutachten in Auftrag gibt, ist so gut wie ausgeschlossen, da er diese Kosten immer - anders als z. B. bei zivilgerichtlichen Verfahren, in denen Gutachterkosten unter bestimmten Voraussetzungen als Schadensersatz geltend gemacht werden können - selbst tragen müsste und die Einholung eines Gutachtens von Amts wegen für ihn wegen der Gerichtskostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens bei Streitigkeiten des Versicherten gemäß § 183 SGG immer „kostenlos“ ist. Es ist auch nicht ersichtlich, dass mit Blick auf die private Krankversicherung ein Markt für Gutachten zu derartigen, für die gesetzliche Krankenversicherung spezifischen Fragen, bestünde. Insofern gibt es keinen außerbehördlichen oder außergerichtlichen Gutachtensmarkt, der einen Beitrag zur Ermittlungen des durchschnittlich gezahlten Stundensatzes liefern könnte.

Dass der gesetzgeberische Ansatz, der auf den außerbehördlichen und außergerichtlichen Gutachtensmarkt abstellt, bei der Ermittlung der Honorargruppe aus Sicht des Senats ohnehin nicht zielführend erscheint, kann daher dahingestellt bleiben. Der Senat begründet diese Zweifel daher nur kurz:

Würden die durchschnittlichen Kosten außerbehördlicher und außergerichtlicher Gutachten ermittelt, würde der sich dabei ergebende Stundensatz bei medizinischen Gutachten - unabhängig vom Schwierigkeitsgrad des Gutachtens - mit Sicherheit im Bereich der Honorargruppe M 3 oder wahrscheinlich darüber liegen. Daraus den Schluss zu ziehen, dass ein nicht vom Gesetzgeber einer Honorargruppe zugeordnetes Gutachten dann auch in jedem Fall nach der Honorargruppe M 3 zu vergüten wäre, hielte der Senat für ermessensfehlerhaft im Sinn des § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG. Denn es wäre verfehlt, als Honorargruppe die dem durch Markterhebung ermittelten Stundensatz nächstniedrige Honorargruppe des JVEG zugrunde zu legen, weil damit der vom Gesetzgeber in den Honorargruppen M 1 bis M 3 zugrunde gelegte Justizrabatt (vgl. zu diesem Abzug Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 9, Rdnr. 1) regelmäßig nicht oder zumindest nicht im gleichen Umfang zum Zug käme, wenn ein Gutachten nicht explizit in den Honorargruppen M 1 bis M 3 aufgeführt ist. Dies würde eine mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Grundgesetz nicht begründbare Bevorteilung der Sachverständigen darstellen, deren Gutachtensgegenstand nicht explizit in den Honorargruppen genannt ist.

Die vom Gesetzgeber festgelegten Honorargruppen bilden, auch wenn Ziel der Ablösung des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen durch das JVEG war, ein „neues leistungsgerechtes Vergütungsmodell“ (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG], Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 2 und 142) einzuführen, nicht die marktüblichen Stundensätze ab, sondern beinhalten gewisse Abschläge. Diesen Justizrabatt (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 9, Rdnr. 1), mit dem Rücksicht auf die öffentlichen Haushalte genommen wird, hat der Gesetzgeber im Gesetzentwurf zum 2. KostRMoG (vgl. a. a. O, S. 204) explizit damit begründet, dass die Gerichte als öffentlicher Auftraggeber ein solventer Großabnehmer seien. Daneben steht auch die Tatsache, dass für einen Sachverständigen auch die staatsbürgerliche Pflicht besteht, am Verfahren mitzuwirken (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 9, Rdnr. 1). Von der Vornahme eines entsprechenden Abschlags muss auch beim Erlass des JVEG ausgegangen werden, auch wenn dies der Gesetzgeber zumindest in der Gesetzesbegründung nur verklausuliert ausgesprochen hat (vgl. auch Gesetzentwurf der Bundesregierung zum 2. KostRMoG, a. a. O., S. 204). So hat er erläutert, dass in Bezug auf die Honorargruppen M 1 bis M 3 die bisherige Entschädigungspraxis der Justiz als Ausgangsniveau hinsichtlich der Höhe der vorgeschlagenen Stundensätze gedient hat, „um unverhältnismäßig hohe Anhebungen des Vergütungsniveaus zu vermeiden“ (vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 186). Dies bedeutet nichts anderes, als dass damals nicht der marktübliche Stundensatz zugrunde gelegt wurde, sondern ein im Sinn der staatlichen Haushalte erwünschter niedrigerer Satz. Wie hoch der vorgenommene Abschlag war - dieser könnte dann nach Ermittlung des Marktpreises für ein nicht in den Honorargruppen M 1 bis M 3 genannten Gutachtensgegenstand und vor Zuordnung zu einer der Honorargruppen in Abzug gebracht werden - ist jedoch nicht bekannt. Dieses Manko könnte nur dadurch ausgeglichen werden, dass die außerbehördlichen und außergerichtlichen Marktpreise für explizit in den Honorargruppen M 1 bis M 3 genannten Gutachten ermittelt würden, um abschließend ermessensfehlerfrei eine Vergleichbarkeit mit einer vom Gesetzgeber explizit zugeordneten Honorargruppe herstellen zu können. Nur so könnte der Gedanke des Justizrabatts in die Ermittlung der Honorargruppe einbezogen werden. Bei der Herstellung der Vergleichbarkeit wiederum wäre der zuordnende Kostenbeamte bzw. der Kostenrichter vor das Problem gestellt, dass seit der Einführung des JVEG und den damals zugrunde gelegten Marktpreisen und der von ihm aktuell durchgeführten Ermittlung des Marktpreises Zeit vergangen ist, in der sich die Marktpreise allgemein durch die auch vom Gesetzgeber beobachtete Preisentwicklung verteuert haben. Ein Zurückgreifen auf die dem JVEG bei dessen Einführung zugrunde gelegten Erhebungen (vgl. dazu Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 142) wäre dann nicht mehr möglich. Dies würde letztlich verlangen, den zur Zeit der Erstellung des abzurechnenden Gutachtens ermittelten marktüblichen Stundensatz eines solchen Gutachtens mit dem zu diesem Zeitpunkt marktüblichen Stundensatz der in den Honorargruppen M 1 bis M 3 genannten Gutachten zu vergleichen. Dass eine derartige Vorgehensweise mit einem immensen Aufwand verbunden wäre und mit der vom Gesetzgeber - neben der Einführung einer modernen und leistungsgerechten Vergütungsmodells - beabsichtigen Abschaffung der für Kostenbeamte und Kostenrichter komplexen und teilweise sehr schwierigen Ermittlung des Stundensatzes durch die Einführung des JVEG (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 21 und 142) nicht vereinbar wäre, liegt auf der Hand. Dass die angesprochene Vorgehensweise zudem aus dem Grund fragwürdig wäre, da sich der Justizrabatt auf verschiedenen Gebieten extrem unterschiedlich darstellt - die Marktanalyse von Hommerich/Reiß hat gezeigt, dass die Stundensätze bei außergerichtlichen Gutachten um mindestens 13% bis zu 80% über den Sätzen des JVEG liegt (vgl. Hommerich/Reiß, a. a. O., S. 10) -, sei lediglich der Vollständigkeit halber angemerkt.

Der Senat versteht daher die Vorgaben in § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG zur Ermittlung der Honorargruppe von medizinischen Gutachten, die der Gesetzgeber nicht explizit einer Honorargruppe zugeordnet hat, dahingehend, dass im Rahmen des gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG eröffneten Ermessens eine Vergleichbarkeit anhand der Anforderungen an die Vornahme der sachverständigen Bewertung, also die Schwierigkeit des zu vergütenden Gutachtens mit den vom Gesetzgeber vorgegebenen Honorargruppen M 1 bis M 3 anhand der dort genannten Anwendungsgruppen herzustellen ist. Damit wird der Senat den unausgesprochenen, gleichwohl aber aus den gesetzlichen Formulierungen klar erkennbaren Vorstellungen des Gesetzgebers gerecht, der die Honorargruppen, wie sich aus Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG eindeutig ergibt, ausschließlich am Schwierigkeitsgrad der Gutachten ausgerichtet hat (Honorargruppe M 1: „Einfache gutachtliche Beurteilungen...“ - Honorargruppe M 2: „Beschreibende ... Begutachtung nach standardisiertem Schema ...“ - Honorargruppe M 3: „Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad ...“).

An der Richtigkeit dieser Auslegung - Orientierung ausschließlich an der Schwierigkeit - hat der Senat auch angesichts der Gesetzesbegründung zur Anlage 1 des JVEG keine Zweifel. Zwar hat der Gesetzgeber dort ausgeführt, dass hinsichtlich der Honorargruppen M 1 bis M 3 eine Staffelung der Leistungen vorgeschlagen werde, „die an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten, aber auch an deren Umfang orientiert und damit insgesamt aufwandsbezogen ausgestaltet ist“ (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts, a. a. O., S. 186). Eine entscheidende Orientierung der Honorargruppe an Umfang und Aufwand hat der Gesetzgeber aber weder im JVEG realisiert noch wäre dies sachgerecht. Denn mit dem Umfang eines Gutachtens und dem bei der Gutachtenserstellung anfallenden Aufwand steigt grundsätzlich nicht auch schon dessen Schwierigkeit. Vielmehr - und das zeigt die Praxis immer wieder - kann ein Gutachten zwar zeitaufwändig in der Erstellung und lang in seinen Ausführungen sein, gleichzeitig aber nur von reduzierter Schwierigkeit. Der Senat hat hier beispielhaft Verfahren in kriegsopferrechtlichen oder schwerbehindertenrechtlichen Streitigkeiten vor Augen, bei denen in der Vergangenheit über teilweise Jahrzehnte hinweg schon zahlreiche Verschlimmerungsanträge verbeschieden worden sind und bei dem sich der Aufwand des Gutachtens allein durch den Umfang der Akten ergibt, ohne dass die vorzunehmende Beurteilung von einer irgendwie gearteten Schwierigkeit geprägt wäre, da letztlich nur immer wieder Beurteilungen des Ist-Zustands durchzuführen sind, wie sie in ähnlicher Weise schon mehrfach erfolgt sind. Im Übrigen wäre es verfehlt, dem hohen (Zeit-)Aufwand eines Gutachtens mit einer höheren Honorargruppe Rechnung zu tragen, da dann ein erhöhter Zeitaufwand doppelt Berücksichtigung fände - nämlich nicht nur über den abzurechnenden Zeitaufwand, sondern auch über eine höher dotierte Honorargruppe. Dafür fehlt die gesetzliche Legitimation.

3.1.2.2.2. Kriterien des Senats für die Zuordnung eines krankenversicherungsrechtlichen Gutachtens

Als maßgebliche Kriterien für die Ermittlung der Schwierigkeit eines krankenversicherungsrechtlichen Gutachtens, wie es hier vorliegt, sieht der Senat folgende Gesichtspunkte (ähnlich vgl. LSG Thüringen, Beschluss vom 19.04.2007, Az.: L 6 SF 11/07):

* Kriterium a):

Beurteilung einer Erkrankung einschließlich einer Prognosebeurteilung, sofern es nicht auf der Hand liegt, dass die Erkrankung ganz leicht zu beurteilen und die Prognose ganz einfach ist.

* Kriterium b):

Erforderlichkeit der Erörterung alternativer Behandlung(smethod)en einer Erkrankung, sofern es nicht auf der Hand liegt, dass die Frage ganz leicht zu beantworten ist.

* Kriterium c):

Erforderlichkeit der Erörterung des aktuellen Stands der wissenschaftlichen Diskussion bzw. Auswertung der medizinisch-wissenschaftlichen Studien zur Beantwortung der gerichtlichen Fragen.

Jedenfalls dann, wenn die aufgezeigten Kriterien kumulativ erfüllt sind, ist von der Honorargruppe M 3 auszugehen.

Der Senat begründet dies wie folgt:

Wie oben erläutert ist maßgeblicher Orientierungspunkt für die Zuordnung zu einer Honorargruppe die Schwierigkeit eines Gutachtens. Welche Kriterien der Gesetzgeber als entscheidend für die Beurteilung der Schwierigkeit eines Gutachtens ansieht, ist den jeweils einleitenden Worten in den Honorargruppen M 1 bis M 3 zu entnehmen, wobei sich für den Bereich krankenversicherungsrechtlicher Gutachten die Diskussion auf die Honorargruppen M 2 und M 3 beschränken kann; denn es dürfte unstrittig sein, dass Gutachten in krankenversicherungsrechtlichen Streitigkeiten vom Schwierigkeitsgrad her jedenfalls nicht als leichter als Gutachten in Verfahren nach dem Sozialgesetzbuch IX einzuordnen sind, die der Gesetzgeber der Honorargruppe M 2 zugewiesen hat.

Nach den gesetzlichen Formulierungen sind beschreibende (Ist-Zustands-) Begutachtungen nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose der Honorargruppe M 2 zuzuordnen. Als Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad und damit der Honorargruppe M 3 zugehörig betrachtet der Gesetzgeber hingegen Begutachtungen, bei denen spezielle Kausalzusammenhänge zu erörtern sind und/oder sich differenzialdiagnostische Probleme stellen und/oder eine Beurteilung der Prognose zu erfolgen hat und/oder eine Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber deutlich gemacht, dass er Bewertungen des aktuellen Zustands grundsätzlich nur so lange als im Sinn des Honorargruppensystems mittelschwer betrachtet, als damit nur eine eher einfache Verlaufsprognose verbunden ist. Wirft die Prognose hingegen mehr als nur einfache Fragen auf, kann dies als Argument für die Honorargruppe M 3 betrachtet werden.

Wann eine Verlaufsprognose leicht zu treffen ist, lässt sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Der Gesetzeber scheint aber davon auszugehen, dass allein die Aussage zur zukünftigen Entwicklung des Gesundheitszustands eines zu Begutachtenden regelmäßig noch nicht zwingend von erhöhter Schwierigkeit sein dürfte. Denn anderenfalls wäre es nicht zu begründen, dass Gutachten zur Minderung der Erwerbsfähigkeit auch der Honorargruppe M 2 zugeordnet sind. Denn bei solchen Gutachten ist regelmäßig die Frage danach zu beantworten, ob die Möglichkeit einer Besserung der Erwerbsfähigkeit selbst bei Durchführung möglicher Heilmaßnahmen fernliegend ist.

Die Erörterung alternativer Behandlung(smethod)en ist letztlich nichts anderes als eine Prognosebeurteilung, verbunden jedoch mit dem zusätzlichen Erfordernis, dass sich der Sachverständige einen umfassenden Überblick über die zur Verfügung stehenden Behandlungsalternativen zu verschaffen hat.

Bei der Erörterung der alternativen Behandlungsmethoden wird es regelmäßig unverzichtbar sein, dass sich der Sachverständige mit dem aktuellen Stand der Wissenschaft auseinandersetzt und die Studienlage auswertet. Lediglich dann, wenn es sich um ganz einfach zu beurteilende Erkrankungen handelt, wird es bei der Erörterung der alternativen Behandlungsmethoden verzichtbar sein, sich mit der Studienlage auseinanderzusetzen. Derartige Fälle führen aber im Regelfall nicht zu einem gerichtlichen Gutachtensauftrag. Gutachten werden im Übrigen auch dann nicht erforderlich sein, wenn bereits der Gemeinsame Bundesausschuss im Rahmen seiner Kompetenz gemäß § 92 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch eine (positive oder negative) Entscheidung getroffen hat. Es verbleiben daher für gerichtliche Gutachten ohnehin nur noch die Fälle, bei denen sich der Sachverständige einen Überblick über die wissenschaftliche Diskussion und Studienlage verschaffen muss. Dass bei Vorliegen des oben aufgezeigten Kriteriums b) nicht auch das Kriterium c) erfüllt wäre, wird also in der gerichtlichen Gutachtenspraxis so gut wie auszuschließen sein. Es werden daher im Regelfall gesonderte Prüfungen zum Kriterium c) verzichtbar sein.

Die dargelegten Kriterien stehen mit dem Leitgedanken der Rechtsprechung des Kostensenats in Einklang, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nicht überspannt werden dürfen (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E). Diesem Leitgedanken ist dadurch Rechnung getragen, dass im Regelfall bereits dann von der Honorargruppe M 3 ausgegangen werden darf, wenn die beiden Fragen nach der Prognosebeurteilung und der Erörterung alternativer Behandlung(smethod)en im Gutachtensauftrag gestellt werden und es nicht auf der Hand liegt, also offenkundig ist, dass die Beantwortung leicht ist. Davon wird nur in den seltensten Fällen auszugehen sein.

Von der Erfüllung der Kriterien der Honorargruppe M 3 kann mit Blick auf die aufgezeigten Vorgaben immer dann ausgegangen werden, wenn die dem Sachverständigen gestellten gerichtlichen Beweisfragen auf den sogenannten Nikolaus-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005, Az.: 1 BvR 347/98, und/oder die Rechtsprechung des BSG zum sogenannten off-label-use (Urteil vom 19.03.2002, Az.: B 1 KR 37/00 R) Bezug nehmen.

3.1.2.3. Honorargruppe im vorliegenden Fall

Das Gutachten der Antragsteller unterfällt der Honorargruppe M 3.

In den Beweisfragen (dort Frage 4) ist ausdrücklich auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 06.12.2005 und auch auf das Urteil des BSG vom 19.03.2002 hingewiesen worden.

Eine weitergehende Prüfung des Senats dahingehend, dass die Antragstellerin im Rahmen des Gutachtensauftrags

* eine seltene Erkrankung zu beurteilen,

* sich mit dem potentiellen Verlauf zu befassen (Prognose)

* die Frage nach alternativen Behandlungsmöglichkeiten zu beantworten

* und sich dabei auch mit dem aktuellen wissenschaftlichen Stand zur Behandlung dieser Erkrankung hatte,

ist daher verzichtbar.

3.2. Schreibgebühren

Gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG ist ein Aufwendungsersatz für Schreibgebühren in Höhe von 0,75 € pro angefangenen 1.000 Anschlägen zu leisten. Die Antragstellerin hat die genaue Anschlagszahl nicht angegeben. Der Senat schätzt, ausgehend von der Ermittlung der Anschlagszahl anhand einer Durchschnittsseite, dass das Gutachten insgesamt rund 57.000 Anschläge umfasst. Ausgehend von dieser Anschlagszahl sind Schreibgebühren in Höhe von 42,75 € zu erstatten.

3.3. Kopierkosten

Für die von der Sachverständigen dem Gutachten beigefügten notwendigen (§ 7 Abs. 1 Satz 1 JVEG) 18 Kopien sind gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 JVEG insgesamt 9,- € anzusetzen.

3.4. Porto:

Das Porto ist im vorliegenden Fall antragsgemäß mit 6,90 € zu erstatten.

Der Vergütung stellt sich damit wie folgt dar:

* Honorar: 1.870,00 €

* Schreibgebühren: 42,75 €

* 18 Kopien: 9,00 €

* Porto: 6,90 €

* Summe: 1.928,65 €

Der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Tenor

Die Entschädigung des Antragstellers für die Wahrnehmung des Termins zur Begutachtung am 04.07.2013 wird auf 154,50 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt eine Entschädigung wegen der Wahrnehmung eines gerichtlich angeordneten Begutachtungstermins nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In dem am Bayerischen Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen geführten Rechtsstreit wurde der dortige Kläger und jetzige Antragsteller am 04.07.2013 im Rahmen einer von Amts wegen angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen und dessen Mitarbeiter in A-Stadt untersucht. Die Untersuchung fand zwischen 8.15 Uhr und 16.15 Uhr statt.

Mit Entschädigungsantrag vom 20.07.2013, bei Gericht eingegangen am 23.07.2013, beantragte der Antragsteller die Entschädigung für das Erscheinen zu der gutachtlichen Untersuchung am 04.07.2013.

Im Entschädigungsantrag gab der Antragsteller an, wegen des frühen und nicht verschiebbaren Beginns der Begutachtung bereits am Vortag angereist zu sein; es sei daher eine Übernachtung in A-Stadt (Kosten lt. Hotelrechnung: 119,- €, davon 13,- € Frühstück) nötig gewesen. Angereist sei er mit dem Zug; die Kosten seien wegen seiner Bahncard deutlich reduziert worden (Kosten 30,- €). Aus Zeitgründen sei er nach der Begutachtung mit dem Taxi zum Bahnhof gefahren (Kosten: 7,10 €). An Verpflegungskosten habe er 18,75 € aufgewendet. Insgesamt beantrage er eine Entschädigung in Höhe von 174,85 €. Für die Fahrtkosten legte er entsprechende Belege vor; die Bahnfahrkarten waren am 03.07.2014 um 16.05 Uhr (Hinfahrt nach A-Stadt) und am 04.07.2014 um 16.29 Uhr (Rückfahrt nach A-Stadt) erworben worden.

Mit Schreiben vom 07.04.2014 bewilligte die Kostenbeamtin des Bayer. LSG als Entschädigung Fahrtkosten (öffentliche Verkehrsmittel und Taxi) antragsgemäß insgesamt 37,10 €. Zudem bewilligte sie ein Tagegeld in Höhe von 12,- €. Übernachtungskosten - so die Kostenbeamtin - seien nicht zu erstatten, da An- und Abreise an einem Tag zumutbar gewesen seien.

Mit Schreiben vom 19.04.2014 hat sich der Antragsteller gegen die Ablehnung der Erstattung der Übernachtungskosten gewandt. Er - so der Antragsteller - habe einen Zeitpuffer von ein bis zwei Stunden einberechnen müssen. Bei Fahrt mit dem ersten Zug (Abfahrt am Wohnort um 5.25 Uhr) wäre er frühestens um 7.30 Uhr beim Gutachter gewesen. Die Bahn fahre im Stundentakt und habe häufig Verspätung. Auf den Hinweis des Senats hin, dass die Taxikosten möglicherweise nicht erstattungsfähig seien, hat der Antragsteller eine anteilsmäßige Erstattung der von ihm erworbenen Bahncard in den Raum gestellt, da er damit dem Gericht ca. 30,- € an Fahrkartenkosten erspart habe (Schreiben vom 14.09.2014). Mit Schreiben vom 04.10.2014 hat er nochmals auf die Erforderlichkeit eines Zeitpuffers hingewiesen.

II.

Die Festsetzung der Entschädigung erfolgt gemäß § 4 Abs. 1 JVEG durch gerichtlichen Beschluss, wenn wie hier der Berechtigte mit Schreiben vom19.04.2014 die gerichtliche Festsetzung beantragt.

Die Entschädigung für die Wahrnehmung des Termins beim Gutachter am 04.07.2013 ist auf 154,50 € festzusetzen. Der Entschädigungsanspruch setzt sich wie folgt zusammen:

* Bahnfahrt:30,00 €

* Taxifahrt:0,50 €

* Übernachtungskosten:106,00 €

* Tagegeld:18,00 €

1. Prüfungsumfang im Verfahren der gerichtlichen Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG

Die gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG stellt keine Überprüfung der vom Kostenbeamten vorgenommenen Berechnung dar, sondern ist eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung. Bei der Kostenfestsetzung durch den Kostenbeamten handelt es sich um eine lediglich vorläufige Regelung, die durch den Antrag auf gerichtliche Kostenfestsetzung hinfällig wird (vgl. Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 05.11.1968, Az.: RiZ (R) 4/68). Damit wird eine vorherige Berechnung der Beträge im Verwaltungsweg sowohl bei den Einzelpositionen als auch im Gesamtergebnis gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 12 - m. w. N.). Das Gericht hat daher eine vollumfassende Prüfung des Entschädigungsanspruchs vorzunehmen, ohne auf Einwände gegen die im Verwaltungsweg erfolgte Kostenfestsetzung beschränkt zu sein. Die vom Gericht festgesetzte Entschädigung kann daher auch niedriger ausfallen, als sie zuvor vom Kostenbeamten festgesetzt worden ist; das Verbot der reformatio in peius gilt nicht (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Bayer. LSG, Beschluss vom 26.11.2013, Az.: L 15 SF 208/13; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 4, Rdnr. 12 - m. w. N.).

2. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz -

2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum31.07.2013 geltenden Fassung. Denn dem Antrag liegt eine Heranziehung zu einem gerichtlich angeordneten Begutachtungstermin vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG zugrunde.

3. Fristgerechter Entschädigungsantrag

Grundvoraussetzung für eine Entschädigung ist ein fristgerecht gestellter Entschädigungsantrag. Ein solcher liegt vor.

Der Entschädigungsantrag für die Untersuchung am 04.07.2013 ist am 23.07.2013 und damit vor Ablauf der Drei-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG bei Gericht eingegangen.

4. Entschädigungstatbestände

Beteiligte eines gerichtlichen Verfahrens sind gemäß § 191 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wie Zeugen zu entschädigen, sofern es sich - wie hier - um ein gerichtskostenfreies Verfahren im Sinn des § 183 SGG handelt. Die Entschädigung ergibt sich aus dem JVEG. Die Entschädigungstatbestände (für einen Zeugen) sind in § 19 JVEG aufgelistet.

4.1. Fahrtkosten für Bahn und Taxi

Für Fahrtkosten gemäß § 5 JVEG (Bahn und Taxi) ist eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 30,50 € zu leisten.

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels. Voraussetzung ist immer, dass die durchgeführte Fahrt auch objektiv notwendig war, um den gerichtlich angeordneten Termin wahr zu nehmen.

4.1.1. Bahnkosten

4.1.1.1. Erstattung der Kosten der vorgelegten Fahrkarten

Dem Antragsteller sind die entstandenen und durch die Vorlage von zwei Fahrkarten nachgewiesenen Kosten in Höhe von insgesamt 30,- € zu erstatten.

Gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 1 JVEG werden einem Beteiligten im sozialgerichtlichen Verfahren bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.

Die vom Antragsteller geltend gemachten Fahrtkosten, wie sie sich aus den vorlegten Fahrkarten ergeben, halten sich in diesem Rahmen.

4.1.1.2. Keine Berücksichtigung der Kosten für die Anschaffung der Bahncard des Antragstellers

Dass der Kläger wegen seiner Bahncard Fahrkarten zu einem günstigeren Preis erwerben hat können als dies ohne Bahncard möglich gewesen wäre, ist bei der Entschädigung ohne Bedeutung. Eine Berücksichtigung der Kosten für den Erwerb der Bahncard kann bei der Entschädigung nicht erfolgten.

Mit der vergleichbaren Problematik der Entschädigung bei Vorliegen einer Wochenkarte hat sich der Senat bereits in seinem Beschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, beschäftigt. Die Beurteilung der Kosten für eine Bahncard kann nicht anders erfolgen.

Nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung in können bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel nur „die tatsächlich entstandenen Auslagen“ (§ 5 Abs. 1 JVEG) erstattet werden. Derartige Kosten, die wegen der Wahrnehmung des Begutachtungstermins am 04.07.2013 entstanden wären, lassen sich bezüglich der Bahncard nicht feststellen.

4.1.1.2.1. Keine vollständige Kostenerstattung der Bahncard

Die vollständigen Kosten für die vom Antragsteller erworbene Bahncard können nicht erstattet werden.

Dass der Antragsteller die Bahncard nur wegen des Begutachtungstermins erworben hätte, hat er nicht behauptet und wäre im Übrigen auch nicht nachvollziehbar.

4.1.1.2.2. Keine anteilige Kostenerstattung der Bahncard

Eine anteilige Erstattung der Kosten für die vom Antragsteller erworbene Bahncard ist nicht möglich.

Eine anteilige Kostenerstattung scheitert daran, dass eine zweifelsfreie Zuordnung anteiliger Kosten für die Anreise zum Gerichtstermin nicht möglich ist. Eine Erstattung nach § 5 Abs. 1 JVEG kann nur bei tatsächlich, d. h. nachweislich infolge des gerichtlichen Termins entstandenen Kosten erfolgen. Eine solche Zuordnung in dem dafür erforderlichen Vollbeweis nachzuweisen, ist praktisch unmöglich (zur ähnlichen Problematik einer Wochenkarte: vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Dies begründet sich nicht nur mit der Gültigkeitsdauer der Bahncard und den sich daraus ergebenden vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten, sondern auch damit, dass eine solche Karte regelmäßig, zumindest bei einer Person, die nicht gehäuft mit Gericht zu tun hat, aus Motiven angeschafft wird, die nichts mit dem Gerichtsverfahren zu tun haben (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Beschluss vom 30.01.1996, Az.: 20 U 98/95; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 8). Anders könnte dies allenfalls bei Sachverständigen oder Dolmetschern zu beurteilen sein, die regelmäßig für Gerichte arbeiten und dabei vermehrt mit der Bahn fahren (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 25.03.1993, Az.: 14 W 73/93; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 8; a. A. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.04.2009, Az.: I-10 W 32/09, 10 W 32/09), wobei sich hier die Frage stellt, wie eine trenngenaue Zuordnung von Kosten in der Praxis darstellbar sein sollte. Da der Antragsteller aber vorliegend im Verfahren als Kläger aufgetreten ist, ist eine im Ausnahmefall denkbare anteilige Erstattung ausgeschlossen.

4.1.1.2.3. Keine Berücksichtigung der Kosten der Bahncard durch eine fiktive Kostenerstattung einer regulären Einzelfahrkarte entsprechend dem Normalpreis.

Eine Berücksichtigung der Kosten für die Bahncard dadurch, dass dem Antragsteller die fiktiven Kosten für eine Fahrkarte, wie sie ohne Vorliegen der Bahncard entstanden wären, zu ersetzen wären, sieht das JVEG nicht vor.

Eine Erstattung fiktiver Fahrtkosten ermöglichen die gesetzlichen Regelungen des JVEG grundsätzlich nicht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B - zur Frage der Erstattung von Kosten für eine Begleitperson; vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11 - zur Frage der Kostenerstattung einer fiktiven Einzelfahrkarte bei Erwerb einer Wochenkarte; vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12 - zur Frage der Erstattung von Taxikosten).

Zwar kann die Pauschalierung des Fahrtkostenersatzes bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs in Form von Kilometergeld für die gefahrene Strecke auch als eine Art fiktiver Kostenerstattung betrachtet werden, zumal in der Praxis der konkrete Nachweis der Kraftfahrzeugbenutzung regelmäßig nicht verlangt wird. Gleichwohl erlaubt dies nicht, der Fahrtkostenerstattung bei Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln die fiktiven Kosten einer tatsächlich nicht angeschafften Fahrkarte zugrunde zu legen. Denn im Gegensatz zu § 5 Abs. 2 JVEG (Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich überlassenen Kraftfahrzeugs) verlangt der Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 JVEG (Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel) den Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten und lässt nicht fiktive Ausgaben genügen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 07.04.2009, Az.: I-10 W 32/09, 10 W 32/09). Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die vom Gesetzgeber getroffene Entscheidung, nur bei der Erstattung der Kosten eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs mit einer Pauschalierung zu arbeiten, nicht aber bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sieht der Senat nicht. Der Nachweis tatsächlich-konkret entstandener Kosten bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs ist ungleich schwerer möglich als bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, bei denen die Vorlage der erworbenen Fahrkarte ausreicht. Die bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs entstandenen Kosten hängen von so vielen Faktoren (Fahrzeugtyp, km-Fahrleistung umgelegt auf die Haltedauer des Kraftfahrzeugs, aktueller Spritpreis, individuelle Fahrweise usw.) ab, dass eine zuverlässige Ermittlung der konkret entstandenen Kosten - und auch eine Überprüfung durch die Verwaltung - nicht möglich ist. Unter verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgesichtspunkten (Art. 3 Grundgesetz - GG -) ist daher wegen der Unterschiede bei der Ermittlung der angefallenen Kosten bei den verschiedenen Anreisearten für die Erstattung von bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel entstandenen Kosten eine Pauschalierung nicht erforderlich und auch nicht möglich (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11).

4.1.2. Taxikosten

Für die Fahrt mit dem Taxi nach der Begutachtung zum Bahnhof erhält der Antragsteller lediglich einen Fahrtkostenersatz gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 € pro gefahrenem Kilometer und damit insgesamt von 0,50 €. Ein weitergehender Anspruch auf Erstattung der Taxikosten über § 5 Abs. 3 JVEG besteht nicht.

4.1.2.1. Keine vollständige Erstattung der Taxikosten

Mit der Frage der Erstattung von Taxikosten hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, befasst und ist zu folgendem Ergebnis gekommen:

„Eine Erstattung der angefallenen Kosten für eine Reise mit einem Taxi kommt daher nur in folgenden Konstellationen in Betracht:

a) Reise weder mit einem in § 5 Abs. 1 JVEG noch in § 5 Abs. 2 JVEG genannten Verkehrsmittel unter den dort zugrunde gelegten Bedingungen möglich (Fall des § 5 Abs. 3, 2. Alt. JVEG - objektive Notwendigkeit des teureren Beförderungsmittels)

Die Anreise mit einem Taxi müsste objektiv zur Terminsteilnahme erforderlich sein.

Eine Reise mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel (öffentliches, regelmäßig verkehrendes Verkehrsmittel oder eigenes bzw. zur Nutzung überlassenes Kraftfahrzeug) ist überhaupt nicht möglich oder zumutbar, so dass der Berechtigte ohne Reise mit einem Taxi den gerichtlich angeordneten Termin nicht wahrnehmen kann.

b) Reise mit einem Taxi aus wirtschaftlichen Gründen angezeigt (Fall des § 5 Abs. 3, 1. Alt. JVEG - Wirtschaftlichkeit des teureren Beförderungsmittels im Gesamtvergleich)

Die Reise mit einem Taxi müsste aus wirtschaftlichen Gründen, also bei Berücksichtigung der entstehenden Gesamtkosten, angezeigt sein.

Dies ist dann der Fall, wenn die Gesamtkosten bei Reise mit einem Taxi niedriger (oder nicht höher) sind als die Gesamtkosten, die bei Benutzung eines in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittels entstehen würden.

Als Vergleichsmaßstab ist zu errechnen, welche entschädigungsrechtlich relevanten Kosten die Anreise mit einem (eigenen) Kraftfahrzeug oder mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln verursachen würde. Dabei kommt es nicht auf die individuellen Umstände des konkret Betroffenen an, sondern darauf, welche Kosten bei uneingeschränkter Reisefähigkeit unter normalen Bedingungen entstehen würden. Der sich dabei ergebende höhere Betrag, der die Obergrenze der sich aus § 5 Abs. 1 oder 2 JVEG ergebenden Entschädigung darstellt, ist der Vergleichsmaßstab.

Aus einem Gesamtkostenvergleich kann sich eine Rechtfertigung der Inanspruchnahme eines teureren Beförderungsmittels beispielsweise dann ergeben, wenn dadurch weitere, bei einer Anreise mit einem in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG genannten Verkehrsmittel ansonsten entstehende Kosten (z. B. Übernachtungskosten, höherer Verdienstausfall wegen längerer Abwesenheit) vermieden oder reduziert werden können, so dass letztlich die Reise ohne das teurere Beförderungsmittel der Staatskasse nicht billiger käme (vgl. vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 14, der eine Berücksichtigung der Mehrkosten für einen Flugschein grundsätzlich dann für geboten bezeichnet, wenn die „Gesamtentschädigung ... nicht höher als bei Benutzung anderer, regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel“ bezeichnet; Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 180 - zu § 5 JVEG).

c) Reise mit einem Taxi aus Vertrauensschutzgründen zulässig

Der Berechtigte müsste ein schutzwürdiges Vertrauen darauf haben, dass er trotz höherer Kosten mit einem Taxi anreisen darf.

Ausnahmsweise sind über die Regelungen des § 5 Abs. 3 JVEG hinaus, die für eine Erstattung von Taxikosten die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit der Taxibenutzung voraussetzen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten die Kosten einer - nicht notwendigen oder unwirtschaftlichen - Reise mit einem Taxi zu erstatten. Davon ist dann auszugehen, wenn der Berechtigte aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er mit einem Taxi reisen darf. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat. In Betracht kommt hier insbesondere die vor der Reise ausgesprochene Zustimmung durch den in der Hauptsache zuständigen Richter. In einem solchen Fall ist für den Berechtigten ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihn - unabhängig von der objektiven Erforderlichkeit oder Wirtschaftlichkeit - zur Benutzung eines Taxis auf Staatskosten berechtigt. Gleichzustellen der vor der Reise erteilten Zustimmung ist die (nachträglich erfolgte) Genehmigung durch den Hauptsacherichter, die dieser jederzeit, z. B. auf Nachfrage des Kostenbeamten, aussprechen kann und bei der er die von ihm gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke vom Berechtigten, z. B. bei der mündlichen Verhandlung, verwerten kann.“

Im vorliegenden Fall ist eine (volle) Erstattung der Taxikosten unter keinem Gesichtspunkt angezeigt:

4.1.2.1.1. Mögliche Reise mit einem alternativen - hier: öffentlichen, regelmäßig verkehrenden - Verkehrsmittel oder zu Fuß

Dem Antragsteller wäre es durchaus möglich und zumutbar gewesen, vom Ort der Begutachtung zum Hauptbahnhof zu Fuß (Gehstrecke lt. Routenplaner Falk: 981 m) oder mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln anzureisen. Medizinische Gründe sprechen nicht dagegen.

Auch eine fehlende Ortskundigkeit würde keine Rechtfertigung dafür geben, auf Staatskosten in A-Stadt ein Taxi in Anspruch zu nehmen (vgl. Beschluss des Senats vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13). Es ist einem Beteiligten am gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zumutbar, sich die Orientierung auch an einem ihm unbekannten Ort zu verschaffen und nicht der Bequemlichkeit halber auf ein Taxi zurückzugreifen.

Der Antragsteller kann auch nicht geltend machen, dass die Rückfahrt mit dem Taxi zum Bahnhof „aus Zeitgründen notwendig“ gewesen sei und daher eine objektive Notwendigkeit der Taxibenutzung bestanden habe. Mit dem Aspekt der Notwendigkeit einer Taxibenutzung hat sich der Senat bereits im Beschluss vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13, ausführlich beschäftigt und ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Argument des Zeitdrucks zwar grundsätzlich geeignet ist, eine objektive Notwendigkeit einer Taxibenutzung zu begründen, dies aber jedenfalls dann ausgeschlossen ist, wenn „der Zeitdruck allein durch das Verhalten des Antragstellers entstanden ist. Eine objektiv durch Zeitdruck begründete und unverschuldete Notwendigkeit für die Taxibenutzung kommt zudem nur dann in Betracht, wenn es sich um eine Fahrt vor dem gerichtlich angesetzten Termin handelt. Denn die Begründung dafür, dass eine Taxibenutzung aus Zeitgründen (auch kostenrechtlich) geboten sein kann, ist darin zu finden, dass die rechtzeitige Wahrnehmung des gerichtlich angesetzten Termins auch und gerade im Interesse des Gerichts liegt (vgl. den ähnlichen Gesichtspunkt bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Dauer der zu entschädigen Zeit: Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14). Diese Überlegungen des Senats, wie sie auch im Beschluss vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13, zum Ausdruck gekommen sind, gelten in gleicher Weise, wenn statt dem Gerichtstermin ein Begutachtungstermin betroffen ist. Denn auch hier besteht nicht nur zur Sicherstellung der vom Gericht angeordneten Begutachtung durch Einhaltung der zeitlichen Vorgaben des Sachverständigen ein gesteigertes gerichtliches Interesse daran, dass der Begutachtungstermin pünktlich eingehalten wird, sondern auch deshalb, weil ein Sachverständiger dem Gericht eine Wartezeit auf den einbestellten zu Begutachtenden als erforderliche „Wartezeit“ im Sinn des § 5 Abs. 2 Satz 1 JVEG in Rechnung stellen könnte.

4.1.2.1.2. Gesamtkostenvergleich der Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln und der vom Antragsteller gewählten Reise mit einem Taxi

Eine Fahrt des Antragstellers mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln - dass es dem Antragssteller nach seinen eigenen Angaben durchaus möglich gewesen wäre, zu Fuß zum Bahnhof zugehen, kann dahingestellt bleiben - wäre offenkundig, ohne dass dies einer Berechnung im Detail bedürfte, mit geringeren Fahrtosten als den vom Kläger geltend gemachten Kosten für die Taxibenutzung von 7,10 € verbunden gewesen. Auch wenn zugunsten des Antragstellers unterstellt wird, dass er mit dem Taxi einen Zug früher erreicht hätte, ergibt sich aus dieser potentiellen Zeitersparnis durch die Taxibenutzung keine Kosteneinsparung an anderer Stelle. Denn der Antragsteller hat weder einen Verdienstausfall noch eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis (dazu vgl. unten Ziff. 4.3.) geltend gemacht hat, so dass eine frühere Ankunft zu Hause keine Reduzierung seines Entschädigungsanspruchs an anderer Stelle bewirkt hätte. Im Übrigen wäre es ihm auch bei Benutzung des nächst späteren Zugs möglich und zumutbar gewesen, noch am selben Tag nach Hause zu reisen. Die Taxibenutzung war daher nicht aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten angezeigt.

4.1.2.1.3. Vertrauensschutzgesichtspunkte

Einen Vertrauensschutz hat der Antragsteller nicht geltend gemacht; es ist dafür auch kein Anhaltspunkt ersichtlich. Eine richterliche Genehmigung der Fahrt mit dem Taxi ist weder vor noch nach der Fahrt erfolgt.

4.1.2.2. Keine anteilige Erstattung der angefallenen Taxikosten bis zu der Höhe, in der bei einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln Kosten angefallen wären.

Der Gesetzgeber hat keine Regelung geschaffen, die eine anteilige Erstattung tatsächlich angefallener, aber nicht erforderlicher Kosten bis zur maximal erstattungsfähigen Höhe, d. h. bei der im Rahmen des § 5 Abs. 1 und 2 JVEG kostenaufwändigsten noch erstattungsfähigen Anreise, vorsehen würde. § 5 Abs. 3 JVEG ist dahingehend zu verstehen, dass eine Berücksichtigung höherer als in § 5 Abs. 1 und 2 JVEG bezeichneter Fahrtkosten aus wirtschaftlichen Gründen nur dann möglich ist, wenn der Gesamtvergleich ergibt, dass die gewählte Reiseart insgesamt günstiger (oder zumindest nicht teurer) ist (vgl. die ausführlichen Erläuterungen im Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12). Ist dies nicht der Fall, ergeben sich die zu erstattenden Kosten bei der Benutzung eines Taxis ausschließlich aus den Vorgaben des § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG, d. h. es sind nur Fahrtkosten bei Zugrundelegung der Kilometerpauschale des § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG zu erstatten sind. Eine Erstattung der angefallenen Kosten bis zu der Höhe, in der sie auch bei einer Reise mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Verkehrsmitteln insgesamt angefallen wären, ermöglicht § 5 Abs. 3 JVEG nicht.

4.1.2.3. Entschädigung für die mit dem Taxi zurückgelegte Fahrtstrecke

Es ist daher nur eine Entschädigung für die gefahrene Fahrtstrecke gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG zu gewähren.

Die zugrunde zu legende Fahrtstrecke ist in der gleichen Art und Weise zu ermitteln wie auch sonst die objektiv erforderliche Fahrtstrecke bei Benutzung des Kraftfahrzeugs. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind, wobei weitere Ausnahmen dann zu akzeptieren sind, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (z. B. Unzumutbarkeit der kürzesten bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12). Die Ermittlungen zur Streckenlänge können unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13).

Bei einer Fahrtstrecke (die länger ist als die sich aus der Routenplanerauskunft ergebende Gehstrecke) von 1,4 bis 1,8 km für die schnellste Strecke (Auskunft aus dem Routenplaner Falk) sind dies 0,50 €. Einen für die Entschädigung erforderlichen Mindestweg im Sinn einer entschädigungsfreien Geringfügigkeitsgrenze, die einer Entschädigung entgegen stehen würde, ist den gesetzlichen Regelungen des JVEG fremd (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 5 JVEG, Rdnr. 11).

Darüber hinausgehende Kosten sind nicht erstattungsfähig.

4.2. Übernachtungs- bzw. Hotelkosten

Dem Antragssteller ist (antragsgemäß) ein Übernachtungsgeld in Höhe von 106,- € (ohne Frühstück - dazu siehe unten Ziff. 4.3.) zu gewähren.

4.2.1. Allgemeines zu Übernachtungskosten

Ist eine auswärtige Übernachtung notwendig, wird gemäß § 6 Abs. 2 JVEG ein Übernachtungsgeld nach den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) gewährt. Die Übernachtungskosten sind als die reinen Kosten der Übernachtung zu verstehen. Ein etwaiges von den Kosten mitumfasstes Essen (insbesondere Frühstück) zählt nicht zu den Übernachtungskosten im Sinn des § 7 BRKG; der diesbezügliche Kostenanteil ist herauszurechnen (vgl. Hartmann, a. a. O., § 6 JVEG, Rdnr. 7; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 6, Rdnr. 4) und im Rahmen der Gewährung von Tagesgeld (vgl. dazu unten Ziff. 4.3.) zu berücksichtigen.

§ 7 Abs. 1 BRKG bestimmt in der zum Zeitpunkt der Begutachtung maßgeblichen Fassung Folgendes:

„§ 7 Übernachtungsgeld

(1) Für eine notwendige Übernachtung erhalten Dienstreisende pauschal 20 Euro. Höhere Übernachtungskosten werden erstattet, soweit sie notwendig sind.

(2) Übernachtungsgeld wird nicht gewährt

1. für die Dauer der Benutzung von Beförderungsmitteln,

2. bei Dienstreisen am oder zum Wohnort für die Dauer des Aufenthalts an diesem Ort,

3. bei unentgeltlicher Bereitstellung einer Unterkunft des Amtes wegen, auch wenn diese Unterkunft ohne triftigen Grund nicht genutzt wird, und

4. in den Fällen, in denen das Entgelt für die Unterkunft in den erstattungsfähigen Fahrt- oder sonstigen Kosten enthalten ist, es sei denn, dass eine Übernachtung aufgrund einer zu frühen Ankunft am Geschäftsort oder einer zu späten Abfahrt von diesem zusätzlich erforderlich wird.“

Voraussetzung für die Gewährung von Übernachtungsgeld ist daher zunächst die Notwendigkeit der Übernachtung. Zudem muss, wenn die geltend gemachten (reinen, d. h. ohne Kostenanteil für Essen) Übernachtungskosten 20,- € (pro Nacht) übersteigen, die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten nachgewiesen sein. Es kann insofern von einer doppelten Notwendigkeitsprüfung (einerseits die Notwendigkeit der Übernachtung, andererseits die Notwendigkeit der tatsächlich entstandenen Kosten) gesprochen werden, wie sie ähnlich auch bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer Begleitperson durchzuführen ist (vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E - m. w. N.).

4.2.1.1. Notwendigkeit einer Übernachtung an sich bzw. andere Berücksichtigungsgründe

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats zu kostenerhöhenden Faktoren, so zur Erstattung von Kosten einer Begleitperson (vgl. Beschlüsse vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E), zu einer weiteren Anreise (vgl. Beschluss des Senats vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E) und zu Taxikosten (vgl. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12), kommt die Erstattung von Übernachtungskosten, wenn nicht schon eine objektive Notwendigkeit zu bejahen ist, auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten und Wirtschaftlichkeitsüberlegungen in Betracht, wobei sich letzteres hier wohl auf ganz besondere Einzelfälle beschränken dürfte.

4.2.1.1.1. Berücksichtigung wegen Notwendigkeit einer Übernachtung

Die Notwendigkeit der Übernachtung ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung - nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. die Rspr. des Senat zur objektiven Notwendigkeit unter verschiedenen Gesichtspunkten - zur Begleitung: Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B; zur Fahrtstrecke: Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12, und zur Dauer der zu entschädigenden Zeit: Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11; zu den Kosten einer Begleitung: Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E). Dabei ist auch der haushaltsrechtliche Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (in Bayern: Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung), der im Bereich des gesamten Kostenrechts, also auch der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten, ehrenamtlichen Richtern und Beteiligten gilt, und das daraus resultierende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05; Landgericht Meiningen, Beschluss vom 01.09.2009, Az.: 2 Qs 138/09; Hartmann, a. a. O., § 5 JVEG, Rdnr. 2) zu beachten (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E).

Die Frage der Notwendigkeit bzw. Erforderlichkeit ist eine Tatfrage und im Zweifelsfall vom Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschlüsse des Senats vom 20.07.2009, Az.: L 15 SF 152/09, vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E; Thüringer LSG, Beschluss vom 02.04.2007, Az.: L 6 B 116/06 SF; vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 7, Rdnr. 15).

Die Notwendigkeit muss, den allgemeinen Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren folgend, im Vollbeweis nachgewiesen sein. Vollbeweis bedeutet, dass die erforderlichen Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein müssen (vgl. Urteil des Senats vom 20.05.2014, Az.: L 15 VK 13/10; Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Dies bedeutet, dass kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, B 9 VG 3/99 R). Beweiserleichterungen enthält das JVEG nicht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).

Von einer objektiven Notwendigkeit ist dann auszugehen, wenn dem Beteiligten die An- bzw. Rückreise zu dem gerichtlich angeordneten Termin nicht am selben Tag mehr möglich im Sinn von zumutbar ist.

Bei der Bestimmung des Zumutbaren orientiert sich der Senat an den Vollzugsvorschriften zum BRKG. So gibt Ziff. 3.1.4. Satz 1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesreisekostengesetz (BRKGVwV) des Bundesministerium des Innern vom 01.06.2005, Az.: D I 5 - 222 101 - 1/16, Folgendes vor:

„Grundsätzlich sollen Dienstreisen nicht vor 6 Uhr anzutreten und nicht nach 24 Uhr zu beenden sein.“

Zwar haben derartige Vollzughinweise mangels Gesetzeskraft für die richterliche Rechtsanwendung keine Bindung. Gleichwohl lassen sich daraus Auslegungshilfen bei unbestimmten Rechtsbegriffen ableiten.

Bei der Frage der objektiven Notwendigkeit einer Übernachtung hält es der Senat grundsätzlich für angezeigt, dem aufgezeigten Maßstab der BRKGVwV zu folgen, sofern sich nicht aufgrund des besonderen Personenkreises der von sozialgerichtlichen Verfahren oft betroffenen behinderten Menschen die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung ergibt. Wenn es sich bei dem Beteiligten aufdrängt, dass von ihm die zeitlichen Vorgaben in den BRKGVwV (Anreise nicht vor 6.00 Uhr, Rückkehr nicht nach 24.00 Uhr), die auf einen berufstätigen Menschen zugeschnitten sind, aus gesundheitlichen Gründen nicht oder nur schlecht erfüllt werden können, kann Anlass bestehen, über eine für den Beteiligten „großzügigere“ Regelung nachzudenken. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit dürfen die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter dabei aber nicht überspannt werden (Leitgedanke der Rechtsprechung des Kostensenats vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, und vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12).

4.2.1.1.2. Berücksichtigung aus Wirtschaftlichkeitsgründen

Dass sich bei einem Gesamtkostenvergleich durch eine Übernachtung eine Einsparung ergeben könnte, ist mehr theoretischer Natur. Denkbar wäre eine Einsparung allenfalls dann, wenn durch die nicht objektiv erforderliche Anreise am Vortag eine Einsparung bei den Reisekosten (z. B. durch eine kostenfreie Mitfahrt, die am Tag des gerichtlich angeordneten Termins nicht möglich wäre) erzielt werden könnte.

4.2.1.1.3. Berücksichtigung aus Vertrauensschutzgründen

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschlüsse vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E - zu den Kosten einer Begleitperson, vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E - zur Anreise von einem weiter entfernt liegenden Ort; vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12 - zu Taxikosten) ist ein Umstand, der isoliert betrachtet zusätzliche oder höhere Kosten verursacht, ausnahmsweise über die Regelungen des JVEG hinaus, die die objektive Notwendigkeit oder Wirtschaftlichkeit dieses Umstands voraussetzen, aus Vertrauensschutzgesichtspunkten kostenrechtlich beachtlich. Dies ist dann der Fall, wenn der Betroffene aufgrund des allgemeinen rechtsbereichsübergreifenden Grundsatzes von Treu und Glauben ein schutzwürdiges Vertrauen darauf hat, dass er in Begleitung anreisen durfte. Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich das Gericht daher zurechnen lassen muss.

In Betracht kommt hier insbesondere die vor der Reise ausgesprochene Zustimmung durch den in der Hauptsache zuständigen Richter. In einem solchen Fall ist für den Berechtigten ein Vertrauenstatbestand geschaffen, der ihn - unabhängig von der objektiven Erforderlichkeit oder Wirtschaftlichkeit - zur Übernachtung auf Staatskosten berechtigt. Gleichzustellen der vor der Reise erteilten Zustimmung ist die (nachträglich erfolgte) Genehmigung durch den Hauptsacherichter, die dieser jederzeit, z. B. auf Nachfrage des Kostenbeamten, aussprechen kann und bei der er die von ihm gewonnenen Erkenntnisse und Eindrücke vom Berechtigten, z. B. bei der mündlichen Verhandlung, verwerten kann.

4.2.1.2. Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten bzw. andere Berücksichtigungsgründe

Die Frage der Berücksichtigung der entstandenen Übernachtungskosten folgt den gleichen Maßstäben wie die Beurteilung der Übernachtung an sich (vgl. oben Ziff. 4.2.1.1.). D. h., dass eine Erstattung der Kosten in der Höhe zu erfolgen hat, wie sie entweder objektiv notwendig oder aus Wirtschaftlichkeitsgründen angezeigt oder von einem schutzwürdigen Vertrauen des Berechtigten abgedeckt waren.

4.2.1.2.1. Berücksichtigung wegen Notwendigkeit der Kosten

Die Notwendigkeit der Kosten ist - wie auch sonst bei der Bemessung der Entschädigung - nach objektiven Kriterien zu ermitteln (vgl. oben Ziff. 4.2.1.1.1.).

Bei der Bestimmung des Notwendigkeit orientiert sich der Senat, wenngleich mit noch größerer Zurückhaltung als bei der Frage der objektiven Notwendigkeit einer Übernachtung (vgl. oben Ziff. 4.2.1.1.1.), an den BRKGVwV, die in Ziff. 7.1.3. Satz 1 und 2 Folgendes vorgeben:

„Übernachtungskosten sind als notwendig anzusehen, wenn ein Betrag von 60 Euro nicht überschritten wird. Übersteigen die Übernachtungskosten diesen Betrag, ist deren Notwendigkeit im Einzelfall zu begründen.“

Diese größere Zurückhaltung begründet sich damit, dass der in den BRKGVwV als notwendig fingierte Betrag von 60,- € für eine Übernachtung auf bundesweiten Durchschnittszahlen beruht und die regionalen Gegebenheiten weitgehend unberücksichtigt lässt. So kann es in A-Stadt durchaus nicht unerhebliche Probleme bereiten, eine zumutbare Hotelübernachtung im Einzelzimmer zu diesem Preis zu erhalten. Der Senat ist daher der Ansicht, dass nicht automatisch bei einer Überschreitung des Betrags von 60,- € vom Berechtigten der Nachweis zu führen ist, dass die Mehrkosten notwendig waren, zumal dieser Nachweis angesichts des maßgeblichen Beweismaßstabs des Vollbeweises meist nur mit größtem Aufwand zu führen sein dürfte. Im Sinn der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität im Bereich des Vollzugs des Kostenrechts ist es daher für den Kostenbeamten und den Kostenrichter angezeigt, sich für den jeweiligen Übernachtungsort einen groben Überblick über die Übernachtungskosten zu verschaffen. Nur dann, wenn die geltend gemachten Übernachtungskosten deutlich die zu erwartenden Kosten übersteigen, stellt sich die Frage, inwieweit die unerwartet hohen Kosten objektiv notwendig waren. Aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit dürfen weder bei der Verschaffung des groben Überblicks über die Übernachtungskosten als auch bei der gegebenenfalls durchzuführenden Prüfung der Notwendigkeit der das zu Erwartende übersteigenden Kosten die Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter überspannt werden.

Sofern die Entscheidung des Senats vom 12.05.2009, Az.: L 15 SF 109/09 E, dahingehend verstanden werden könnte, dass in jedem Fall einer Überschreitung der Übernachtungskosten von 60,- € der Nachweis zu führen sei, dass keine günstigere Übernachtungsmöglichkeit bestanden habe, hält der Senat diese Rechtsprechung in ihrer Pauschalität nicht mehr aufrecht. Sie würde die Prüfpflichten von Kostenbeamten und Kostenrichter überspannen und jedenfalls bei vergleichsweise teuren Städten wie A-Stadt heute im Widerspruch zur Lebenswirklichkeit stehen.

4.2.1.2.2. Berücksichtigung aus Wirtschaftlichkeitsgründen

Dieser Gesichtspunkt dürfte wegen der vergleichsweise geringen Prüfpflichten bei der Notwendigkeit der Kosten (vgl. oben Ziff. 4.2.1.2.1.) praktisch nicht von Bedeutung werden.

4.2.1.2.3. Berücksichtigung aus Vertrauensschutzgründen

Dabei kann nur ein Vertrauenstatbestand relevant sein kann, den das Gericht oder eine ihm zuzurechnende Person gesetzt hat und den sich das Gericht daher zurechnen lassen muss (vgl. oben Ziff. 4.2.1.1.3.).

4.2.1.3. Nachweis der Kosten

Der Nachweis der entstandenen Übernachtungskosten ist nur dann verzichtbar, wenn die geltend gemachten Übernachtungskosten den Betrag von 20,- € nicht übersteigen.

Wenn das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in jedem Fall, also auch bei Geltendmachung nur der Pauschale von 20,- €, den Nachweis der entstandenen Kosten verlangt und dazu im Beschluss vom 12.03.2012, Az.: 9 KSt 6/11, 9 KSt 6/11 (9 A 13/09), ausgeführt hat

„Weitere Übernachtungskosten kann der Kläger zu 1 nicht erstattet bekommen. Die von ihm zuletzt noch für die Übernachtung vom 10. auf den 11. November 2010 geltend gemachte Übernachtungspauschale in Höhe von 20 € steht ihm nicht zu. Die Pauschale nach § 6 Abs. 2 JVEG i. V. m. § 7 Abs. 1 Satz 1 BRKG wird nur gewährt, wenn dem Betroffenen überhaupt Übernachtungskosten entstanden sind (vgl. Meyer/Höver/Bach, JVEG, 25. Aufl. 2011 § 6 Rn. 6.5). Solche hat der Kläger zu 1 auch im Erinnerungsverfahren nicht glaubhaft gemacht. Er hat weder eine Hotelrechnung für die Übernachtung vorgelegt, noch auch nur angegeben, in welchem Hotel die Übernachtung stattgefunden haben soll.“,

was auch der Ansicht von Meyer/Höver/Bach/Oberlack (vgl. a. a. O., § 6, Rdnr. 4) entspricht, kann sich der Senat dem aus folgenden Gründen nicht anschließen:

* Schon der Wortlaut des § 7 Abs. 1 BRKG lässt klar erkennen, dass es, sofern nicht höhere Kosten als von 20,- € geltend gemacht werden, nicht darauf ankommt, dass tatsächlich nachweisbare Kosten entstanden sind.

Hätte der Gesetzgeber die Gewährung von Übernachtungsgeld an das Entstehen konkret nachzuweisender Kosten anknüpfen wollen, hätte er dies entsprechend zum Ausdruck bringen müssen, wie er dies in anderen Regelungen auch getan hat. So hat er z. B. in § 5 Abs. 1 JVEG durch die Formulierung „tatsächlich entstandenen Auslagen“ und in § 7 Abs. 1 JVEG durch „bare Auslagen“ zum Ausdruck gebracht, dass nur tatsächlich entstandene und nachgewiesene Kosten ersetzt werden können. In § 7 Abs. 1 BRKG hätte er beispielweise statt „Für eine notwendige Übernachtung...“ formulieren müssen: „Zum Ersatz der Kosten einer notwendigen Übernachtung ...“. Dies hat er aber nicht getan.

Eine erweiternde Auslegung im Sinn des o. g. Beschlusses des BVerwG hält der Senat angesichts des klaren gesetzlichen Wortlauts nicht für möglich. Sollte hier ein Änderungsbedarf bestehen, den der Senat nicht erkennen kann, wäre es Sache des Gesetzgebers, hier korrigierend einzugreifen. Den Gerichten wäre eine solche Korrektur versagt, da sie sich damit zum Gesetzgeber aufschwingen und gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 GG verstoßen würden.

* Es ist zwar oft so, dass nach dem JVEG zu entschädigende Kosten im Vollbeweis nachzuweisen sind; ein elementares und allumfassend geltendes Prinzip des JVEG ist dies aber nicht.

Zwar sieht das JVEG keine Erstattung fiktiver Kosten vor (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschlüsse vom 18.06.2012, Az.: L 15 SF 307/11, und vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B). Gleichwohl geht der Gesetzgeber an diversen Stellen davon aus, dass Kosten entstanden und daher zu entschädigen sind, ohne dass die Kosten konkret nachzuweisen wären. Beispielhaft nennt der Senat hier die Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 16 JVEG und für Nachteile bei der Haushaltsführung gemäß § 17 JVEG. In beiden Fällen ist eine Bezifferung eines entstandenen Schadens infolge des gerichtlich angeordneten Termins unmöglich, weil mit diesen Entschädigungstatbeständen letztlich immaterielle Nachteile ausgeglichen werden. Auch die Entschädigung zum Ersatz von Fahrtkosten bei Benutzung eines Kfz gemäß § 5 Abs. 2 JVEG zeigt deutlich, dass die konkrete Höhe der entstandenen wirtschaftlichen Nachteile für den Berechtigten kein maßgebliches Kriterium des Gesetzgebers war. Denn anders ist es nicht zu erklären, dass bei der Entschädigung nicht danach differenziert wird, ob der Berechtigte mit dem eigenen Auto anreist - hierbei entstehen diverse Kosten in Form von Treibstoffkosten, Abnutzung usw. - oder mit einem unentgeltlich zu Verfügung gestellten Kraftfahrzeug - dabei entstehen allenfalls Treibstoffkosten, ohne dass dies der Gesetzgeber vorausgesetzt hätte; in beiden Fällen ist pro gefahrenem Kilometer der selbe Betrag zu entschädigen.

* Meyer/Höver/Bach/Oberlack ist auch entgegen zu halten, dass sie selbst bei der vergleichbaren Regelung zum Tagegeld - auch hier gibt das JVEG durch die Verweisung auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) eine Pauschalierung vor - einen Nachweis über die durch die Terminswahrnehmung verursachten Aufwendungen als in der Regel nicht erforderlich ansehen und dies mit der praktischen Unmöglichkeit der Nachweisführung begründen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 6, Rdnr. 3). Ihre Argumentation bezüglich des Tagegelds einerseits und der Übernachtungskosten andererseits widerspricht sich, obwohl die gesetzlichen Regelungen gleichlaufend sind. Auch der Hinweis auf eine „praktisch unmögliche“ Nachweisführung kann nicht überzeugen, da es einem Berechtigten durchaus möglich ist, die wenigen Belege zu sammeln, mit denen der erhöhte Aufwand, der sich im Regelfall in den Zehrkosten erschöpft, nachgewiesen werden kann. Von einer praktischen Unmöglichkeit zu sprechen, verbietet sich hier für den Senat, wobei auch nach der Ansicht des Senats - darauf wird nur klarstellend hingewiesen - der Verzicht eines Nachweises der entstandenen Kosten systemkonform ist, dann aber auch für die Übernachtungskosten zu gelten hat.

* Nach der gesetzlichen Systematik des § 7 BRKG ist lediglich unter bestimmten, vom Gesetzgeber explizit und abschließend aufgezählten Voraussetzungen ein Anspruch auf Übernachtungsgeld ausgeschlossen.

Dies ergibt sich für den Senat zweifelsfrei schon aus dem Wortlaut des Gesetzes, wenn in § 7 Abs. 2 BRKG die Ausschlussgründe für die Gewährung von Übernachtungsgeld abschließend, also nicht als Regelbeispiele, aufgezählt werden.

Einer erweiternden Auslegung der Ausschlussgründe stehen die gleichen Gründe wie im vorgenannten Spiegelstrich entgegen. Eine Änderung der gesetzlichen Vorgabe könnte beispielsweise durch die Einfügung des Wortes „insbesondere“ vor den Worten „nicht gewährt“, wobei sich dann für den Senat die Frage stellen würde, ob eine Vergleichbarkeit der Zurverfügungstellung einer kostenfreien dienstlichen Unterkunft mit der einer kostenfreien privaten Übernachtungsmöglichkeit überhaupt gegeben ist. Diese Änderung könnte aber nur der Gesetzgeber, nicht aber das Gericht im Weg der Auslegung vornehmen.

* Der Gesetzgeber hat mit der Pauschalierung in § 7 Abs. 1 BRKG eine Regelung getroffen, bei der dem Grundsatz der Verwaltungsvereinfachung fiskalisch vertretbar Rechnung getragen worden ist.

Um den Verwaltungsaufwand bei der Reisekostenerstattung gering zu halten, soll nach der gesetzgeberischen Intention in vergleichsweise kostengünstigen (Pauschale: 20,- €) und eher seltenen Fällen eine weitergehende Prüfung verzichtbar sein. Dieses Gebot würde konterkariert, wenn auch dann, wenn nur die Übernachtungsgeldpauschale geltend gemacht wird, eine dezidierte Nachprüfung der entstandenen Kosten erfolgen müsste. Der Senat kann es sich nicht vorstellen, dass der Gesetzgeber eine derartige Prüfung gewünscht hätte und gleichzeitig eine Pauschalierung auf geringem Niveau einführt. Denn mit einer derartigen Prüfpflicht würde jegliche Verwaltungsvereinfachung wieder zunichte gemacht; ein Grund, dann noch einen Pauschalbetrag zu erstatten, ist nicht ersichtlich.

* Würde der Nachweis tatsächlich entstandener Kosten verlangt, würde dies zu schwer zu rechtfertigenden Entscheidungen führen.

Würde - wie dies das BVerwG tut - davon ausgegangen, dass beim Nachweis auch nur der geringsten Übernachtungskosten die pauschalierende Regelung des § 7 Abs. 1 BRKG zur Anwendung käme, hätte dies zur Folge, dass beispielsweise bei nachgewiesenen Übernachtungskosten von 1,- € die Pauschale von 20,- € - dies ist die gesetzlich angeordnete Rechtsfolge in § 7 Abs. 1 BRKG - zustehen würde, bei nicht nachweisbaren Kosten aber überhaupt kein Übernachtungsgeld gezahlt würde. Dass ein derartiges Ergebnis unter Berücksichtigung des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 GG schwerlich vertretbar ist, bedarf keiner weiteren Erläuterungen.

* Dass der Gesetzgeber bei der Einführung von Regelungen mit Pauschalierung auf den konkreten Nachweis tatsächlich entstandener Kosten verzichtet, um nicht die mit der Pauschalierung einhergehende Verwaltungsvereinfachung zu konterkarieren, ist gerade im Kostenrecht nicht ungebräuchlich.

So geht der Senat beispielsweise auch bei der Regelung in § 5 Abs. 2 Satz 1 JVEG, soweit die Benutzung eines unentgeltlich überlassenen Kraftfahrzeugs im Raum steht, davon aus, dass für eine Entschädigung nicht der Nachweis tatsächlich entstandener Kosten zu führen ist und die Entschädigung davon abhängt, dass der nach dem JVEG Berechtigte auch tatsächlich Aufwendungen gehabt hat. Sofern Meyer/Höver/Bach/Oberlack (vgl. a. a. O., § 5, Rdnr. 17) dazu die Ansicht vertreten, dass eine Entschädigung dann ausgeschlossen sei, wenn dem Berechtigte überhaupt keine Aufwendungen erwachsen seien, kann der Senat dem nicht folgen. Für eine solche, höhere Anforderungen aufstellende Auslegung bietet das JVEG keinen Raum. Anders als bei der Benutzung eines Kraftfahrzeug, das weder ein eigenes oder ein unentgeltlich überlassenes darstellt, bei der nach § 5 Abs. 2 Satz 3 JVEG nur „die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der in Satz 1 genannten Fahrtkosten ersetzt“ werden, hat der Gesetzgeber bei der Benutzung eines eigenen genauso wie bei der eines unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs nicht auf die tatsächlich entstandenen Kosten abgestellt, sondern arbeitet mit der unwiderleglichen Fiktion, dass tatsächlich Kosten entstanden sind (§ 5 Abs. 2 Satz 1 JVEG: „... werden ... für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt“). Ob dem Berechtigten tatsächlich Kosten entstanden sind, ist daher unerheblich (vgl. auch Hartmann, a. a. O., § 5 JVEG, Rdnr. 11 - m. w. N.).

Eine andere Auslegung würde auch dem bereits oben (vgl. Ziff. 4.2.1.1.1.) dargestellten Leitgedanken der Rechtsprechung des Kostensenats (keine überspannten Prüfpflichten aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit) widersprechen.

* Diese Auslegung findet auch in den BRKGVwV ihre Bestätigung.

Auch wenn derartige Vollzughinweise für die richterliche Rechtsanwendung nicht bindend sind (vgl. oben Ziff. 4.2.1.1.1.), zeigt sich hier, dass die vom Senat vertretene Auslegung nicht nur rechtskonform, sondern auch praxisgerecht ist. So gibt Ziff. 7.1.1. der BRKGVwV Folgendes vor:

„Übernachtungsgeld wird entweder pauschal gewährt, wenn keine oder geringere Kosten als 20 Euro entstanden sind (§ 7 Abs. 1 Satz 1)...“

Nach den BRKGVwV sind daher selbst dann pauschal 20,- € für die Übernachtung zu entschädigen, wenn überhaupt keine Kosten entstanden sind.

4.2.2. Übernachtungskosten im hier zu entscheidenden Fall

Dem Antragsteller sind die reinen Übernachtungskosten in Höhe von 106,- € in voller Höhe zu erstatten.

4.2.2.1. Notwendigkeit einer Übernachtung an sich bzw. andere Berücksichtigungsgründe

Die Übernachtung in A-Stadt war infolge des früh angesetzten Begutachtungstermins um 8.15 Uhr objektiv notwendig.

Wie sich aus der Fahrplanauskunft der Bahn ergibt, wäre der Antragsteller, hätte er den Zug in A-Stadt um 6.07 Uhr genommen, um 7.42 Uhr in A-Stadt am Hauptbahnhof gewesen. Anschließend hätte er noch ca. 15 Minuten zu Fuß zum Gutachter gehen müssen; auch öffentliche Verkehrsmittel wären nicht schneller gewesen.

Eine derartige, zeitlich eng geplante Anreise war dem Antragsteller aus zwei Gründen nicht zumutbar:

* Ganz abgesehen davon, dass eine Zugabfahrt um 6.07 Uhr grenzwertig nahe an der frühest zumutbaren Abreisezeit nach den BRKGVwV (6.00 Uhr) liegt, ist auch die Zeit für den Weg zum Bahnhof (lt. Routenplaner 9 Minuten) einzuberechnen. Damit hätte der Antragsteller seine Wohnung schon kurz vor 6.00 Uhr verlassen müssen. Dies ist nicht mehr zumutbar.

* Eine Anreise mit einer derart knappen Ankunft beim Gutachter - bei optimalem Verlauf ca. 15 Minuten vor Beginn der angesetzten Begutachtung - hätte dem Antragsteller nicht zugemutet werden können. Bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zum Zeitpolster bei der Anreise zum Gericht bzw. Gutachter (vgl. Beschlüsse vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 15.05.2014, Az.: L 15 SF 118/14) hätte der Antragsteller zumindest mit dem Zug zuvor (Abfahrt in A-Stadt um 5.24 Uhr) früher losfahren dürfen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob auch dies nicht noch etwas knapp kalkuliert gewesen wäre. Dessen Abfahrtszeit liegt aber nicht mehr im zumutbaren Zeitrahmen ab 6.00 Uhr.

Der Antragsteller durfte daher zweifellos bereits am Vortag nach A-Stadt anreisen.

4.2.2.2. Nachgewiesene Kosten von über 20,- €

Der Antragsteller hat eine Hotelrechnung über 106,- € für die reinen Übernachtungskosten vorgelegt.

4.2.2.3. Notwendigkeit der geltend gemachten Kosten bzw. andere Berücksichtigungsgründe

Die geltend gemachten Kosten von 106,- € sind noch als objektiv notwendig zu betrachten.

Zwar erscheinen die Kosten auf den ersten Blick auch aus der Erfahrung des Senats zu den A-Stadt Hotelkosten eher etwas überdurchschnittlich hoch. Angesichts der vergleichsweise geringen Prüfpflichten des Senats, der Tatsache, dass der Antragsteller aufgrund des frühen Beginns der Begutachtung in der Klinik auf eine kliniknahe Unterbringung angewiesen war und die Kosten von den Erfahrungswerten des Senats für die Großstadt A-Stadt nicht erheblich nach oben abweichen, hält der Senat 106,- € für noch objektiv notwendig. Dies gilt insbesondere in Anbetracht von Urlaubszeit und der wegen der bereits für 8.15 Uhr angesetzten Begutachtung gebotenen Kliniknähe des Hotels.

Dahingestellt bleiben kann, ob der Antragsteller sich für das gewählte Hotel möglicherweise aufgrund einer Empfehlung des Sachverständigen entschieden hat, was einen Vertrauenstatbestand begründen könnte.

4.2.3. Tagegeld

Es ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld) gemäß § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von insgesamt 18,- € zu gewähren.

4.2.4. Allgemeines

Mit dem Tagegeld werden pauschaliert die weiteren Kosten abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheitszeit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere die Kosten für Verpflegung. Zehr- oder Verpflegungskosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig waren. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG wird deutlich, wann und in welcher Höhe Verpflegungskosten in Form einer Zehrkostenpauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer auf an den Kalendertag bezogenen Abwesenheit von mindestens 8 bis unter 14 Stunden gibt es nach der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c EStG im Jahr 2013 ein Tagegeld in Höhe von 6,- €, bei einer Abwesenheit von mindestens 14 bis unter 24 Stunden in Höhe von 12,- € und bei 24-stündiger Abwesenheit in Höhe von 24,- €.

Auf die tatsächlich entstandenen Kosten des Berechtigten kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung einer Pauschalierung nicht an (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 16.07.2012, Az.: L 15 SF 42/11), unabhängig davon, ob die tatsächlichen Kosten die Pauschale nicht erreichen oder übersteigen. Es ist deshalb und auch aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung die Führung des Nachweises, dass und in welcher Höhe Kosten entstanden sind, nicht erforderlich (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 6, Rdnr. 3; Thüringer LSG, Beschluss vom 30.10.2012, Az.: L 6 SF 1252/12 E).

4.2.5. Tagegeld im vorliegenden Fall

Dem Antragsteller steht für den 03.07.2013 ein Tagegeld in Höhe von 6,- € und für den 04.07.2013 von 12,- € zu.

Dass er ein Tagegeld geltend macht, ergibt sich zum einen daraus, dass er Verpflegungskosten in Höhe von 18,75 € geltend gemacht hat, zudem daraus, dass er eine Hotelrechnung vorgelegt hat, die auch Kosten für ein Frühstück enthält; derartige Kosten sind ein klassischer Fall des durch die längere Abwesenheitszeit von zu Hause erhöhten Aufwands.

Für den 03.07.2013 schließt der Senat aufgrund des auf der Fahrkarte aufgedruckten Kaufzeitpunkts um 16.05 Uhr darauf, dass der Kläger bei Berücksichtigung eines Fußwegs von der Wohnung bis zum Bahnhof von rund 10 Minuten (Auskunft des Routenplaners Falk) noch vor 16.00 Uhr seine Wohnung verlassen hat, um nach A-Stadt zu fahren. Bei einer Fahrtdauer von etwas unter 2 Stunden, dürfte seine Ankunft im Hotel in A-Stadt frühestens um 18.00 Uhr erfolgt sein. Eine derartige Ankunftszeit liegt im Rahmen des objektiv Notwendigen, so dass sich eine bei der Bemessung des Tagegelds zu berücksichtigende Dauer von etwas über 8 Stunden am 03.07.2013 ergibt.

Für den 04.07.2013 ist durch die Übernachtung und die anschließende bis 16.15 Uhr dauernde Begutachtung sowie die anschließende Heimfahrt eine Abwesenheitsdauer von mindestens 14, aber unter 24 Stunden begründet.

Dass dem Antragsteller seinen Angaben nach höhere Kosten - und zwar in Höhe von insgesamt 31,75 € (explizit die Verpflegungskosten in Höhe von 18,75 €, konkludent die Frühstückskosten aus der Hotelrechnung in Höhe von 13,- €) - entstanden sind, ist wegen der vom Gesetzgeber gewählten Pauschalierung unerheblich, da die die Pauschale übersteigenden tatsächlich entstandenen Kosten unbeachtlich sind.

4.3. Entschädigung für Zeitversäumnis

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG ist nicht zu leisten.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird - auch bei Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens - regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil entstanden ist.

Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem Beschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn dem Antragsteller „ersichtlich“ kein Nachteil entstanden ist, eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist dann auszugehen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschlüsse vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E, und vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d. h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter nicht zu.

Im vorliegenden Fall kann eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht erfolgen, da die gesetzliche Vermutung des § 20 letzter Halbsatz JVEG als widerlegt zu betrachten ist. Die Antragsteller hat in seinem Antragsschreiben vom 20.07.2013 nicht zu erkennen gegeben, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden wäre. Es gibt auch sonst nichts, was dem Gericht innerhalb der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG bekannt geworden wäre und das offensichtlich erkennbar (vgl. Beschluss des Senats vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12) auf eine Zeitversäumnis hindeuten könnte.

Dem Antragsteller ist daher für die Wahrnehmung der Untersuchungstermins am 04.07.2013 eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 154,50 € zu gewähren.

Der Kostensenat des Bayer. LSG trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Gründe

I.

Der beschwerdeführende Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) beanstandet die vom Sozialgericht festgesetzte Entschädigung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) für das Erscheinen bei einem Gerichtstermin als zu hoch. Streitig sind der Kostenersatz für ein Flugticket, die Entschädigung für Verdienstausfall und die Höhe des Tagesgelds.

In dem am Sozialgericht München (SG) unter dem Aktenzeichen S 15 R 27/08 geführten rentenrechtlichen Klageverfahren wurde die Antragstellerin und jetzige Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) als Beigeladene unter Anordnung des persönlichen Erscheinens für eine mündliche Verhandlung am 21.05.2012 in München geladen.

Die Beschwerdegegnerin, deren Wohnort (= Ladungsort) nahe H-Stadt über 600 km vom Gerichtsort entfernt lag, fragte daraufhin beim SG wegen der Erstattung der Reisekosten an und wies darauf hin, dass sie entweder am Vortag per Bahn mit einer Übernachtung oder am Sitzungstag mit dem Flugzeug anreisen könne. Zudem werde ihr ein Verdienstausfall für einen Tag Urlaub entstehen. Das SG teilte ihr dazu mit Schreiben vom 08.05.2012 mit, dass die Kosten der günstigsten Möglichkeit erstattet würden.

Am 21.05.2012 nahm die Beschwerdegegnerin an der mündlichen Verhandlung teil. Sie war dazu vom Ladungsort mit dem Auto nach H-Stadt gefahren und von dort weiter nach München geflogen. Vom Flughafen München war sie mit der S-Bahn zum SG gefahren. Die Rückreise erfolgte mit der Bahn (zweite Klasse) nach H-Stadt und von dort wiederum mit dem Auto zum Ladungsort. Die Abwesenheitszeit von zu Hause betrug nach den Angaben der Beschwerdegegnerin im Entschädigungsantrag 12,5 Stunden.

Am 22.05.2012 stellte die Beschwerdegegnerin beim SG einen Entschädigungsantrag mit folgenden Kostenpositionen:

Verdienstausfall für einen Tag Urlaub 166,66 EUR

Pkw-Fahrt (45 km zu je 0,30 EUR) 13,50 EUR

Anreise Flugzeug 264,40 EUR

S-Bahn-Ticket 11,00 EUR

Zehrkosten 5,35 EUR

Abreise Bahn 129,00 EUR

Gesamt590,51 EUR

Belege für die Aufwendungen lagen bei.

Im Antragsformular hatte der Arbeitgeber der Beschwerdegegnerin dieser am 16.05.2012 bescheinigt, dass sie für den Tag der Gerichtsverhandlung bezahlten Urlaub bzw. Gleitzeit genommen habe; der tägliche Bruttoverdienst der Beschwerdegegnerin betrage 116,66 EUR.

Der Kostenbeamte setzte mit Schreiben vom 24.05.2012 folgende Entschädigung fest:

Entschädigung für Zeitversäumnis

für 8 Stunden 24,00 EUR

Pkw-Fahrt (45 km zu je 0,25 EUR) 11,25 EUR

Anreise Flugzeug 264,40 EUR

S-Bahn-Ticket 11,00 EUR

Tagegeld 6,00 EUR

Abreise Bahn 129,00 EUR

Gesamt 445,65 EUR

Die Ablehnung einer Entschädigung für Verdienstausfall wurde damit begründet, dass die Beschwerdegegnerin bezahlten Urlaub genommen habe.

Am 30.05.2012 hat sich die Beschwerdegegnerin an das SG gewandt und mitgeteilt mit, dass sie unbezahlten Urlaub genommen habe und daher eine Entschädigung für Verdienstausfall begehre. Es ist eine Kopie des Antragsformulars eingesandt worden, in dem zu der Frage „Wurde bezahlter Urlaub/Gleitzeit genommen“ nunmehr „nein“ angekreuzt war. In einer später von der Beschwerdegegnerin übersandten Bescheinigung des Arbeitgebers vom 22.08.2012 ist ihr bestätigt worden, am Sitzungstag unbezahlten Urlaub genommen und einen Verdienstausfall von 57,94 EUR netto erlitten zu haben. Die Beschwerdegegnerin hat mit Schreiben vom 24.09.2012 ergänzend vorgetragen, dass sie mit ihrem Arbeitgeber abgesprochen habe, unbezahlten Urlaub zu nehmen, da ihr Urlaub bereits verplant gewesen sei. Sie habe die Angaben des Arbeitgebers auf dem ursprünglichen Antragsformular nicht kontrolliert. Zudem hat die Beschwerdegegnerin eine „Entgeltabrechnung für R Mai 2012“ (Ausstellungsdatum nicht ersichtlich) vorgelegt, aus der hervorgeht, dass ihr in diesem Monat 116,66 EUR brutto für unbezahlte Fehlzeiten (8 Stunden) abgezogen worden waren und dass ein Resturlaub im Jahr 2012 von nur einem Tag bestanden hatte.

Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 21.08.2012 vorgetragen, dass die geänderte Verdienstausfallbestätigung ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter sei. Zudem sei aufgrund der Flugkosten eine Vergleichsberechnung mit einer Anreise per Zug in der zweiten Klasse am Vortag mit Übernachtung anzustellen. Danach sei nur eine Summe von 422,- EUR erstattungsfähig. Er hat beantragt, die Entschädigung auf 422,- EUR festzusetzen.

Mit Beschluss vom 08.10.2012 hat das SG die Entschädigung auf 538,31 EUR festgesetzt. Die Kostenrichterin hat dabei folgende Positionen zugrunde gelegt:

Verdienstausfall 116,66 EUR

Pkw-Fahrt 11,25 EUR

Flugticket 264,40 EUR

S-Bahn-Ticket 11,00 EUR

Tagegeld 6,00 EUR

Abreise Bahn 129,00 EUR

Gesamt 538,31 EUR

Die strittigen Punkte der Kostenfestsetzung hat das SG wie folgt begründet:

- Es sei richtig, dass bei bezahltem Urlaub und Gleitzeit kein Verdienstausfall nach § 22 JVEG entschädigt werde. Grundsätzlich seien die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich; eine rückwirkende Vereinbarung mit dem Arbeitgeber stelle einen unzulässigen Vertrag zulasten der Staatskasse dar. Vorliegend sei aber nachgewiesen, dass die Beschwerdegegnerin von Beginn an unbezahlten Urlaub nehmen habe wollen und der Arbeitgeber nur versehentlich unbezahlten Urlaub angegeben habe.

- Flugreisekosten seien grundsätzlich nur dann erstattungsfähig, wenn die Mehrkosten nicht außer Verhältnis zu den Zugkosten stünden. Im Rahmen einer Vergleichsberechnung seien jedoch die Kosten einer Bahnfahrt erster - nicht zweiter, wie der Beschwerdeführer meine - Klasse zugrunde zu legen. Unter Berücksichtigung allein der Übernachtungskosten gemäß § 6 Abs. 2 JVEG (nach den Bestimmungen des Bundesreisekostengesetzes grundsätzlich 60,- EUR pro Übernachtung) seien die Kosten einer Flugreise niedriger und daher zu erstatten.

- Das Tagegeld nach § 6 Abs. 1 JVEG i. V. m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) sei mit 6,- EUR pauschal unter Durchbrechung des Antragsprinzips anzusetzen. Da ein Nachweis der konkreten Aufwendung grundsätzlich nicht erforderlich sei, wäre es nicht sachgerecht, einen Antragsteller, der nachgewiesene Kosten geltend mache, zu benachteiligen.

Die Beschwerde ist wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen worden.

Mit Schreiben vom 25.10.2012 hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt.

Zur Begründung der Beschwerde trägt er Folgendes vor:

- Bei der Vergleichsberechnung für die Fahrtkosten dürfe nicht von den Kosten einer Anreise mit der Bahn in der ersten Klasse ausgegangen werden. Zwar sei die im Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) enthaltene Vorgabe, dass der Ersatz der Beförderungsauslagen nach den persönlichen Verhältnissen zu bemessen sei, im JVEG weggefallen. Es gehe aber zu weit, für die in der Sozialgerichtsbarkeit typische Klientel einen Anspruch auf Erstattung der Kosten der ersten Klasse anzunehmen. Dies ergebe sich auch aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, auf das auch der Kostensenat des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) hinweise. Auch habe die Beschwerdegegnerin die Rückfahrt in der zweiten Klasse angetreten, was die Notwendigkeit nur der zweiten Klasse, nicht aber der ersten Klasse belege. Wenn einem Rechtsanwalt die Fahrt in der ersten Klasse zu erstatten sei, gebiete dies aus Gleichbehandlungsgründen keine Zugrundelegung der ersten Klasse, da ungleiche Sachverhalte vorlägen - die Beschwerdegegnerin sei technische Verkäuferin (Schreiben vom 25.10.2012).

- Wegen des Antragsprinzips seien nur die tatsächlich entstandenen Zehrkosten zu erstatten, nicht aber die Pauschale; dies sei auch aus dem Beschluss des Kostensenats des Bayer. LSG vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, zu schließen (Schreiben vom 25.10.2012).

- Verdienstausfall sei nicht zu entschädigen, da ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter darin zu sehen sei, wenn der Arbeitgeber seine Angabe zur Frage, ob bezahlter Urlaub genommen worden sei, nachträglich abändere (Schreiben vom 25.10.2012).

- Die Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Justiz zur Gewährung von Reiseentschädigungen, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 07.01.2014, belege, dass § 5 Abs. 1 JVEG nicht so gelesen werden müsse bzw. dürfe, dass immer die Kosten bis zur ersten Klasse entschädigungsfähig seien (Schreiben vom 11.06.2014).

Der Kostensenat hat den Arbeitgeber der Beschwerdegegnerin mit den widersprüchlichen Angaben zur Frage, ob bezahlter Urlaub genommen worden sei, konfrontiert. Der Arbeitgeber hat dazu Folgendes mitgeteilt: Es werde bestätigt, dass die Beschwerdegegnerin unbezahlten Urlaub genommen habe. Das Kreuz im Antragsformular sei falsch gesetzt worden, da unklar gewesen sei, wie die Erstattung erfolge. Nach Rücksprache mit der Beschwerdegegnerin sei das Gehalt um diesen Tag gekürzt worden, da die Erstattung (durch das SG) erfolgen habe sollen. Die Kürzung sei rückwirkend im Oktober 2012 für den Mai 2012 vorgenommen worden. Der Arbeitgeber hat zudem eine „Abwesenheitsmitteilung“ der Beschwerdegegnerin vom 16.05.2012 vorgelegt; darin hatte die Beschwerdegegnerin für den Sitzungstag angekreuzt: „Gleitzeitausgleich“.

II.

Die vom SG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Beschwerde ist gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässig. Sie ist begründet, was die Entschädigung wegen Verdienstausfall betrifft, im Übrigen unbegründet.

Die Entschädigung ist im Ergebnis wie folgt festzusetzen:

Keine Entschädigung für Verdienstausfall,

aber für Zeitversäumnis für 10 Stunden 30,00 EUR

Pkw-Fahrt - wie SG - 11,25 EUR

Flugticket - wie SG - 264,40 EUR

S-Bahn-Ticket - wie SG - 11,00 EUR

Tagegeld - wie SG - 6,00 EUR

Abreise Bahn - wie SG - 129,00 EUR

Gesamt 451,65 EUR

1. Anzuwendendes Recht

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn die Beschwerdegegnerin als Berechtigte ist vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden.

2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m. w. N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 4 JVEG, Rdnr. 28).

3. Verdienstausfall

Der Beschwerdegegnerin steht keine Entschädigung für Verdienstausfall gemäß § 22 JVEG zu, da zum Zeitpunkt der Wahrnehmung des zu entschädigenden Gerichtstermins kein Verdienstausfall entstanden ist.

In seiner Grundsatzentscheidung vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, hat sich der Senat umfassend mit der Frage der Entschädigung von Verdienstausfall auseinander gesetzt. Er hat dabei - kurz zusammengefasst - folgende Kernaussagen getroffen:

- Um das Tatbestandsmerkmal des Verdienstausfalls im Sinn des § 22 JVEG bejahen zu können, bedarf es (nur) des Nachweises, dass überhaupt ein solcher Ausfall entstanden ist, nicht aber in welcher Höhe.

- Dieser Nachweis ist im Vollbeweis zu führen, da das JVEG keine Beweiserleichterung enthält.

- Dieser Beweismaßstab gilt sowohl bei abhängig beschäftigten als auch bei selbstständig tätigen Anspruchstellern. Wegen der bei letzterer Berufsgruppe wesensmäßig vorliegenden Nachweisschwierigkeit ist durch das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden freien Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aber sicher zu stellen, dass der gesetzlich vorgesehene Anspruch auf Entschädigung für Verdienstausfall nicht faktisch leer läuft.

- Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein Verdienstausfall entstanden ist, ist die Beurteilung am Tag des Gerichtstermins, der den Entschädigungsanspruch nach dem JVEG zur Folge hat. Spätere Entwicklungen bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung unberücksichtigt.

- Zu entschädigen ist die nach objektiven Maßstäben zu ermittelnde „gesamte Dauer der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten“, nicht mehr wie früher unter Geltung des ZuSEG die „versäumte Arbeitszeit“. Die konkret ausgefallene Arbeitszeit ist daher nicht zu ermitteln; eine fiktive Mittagspause kann nicht in Abzug gebracht werden (vgl. auch Beschluss des Senats vom 06.12.2013, Az.: L 15 SF 39/13).

An diesen Grundsätzen hat sich auch im hier zu entscheidenden Fall die Beantwortung der Frage zu orientieren, ob der Beschwerdegegnerin eine Entschädigung für Verdienstausfall zusteht oder nicht.

Nach den Ermittlungen des Senats ist deutlich geworden, dass die Beschwerdegegnerin am Sitzungstag (21.05.2012) noch keinen Verdienstausfall erlitten hat, sondern ein solcher erst später, nämlich im Oktober 2012, bewirkt worden ist. Dies kann aber für die Frage der Entschädigung keine Bedeutung mehr haben (vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11).

Wenn das SG bei seiner Entscheidung vom 08.10.2012 davon ausgegangen ist, dass der Beschwerdegegnerin ein Verdienstausfall entstanden sei, war dies unter Zugrundelegung der damals bekannten Tatsachen und im Rahmen der damals vom SG getroffenen freien Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs. 1 SGG durchaus vertretbar. Die vom SG zugrunde gelegte Annahme, dass der Arbeitgeber „nur versehentlich“ bezahlten (Anmerkung: Die Formulierung im Beschluss des SG unter Ziff. II.1. - „nur versehentlich unbezahlten“ - beruht offenkundig auf einem Formulierungsversehen, gemeint war, wie sich eindeutig aus dem Zusammenhang ergibt: „nur versehentlich bezahlten“) Urlaub angegeben habe, war zum damaligen Zeitpunkt in Ansehung des Vortrags der Beschwerdegegnerin und den Angaben des Arbeitgebers nicht fernliegend. Bei den weiteren, vom Senat durchgeführten Ermittlungen hat sich aber ergeben, dass diese im sozialgerichtlichen Verfahren gemachten Angaben, wenn nicht sogar absichtlich falsch, so doch zumindest missverständlich und unvollständig waren. Denn der Arbeitgeber der Beschwerdegegnerin hat auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 29.10.2013 zugestanden, dass die Gehaltskürzung für den Sitzungstag erst im Oktober 2012, also lange nach dem Gerichtstermin, erfolgt war. Es ist der Beschwerdegegnerin also nicht am 21.05.2012, an dem der zu entschädigende Gerichtstermin stattgefunden hat, sondern erst mehrere Monate später ein Verdienstausfall entstanden. Auch die vom Arbeitgeber auf Anforderung des Senats vorgelegte „Abwesenheitsmitteilung“, die einem Urlaubsantrag vergleichbar ist, belegt eindeutig, dass die Beschwerdegegnerin für den Sitzungstag „Gleitzeitausgleich“, also bezahlte Freistellung, gewählt hat und ihr daher am Sitzungstag kein Verdienstausfall entstanden ist (vgl. Beschluss des Senats vom 23.10.2008, Az.: L 15 SF 191/08 SB KO). Ihre anderslautenden Angaben sind zweifelfrei unglaubwürdig.

Ein am 21.05.2012 entstandener Verdienstausfall, wie er Voraussetzung für eine Entschädigung für Verdienstausfall wäre, ist damit nicht nur nicht im Vollbeweis nachgewiesen, sondern sogar unzweifelhaft widerlegt.

Wenn die Beschwerdegegnerin durch spätere Änderungen ihrer „Abwesenheitsmitteilung“ versucht, eine für sie günstigere Entschädigung zu erreichen, kann dies entschädigungsrechtlich nicht zum Erfolg führen. Darauf hat der Senat bereits im Beschluss 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, in dem sich die genau konträr gelagerte Frage gestellt hatte, ob ein nicht zunächst gegebener Entschädigungsanspruch für Verdienstausfall infolge später hinzutretender Umstände wieder entfallen könne, hingewiesen und Folgendes ausgeführt:

„Spätere Entwicklungen müssen bei der Festsetzung der Entschädigung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, unabhängig davon, ob sie sich zulasten oder zugunsten (wie dies beispielsweise der Fall wäre, wenn ein Antragsteller, der zunächst bezahlten Urlaub genommen hat, nach der Mitteilung des Gerichts, dass ihm kein Verdienstausfall entschädigt werden könne, seinen Urlaubsantrag nachträglich in unbezahlten Urlaub abändert) des Antragstellers auswirken würden.“

Die Frage eines „unzulässigen Vertrags zulasten Dritter“, wie sie offenbar im Jahr 2009 in einem Kostenseminar für die Urkundsbeamten der bayerischen Sozialgerichtsbarkeit mit Blick auf ältere Entscheidungen des Kostensenats aufgezeigt worden ist, stellt sich für den Senat nicht. Bei Berücksichtigung des maßgeblichen Zeitpunkts bedarf es dieses Hilfsinstruments zur Abwehr entschädigungsrechtlicher Manipulationen nicht. Zudem erscheint der Gedanke des unzulässigen Vertrags zulasten Dritter dem Senat auch deshalb als fragwürdig, da ein derartiger Vertrag auch darin gesehen werden müsste, dass ein entschädigungsrechtlich versierter Berechtigter in Kenntnis der Rechtslage vor dem Gerichtstermin bereits mit seinem Arbeitgeber die unbezahlte Freistellung vereinbart, um sich die Entschädigung aus der Staatskasse zu sichern. Ein derartiges Verhalten ist aber ohne jeden Zweifel zulässig und nicht durch den Verlust der Entschädigung für Verdienstausfall sanktionierbar.

4. Entschädigung für Zeitversäumnis

Der Antragstellerin ist aber eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Sinn des § 20 JVEG in Höhe von 30,- EUR zu leisten.

Eine Entschädigung für Zeitversäumnis wird - auch bei Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens - regelmäßig dann zu erbringen sein, wenn weder ein Verdienstausfall noch Nachteile bei der Haushaltsführung geltend gemacht werden können. Denn bei dieser Entschädigung für sonstige Nachteile ist es nicht erforderlich, dass dem Berechtigten geldwerte Vorteile entgehen (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 20, Rdnr. 4). Zudem besteht mit § 20 letzter Halbsatz JVEG eine widerlegbare gesetzliche Vermutung dahingehend, dass ein Nachteil erstanden ist.

Mit der Frage, wann die gesetzliche Vermutung als widerlegt zu betrachten ist, hat sich der Senat eingehend in seinem Beschluss vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, auseinander gesetzt. Danach ist lediglich dann, wenn dem Antragsteller „ersichtlich“ kein Nachteil entstanden ist, eine Entschädigung für Zeitversäumnis nicht zu leisten. Davon, dass ersichtlich kein Nachteil entstanden ist, ist nur dann auszugehen, wenn sich aus den eigenen Angaben des Antragstellers ergibt, dass er die Zeit nicht anderweitig sinnvoll verwendet hätte, oder wenn es offensichtlich ist, dass ein Nachteil nicht eingetreten ist. Von ersterem ist dann auszugehen, wenn ein Antragsteller im Antrag nichts angibt, was auf eine Zeitversäumnis hindeutet, und nicht einmal durch Ankreuzen der entsprechenden Stelle im Antragsformular zu erkennen gibt, dass ihm eine Zeitversäumnis entstanden ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 277/10, und vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Ob der Nichteintritt eines Nachteils aus anderen Gründen ersichtlich, d. h. offensichtlich erkennbar ist, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten sind dabei angesichts der gesetzlichen Vermutung nur sehr gering (vgl. Beschluss des Senats vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11). Denn mit der Entschädigung für Zeitversäumnis gemäß § 20 JVEG wird auch der Verlust von Freizeit entschädigt, wobei die Verwendung von Freizeit sehr vielgestaltig ist und im Belieben des Einzelnen steht. Eine Beurteilung der Wertigkeit der Freizeitgestaltung steht dem Kostenbeamten genauso wie dem Kostenrichter nicht zu.

Ist die Tatsache, dass keinerlei Angaben zur Zeitversäumnis gemacht werden oder nicht einmal ein Kreuz an der entsprechenden Stelle des Entschädigungsantrags gesetzt wird, jedoch damit zu erklären, dass der Antragsteller einen Verdienstausfall geltend macht, steht dies einer Entschädigung für Zeitversäumnis, wenn keine Entschädigung für Verdienstausfall möglich ist, nicht entgegen. Denn die fehlenden Angaben zur Zeitversäumnis sind in einem solchen Fall damit zu erklären, dass der Antragsteller eine (höhere) Entschädigung für Verdienstausfall angestrebt hat. Es kann ihm in einem solchen Fall nicht zum Nachteil gereichen, dass er im Antrag zur Zeitversäumnis keine Angaben gemacht hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 18.11.2013, Az.: L 15 SF 121/11 - m. w. N.).

Der Beschwerdegegnerin ist daher für die geltend gemachte Zeit der Abwesenheit von zu Hause von 12,5 Stunden, die der objektiv erforderlichen Abwesenheitszeit entspricht, Entschädigung für Zeitversäumnis zu gewähren. Die Entschädigungshöhe pro Stunde beträgt 3,- EUR, wobei die zu entschädigende Zeit gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 JVEG auf 10 Stunden pro Tag begrenzt ist. Die Entschädigung für Zeitversäumnis beträgt daher im vorliegenden Fall 30,- EUR.

5. Fahrtkosten

Es ist ein Fahrkostenersatz in Höhe von insgesamt 415,65 EUR zu leisten.

5.1. Allgemeines

Der Gesetzgeber hat mit § 5 JVEG dem Zeugen bzw. Beteiligten ein Wahlrecht eröffnet, ob er mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln (§ 5 Abs. 1 JVEG) oder mit dem Kraftfahrzeug (§ 5 Abs. 2 JVEG) zum gerichtlich festgesetzten Termin anreist. Der Fahrtkostenersatz folgt der getroffenen Wahl des Beförderungsmittels.

5.1.1.

Grundsatz bei der Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln: Kostenobergrenze wie bei Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks

Reist ein Beteiligter wie hier - auch die Reise mit einem Flugzeug in der hier gewählten Form stellt eine Reise mit einem öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmittel dar (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnrn. 5, 14) - mit öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln, werden ihm gemäß § 5 Abs. 1 JVEG die tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks ersetzt.

Dies bedeutet, dass - ohne dass der Gesetzgeber eine Ausnahme im Sinn einer niedrigen Kostenobergrenze zugelassen hätte - bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln die tatsächlich entstandenen Fahrtkosten immer zu erstatten sind, wenn sie sich im Rahmen der Fahrtkosten bewegen, die bei einer Fahrt in der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks entstanden wären. Dies hat zur Folge, dass selbst dann, wenn ein wirtschaftlich vernünftig denkender Beteiligter, der die Kosten selbst zu tragen hätte, nie die Fahrt in der ersten Wagenklasse gewählt hätte und stattdessen mit der kostengünstigeren zweiten Wagenklasse gefahren wäre, dem Betroffenen die Möglichkeit eröffnet ist, auf Staatskosten in den Genuss der ersten Wagenklasse zu kommen, wenn er persönlich geladen zu einem Gerichtstermin erscheint (vgl. Beschlüsse des Senats vom 16.12.2014, Az.: L 15 SF 209/14, und vom 07.01.2015, Az.: L 15 SF 210/14). Einschränkungen, wie sie noch zur Geltungszeit des ZuSEG vorgesehen waren (§ 9 Abs. 2 Satz 2 ZuSEG: Bemessung des Ersatzes der Beförderungsauslagen nach den persönlichen Verhältnisses des Anspruchsstellers; § 9 Abs. 1 Satz 1 ZuSEG: Vorgabe, das preisgünstigste öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen), existieren im JVEG nicht mehr (vgl. Beschluss des Senats vom 07.01.2015, Az.: L 15 SF 210/14).

Insofern geht auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ins Leere. Im Beschluss vom 07.01.2015, Az.: L 15 SF 210/14, hat der Senat dazu Folgendes ausgeführt:

„Zwar ist wegen des allgemeinen haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 Bundeshaushaltsordnung, Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung) im Bereich der Entschädigung von Zeugen, Sachverständigen, Dritten und ehrenamtlichen Richtern grundsätzlich das im gesamten Bereich des Kostenrechts geltende Gebot der Kostendämpfung und Kostenminimierung zu beachten (vgl. Beschlüsse des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B und vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 5, Rdnr. 2; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 5 JVEG, Rdnr. 2). Dies kann aber nicht dazu führen, dass dadurch die vom Gesetzgeber vorgegebenen Maßgaben für die Entschädigung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus verschärft würden. Darauf, ob ein Antragsteller durch geschickte Auswahl der Fahrkarten eine weitere Reduzierung der Kosten erreichen hätte können, kommt es bei der Entschädigung nicht an, solange sich die tatsächlich entstandenen Kosten in dem vom Gesetzgeber vorgegebenen Rahmen halten (vgl. Beschluss des Senats vom 16.12.2014, Az.: L 15 SF 209/14). Die im gesamten Kostenrecht geltende Kostenminimierungspflicht findet insofern ihre Grenze an den Vorgaben des § 5 Abs. 1 JVEG (vgl. Beschlüsse des Senats vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13, und vom 16.12.2014, Az.: L 15 SF 209/14).“

Wenn der Beschwerdeführer aus der Bekanntmachung des Bayer. Staatsministeriums der Justiz zur Gewährung von Reiseentschädigungen, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 07.01.2014, ableitet, dass § 5 Abs. 1 JVEG nicht so gelesen werden dürfe, dass immer die Kosten bis zur ersten Wagenklasse entschädigungsfähig seien, verkennt er die Tragweite und den Regelungszweck der genannten Bekanntmachung. Diese gilt für zivil- oder strafgerichtliche Verfahren. In solchen Verfahren hat der Beteiligte die Kosten der Anreise zum Gericht, jedenfalls wenn sie nicht am Ende des Verfahrens wegen Unterliegens einem anderen Beteiligten oder der Staatskasse auferlegt werden, grundsätzlich selbst zu tragen. Sofern dem Beteiligten nicht über die Prozesskostenhilfe die Fahrtkosten zu Gericht gewährt werden (vgl. zu diesem Gesichtspunkt den Beschluss des Senats vom 24.07.2014, Az.: L 15 VK 16/13), kann über die genannte Bekanntmachung dem Beteiligten trotz Mittellosigkeit die Fahrt zum Gericht ermöglicht werden. Einen gesetzlich ausgestalteten Anspruch gibt es hier im Gegensatz zu den vom JVEG geregelten Fällen nicht. Insofern ist es nachvollziehbar und bei Berücksichtigung des hierbei einschlägigen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geboten, dass nach Ziff. 1.1.3. der Bekanntmachung die Ermöglichung der Anreise grundsätzlich dadurch zu geschehen hat, dass Fahrkarten der zweiten - und nicht der teureren, aber nicht erforderlichen ersten - Wagenklasse zur Verfügung gestellt werden und eine Auszahlung allenfalls im Ausnahmefall in Betracht kommt. Dass diese Vorgaben der Bekanntmachung nicht auf Fälle, die dem JVEG unterliegen, übertragen werden können, liegt auf der Hand. Weder können gesetzliche Vorgaben durch - zumal nicht einmal einschlägige - Verwaltungsvorschriften abgeändert werden noch kann der Grundgedanke der Bekanntmachung, dass eine Anreise nur auf dem kostengünstigsten Weg ermöglicht werden soll, auf das JVEG übertragen werden. Denn auf der Bekanntmachung beruhende Leistungen stellen eine überobligatorische außergesetzliche Leistung dar, wohingegen der Fahrtkostenersatz nach dem JVEG auf einem gesetzlichen Anspruch beruht.

Im Ergebnis bedeutet dies für den Ersatz von Fahrtkosten bei der Benutzung von öffentlichen, regelmäßig verkehrenden Beförderungsmitteln, dass die tatsächlich entstandenen Kosten einschränkungslos bis zu der Höhe zu erstatten sind, wie sie bei der Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks entstanden wären.

5.1.2. Ausnahmsweise Überschreiten der Kostenobergrenze des § 5 Abs. 1 JVEG

In Anlehnung an die Rechtsprechung des Senats zu kostenerhöhenden Faktoren auch im Zusammenhang mit § 5 Abs. 3 JVEG, so zur Erstattung von Kosten einer Begleitperson (vgl. Beschlüsse vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, und vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E), zu einer Anreise von einem weiter als dem Ladungsort entfernt liegenden Ort (vgl. Beschluss vom 06.11.2013, Az.: L 15 SF 191/11 B E), zu Taxikosten (vgl. Beschluss vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12) und zu Übernachtungskosten (vgl. Beschluss vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14), hat die Erstattung von Reisekosten, die über den in § 5 Abs. 1 JVEG gesetzten Rahmen hinausgehen, gemäß § 5 Abs. 3 JVEG dann und insoweit zu erfolgen, als entweder eine objektive Notwendigkeit für die darüber hinausgehenden Kosten zu bejahen ist oder Vertrauensschutzgesichtspunkte oder Wirtschaftlichkeitsüberlegungen (Wirtschaftlichkeit des teureren Beförderungsmittels im Gesamtvergleich) eine Erstattung gebieten.

5.2. Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten im hier zu entscheidenden Fall

Es sind Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 415,65 EUR zu erstatten. Das SG hat die Kosten für die Anreise mit einem Flugzeug zutreffend als in voller Höhe erstattungsfähig berücksichtigt.

5.2.1. Pkw-Kosten

Für Fahrtkosten gemäß § 5 Abs. 2 JVEG ist eine Entschädigung in Höhe von 11,25 EUR für die gefahrene Strecke zu leisten.

Wählt der Beteiligte wie hier die Beschwerdegegnerin für die An- bzw. Rückreise nach bzw. von H-Stadt das Kraftfahrzeug, werden ihm gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG für jeden gefahrenen Kilometer 0,25 EUR ersetzt. Zu entschädigen sind die objektiv erforderlichen Fahrtkosten. Was objektiv erforderlich ist, ist unter Berücksichtigung der im gesamten Kostenrecht geltenden Kostenminimierungspflicht zu ermitteln. Dabei geht der Senat in ständiger Rechtsprechung und in großzügigerer Auslegung, als sie teilweise von anderen Gerichten zugrunde gelegt wird, davon aus, dass nicht nur die Kosten für die kürzeste Strecke (vgl. Thüringer LSG, Beschluss vom 27.09.2005, Az.: L 6 SF 408/05), sondern grundsätzlich auch die Kosten für die schnellste, obgleich längere Strecke zu ersetzen sind, wobei weitere Ausnahmen dann zu akzeptieren sind, wenn die höheren Kosten durch besondere Umstände gerechtfertigt sind (z. B. Unzumutbarkeit der kürzesten bzw. schnellsten Strecke oder Umwege durch Straßensperrungen) (vgl. Beschluss des Senats vom 02.07.2012, Az.: L 15 SF 12/12).

Die Ermittlungen zur Streckenlänge können unter Zuhilfenahme der im Internet jedermann zugänglichen Routenplaner vorgenommen werden (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 14.05.2014, Az.: L 15 SF 122/13).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdegegnerin eine Fahrtstrecke von 45 km angegeben. Diese Streckenangabe entspricht im Wesentlichen der Entfernung, wie sie sich bei Zuhilfenahme von im Internet jedermann zugänglichen Routenplanern für die Fahrt von ihrem Wohnort nach H-Stadt und zurück ergibt.

Bei 45 km Fahrtstrecke und einer Entschädigung gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG in Höhe von 0,25 EUR für jeden gefahrenen Kilometer errechnet sich ein Fahrtkostenersatz in Höhe von 11,25 EUR.

5.2.2. Kosten der Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Flugzeug nach München und Bahn zurück)

Der von der Beschwerdegegnerin aufgewendete Betrag von insgesamt 404,40 EUR (264,40 EUR Flugkosten, 11,- EUR S-Bahn-Ticket vom Flughafen zum SG, 129,- EUR Zugfahrt vom SG nach H-Stadt) ist in voller Höhe zu erstatten.

Die von der Beschwerdegegnerin nachweislich aufgewendeten Kosten sind zu erstatten, da sie sich in dem vom Gesetzgeber in § 5 Abs. 1 JVEG vorgegebenen Rahmen halten.

Gemäß § 5 Abs. 1 JVEG sind die „tatsächlich entstandenen Auslagen bis zur Höhe der entsprechenden Kosten für die Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks“ zu ersetzen. Im Fall der Beschwerdegegnerin wären bei einer An- und Rückreise mit der Bahn in der ersten Wagenklasse (inklusiver Reservierungsgebühr) Kosten in Höhe von (bis zu) 446,- EUR angefallen, wie eine Auskunft der Bahn ergeben hat. In diesem Rahmen bewegen sich die Auslagen der Beschwerdegegnerin auch bei Berücksichtigung der Tatsache, dass bei einer Anreise mit der Bahn vermutlich keine Autofahrt bis nach H-Stadt erforderlich gewesen wäre und daher bei Anreise mit der Bahn der Fahrkostenersatz für die Autobenutzung in Höhe von 11,25 EUR (vgl. oben 5.2.1.) nicht angefallen wäre.

Der Vollständigkeit und auch der Klarheit für zukünftige Fälle halber weist der Senat auf folgende Gesichtspunkte hin:

- Bei der Ermittlung des für die Reise zum/vom Gericht eröffneten Kostenrahmens bei der Benutzung öffentlicher, regelmäßig verkehrender Beförderungsmittel kommt es allein darauf an, welche Kosten insgesamt, d. h. für Hin- und Rückfahrt, bei Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks angefallen wären. Insofern verbietet es sich, einen abschnittsweisen Teilkostenvergleich dahingehend durchzuführen, dass die tatsächlichen Kosten auf der jeweiligen Teilstrecke den Kosten einer Anreise in der ersten Wagenklasse der Bahn gegenüber gestellt werden, wenn wie hier der Betroffene auf den Teilstrecken unterschiedlich teure Reisearten gewählt hat. Ein Teilkostenvergleich könnte im Einzelfall, wenn auf einer Teilstrecke eine teurere Reiseart als in der ersten Wagenklasse der Bahn gewählt würde, auf einer anderen Teilstrecke aber eine günstigere, dazu führen, dass der vom Gesetzgeber für die Wahrnehmung des Termins eröffnete Rahmen für den Fahrtkostenersatz im Sinn eines Budgets nicht ausgeschöpft würde. Ein derartiges Ergebnis wäre weder mit dem Wortlaut des Gesetzes noch mit der gesetzgeberischen Intention beim Erlass des JVEG zu vereinbaren.

So hat es der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren zum JVEG mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass die Neukonzeption des Entschädigungs- und Vergütungsrechts im Rahmen des JVEG von dem elementaren gesetzgeberischen Bedürfnis nach einer Vereinfachung der Rechtsanwendung und damit auch einer Entlastung der Kostenbeamten und ebenfalls der Kostenrichter geprägt war (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 2, 139, 140, 142, 143, 180; vgl. z. B. auch die Beschlüsse des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, und vom 07.01.2015, Az.: L 15 SF 210/14). Wenn eine Ermittlung der Vergleichskosten der ersten Wagenklasse der Bahn für jeden einzelnen Teilabschnitt erforderlich wäre, würde dies einen vom Gesetzgeber gerade nicht gewollten erhöhten Verwaltungsaufwand bedeuten und zudem erhöhte Prüfpflichten an die Kostenbeamten konstituieren, was auch dem Leitgedanken der Rechtsprechung des Kostensenats (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF L 15 SF 198/14, vom 07.01.2015, Az.: L 15 SF 210/14) widersprechen würde.

- Würde ein - vom Senat für nicht vertretbar erachteter - Teilkostenvergleich durchgeführt, könnte dies im Einzelfall zur Folge haben, dass zulasten der erstattungspflichtigen Staatskasse unwirtschaftliches Verhalten eines Betroffenen, nämlich die durchgängige Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn, die voll zu erstatten wäre, belohnt, wirtschaftliches Verhalten, nämlich die möglicherweise geringfügig teurere Anreise per Flugzeug und die deutlich günstigere Abreise in der zweiten Wagenklasse, aber durch einen Abzug bei der geringfügig zu teuren Teilstrecke bestraft würde. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein und wäre unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten fragwürdig.

- Eine Erstattung von über die bei Benutzung der ersten Wagenklasse der Bahn einschließlich der Auslagen für Platzreservierung und Beförderung des notwendigen Gepäcks anfallenden Kosten hinausgehenden Aufwendungen, wie sie bei An- bzw. Abreise mit einem Flugzeug entstehen können, wäre über § 5 Abs. 3 JVEG nicht fernliegend. Denn durch die Reise mit einem Flugzeug können die gerichtsbedingte Abwesenheitszeit von der Arbeit bzw. zu Hause möglicherweise deutlich verkürzt und damit nicht nur Übernachtungskosten, sondern auch eine weitergehende Entschädigung für Verdienstausfall (oder auch für Nachteile bei der Haushaltsführung oder Zeitversäumnis) vermieden werden (zur Frage der Zumutbarkeit der Reisezeit - grundsätzlich Anreisebeginn nicht vor 6.00 Uhr, Rückkehr nicht nach 24.00 Uhr - unter dem Gesichtspunkt einer notwendigen Übernachtung: vgl. Beschluss des Senats vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14). Da sich im vorliegenden Fall die entstandenen Kosten aber im Rahmen der bereits gemäß § 5 Abs. 1 JVEG erstattungsfähigen Kosten bewegen, stellt sich die Frage danach nicht, ob etwaige Mehrkosten über § 5 Abs. 3 JVEG erstattungsfähig wären.

- Auf einen Vertrauenstatbestand bezüglich der Erstattungsfähigkeit der Fahrtkosten könnte sich die Beschwerdegegnerin vorliegend nicht berufen. Zwar hat sie beim SG wegen der zur Verfügung stehenden Anreisealternativen (Anreise per Flugzeug ohne Übernachtung oder mit der Bahn und Übernachtung) angefragt. Das SG hat aber umgehend auf die Anfrage reagiert, die später zu erfolgende Entschädigung mit Hinweis auf die günstigste Anreisemöglichkeit weitgehend offen gelassen und damit kein Vertrauen bezüglich einer bestimmten Anreiseart entstehen lassen (zum Gesichtspunkt des Vertrauenstatbestands: vgl. Beschluss des Senats vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E).

6. Tagegeld

Es ist eine Entschädigung für Aufwand (Tagegeld, oft auch Zehrkosten genannt) gemäß § 6 Abs. 1 JVEG in Höhe von 6,- EUR zu gewähren.

Mit dem Tagegeld sind die weiteren Kosten pauschal abgedeckt, die infolge einer längeren Abwesenheit vom Wohnort oder der Arbeitsstelle entstehen. Davon umfasst sind insbesondere, aber nicht nur die (Mehr-)Kosten für Verpflegung. Derartige Kosten sind als allgemeiner Aufwand im Sinne von § 6 Abs. 1 JVEG erstattungsfähig, wenn sie infolge des gerichtlich angesetzten Termins objektiv notwendig sind. Aus dem Verweis in § 6 Abs. 1 letzter Halbsatz JVEG auf das Tagegeld im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 EStG wird deutlich, wann und in welcher Höhe diese Kosten in Form einer Pauschale als notwendiger allgemeiner Aufwand zu erstatten sind. Bei einer Abwesenheit von mindestens acht bis unter 14 Stunden gibt es nach der Regelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 Buchst. c) EStG im Jahr 2012 ein Tagegeld in Höhe von 6,- EUR. Eine mindestens achtstündige Abwesenheit vom Ladungsort ist damit auch Voraussetzung für die Entschädigung für Aufwand.

Eine durch die mündliche Verhandlung erforderlich gewordene Abwesenheit von dieser Mindestdauer ist im vorliegenden Fall mit 12,5 Stunden gegeben.

Auf die tatsächlichen Restaurantkosten der Beschwerdegegnerin kommt es aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Regelung einer Pauschalierung nicht an (vgl. Beschluss des Senats vom 21.05.2014, Az.: L 15 SF 137/13). Auch wenn diese von der Beschwerdegegnerin mit einem Beleg nachgewiesenen Kosten mit 5,35 EUR unter der gesetzlich vorgesehenen Pauschale liegen, bemisst sich die Entschädigung nach der Pauschale. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung in § 6 Abs. 1 JVEG, wonach sich die Höhe des zu gewährenden Tagegelds „nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes bestimmt.“ Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich eine vom tatsächlich entstandenen Aufwand unabhängige Entschädigung vorgegeben. Die Höhe des Tagegelds ergibt sich daher ausschließlich aus der notwendigen Abwesenheitszeit, unabhängig von den konkret dadurch erforderlich gewordenen Aufwendungen (zu der ähnlichen Konstellation bei der Entschädigung für Verdienstausfall: vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11).

Auch das Antragsprinzip steht dem nicht entgegen. Aus dem Antragsprinzip folgt lediglich eine Begrenzung des maximal festzusetzenden Entschädigungsgesamtbetrags auf die beantragte Entschädigung. Eine Bindung an einzelne Berechnungselemente im Antrag, die letztlich nur der Begründung des Antrags zuzurechnen und auch nur Begründungselemente der gerichtlichen Festsetzung sind, besteht nicht (vgl. Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012, Az.: L 15 SF 423/09, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13).

Wenn der Beschwerdeführer aus dem im Beschluss des Senats vom 24.05.2012, Az.: L 15 SF 24/12 B, enthaltenen Satz „Die Regelung des § 5 JVEG sieht nur die Erstattung tatsächlich entstandener Kosten - wenngleich pauschaliert und der Höhe nach begrenzt - vor, kennt aber keine fiktiven Kosten.“

den Rückschluss ziehen zu können glaubt, dass das Antragsprinzip bei jeder einzelnen Entschädigungsposition anzuwenden sei, irrt er. Die damalige Formulierung ist zum Fahrtkostenersatz gemäß § 5 JVEG erfolgt, ohne dass damit eine Aussage zum Antragsprinzip verbunden gewesen wäre. Die Regelung des § 5 Abs. 1 JVEG setzt - wie bereits erläutert - bei dem Ersatz von Fahrtkosten bei Benutzung von öffentlichen, regelmäßigen Beförderungsmitteln den Nachweis der tatsächlich entstandenen Kosten voraus. Bei der Benutzung eines (eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen) Kraftfahrzeugs hingegen hat der Gesetzgeber in Anbetracht der Erkenntnis, dass die bei der Benutzung eines Kraftfahrzeugs entstandenen Kosten für die Fahrt zum Gerichtstermin kaum genau ermittelt und nachgewiesen werden können - die Kosten setzen sich nicht nur aus den Treibstoff-, sondern u. a. auch aus den sonstigen Betriebs- und Abnutzungskosten zusammen, die sich erst bei Kenntnis der Gesamtfahrleistung auf den einzelnen Kilometer umlegen lassen -, den Weg einer Kilometerpauschale gewählt. Damit ist die Entschädigung in diesem Fall unabhängig von den tatsächlichen Aufwendungen (vgl. Hartmann, a. a. O., § 4 JVEG, Rdnr. 11 - m. w. N.); ob die tatsächlichen Aufwendungen niedriger oder höher sind, kommt es im Rahmen des Fahrtkostenersatzes daher nicht an. Genauso ist es bei der Entschädigung für Aufwand gemäß § 6 JVEG.

Mit Blick auf die Argumentation des Beschwerdeführers, dass beim Fahrtkostenersatz in der täglichen Praxis nicht nach der Kilometerpauschale des § 5 Abs. 2 JVEG abgerechnet werde, wenn nur eine gegenüber der Ermittlung des Fahrtkostenersatzes billigere Treibstoffkostenrechnung im Rahmen des Entschädigungsantrags vorgelegt werde, und dies auch auf das Tagesgeld übertragen müsse, weist der Senat, ohne dass dies hier entscheidungserheblich wäre, darauf hin, dass er die genannte Praxis für grundsätzlich nicht gesetzeskonform hält. Die Fahrtkostenentschädigung gemäß § 5 Abs. 2 JVEG hat grundsätzlich nach der vom Gesetzgeber vorgegebenen Kilometerpauschale zu erfolgen. Eine Begrenzung der Entschädigung über das Antragsprinzip kann allenfalls in dem seltenen Fall zum Zug kommen, wenn die bei Zugrundelegung der Kilometerpauschale errechnete Entschädigung über dem expliziten, d. h. betragsmäßig bezifferten Entschädigungsantrag liegen würde.

Der Beschwerdeführer hat daher mit seiner Beschwerde nur teilweise Erfolg.

Der Kostensenat des Bayer. LSG trifft diese Entscheidung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Die Entschädigung für das Erscheinen beim Gerichtstermin am 21.05.2012 wird auf 451,65 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Tenor

Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 9. Dezember 2014 wird dahingehend abgeändert, dass die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 02.07.2013 auf 2.003,35 € festgesetzt wird.

Gründe

I.

Der Antragsteller und jetzige Beschwerdeführer begehrt für ein von ihm erstattetes Gutachten eine höhere Vergütung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG).

In dem am Sozialgericht Regensburg (SG) unter dem Aktenzeichen S 9 R 514/12 geführten rentenversicherungsrechtlichen Klageverfahren erstellte der Beschwerdeführer im Auftrag des Gerichts unter dem Datum vom 02.07.2013 ein orthopädisches Gutachten.

Das Gutachten umfasst - ohne Anlagen und Literaturverzeichnis - insgesamt 29 Seiten. Die Diagnosen werden auf der Seite 15 (oben bis zur Mitte) dargestellt. Anschließend bis Seite 23 unteres Drittel erfolgt die „Epikrise und Beurteilung“ und dann bis Seite 29 Mitte die Beantwortung der Beweisfragen.

Der Beschwerdeführer stellte für sein Gutachten am 02.07.2013 eine Rechnung in Höhe von 2.035,58 €. Zum Zeitaufwand gab er Folgendes an: Aktenstudium 4 Stunden, Untersuchung 2 Stunden, Auswertung der Schmerzfragebögen 0,5 Stunden, Ausarbeitung des Gutachtens 14 Stunden, Diktat und Korrektur 3,75 Stunden, insgesamt also 24,25 Stunden. Er legte einen Stundensatz von 60,- € zugrunde. Im Rechnungsbetrag enthalten sind weiter die Kosten für radiologische und sonographische Leistungen sowie von Knochendichtemessungen in Höhe von insgesamt 170,49 €, für eine psychometrische Testung in Höhe von 42,08 €, für Schreibgebühren von 33,- € und für Porto und Auslagen von Höhe von 10,- €. Dazu kommt die Umsatzsteuer in Höhe von 325,01 €.

Die Kostenbeamtin des SG bewilligte mit Schreiben vom 22.08.2013 lediglich 1.535,56 €. Dabei wurde den Angaben des Beschwerdeführers zum Zeitaufwand der Abfassung des Gutachtens mit 7 Stunden nicht gefolgt, ohne dies näher zu begründen. Insgesamt wurde nur ein Zeitaufwand von 18 Stunden anerkannt. Nicht erstattet wurden, wie sich aus der Abrechnung ersehen lässt, die geltend gemachten Kosten für die psychometrische Testung (42,08 €); von den geltend gemachten Kosten für Porto und Auslagen von 10,- € wurden 6,90 € erstattet.

Gegen diese Abrechnung hat sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 07.09.2013 gewandt und die Kürzung seiner Rechnung bezüglich des Zeitaufwands für die Abfassung des Gutachtens von 14 auf 7 beanstandet. Er hat sinngemäß vorgetragen, dass die Ausführungen im gemachten Umfang zur Beantwortung der Beweisfragen nötig gewesen seien.

Mit Beschluss vom 09.12.2014 hat der Kostenrichter des SG die Vergütung für das Gutachten wie schon die Kostenbeamtin auf 1.535,56 € festgesetzt. Die Kürzung der vom Beschwerdeführer für die Ausarbeitung des Gutachtens angegebenen Zeit von 14 auf 7 Stunden hat er wie folgt begründet:

„Soweit der Ast. einen Zeitaufwand für die Beurteilung (und Beantwortung der gestellten Beweisfragen) von 14,0 Stunden geltend macht, ist anzuführen, dass der Bewertungsmaßstab für den Textumfang der Beurteilung nach dem JVEG pro Standartseite mit 1800 Anschlägen bestimmt ist. Der objektiv erforderliche Zeitaufwand richtet sich damit nach der Anzahl der Standardseiten, die die gutachterliche Beurteilung im Einzelfall ausmacht. Dabei können aber nicht nur die gesamten Textseiten des Gutachtens berücksichtigt werden, sondern nur solche Textteile, die tatsächlich eine gutachterliche Beurteilung i. S. bewertender und schlussfolgernder Sachverständigentätigkeit enthalten. Der persönliche Stil des einzelnen Gutachters kann hierbei keine Berücksichtigung finden. Auch können nur solche Ausführungen des Sachverständigen als Beurteilung angesehen werden, die sich nicht in einer bloßen Wiedergabe von vorausgegangenen Textpassagen bzw. Vorgutachten oder Vorbefunden erschöpfen. In diesem Leistungsabschnitt werden nur Ausführungen des Sachverständigen abgerechnet, die sachverständige Schlussfolgerungen in Bezug auf das Beweisthema und eine Auseinandersetzung mit den gestellten Beweisfragen enthalten.

Die Beurteilung kann sich dabei an mehreren Stellen eines Gutachtens befinden. Auf bestimmte Über- bzw. Unterschriften kommt es dabei nicht an. Zur Beurteilung dagegen gehören nicht isolierte Diagnosekriterien nach ICD-10 (ohne Diskussion), Zitate aus der Literatur oder Fußnoten, Bilder und Graphiken sowie Sachverhalts- bzw. Beurteilungswiederholungen.

Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben können dem Ast. vorliegend für die Beurteilung (und Beantwortung der gestellten Beweisfragen) allenfalls 7,0 Stunden zugestanden werden. Dies liegt vor allem daran, dass im Rahmen der Beurteilung (und Beantwortung der gestellten Beweisfragen) umfängliche allgemeine Ausführungen erfolgen, die nicht als Sachverständigenschlussfolgerungen angesehen werden können.“

Am 13.01.2015 hat der Beschwerdeführer Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Er hält die vorgenommene Kürzung der Zeit der Beurteilung von 14 auf 7 Stunden für unbegründet und weist darauf hin, dass die bausteinartige Aussage im Beschluss des SG, sein Gutachten enthalte unter der Beurteilung „umfängliche allgemeine Ausführungen“, unrichtig sei. Seine Aussagen seien am konkreten Fall orientiert gewesen, er habe keine Textbausteine installiert und es gebe keine langwierigen Wiederholungen.

Der Senat hat die erstinstanzlichen Streit- und Kostenakten beigezogen.

II.

Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässige, insbesondere nicht an eine Frist gebundene Beschwerde ist weitgehend begründet.

Die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 02.07.2013 ist gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 2.003,35 € festzusetzen. Die vom SG vorgenommene Rechnungskürzung ist ganz überwiegend nicht zu Recht erfolgt; einzig die vom Beschwerdeführer nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) angesetzte Gebühr für die psychometrische Testung ist zu streichen.

1. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall auch nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz -

2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl. I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der bis zum 31.07.2013 geltenden Fassung. Denn der Gutachtensauftrag ist vor dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG erfolgt.

2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (vgl. Beschluss des Senats vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m.w.N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat (vgl. Meyer/Höver/Bach/

Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 44. Aufl. 2014, § 4 JVEG, Rdnr. 28).

3. Unstrittige Rechnungspositionen

Ohne Zweifel richtig vom SG angesetzt ist die - in dieser Höhe auch vom Beschwerdeführer beantragte - Vergütung bzw. der Kostenersatz für technische diagnostische Leistungen (Röntgen, Sonographie, Knochendichtemessung) in Höhe von insgesamt 170,49 €.

4. Vergütung für Zeitaufwand

Der Vergütung ist die vom Beschwerdeführer angegebene Zeit von insgesamt 24,25 Stunden zugrunde zu legen; sie entspricht der objektiv erforderlichen Zeit. Damit ergibt sich bei einem Stundensatz von 60,- € für die unstrittig zugrunde zu legende Honorargruppe M 2 und der Rundungsregelung des § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG eine Vergütung für Zeitaufwand von 24,5 Stunden in Höhe von 1.470,- €.

Die vom SG der Abrechnung als objektiv erforderlich zugrunde gelegte Zeit von (nur) 18 Stunden hält einer Nachprüfung nicht stand. Die vom SG vorgenommene Kürzung der vom Beschwerdeführer für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen („Abfassung des Gutachtens“) angegebenen Zeit von 14 Stunden auf 7 Stunden als Ergebnis der vom SG durchgeführten Kontrollberechnung ist angesichts der Rechtsprechung des Senats nicht haltbar. Denn diese stellt aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit nur geringe Anforderungen an die Prüfpflichten im Rahmen der Kostensachbearbeitung auf und sieht vor, dass bei der Überlegung, ob der vom Sachverständigen angegebene Zeitaufwand zu kürzen ist, Augenmaß zu bewahren und mit Zurückhaltung vorzugehen ist (vgl. Beschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13).

4.1. Allgemeine Vorgaben

Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i. V. m. § 9 Abs. 1 JVEG erhält der Sachverständige neben dem Ersatz von Fahrtkosten und Entschädigung für sonstigen Aufwand (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 JVEG) für seine Leistung ein Honorar, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Die Höhe des Stundensatzes variiert je nach der Zugehörigkeit des Gutachtens zu einer bestimmten Honorargruppe (§ 9 Abs. 1 JVEG i. V. m. Anlage 1 zu § 9 Abs. 1). Das Honorar wird gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war; andernfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle Stunde ergebenden Betrags.

Die erforderliche Zeit im Sinn des § 8 Abs. 2 JVEG ist nach einem abstrakten und objektiven Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 26.07.2007, Az.: 1 BvR 55/07; Bundesgerichtshof - BGH -, Beschlüsse vom 04.06.1987, Az.: X ZR 27/86, vom 16.12.2003, Az.: X ZR 206/98, und vom 07.01.2006, Az.: X ZR 65/03; ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11). Angemessen zu berücksichtigten sind dabei der Umfang des dem Sachverständigen unterbreiteten Streitstoffs, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung der gutachterlichen Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. z.B. Beschlüsse vom 04.06.1987, Az.: X ZR 27/86, und vom 16.12.2003, Az.: X ZR 206/98, aber auch sozialgerichtliche Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11). Eine Schätzung des tatsächlichen Zeitaufwands als Grundlage für das nach Stundensätzen zu bemessende Honorar ist der gesetzlichen Regelung fremd (vgl. BVerfG, a. a. O.). Zu betonen ist, dass es de lege lata auf den objektiv erforderlichen Zeitaufwand im individuellen Fall ankommt.

Bei der Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands hat der Senat in Anbetracht der Ermangelung einer besseren Abrechnungsweise folgendes Vorgehen empfohlen (vgl. Beschluss vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E):

- Kontrollberechnung:

Ausgehend vom Umfang des Akteninhalts und des Gutachtensumfangs sowie der angegebenen Untersuchungszeit, wenn sich diese im üblichen Rahmen bewegt, wird anhand von Erfahrungswerten ermittelt, welchen Zeitaufwand ein durchschnittlicher Sachverständiger für die Erstellung des Gutachtens insgesamt benötigt hätte und welche Vergütung sich dabei ergeben würde.

- Abgleich von Ergebnis der Kontrollberechnung und Zeitangaben des Sachverständigen:

* Sind die Zeitangaben des Sachverständigen niedriger oder genauso hoch wie das Ergebnis der Kontrollberechnung, werden wegen des Antragsprinzips der Errechnung der Vergütung die Zeitangaben des Sachverständigen zugrunde gelegt.

* Überschreiten die vom Sachverständigen gemachten Zeitangaben das Ergebnis der Kontrollberechnung um nicht mehr als 15 v. H., werden der Errechnung der Vergütung ebenfalls die Zeitangaben des Sachverständigen zugrunde gelegt.

* Liegen die Zeitangaben des Sachverständigen um mehr als 15 v. H. über dem Ergebnis der Kontrollberechnung, werden der Vergütung nur dann die Zeitangaben des Sachverständigen zugrunde gelegt, wenn der angegebene höhere Zeitaufwand ohne weiteres erkennbar ist.

Ist der angegebene höhere Zeitaufwand nicht ohne weiteres erkennbar, ist das Ergebnis der Kontrollberechnung - d. h. ohne einen Aufschlag in Höhe von 15 v. H. - der Vergütung zugrunde zu legen.

Dem liegen folgende Überlegungen des Senats zugrunde

Mit Blick auf die vom Senat zurückgestellten verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. Beschluss vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E) und den Umstand, dass letztlich in vielen Fällen der als objektiv erforderlich ermittelte Zeitaufwand kaum exakt und bis ins letzte Detail überzeugend begründet werden kann, hat der Senat empfohlen, bei der Überlegung, ob der vom Sachverständigen angegebene Zeitaufwand zu kürzen ist, Augenmaß zu bewahren und mit Zurückhaltung vorzugehen (vgl. Beschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11).

In diesem Zusammenhang ist auch das vom Senat im Beschluss vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, erkannte und u. a. mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerfG begründete Bedürfnis zu sehen, die in der Rechnungsstellung eines Sachverständigen enthaltenen Zeitangaben zu akzeptieren, wenn sich diese in einem gewissen Toleranzbereich gegenüber dem Ergebnis der Kontrollberechnung bewegen. In Übereinstimmung mit dem Thüringer LSG (ständige Rspr. des Thüringer LSG, vgl. z.B. Beschlüsse vom 13.08.2013, Az.: L 6 SF 266/13 E, und vom 05.03.2014, Az.: L 6 SF 78/14 E) hat sich der Senat im Beschluss vom 18.05.2012 für eine Toleranzgrenze in Höhe von 15 v. H. entschieden.

Bei der Ermittlung des Zeitaufwands, den ein durchschnittlicher Sachverständiger für die Erstellung des Gutachtens benötigt hätte, im Rahmen der Kontrollberechnung geht der Senat in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11) von folgenden Erfahrungswerten aus, wie sie in der Mitteilung des Präsidenten des Bayer. LSG vom 25.05.2007, Az.: GenA 537/07, festgehalten sind:

- Für das Aktenstudium werden 100 Blatt/Stunde einschließlich der Fertigung von Notizen und Exzerpten gerechnet bei mindestens 25% medizinisch gutachtensrelevantem Inhalt. In allen anderen Fällen dagegen erscheinen 150 bis 200 Blatt/Stunde angemessen. Die Seitenzahl ist, sofern die Akten nicht durchnummeriert sind, annähernd zu bestimmen.

- Für die Abfassung einer Seite der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen wird eine Stunde zugrunde gelegt, wobei jeweils für eine ganze Seite von 1.800 Anschlägen (30 Zeilen x 60 Anschläge nach DIN 1422) (= Standardseite) ausgegangen wird.

- Für Diktat und Durchsicht wird eine Stunde für je sechs Seiten angenommen, wobei auch hier jeweils eine Standardseite mit 1.800 Anschlägen zugrunde gelegt wird.

4.2. Beurteilung im vorliegenden Fall

Die vom Beschwerdeführer in der Rechnung vom 02.07.2013 angegebene Zeit liegt im Rahmen der objektiv erforderlichen Zeit bei Berücksichtigung der Toleranzgrenze.

4.2.1. Ergebnis der Kontrollberechnung

Es ist von einem objektiv erforderlichen Zeitaufwand für die Erstellung des Gutachtens von 23,96 Stunden auszugehen.

4.2.1.1. Weitgehend unstrittige Zeiten

Bei Berücksichtigung der aufgezeigten Vorgaben geht der Senat - wie das SG - im Rahmen der Kontrollberechnung davon aus, dass für die Erstellung des Gutachtens, den Bereich der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen ausgenommen (s. dazu unten Ziff. 4.2.1.2.), objektiv erforderlich ein Zeitaufwand von 10,9 Stunden ist. Darin ist u. a. eine halbe Stunde für die Durchführung des testpsychologischen Verfahrens enthalten (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse vom 10.03.2010, Az.: L 15 SF 397/09, und vom 21.06.2012, Az.: L 15 SF 73/12).

Dies entspricht im Übrigen weitgehend den Angaben des Beschwerdeführers von 10,25 Stunden, wobei nicht ersichtlich ist, ob darin auch die Zeit für die Beurteilung der Fremdröntgenaufnahmen (vgl. dazu die Beschlüsse des Senats vom 14.11.2008, Az.: L 15 SF 189/08 R KO, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13) enthalten ist oder ob er diese bei der Zeitposition der „Ausarbeitung des Gutachtens“ eingerechnet hat.

4.2.1.2. Zeit der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen

Objektiv erforderlich ist ein Zeitaufwand von 13,06 Stunden.

4.2.1.2.1. Seiten der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen

13,5 Seiten des Gutachtens sind dem Kernbereich der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zuzurechnen.

Der Teil der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen beinhaltet die wesentliche geistige Leistung des Sachverständigen und stellt den Kernbereich des Gutachtens dar. Die in einem Gutachten enthaltenen Überschriften geben einen ersten Anhaltspunkt dafür, was diesem Kernbereich zuzurechnen ist (vgl. Beschlüsse des Senats vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11), sind aber nicht bindend. Es ist sowohl möglich, dass sich unter dieser Überschrift Ausführungen finden, die nicht zur Beurteilung zu rechnen sind, als auch immer wieder der Fall, dass sich unter anderen Überschriften Passagen finden lassen, die zur Beurteilung gehören.

Bei der Ermittlung dessen, was dem Kernbereich des Gutachtens zuzurechnen ist, dürfen die Anforderungen an die Kostensachbearbeitung nicht überspannt werden (vgl. Beschluss des Senats vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E). Im Ergebnis bedeutet dies einerseits, dass bei der Ermittlung der für die Beurteilung erforderlichen Zeit nur Ausführungen im Gutachten, die ausgehend von der vom Sachverständigen gewählten Überschrift dem Bereich der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zuzurechnen sind, unberücksichtigt bleiben, wenn die falsche Platzierung im Gutachten auf der Hand liegt oder es offenkundig ist, dass die Ausführungen im Bereich der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen verzichtbar sind, weil sie für die Verständlichkeit des Gutachtens ohne Bedeutung sind, und andererseits, dass Ausführungen, die nicht unter der Überschrift der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen enthalten sind, nur dann bei der Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands dem Kernbereich zuzurechnen sind, wenn es offenkundig ist, dass dieses Textteile inhaltlich der Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zuzuordnen sind (ausführlich dazu vgl. Beschluss des Senats vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, dort Ziff. 5.2.3.1. - m.w.N.). Zu weit gehende Prüfpflichten für die Kostensachbearbeiter und Kostenrichter sind in diesem Zusammenhang unrealistisch und auch nicht rechtlich geboten (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 24.04.2014, Az.: L 15 SF 368/13). Dies bedeutet auch, dass nicht jeder einzelne Absatz des Gutachtens zur Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen danach zu überprüfen ist, ob er nicht auch Passagen enthält, die bei strenger Sichtweise im Rahmen der Beurteilung verzichtbar wären.

In jedem Fall zur Beurteilung zu rechnen ist die (einmalige) Aufzählung der Diagnosen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.01.2007 unter dem Az. L 4 KR 42/05 ZVW.Ko, vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13). Auch die (einmalige) Wiedergabe der Beweisfragen (unter der Überschrift „Beantwortung der Beweisfragen“) ist bei der Ermittlung des Zeitaufwands für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zu berücksichtigen (vgl. Beschluss des Senats vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E; BGH, Beschluss vom 04.06.1987, Az.: X ZR 27/86).

Im hier zu beurteilenden Gutachten beginnt der Teil der Beurteilung und Beantwortung der gestellten Beweisfragen mit der Benennung der Diagnosen auf Seite 15 oben und endet auf Seite 29 Mitte.

Nicht zu berücksichtigen ist die auf Seite 15 im unteren Drittel beginnende („Am 10.10.2012 erhob der Klägervertreter ...“) und auf Seite 16 Ende des zweiten Drittels endende („... wurde arbeitsfähig entlassen.“) Textpassage, da es offenkundig ist, dass diese nicht der Beurteilung, sondern der Wiedergabe des Akteninhalts und der Vorgeschichte zuzuordnen ist. Weitere Streichungen sind bei der gebotenen geringen Prüfpflicht - und im Übrigen auch zur Erhaltung der guten Lesbarkeit des Gutachtens - nicht zulässig. Weitere, offenkundig der Beurteilung zuzurechnende Passagen sind im Gutachten an anderen Stellen nicht enthalten.

Soweit das SG weitergehende Kürzungen vorgenommen hat, hat es die rechtlich gebotenen Prüfpflichten überspannt und ist bei den Kürzungen zu streng vorgegangen. Zu den vom SG vorgenommenen Kürzungen ist daher Folgendes zu bemerken:

* „Umfängliche allgemeine Ausführungen“, auf die das SG seine Kürzungen bei der der Abrechnung zugrunde zu legenden Zeit „vor allem“ gestützt hat, kann der Senat nicht erkennen. Das Gutachten ist, worauf der Beschwerdeführer zutreffend hingewiesen hat, durchweg individuell auf den zu begutachtenden Fall zugeschnitten und enthält keine allgemeinen, wiederverwertbaren Ausführungen. Weitergehende Ausführungen dazu, dass auch allgemein gehaltene Erklärungen im Regelfall zu keiner Kürzung führen werden, erübrigen sich daher. Der Senat weist daher lediglich zur Vollständigkeit und für zukünftige Fälle auf Folgendes hin: Allenfalls dann, wenn die abstrakten Ausführungen das sinnvolle Maß deutlich übersteigen und die abstrakten Ausführungen zum konkret zu beurteilenden Fall keinerlei Bezug mehr aufweisen und es daher sehr naheliegend erscheinen lassen, dass der abrechnende Sachverständige die Möglichkeit einer Optimierung der Vergütung (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 31.05.2010, Az.: L 2 SF 12/10 B) missbräuchlich nutzen will, weil der fehlende Erkenntnisgewinn der abstrakten Ausführungen auf der Hand liegt, ist eine Nichtberücksichtigung beim Zeitaufwand der Beurteilung in Erwägung zu ziehen (vgl. Beschluss des Senats vom 17.12. 2013, Az.: L 15 SF 275/13). Angesichts der vom Hauptsacherichter erwünschten und der Akzeptanz der Beteiligten förderlichen Verständlichkeit des Gutachtens ist nur mit großer Zurückhaltung zu kürzen.

* Eine Herausrechnung der Auflistung der Diagnosen aus dem Teil der Beurteilung ist nicht zulässig (s. o.); die Diagnosen gehören zum Kernbereich des Gutachtens.

4.2.1.2.2. Umrechnung auf Standardseiten

Der für die Beurteilung und Beantwortung der Beweisfragen zu berücksichtigende Bereich (vgl. oben Ziff. 4.1.2.2.1.) des Gutachtens von 13,5 Seiten entspricht 13,06 Standardseiten.

Bei Berücksichtigung der im Beschluss des Senats vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, aufgezeigten Vorgehensweise, insbesondere der unterschiedlichen Formatierung der Ausführungen unter der Überschrift „E. Epikrise und Beurteilung“ einerseits und unter „Beweisfragen“ andererseits, ergibt sich bei Berücksichtigung der maßgeblichen Vorgaben (vgl. oben Ziff. 4.1.) ein Umfang von 13,06 Standardseiten für den Kernbereich des Gutachtens, was einem Zeitaufwand von 13,06 Stunden entspricht.

4.2.1.3. Zeitaufwand im Rahmen der Kontrollberechnung insgesamt

Für den objektiv erforderlichen Zeitaufwand ergeben sich insgesamt 23,96 Stunden, gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG gerundet (vgl. Beschlüsse des Senats vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, und vom 24.04.2014, Az.: L 15 SF 368/13) also 24 Stunden.

4.2.2. Vergütungsfähiger Zeitaufwand bei Berücksichtigung der Toleranzgrenze

Bei Berücksichtigung des Ergebnisses der Kontrollberechnung und der 15%igen Toleranzgrenze hätte der Beschwerdeführer bis - kaufmännisch gerundet auf 2 Dezimalstellen (vgl. Beschluss des Senats vom vom 24.04.2014, Az.: L 15 SF 368/13) - 27,60 Stunden in Rechnung stellen können, ohne dass seine Zeitangaben und damit die Rechnung unter Zeitgesichtspunkten gekürzt werden hätten dürfen.

4.2.3. Abgleich des sich aus der Kontrollberechnung ergebenden Zeitaufwands mit den Zeitangaben des Beschwerdeführers

Der vom Beschwerdeführer angesetzte Zeitaufwand von 24,25 Stunden hält sich in dem nach der Kontrollberechnung zulässigen Zeitrahmen und ist daher der Vergütung zugrunde zu legen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 JVEG ist diese Zeit auf die nächste halbe Stunde aufzurunden. Es sind 24,5 Stunden zu vergüten.

4.3. Honorargruppe

Das in einem rentenversicherungsrechtlichen Rechtsstreit erstellte Gutachten ist unstreitig nach der Honorargruppe M 2 mit einem Stundensatz von 60,- € zu vergüten.

4.4. Zwischenergebnis: Honorar für Zeitaufwand

Es sind 24,5 Stunden zu je 60,- € und damit insgesamt 1.470,- € als Vergütung für Zeitaufwand anzusetzen.

5. Kosten für psychometrische Testung

Kosten einer psychometrischen Testung können nicht gesondert nach den Vorschriften der GOÄ in Ansatz gebracht werden.

Einer zusätzlichen Abrechnung der Gebühr nach Nr. 855 des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur GOÄ - Gebührenverzeichnis GOÄ) für eine psychometrische Testung steht entgegen, dass die Vergütung des Sachverständigen gemäß § 9 Abs. 1 JVEG primär nach dem Zeitaufwand erfolgt und daher die Leistung des Sachverständigen für die psychometrische Testung bereits bei der Ermittlung des zu vergütenden Zeitaufwands berücksichtigt ist. Auch der Beschwerdeführer selbst hat im Übrigen bei dem geltend gemachten Zeitaufwand die psychometrische Testung („Auswertung Schmerzfragebögen“) bereits berücksichtigt. Würde neben der Vergütung eines Zeitaufwands von einer halben Stunde pro testpsychologischer Untersuchung zusätzlich die Gebühr für die Nr. 855 Gebührenverzeichnis GOÄ vergütet, würde dies zu einer unzulässigen Doppelvergütung der psychometrische Testung führen (vgl. Beschluss des Senats vom 11.11.2009, Az.: L 15 SF 304/09).

6. Porto und Auslagen

Für Porto und Auslagen ist gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG der geltend gemachte Betrag von 10,- € zu berücksichtigen.

Die vom SG vorgenommene Kürzung auf einen Betrag von 6,90 € - der Senat geht davon aus, dass dies die reinen Portokosten waren - ist nicht angezeigt.

Der Kostensenat des Bayer. LSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass jedenfalls ein - pauschal und ohne weiteren konkreten Nachweis geltend gemachter - Betrag von 10,- €, der neben den reinen Portokosten auch die Kosten für Verpackung u.Ä. beinhaltet, ohne jeden Zweifel erstattungsfähig ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 26.06.2012, Az.: L 15 SF 423/09, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, und vom 24.04.2014, Az.: L 15 SF 368/13).

Insbesondere rechnet der Senat die Kosten für Verpackung nicht den nicht berücksichtigungsfähigen Gemeinkosten zu (ohne nähere Begründung: vgl. Beschlüsse des Senats vom 09.12.2004, Az.: L 16 RJ 538/02 KO, und vom 26.06.2012, Az.: L 15 SF 423/09). Der Ansicht des Hessischen LSG, dass Auslagen für Verpackung als Allgemeinkosten nicht abrechnungsfähig seien (vgl. Beschluss des Hessisches LSG vom 27.02.2007, Az.: L 2 SF 112/05 P), kann sich der Senat nicht anschließen. Gegen die Ansicht des Hessischen LSG spricht auch, dass dann konsequenterweise auch die Portokosten den Gemeinkosten zugerechnet werden müssten und nicht erstattet werden dürften. Dies vertritt aber weder die Literatur (vgl. Hartmann, a. a. O., § 12 JVEG, Rdnr. 5) noch die Rechtsprechung (vgl. beispielhaft Sächsisches LSG, Beschluss vom 21.01.2015, Az.: L 8 SF 21/12 E), auch nicht das Hessische LSG im vorgenannten Beschluss.

Bei der Erstattung der nicht konkret belegten Kosten von 10,- € für Porto und Verpackung ist sich der Senat bewusst, dass nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 1 JVEG („aufgewendeten“) nur tatsächlich entstandene Porto- und Versandkosten ersetzt werden können. Richtig ist auch, dass der Gesetzgeber eine Pauschale für „Porto, Verpackung und Versand“ nicht vorgesehen hat (vgl. Beschluss des Thüringer LSG vom 30.11.2005, Az.: L 6 SF 738/05), wobei der in einem anderen Verfahren des Thüringer LSG (vgl. Beschluss vom 02.06.2014, Az.: L 6 SF 1726/13 E) berücksichtigte Betrag von 10,- € für Porto nahelegt, dass auch das Thüringer LSG von einer näheren Prüfung der tatsächlich entstandenen Kosten abgesehen hat; denn beispielsweise die Preislisten von DHL sehen einen derartigen glatten Betrag nicht vor.

Das Fehlen einer gesetzlichen Regelung mit einer Pauschalierung steht aber der vom Senat praktizierten Vorgehensweise nicht entgegen. Denn dass der Sachverständige für die Verpackung Kosten aufgewendet hat, steht unzweifelhaft fest. Der Senat verzichtet lediglich im Sinn des Leitgedankens der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung, der die Rechtsprechung des Kostensenats durchzieht (vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, und vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14) auf die Erbringung des konkreten Nachweises der aufgewendeten Kosten, wenn die geltend gemachten Kosten plausibel und lebensnah erscheinen (ähnlich zur Frage des Nachweises von Verdienstausfall bei Selbständigen: vgl. Beschluss des Senats vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11). Angesichts der bei den Kosten für Porto und Verpackung im Raum stehenden geringen Beträge hält der Senat die Einforderung eines expliziten Nachweises für verzichtbar.

7. Umsatzsteuer

Gemäß § 12 Absatz 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG ist dem Sachverständigen die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer gesondert zu ersetzen. Dies ist bei einem Betrag von 1.683,49 € eine Umsatzsteuer in Höhe von 319,86 €.

8. Zwischenergebnis

Aus den in den Ziff. 3 bis 7 ermittelten Beträgen errechnet sich eine Vergütung von insgesamt 2.003,35 €.

9. Von der Staatskasse zu leistende Vergütungshöhe

Die Vergütung des Beschwerdeführers ist auf 2.003,35 € festzusetzen.

Eine Beschränkung der Vergütung durch das Antragsprinzip (vgl. dazu Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012; Az.: L 15 SF 423/09, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.01.2005, Az.: L 6 SF 745/04) kommt vorliegend nicht zur Anwendung, obwohl der der Vergütung zugrunde gelegte Zeitaufwand (um eine Viertelstunde) über dem in der Rechnung des Beschwerdeführers angesetzten Zeitaufwand liegt. Denn das Antragsprinzip begründet lediglich eine Begrenzung des Rechnungsgesamtbetrags, nicht aber einzelner Vergütungselemente.

Der Beschwerdeführer hat daher mit seiner Beschwerde weitgehend Erfolg.

Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des Ersatzes von Kosten für Porto und Verpackung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG in voller Besetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Tenor

Dem Antragsteller wird für die Geltendmachung der Vergütung für seine ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 15.09.2014 Wiedereinsetzung gewährt.

Gründe

I.

Streitig ist, ob dem Antragsteller für die Geltendmachung der Vergütungsforderung für eine von ihm im Auftrag des Gerichts erstellte ergänzende gutachtliche Stellungnahme Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.

In dem beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) unter dem Aktenzeichen L 18 U 551/11 geführten unfallversicherungsrechtlichen Berufungsverfahrens wurde der Antragsteller, nachdem er bereits im Auftrag des Gerichts unter dem Datum vom 08.01.2014 ein Gutachten erstellt hatte, mit gerichtlichem Schreiben vom 18.03.2014 um eine ergänzende gutachtliche Stellungnahme gebeten. Hinweise auf die Frist zur Einreichung der Vergütungsforderung enthielt das gerichtliche Schreiben vom 18.03.2014, anders als der dem Gutachten vom 08.01.2014 zu Grunde liegende Gutachtensauftrag, nicht.

Mit Eingang am 17.09.2014 legte der Antragsteller seine ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 15.09.2014 vor.

Mit Begleitschreiben vom 30.01.2015, beim LSG eingegangen am 03.02.2015, reichte der Antragsteller seine Liquidation für die gutachtliche Stellungnahme vom 15.09.2014 mit folgenden Worten ein:

"Beiliegend sende ich Ihnen verspätet, aber hoffentlich nicht zu spät, meine Liquidation für dieses Zusatzgutachten zu."

Die Kostenbeamtin teilte dem Antragsteller dazu mit Schreiben vom 09.02.2015 mit, dass der Entschädigungsanspruch erloschen sei, da der Entschädigungsantrag erst am 03.02.2015 und damit nach Ablauf der dreimonatigen Frist des § 2 Abs. 1 JVEG, gerechnet ab Erhalt der Stellungnahme bei Gericht, eingegangen sei.

Mit Schreiben vom 20.02.2015 hat der Antragsteller die Wiedereinsetzung beantragt und die Fristversäumnis wie folgt begründet:

"Der Grund dafür bestand in meiner irrtümlichen Annahme, dass dieses Gutachten bereits abgerechnet war, dabei aber vergaß, dass es sich um eine zweite, ergänzende Stellungnahme zum Gutachten über den oben genannten Kläger handelte."

Er bitte um eine wohlwollende Prüfung seines Antrags.

Beigezogen worden sind vom Kostensenat die Akten des unfallversicherungsrechtlichen Verfahrens.

II.

Dem Wiedereinsetzungsantrag, der einer Entscheidung durch den Kostenbeamten entzogen ist, ist stattzugeben.

Die Rechnungsstellung durch den Beschwerdeführer ist zwar verfristet, es liegen aber die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung vor.

1. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn der Antragsteller als Berechtigter ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG herangezogen worden (gerichtliches Schreiben vom 18.03.2014).

2. Vergütungsantrag zu spät gestellt

Der Vergütungsanspruch war bereits erloschen, als die Honorarforderung für die ergänzende Stellungnahme vom 15.09.2014 beim Bayer. LSG geltend gemacht wurde.

Der Anspruch auf Vergütung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG im Falle der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten herangezogen hat.

Vorliegend ist die ergänzende gutachtliche Stellungnahme vom 15.09.2014 am 17.09.2014 beim LSG eingegangen. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des dafür entstandenen Vergütungsanspruchs ist am 17.12.2014 (Mittwoch) abgelaufen.

Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Vergütungsforderung bedarf es nicht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 12.09.2013, Az.: L 15 SF 190/13 - m.w.N.).

Die Rechnung vom 30.01.2015 für die ergänzende gutachtliche Stellungnahme ist erst deutlich nach Ablauf der dreimonatigen Frist für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs beim LSG eingegangen.

3. Wiedereinsetzung

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, da der Antragsteller einen ordnungsgemäßen und fristgerechten Wiedereinsetzungsantrag gestellt hat und der Senat sich vom glaubhaften Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat. Den Antragsteller trifft wegen der Fristversäumnis kein Verschulden.

3.1. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im Allgemeinen

Einem Anspruchsteller nach dem JVEG ist bei Versäumung der Frist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn

- er innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG, d.h. innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die (rechtzeitige) Antragstellung (zur Geltung dieser zeitlichen Anforderung bei allen drei im Folgenden genannten Voraussetzungen: vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12),

* einen Wiedereinsetzungsantrag stellt,

* einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft macht (vgl. zur verfassungsrechtlichen Problematik und den sich daraus ergebenden vergleichsweise geringen Anforderungen an die Glaubhaftmachung in diesem Zusammenhang die ausführlichen Erwägungen im Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12) und

* den Vergütungsanspruch beziffert

sowie

- sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom glaubhaften, d.h. überwiegend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat (vgl. Beschluss des Senats vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12).

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 JVEG sind die im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Erklärungen (Wiedereinsetzungsantrag, Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds und Bezifferung des Vergütungs- oder Entschädigungsanspruchs) zu Protokoll der Geschäftsstelle abzugeben oder schriftlich einzureichen.

Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 JVEG nicht mehr beantragt werden.

Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen ist dem JVEG - im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen - fremd (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Beschlüsse des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12, und vom 27.03.2013, Az.: L 15 SF 181/12 B). Das Antragserfordernis verbietet es zudem, allein in der verspäteten Geltendmachung einer Entschädigungsforderung einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen (vgl. Beschlüsse des Senats vom 03.01.2013, Az.: L 15 SF 255/10, und vom 15.02.2013, Az.: L 15 SF 211/12 B).

3.2. Voraussetzungen der Wiedereinsetzung im vorliegenden Fall

Die Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung sind erfüllt.

3.2.1. Wiedereinsetzungsantrag

Der Beschwerdeführer hat mit Schreiben vom 30.01.2015, beim LSG eingegangen am 03.02.2015, einen ordnungsgemäßen Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Dem Schreiben des Antragstellers vom 30.01.2015, mit dem er die Rechnung vom selben Tag übersandt hat, ist zu entnehmen, dass beim Antragsteller eine Unsicherheit über die für die Geltendmachung der Vergütungsforderung zu beachtende Frist bestanden hat. Dies lässt sich für den Senat zweifelsfrei aus den Worten

"verspätet, aber hoffentlich nicht zu spät"

entnehmen. Damit ist für den Senat bei für den Antragsteller wohlwollender Auslegung von diesem ausreichend präzise zum Ausdruck gebracht worden, dass er sich der etwaigen Verfristung seiner Vergütungsforderung bewusst ist, diese aber mit einer Fristunkenntnis als Wiedereinsetzungsgrund entschuldigen will und daher eine Berücksichtigung seiner Rechnung unter Beachtung der Tatsache, dass er sich über die Antragsfrist im Unklaren war, begehrt. Die erforderliche Bezifferung des Vergütungsanspruchs ist durch die Vorlage der Rechnung vom 30.01.2015 erfolgt.

Diese Auslegung stellt keinen Widerspruch zu der vom Senat in ständiger Rechtsprechung betonten Tatsache dar, dass dem JVEG eine Wiedereinsetzung von Amts wegen fremd ist und es sich daher verbietet, allein in der verspäteten Vorlage der Vergütungs- oder Entschädigungsforderung oder der Erinnerung an die Zahlung des Gerichts (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B. Beschluss vom 22.04.2015, Az.: L 15 RF 17/15) einen Wiedereinsetzungsantrag zu sehen. Denn das Begleitschreiben des Antragstellers vom 30.01.2015 geht deutlich über das hinaus, was einer bloßen verspäteten Rechnungsvorlage entspricht.

3.2.2. Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds

Der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund ist darin zu sehen, dass sich der Antragsteller im Schreiben vom 30.01.2015 auf eine Unkenntnis bezüglich der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG beruft. Dies kann, wie aus § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG ersichtlich wird, einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen.

3.2.2.1. Grundsatz: Unkenntnis gesetzlicher (Fristen-)Regelungen kein Wiedereinsetzungsgrund

Eine Unkenntnis des Rechts und der Befristung seiner Ausübung vermag nach ständiger Rechtsprechung eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22.01.1999, Az.: 2 BvR 729/96; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 01.11.2001, Az.: 4 BN 53/01, und vom 07.10.2009, Az.: 9 B 83/09; Bundesfinanzhof - BFH -, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: VII S 9/06; Bundessozialgericht - BSG -, Beschluss vom 10.02.1993, Az.: 1 BK 37/92, und Urteil vom 06.05.2010, Az.: B 13 R 44/09 R; Kammergericht Berlin, Urteil vom 20.01.2014, Az.: 20 U 213/13). Zu begründen ist dies damit, dass eine Rechtsunkenntnis ein Verschulden nicht ausschließt (ständige Rspr., vgl. z.B. BSG, Urteile vom 15.08.2000, Az.: B 9 VG 1/99 R, und vom 28.04.2005, Az.: B 9a/9 VG 3/04 R). Denn wegen des Grundsatzes der formellen Publizität bei der Verkündung von Gesetzen gelten Gesetze mit ihrer Verkündung allen Normadressaten als bekannt ohne Rücksicht darauf, ob und wann diese tatsächlich Kenntnis davon erhalten haben. Dieser Grundsatz gilt unabhängig davon, wie lange die zu beachtende Frist und wie unbekannt die zugrunde liegende gesetzliche Regelung ist. Eine Differenzierung nach dem Bekanntheitsgrad gesetzlicher Regelungen ist dem Grundsatz der formellen Publizität fremd (vgl. Beschluss des Senats vom 10.10.2014, Az.: L 15 SF 289/13). Dies hat in der Vergangenheit - bis zur Neufassung des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG im Rahmen des 2. KostRMoG - zur Folge gehabt, dass in derartigen Fällen eine Wiedereinsetzung grundsätzlich nicht möglich war (vgl. Beschlüsse des Senats vom 10.09.2013, Az.: L 15 SF 206/13 E, vom 16.05.2014, Az.: L 15 SF 372/13, vom 18.10.2014, Az.: L 15 SF 289/13, und vom 28.01.2015, Az.: L 15 SF 208/14). Auch wenn dieses Ergebnis angesichts der sehr kurzen und in einem weithin unbekannten Gesetz verankerten Antragsfrist durchaus als hart empfunden worden sein mag, war dieses Ergebnis angesichts der klaren gesetzgeberischen Entscheidung hinzunehmen und stand auch keiner Korrektur über das Institut der sogenannten Nachsichtgewährung offen (ständige Rspr. des Senats, vgl. z.B.. Beschlüsse vom 10.10.2014, Az.: L 15 SF 289/13, und vom 04.12.2014, Az.: L 15 SF 53/13)

3.2.2.2. Ausnahmevorschrift § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG

Dem in der Praxis nicht seltenen Problem, dass Entschädigungs- oder Vergütungsanträge wegen Unkenntnis der mit drei Monaten vergleichsweise kurzen Frist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG zu spät gestellt werden und eine Wiedereinsetzung wegen des oben (vgl. Ziff. 3.2.2.1.) aufgezeigten Grundsatzes nicht in Betracht kommt, hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Belehrungspflicht in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 JVEG und der Vermutungsregelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG Rechnung getragen und dies wie folgt begründet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 258 f.):

"Es wird immer wieder beklagt, dass Berechtigte die Frist zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vergütung oder Entschädigung versäumen. Grund hierfür kann Unkenntnis über die Ausschlussfrist sein, ...

Mit der vorgeschlagenen Änderung soll zunächst eine Belehrungspflicht eingeführt werden, die für erstmalig oder selten herangezogene Personen wichtig sein kann. Eine unterlassene Belehrung soll die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründen. Hierzu soll in Absatz 2 ein neuer Satz 2 eingefügt werden."

Nach der vom Gesetzgeber gewählten Formulierung in § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG handelt es sich um eine unwiderlegliche gesetzliche Vermutung, die dann einschlägig ist, wenn die Belehrung nicht oder fehlerhaft erteilt worden ist.

Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob der Berechtigte bereits aus anderen Verfahren oder aus dem gleichen Verfahren, dort jedoch aus anderem Anlass, Kenntnis von der 3-Monatsfrist für die Antragstellung erlangt hat oder erlangen hätte können. Denn dies kann wegen der Unwiderlegbarkeit der gesetzlichen Vermutung kein maßgebliches Kriterium sein. Hätte der Gesetzgeber, was aufgrund der Gesetzesbegründung und der Zielgruppe der neu eingeführten Belehrungspflicht, die der Gesetzgeber als

"erstmalig oder selten herangezogene Personen"

bezeichnet hat, nicht fernliegend erscheint, die Vermutung des Verschuldens auf die vorgenannte Zielgruppe beschränken wollen, hätte er dies entsprechend zum Ausdruck bringen müssen, z.B. durch die Einführung einer widerleglichen Vermutung. Da dies aber nicht erfolgt ist, ist, was der Senat auch im Sinn der Rechtssicherheit für sinnvoll erachtet, die Vermutung auf sämtliche Antragsteller anzuwenden mit der Konsequenz, dass auch eine entgegenstehende positive Kenntnis von der Antragsfrist unschädlich ist, wenn die Belehrung im konkreten Entschädigungs- oder Vergütungsfall unterblieben ist.

3.2.3. Bezifferung des Vergütungsanspruchs

Der Antragsteller hat seinen Vergütungsanspruch zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag im Schreiben vom 30.01.2015 beziffert.

3.2.4. Fristgerechtheit der unter Ziff. 3.2.1. bis 3.2.3. genannten Handlungen

Die Handlungen sind fristgerecht durchgeführt worden.

Die Fristgerechtheit könnte im vorliegenden Fall insofern als problematisch betrachtet werden, als der Wiedereinsetzungsantrag binnen zwei Wochen ab Beseitigung des Hindernisses für die Geltendmachung des Anspruchs zu stellen ist und bei Sachverhalten wie dem vorliegenden regelmäßig nicht ersichtlich und auch nicht aufklärbar sein wird, ab welchem Zeitpunkt für den Berechtigten das Hindernis zur Rechnungsstellung beseitigt war.

Zu beachten ist grundsätzlich, dass die für die Wiedereinsetzung erforderlichen Tatsachen im Beweismaßstab der Glaubhaftmachung nachgewiesen sein müssen und eine Nichterweislichkeit im Sinn dieses Beweismaßstabs nach den Regelungen der objektiven Beweislast zu Lasten des Antragstellers gehen würde. Denn eine Beweislastumkehr in dem Sinn, dass eine Wiedereinsetzung nur dann nicht infrage käme, wenn dem Antragsteller (durch die Staatskasse) nachgewiesen werden könnte, dass das Hindernis für die Geltendmachung seiner Vergütung oder Entschädigung bei der Antragstellung bereits seit mehr als zwei Wochen beseitigt ist, sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor.

Auf der anderen Seite ist die vom Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG eingeführte Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG, wonach bei Unterbleiben der in § 2 Abs. 1 JVEG vorgeschriebenen Belehrung über die Frist zur Antragstellung das Fehlen des Verschuldens (unwiderleglich) vermutet wird, zu berücksichtigen. Dieser Regelung ist die gesetzgeberische Intention zu entnehmen, dass bei fehlender Belehrung eine Wiedereinsetzung regelmäßig möglich sein soll. Zudem ist zu bedenken, dass in Fällen der aufgrund Unkenntnis der gesetzlichen Antragsfrist verspäteten Rechnungsstellung weitere Aufklärungsmöglichkeiten für das Gericht hinsichtlich des Entfalls des Hindernisses, also der Unkenntnis der Antragsfrist, so gut wie immer ausgeschlossen sein dürften. Denn bei der vorgenannten Unkenntnis handelt sich um eine innere Tatsache, für die objektive Aufklärungsmöglichkeiten praktisch nicht zur Verfügung stehen. In einer derartigen Situation beim Antragsteller nachzufragen, wann ihm bewusst geworden sei, dass er seine Rechnung hätte stellen müssen, was die einzige dem Gericht zur Verfügung stehende Aufklärungsmöglichkeit darstellen würde, hält der Senat für überzogen und auch nicht für sinnvoll. Denn dass in derartigen Fällen ein Antragsteller seine Antwort nicht "passend" für sein Antragsziel ausgestalten würde, ist unwahrscheinlich, jedenfalls wenn er über die gesetzlichen Vorgaben informiert ist. Ein wirklicher Erkenntnisgewinn bei einer solchen Nachfrage wäre daher nicht zu erwarten. Der Senat hält daher derartige Nachfragen für verzichtbar.

Um nicht die mit § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG verbundene gesetzgeberische Intention zu konterkarieren, ist der Senat daher der Ansicht, dass in derartigen Fällen grundsätzlich davon auszugehen ist, dass die Antragsfrist gewahrt ist. Lediglich in Fällen, in denen es offenkundig auf der Hand liegt, dass das Hindernis zur Antragstellung vor Ablauf der 2-Wochenfrist des § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG weggefallen ist, ist eine Wiedereinsetzung nicht zu gewähren, wobei auch aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenrichter nur sehr gering sind (Leitgedanke der Rechtsprechung des Kostensenats vgl. z.B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF L 15 SF 198/14, vom 07.01.2015, Az.: L 15 SF 210/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, und vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15).

Im Übrigen - das sei hier nur am Rande angemerkt - werden auch ansonsten im Rahmen der Wiedereinsetzung die Anforderungen an die Fristgerechtheit des Wiedereinsetzungsantrags in der täglichen Praxis nicht hoch gehängt. Dies wird daraus erkennbar, dass regelmäßig erst ab Zugang des gerichtlichen Schreibens, mit dem die Verfristung mitgeteilt wird, die Frist für die Wiederantragstellung gerechnet wird. Ob dem Antragsteller nicht bereits zuvor die Fristversäumnis bewusst gewesen ist, wird in ständiger Rechtsprechung regelmäßig nicht in die gerichtlichen Überlegungen zur Wiedereinsetzung einbezogen und nicht näher hinterfragt.

3.2.5. Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft gegeben, insbesondere fehlendes Verschulden an der Fristversäumnis

Der Senat hat sich die Überzeugung davon gebildet, dass der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft vorliegt. Insbesondere kann dem Antragsteller wegen der Regelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG ein Verschulden an der Versäumung der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG nicht vorgeworfen werden.

Auch wenn dem Antragsteller möglicherweise aufgrund des früher erteilten Gutachtensauftrags vom 19.04.2013 - dieser enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf die Antragsfrist und die Folgen einer Fristversäumung - die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG von drei Monaten sogar positiv bekannt war, kann ihm bezüglich der Versäumung der Antragsfrist für die Abrechnung der ergänzenden Stellungnahme kein Verschulden vorgeworfen werden. Denn er kann sich auf die fehlende Belehrung im gerichtlichen Auftragsschreiben vom 18.03.2014 und die daraus resultierende Vermutung des fehlenden Verschuldens gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG berufen.

3.3. Ergänzender Hinweis der Vollständigkeit halber

Lediglich der Vollständigkeit halber, ohne dass dies für die zu treffende Entscheidung erheblich wäre, weist der Senat auf Folgendes hin:

Es spricht vieles dafür, dass dem Antragsteller keine Wiedereinsetzung zu gewähren gewesen wäre, wenn er seine Rechnung vom 30.01.2015 nicht mit dem oben angeführten Begleitschreiben mit seinem speziellen Inhalt versehen hätte. Denn ohne dieses Schreiben dürfte eine Wiedereinsetzung bereits an der fehlenden Glaubhaftmachung eines Wiedereinsetzungsgrunds, wie sie im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags durch den Antragsteller zu erfolgen hat, scheitern.

Zwar hätte der Antragsteller mit Schreiben vom 20.02.2015 einen - unter Zugrundelegung der üblichen Annahme, dass erst mit Zugang des gerichtlichen Schreibens, in dem auf die Fristversäumnis hingewiesen wird, die Frist für die Wiedereinsetzung zu laufen beginnt (vgl. oben Ziff. 3.2.4. a.E.) - fristgemäßen Wiedereinsetzungsantrag gestellt. Im Rahmen dieses Wiedereinsetzungsantrags würde dem Antragsteller aber nicht die Vermutungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG zugute kommen. Denn im Schreiben vom 20.02.2015 hat der Antragsteller den Wiedereinsetzungsantrag darauf gestützt, dass er irrtümlich davon ausgegangen sei, die ergänzende Stellungnahme bereits abgerechnet zu haben. Im Schreiben vom 20.02.2015 hat sich der Antragsteller daher ausdrücklich nicht auf eine Fristunkenntnis berufen, sondern einen anderen Grund für die zu späte Antragstellung geltend gemacht. Insofern hätte das Gericht im Rahmen der Prüfung des Wiedereinsetzungsantrags nur prüfen dürfen, ob auf der Basis des vom Antragsteller gestellten Wiedereinsetzungsantrags diesem Wiedereinsetzung zu gewähren gewesen wäre. Denn anderenfalls würde eine Wiedereinsetzung von Amts wegen geprüft, die im JVEG nicht vorgesehen ist (vgl. oben Ziff. 3.1. a.E.). Bezüglich des geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrunds - irrtümliche Annahme einer bereits erfolgten Abrechnung - hätte der Antragsteller aber kein fehlendes Verschulden geltend machen können. Denn ein derartiger Irrtum beruht grundsätzlich auf innerorganisatorischen Vorgängen, die regelmäßig nicht zu einer Wiedereinsetzung führen können, wenn nicht besondere Vorkehrungen zur Gewährleistung der erforderlichen Schritte getroffen sind (vgl. Beschluss des Senats vom 14.08.2013, Az.: L 15 SF 253/12). Die Vermutungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG hingegen wäre nicht einschlägig, da diese lediglich ein fehlendes Verschulden bei einer Fristversäumung wegen Fristunkenntnis fingiert, nicht aber bei anderen geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründen.

Dem Senat ist bewusst, dass dies in der Praxis nicht selten zu einer Ablehnung eines Wiedereinsetzungsantrags führen wird. Denn Fälle wie hier, in denen ein Antragsteller vorträgt, ihm sei die Antragsfrist nicht bekannt gewesen, dürften nicht der Regelfall sein. Vielmehr - das zeigt die Praxis - werden Wiedereinsetzungsanträge oft auf Sachverhalte gestützt, die von einem rechtlichen Laien offenbar eher als Grund für eine Wiedereinsetzung betrachtet werden als eine Unkenntnis von gesetzlichen Regelungen, die möglicherweise auch aus Gründen von Scham nicht zugestanden werden soll.

Ob ein derartiger in der Praxis eingeschränkter Anwendungsbereich des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG vom Gesetzgeber beabsichtigt war, ist für den Senat nicht zweifelsfrei erkennbar.

Dafür spricht, dass der Gesetzgeber, hätte er eine weitgehende Berücksichtigung einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung mit der Folge einer Verlängerung der Antragsfrist gewollt, sich dazu nicht des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung bedienen hätte müssen. Vielmehr hätte er dadurch einen einfacheren Weg wählen können, dass er für die Fälle fehlender oder fehlerhafter Belehrung über die Antragsfrist schlicht eine Antragsfrist von einem Jahr vorgegeben hätte. Dies hat er aber gerade nicht getan - und dies offenbar wohlüberlegt, wie aus der Gesetzesbegründung zu § 2 JVEG (vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a.a.O., S. 259) ersichtlich ist:

"Einer generellen Verlängerung der Frist steht entgegen, dass von der Abrechnung der Vergütung oder Entschädigung herangezogener Sachverständiger, Dolmetscher, Übersetzer, Zeugen und Dritter die Erstellung der Schlusskostenrechnung für das Verfahren und damit auch die Kostenfestsetzung abhängt.

Dagegen spricht, dass der Anwendungsbereich der Vermutungsregelung im Wesentlichen deshalb in der Praxis eingeschränkt sein wird, weil im JVEG im Gegensatz zu vielen anderen gesetzlichen Regelungen eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nicht vorgesehen ist. Bei einer Wiedereinsetzung von Amts wegen hingegen würde über eine derartige Vermutungsregelung der Anwendungsbereich weit größer sein als bei einer lediglich antragsbezogenen Wiedereinsetzung wie im JVEG. Sollte der Gesetzgeber aber tatsächlich eine weiter gehende Auslegung bezweckt haben, als sie der Senat zugrunde legt, könnte diesem gesetzgeberischen Wunsch wegen des klaren Wortlaut des Gesetzes und der eindeutigen Systematik nicht im Rahmen der Auslegung nachgekommen werden. Ob sich der Gesetzgeber dieses Umstands angesichts der Tatsache, dass der im JVEG verankerte Ausschluss einer Wiedereinsetzung von Amts im Vergleich mit anderen gesetzlichen Regelungen zur Wiedereinsetzung die große Ausnahme darstellt (vgl. die ausführlichen Erläuterungen im Beschluss des Senats vom 01.08.2012, Az.: L 15 SF 156/12, dort Ziff. 2.3.1.), bewusst war, ist fraglich.

Letztlich kann die aufgeworfene Frage jedoch offenbleiben. Denn eine Korrektur durch die Gerichte würde die Grenzen der zulässigen Auslegung überschreiten, da sich die Gerichte damit zum Gesetzgeber aufschwingen und gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz verstoßen würden. Eine Änderung wäre einzig und allein dem Gesetzgeber im Rahmen seines gesetzgeberischen Tätigwerdens möglich.

Festzuhalten bleibt daher, dass bei verspäteter Antragstellung und fehlender oder fehlerhafter Belehrung über die Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG die Vermutungsregelung des § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn - wie hier - der Wiedereinsetzungsantrag auf die Unkenntnis der Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG gestützt wird.

Dem Antragsteller ist daher bezüglich der Abrechnung seiner ergänzenden Stellungnahme vom 15.09.2014 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

Das Bayer. LSG hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung nach Übertragung wegen grundsätzlicher Bedeutung in voller Besetzung (§ 2 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG) zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 4 Abs. 8 JVEG).

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 14.08.2014 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der Vergütung eines Gutachtens nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) bei Überschreitung des vom Gericht zuvor für das Gutachten angeforderten Kostenvorschusses.

In dem am Sozialgericht (SG) München unter dem Aktenzeichen S 35 SB 962/12 geführten schwerbehindertenrechtlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführer, der Facharzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie ist, auf Antrag der dortigen Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und nach Einzahlung eines Vorschusses in Höhe von 1500,- € mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Im Auftragsschreiben des Gerichts vom 07.11.2013 an den Beschwerdeführer war folgender Hinweis enthalten:

„Sollten aus zwingenden Gründen die gesamten Kosten den eingezahlten Vorschuss von 1500,00 € übersteigen, so werden Sie gebeten, dem Gericht unverzüglich die endgültige Höhe der Kosten schriftlich mitzuteilen. In diesem Falle warten Sie bitte die Benachrichtigung des Gerichts ab, ob das Gutachten zu erstatten ist oder die Akten ohne Erledigung des Gutachtensauftrags zurückgesandt werden sollen. Mehrkosten für die weitere Bearbeitung werden nur nach Einwilligung des Gerichts übernommen.“

Am 18.03.2014 ist das unter dem Datum vom 16.03.2014 erstellte Gutachten des Beschwerdeführers beim SG eingegangen, am 20.03.2014 seine Rechnung vom 16.03.2014 zum Gutachten über einen Gesamtbetrag von 2.855,41 €.

Die Kostenbeamtin des SG setzte die Vergütung des Beschwerdeführers für sein Gutachten vom 16.03.2014 auf 1.500,- € fest. Die Kürzung begründete sie damit, dass die beantragte Vergütung den eingezahlten Vorschuss (1.500,- €) um fast 100% übersteige. Diese Erhöhung habe der Beschwerdeführer trotz des entsprechenden Hinweises im Gutachtensauftrag dem Gericht nicht vorher angekündigt, so dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Klägerin darüber zu informieren und ihr Einverständnis zu der Kostensteigerung einzuholen.

Dagegen hat sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 08.04.2014 gewandt und um gerichtliche Festsetzung der Vergütung gebeten. Bei Durchsicht der Akten sei er zunächst der Ansicht gewesen, dass die Vorschusshöhe von 1.500,- € nicht wesentlich überschritten werde. Im Übrigen hat er näher begründet, warum der Zeitaufwand so hoch geworden sei.

Der Bezirksrevisor hat mit Schreiben vom 27.05.2014 darauf hingewiesen, dass angesichts der Tatsache, dass einerseits die Erstellung des Gutachtens objektiv betrachtet eine höhere Vergütung als in Vorschusshöhe begründen würde, andererseits aber eine nicht ordnungsgemäße Leistungserbringung nach § 8 a Abs. 4 JVEG im Raum stehe, zu überlegen sei, ob die Vergütung auf den Vorschuss oder auf das (maximal) 1,2-fache des Vorschusses zu begrenzen sei. Im Schreiben vom 05.06.2014 hat er zudem sinngemäß die Frage aufgeworfen, ob § 8 a Abs. 4 JVEG die Besonderheiten im sozialgerichtlichen Verfahren ausreichend berücksichtige, und in diesem Zusammenhang auf den Beschluss des Senatsvom 07.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, hingewiesen, in dem die Regelung des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. Zivilprozessordnung (ZPO) in gemäß § 183 SGG kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren für unanwendbar erklärt worden sei.

Mit Beschluss vom 14.08.2014 hat das SG die Vergütung des Beschwerdeführers auf 1.500,- €, also auf die Höhe des Vorschusses, festgesetzt. Zur Begründung hat es darauf hingewiesen, dass der Vorschuss um rund 90% überschritten worden sei und nach dem eindeutigen Wortlaut des § 8 a Abs. 4 JVEG in einem solchen Fall eine Kappung der Vergütung mit dem Betrag des Vorschusses erfolgen müsse.

Dagegen hat sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.09.2014 gewandt und Beschwerde eingelegt. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass es nicht möglich gewesen sei, bei einer wirtschaftlichen Arbeitsweise im Rahmen des Vorschusses mehr als ein erweitertes Attest oder Kurzgutachten zu erstellen und sich differenziert mit den im Raum stehenden medizinischen Fragen zu beschäftigen.

Der Bezirksrevisor hat sich mit Schreiben vom 04.11.2014 dahingehend geäußert, dass er nach wie vor der Auffassung sei, dass eine Kürzung auf das 1,2-fache (statt das 1,0-fache) des Vorschusses auch bei erheblicher Überschreitung des Vorschusses angezeigt sei. Weiter hat er darauf hingewiesen, dass es dem Sachverständigen möglich sein müsse, nach der Kürzung auf den Vorschuss innerhalb der dreimonatigen Antragsfrist des § 2 Abs. 1 JVEG eine auf das 1,2-fache des Vorschusses reduzierte Rechnung zu stellen und so doch noch das 1,2-fache vergütet zu erhalten. Eine Kürzung (auf das 1,0-fache des Vorschusses) sei ein (zumindest haushaltsrechtlicher) Verwaltungsakt. Ein anfechtbarer Verwaltungsakt müsse mit einer richtigen Rechtsbehelfsbelehrung versehen werden. Ein Hinweis nur darauf, dass man gegen die Kürzung auf die Höhe des Vorschusses Antrag auf richterliche Festsetzung nach § 4 JVEG stellen könne, wäre bei zulässiger Nachliquidation innerhalb von drei Monaten (danach nur mit Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand) nicht ausreichend, wenn nicht sogar falsch. Anstatt in einem Rechtsbehelf auf die Möglichkeit einer „reduzierten Rechnungsstellung“ hinzuweisen, sei es fairer, einfacher und praktikabler, gleich nur auf das 1,2-fache des Vorschusses zu kürzen.

II.

Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Festsetzung der Vergütung durch das SG auf die Höhe des Vorschusses, also auf 1.500,- €, steht in Einklang mit den gesetzlichen Vorgaben des § 8 a Abs. 4 JVEG. Die Berücksichtigung eines Aufschlags (in Höhe von bis zu unter 20%) ist ausgeschlossen, wenn die ohne Berücksichtigung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zustehende Vergütung den eingezahlten Vorschuss erheblich überschreitet.

1. Anzuwendende Fassung des JVEG

Zur Anwendung kommen im vorliegenden Fall nach Erlass des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (2. Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - 2. KostRMoG) vom 23.07.2013 (BGBl I S. 2586, 2681 ff.) gemäß der Übergangsvorschrift des § 24 JVEG die Regelungen des JVEG in der ab dem 01.08.2013 geltenden Fassung. Denn der Beschwerdeführer als Berechtigter ist nach dem gemäß Art. 55 2. KostRMoG am 01.08.2013 erfolgten Inkrafttreten des 2. KostRMoG als Sachverständiger beauftragt worden.

2. Prüfungsumfang im Beschwerdeverfahren

Im Rahmen der Beschwerdeentscheidung sind vom Beschwerdegericht alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer aufgegriffen hat oder nicht (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; LSG Thüringen, Beschluss vom 05.03.2012, Az.: L 6 SF 1854/11 B - m. w. N.). Das Beschwerdegericht ist eine neue Tatsacheninstanz, die in vollem Umfang anstelle des Erstgerichts zu entscheiden hat (ständige Rspr. des Senats, vgl. z. B. Beschluss vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 26. Aufl. 2014, § 4, Rdnr. 18; Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, § 4 JVEG, Rdnr. 28).

3. Einschlägige Rechtsnorm des § 8 a Abs. 4 JVEG

Mit dem 2. KostRMoG ist die Vorschrift des § 8 a JVEG eingeführt worden, dessen hier maßgebliche Absätze 4 und 5 wie folgt lauten:

„(4) Übersteigt die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss erheblich und hat der Berechtigte nicht rechtzeitig nach § 407 a Absatz 3 Satz 2 der Zivilprozessordnung auf diesen Umstand hingewiesen, erhält er die Vergütung nur in Höhe des Auslagenvorschusses.

(5) Die Absätze 3 und 4 sind nicht anzuwenden, wenn der Berechtigte die Verletzung der ihm obliegenden Hinweispflicht nicht zu vertreten hat.“

§ 407 a Absatz 3 Satz 2 ZPO lautet wie folgt:

„Erwachsen voraussichtlich Kosten, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstandes stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen, so hat der Sachverständige rechtzeitig hierauf hinzuweisen.“

Der Gesetzgeber hat die Neuregelung des § 8 JVEG wie folgt begründet (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf des 2. KostRMoG - Bundestags-Drucksache 17/11471 (neu), S. 259 f.):

„Der vorgeschlagene § 8 a JVEG soll das Schicksal des Vergütungsanspruchs für Fälle der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung regeln. Die vorgeschlagenen Regelungen orientieren sich an der für die Sachverständigenvergütung ausgewogenen Rechtsprechung. ... und die Absätze 3 und 4 sollen diejenigen Fälle regeln, in denen der Sachverständige gegen Pflichten verstößt, die einen unmittelbaren kostenrechtlichen Bezug haben.

...

Die Absätze 3 und 4 sollen die Fälle regeln, in denen der Sachverständige pflichtwidrig gegen die Verpflichtung aus § 407 a Absatz 3 Satz 2 ZPO verstößt, indem er es unterlässt, rechtzeitig darauf hinzuweisen, dass voraussichtlich Kosten erwachsen, die erkennbar außer Verhältnis zum Wert des Streitgegenstands stehen oder einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Hat das Gericht jedoch dem Sachverständigen die Zahlung eines Kostenvorschusses in einer bestimmten Höhe ohne weitere Hinweise mitgeteilt, kann der Sachverständige unterstellen, dass das Gericht von der Verhältnismäßigkeit dieses Betrags ausgeht.

... Wenn die Vergütung einen angeforderten Vorschuss erheblich übersteigt, soll sie mit dem Betrag des Vorschusses gekappt werden. Dadurch soll aber keine generelle Kappungsgrenze für jede Überschreitung des Vorschusses geschaffen werden, sondern nur für Fälle des erheblichen Übersteigens. Die Literatur nimmt Erheblichkeit erst bei einer um zwanzig Prozent übersteigenden Vergütung an (Zöller/Greger, 25. Auflage, § 413 ZPO, Rnr. 6).

Der vorgeschlagene Absatz 5 soll ein Verschuldenserfordernis in den Fällen der Absätze 3 und 4 festlegen. Dadurch soll dem Berechtigten ermöglicht werden, sich auf ein mangelndes Verschulden berufen zu können, um die Rechtsfolge der Vergütungsminderung nicht eintreten zu lassen. Systematisch wird ein Verschulden generell vermutet, so dass es dem Berechtigten obliegt, mangelndes Verschulden darzulegen. Als Verschuldensmaßstab soll Vorsatz und Fahrlässigkeit genügen.“

4. Anwendbarkeit des § 8 a Abs. 4 JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren

§ 8 a Abs. 4 JVEG ist im sozialgerichtlichen Verfahren anwendbar; irgendwelche Einschränkungen aufgrund der Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens gibt es nicht.

Wenn der Bezirksrevisor mit Blick auf den Beschluss des Senats vom 07.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, in dem der Senat die Regelung des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO in gemäß § 183 SGG kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren für unanwendbar erklärt hat, die Anwendbarkeit des § 8 a Abs. 4 JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren infrage stellt, kann der Senat dem nicht folgen.

Strittig im Verfahren mit dem Aktenzeichen L 15 SF 275/13 war die Vergütung einer Magnetresonanztomographie (MRT) im Rahmen eines von Amts wegen eingeholten Gutachtens. Das SG hatte dies unter dem Gesichtspunkt, dass durch die MRT hohe zusätzliche Kosten entstünden, die grundsätzlich einer Genehmigung durch den Hauptsacherichter bedürfen würden, abgelehnt. In diesem Zusammenhang hatte der Senat zum Rechtsgedanken des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO im Beschluss vom 07.12.2013 Folgendes ausgeführt:

„Der Senat hält § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO in gemäß § 183 SGG kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren für unanwendbar. Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt abweichend von der ZPO, in der der Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz maßgeblich ist, der Amtsermittlungsgrundsatz (vgl. Leitherer, a. a. O., § 202, Rdnr. 3). Alle Vorschriften der ZPO, die mit dem Verhandlungs- oder Beibringungsgrundsatz zusammenhängen, sind daher gemäß § 202 SGG nicht anwendbar (vgl. Leitherer, a. a. O., § 103, Rdnr. 1). Von der Anwendbarkeit ausgeschlossen sind zudem alle weiteren Regelungen, die auf Ausgestaltungen des zivilgerichtlichen Verfahrens beruhen, die es so im sozialgerichtlichen Verfahren nicht gibt. Dazu gehört auch die Regelung des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO. Zum einen existiert in den sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG ein Streitwert im Sinn des Zivilprozessrechts nicht und auch das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten - als potentielles Ersatzkriterium bei einer nur entsprechenden Anwendung - ist kaum quantifizierbar. Die dem Sachverständigen mit § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO auferlegte Pflicht, den Streitwert zumindest grob zu schätzen (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 71. Aufl. 2013, § 407 a, Rdnr. 20) wird daher regelmäßig unerfüllbar sein. Zum anderen - und dies ist das noch gewichtigere Argument - dient die Hinweispflicht des Sachverständigen gemäß § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO dem Zweck, den Parteien Anlass zu der Überlegung zu geben, ob ihnen die Sache dies wert ist (vgl. Reichhold, in: /Putzo, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 407 a, Rdnr. 5), nicht so sehr aber als Hilfe für die Verfahrensführung durch das Gericht. Denn im zivilgerichtlichen Verfahren sind die Kosten von den Parteien, nicht aber wie im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG bei Ermittlungen von Amts wegen von der Staatskasse zu tragen. Insofern unterscheiden sich zivilgerichtliches und sozialgerichtliches Verfahren grundlegend. Im zivilgerichtlichen Verfahren sind für das Gericht und damit die Staatskasse die entstehenden Kosten ohne allzu große Bedeutung, da immer eine der Parteien die Kosten zu tragen hat. Wegen der Parteien und zu deren Schutz hat der Gesetzgeber die Verpflichtung für den Sachverständigen eingeführt. Im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG hingegen ist der Kostengesichtspunkt für die Beteiligten bei den von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen grundsätzlich ohne Bedeutung, da nicht sie, sondern die Staatskasse die Kosten zu tragen hat. Der Kostengesichtspunkt hat daher im zivilgerichtlichen Verfahren ein ganz anderes Gewicht für die Parteien, die das Verfahren auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten führen müssen. Insofern sieht der Senat den Anwendungsbereich des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 183 SGG als nicht eröffnet an, da der Grund für die Regelung des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO, nämlich der Schutz der Parteien vor unwirtschaftlich hohen Gutachtenskosten, im sozialgerichtlichen Verfahren nicht einschlägig ist und - wie oben (vgl. Ziff. 6.1.1.1.) erläutert - fiskalische Überlegungen den Amtsermittlungsgrundsatz nicht einschränken können, also ein Schutzbedürfnis für das Gericht vor unwirtschaftlich hoher Belastung von der gesetzlichen Systematik nicht vorgesehen ist. Wenn demgegenüber Keller (vgl. in: Meyer-Ladewig/ders./Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 118, Rdnr. 11d) ohne irgendeine Begründung § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO für anwendbar hält, kann sich der Senat dem nicht anschließen.“

Daraus aber auf eine Unanwendbarkeit des § 8 a Abs. 4 JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren zu schließen, wäre verfehlt. Denn die damals im Zusammenhang mit § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO, der mit dem durch das 2. KostRMoG eingeführten § 8 a Abs. 3 JVEG korrespondiert, erörterte Frage ist nicht mit der zu vergleichen, wie sie sich jetzt mit Blick auf § 8 a Abs. 4 JVEG stellt.

Die Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG mit der darin enthaltenen Hinweispflicht, die § 407 a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. ZPO entspricht, einerseits und die Vorschriften des § 8 a Abs. 3 JVEG und des damit korrespondierenden § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO, die Gegenstand der Entscheidung des Senats vom 07.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, gewesen ist, andererseits beinhalten unterschiedliche Regelungsgegenstände und dienen anderen Regelungszielen.

So soll mit § 8 a Abs. 3 JVEG (bzw. § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO) dem Gericht und damit insbesondere den Parteien die Möglichkeit eröffnet werden, von der Einholung eines Gutachtens abzusehen, wenn die dafür entstehenden Kosten, die regelmäßig erst der Sachverständige absehen kann, in einem Missverhältnis zum Streitwert stehen und daher ein Gutachten angesichts der dadurch entstehenden Kosten mit Blick auf das Prozessziel möglicherweise als unwirtschaftlich erscheint. Für diese Regelung sieht der Senat wie früher (vgl. Beschluss des Senats vom 07.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13) keinen Anwendungsbereich im nach § 183 SGG kostenfreien sozialgerichtlichen Verfahren.

Mit § 8 a Abs. 4 JVEG wird hingegen - auf das sozialgerichtliche Verfahren übertragen - dem Umstand Rechnung getragen, dass sich ein Kläger dazu entschlossen hat, von seinem Recht nach § 109 SGG Gebrauch zu machen und dabei bereit ist, jedenfalls bis zu einer bestimmten Höhe, wie sie sich aus dem von ihm eingezahlten Vorschuss ergibt, (zumindest zunächst) eigene finanzielle Mittel aufzuwenden. Um den Kläger in einem derartigen Fall vor einem „Ausdemruderlaufen“ der Kosten zu schützen, muss ihm die Möglichkeit gegeben werden, von seinem sich aus § 109 SGG ergebenden Recht Abstand zu nehmen, wenn dadurch Kosten entstehen, die er nicht mehr tragen kann oder will. Die Interessenlage ist hier nicht anders als im zivilgerichtlichen Verfahren.

Insofern kann aus einer Unanwendbarkeit des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 1. Alt. ZPO bzw. jetzt auch des § 8 a Abs. 3 JVEG nicht darauf geschlossen werden, dass der Regelungsgehalt des § 8 a Abs. 4 JVEG im sozialgerichtlichen Verfahren fehl am Platz wäre.

Es besteht daher bei § 8 a Abs. 4 JVEG (genauso wie bei § 407 a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. ZPO) kein Zweifel daran, dass diese Regelung mit den Besonderheiten des sozialgerichtlichen Verfahrens in Einklang steht. Denn in den Fällen einer Gutachtenserstellung gemäß § 109 SGG - nur in derartigen Fällen kann es wegen der dann üblicherweise erfolgenden Anforderung eines Vorschusses zu einer Anwendung des § 8 a Abs. 4 JVEG kommen - besteht genauso wie im zivilgerichtlichen Verfahren ein Interesse des Antragstellers gemäß § 109 SGG, über die Höhe der entstehenden Kosten im Bilde zu sein.

5. Anwendung des § 8 a Abs. 4 JVEG im hier zu entscheidenden Fall

Das SG hat die Vergütung des Beschwerdeführers zutreffend auf die Höhe des Vorschusses festgesetzt, da die sich aus dem eingezahlten Vorschuss (vgl. unten Ziff. 5.1.) ergebende Erheblichkeitsgrenze (vgl. unten Ziff. 5.2.) durch die dem Beschwerdeführer ohne Berücksichtigung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zustehende Vergütung (vgl. unten Ziff. 5.3.) erreicht oder überschritten wird (vgl. unten Ziff. 5.4.), der Beschwerdeführer auf die erhebliche Überschreitung nicht rechtzeitig hingewiesen hat (vgl. unten Ziff. 5.5.) und nicht der Nachweis geführt ist, dass er die Verletzung der Hinweispflicht nicht zu vertreten hätte (vgl. unten Ziff. 5.6.), mit der Konsequenz, dass die Vergütung auf die Höhe des Vorschusses ohne Aufschlag (von 20% abzüglich eines Cents) festzusetzen ist (vgl. unten Ziff. 5.7.).

5.1. Eingezahlter Vorschuss

Eingezahlt worden ist ein Vorschuss in Höhe von 1.500,- €.

5.2. Erheblichkeitsgrenze für die Überschreitung des Vorschusses

Die Erheblichkeitsgrenze liegt bei einer Vorschusshöhe von 1.500,- € bei

1.800,-€.

Der Senat geht davon aus, dass eine Überschreitung des Vorschusses dann erheblich ist, wenn die Überschreitung mindestens 20% des Vorschusses beträgt. Dies steht in Einklang mit der Gesetzesbegründung (vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a. a. O., S. 260), der Kostenrechtsliteratur (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 8 a, Rdnr. 33; Hartmann, a. a. O., § 8 a JVEG, Rdnr. 64) und der überwiegenden Rechtsprechung (vgl. z. B. Oberlandesgericht - OLG - Hamm, Beschluss vom 14.10.2014, Az.: I-10 U 104/11, 10 U 104/11).

Bei einem Vorschuss in Höhe von 1.500,- liegt die Erheblichkeitsgrenze daher bei 1.800,- € (1.500,- € x 1,2).

5.3. Ohne Berücksichtigung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG zustehende Vergütung

Die dem Beschwerdeführer zustehende Vergütung, wenn kein Fall des § 8 a Abs. 4 JVEG gegeben wäre, bewegt sich jedenfalls in einer Dimension, die deutlich oberhalb von 2.000,- € liegt.

Sofern der Gesetzgeber in § 8 Abs. 4 JVEG formuliert

„Übersteigt die Vergütung den angeforderten Auslagenvorschuss...“

meint der Gesetzgeber mit dem Wort „Vergütung“ die dem Sachverständigen zustehende Vergütung, wie sie sich ohne Anwendung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG ergeben würde. Nicht maßgeblich kann die vom Sachverständigen beantragte Vergütung sein, wenn diese die Höhe überschreiten würde, wie sie sich bei Zugrundelegung der maßgeblichen Abrechnungsvorgaben ergeben würde.

Etwas anderes, nämlich die Maßgeblichkeit der vom Sachverständigen gestellten Vergütungsforderung, ergibt sich weder aus § 8 a JVEG, insbesondere nicht § 8 a Abs. 3 JVEG, noch aus dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, und vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15).

In § 8 a Abs. 3 JVEG hat der Gesetzgeber das Wort „Vergütung“ ergänzt um den Zusatz „geltend gemachte“. Es spricht nichts dagegen, § 8 a Abs. 4 JVEG nicht identisch wie § 8 a Abs. 3 JVEG auszulegen. Daraus aber den Schluss zu ziehen, es komme bei § 8 a Abs. 4 a.A. JVEG auf die „geltend gemachte“ Vergütung als Kriterium für die Beurteilung der Erheblichkeit der Überschreitung an, wäre falsch. Denn auch bei § 8 a Abs. 3 JVEG kann es - entgegen dem Wortlaut des Gesetzes - nicht darauf ankommen, was der Antragsteller als Vergütung gefordert hat, sondern nur darauf, was ihm als Vergütung objektiv zustehen würde. Denn dem ganzen Vergütungs- und Entschädigungssystem des JVEG ist es fremd, dass - abgesehen von einer Begrenzung durch das Antragsprinzip - die Höhe der vom Gericht festzusetzenden Vergütung oder Entschädigung allein durch die geltend gemachte Forderungshöhe des Antragstellers und damit u.U. unabhängig von einem objektiven Maßstab bestimmt würde. Vielmehr ist immer maßgeblich die objektiv zustehende Vergütung (vgl. auch Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 26.07.2007, Az.: 1 BvR 55/07). Es würde einen Systembruch darstellen, abweichend vom vorgenannten Grundsatz allein bei § 8 a Abs. 3 und 4 JVEG auf die geltend gemachte - und nicht die objektiv zustehende - Vergütung abzustellen. Denn dann wäre bei Gutachten, denen die Einholung eines Vorschusses vorausgeht, die Vergütung, jedenfalls wenn sich die Forderung des Sachverständigen im Bereich von 100% bis unter 120% des Vorschusses bewegt, fernab aller ansonsten geltenden Grundsätze lediglich aufgrund einer nicht auf Übereinstimmung mit den Abrechnungsvorgaben geprüften Vergütungsforderung vorzunehmen. Dies wäre durch nichts legitimiert, auch nicht durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung. Dieses Gebot stellt lediglich sicher, dass die Kostenbearbeitung nicht durch überzogene Prüfpflichten in ihrer Effektivität beschränkt wird, hebelt aber nicht die Vorgaben zur Ermittlung der Vergütung eines Sachverständigen aus, auch wenn die Kosten für das Gutachten zumindest zunächst von einem Beteiligten durch die Einzahlung eines Vorschusses zu tragen sind. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass für die Vergütung aller Gutachten im sozialgerichtlichen Verfahren die gleichen Maßstäbe gelten, unabhängig davon, ob ein Gutachten von Amts wegen gemäß § 106 SGG oder auf Antrag eines Klägers gemäß § 109 SGG eingeholt worden ist. Zudem wäre ein erhebliches Missbrauchspotenzial eröffnet, wenn das Wort „Vergütung“ in § 8 a Abs. 4 a.A. JVEG als „geltend gemachte Vergütung“ im Sinn der gestellten Rechnung interpretiert würde. Denn dann könnte ein Sachverständiger dadurch, dass er eine den Auslagenvorschuss erheblich übersteigende Vergütungsforderung aufstellt, eine Vergütung in Höhe des Auslagenvorschusses erreichen, auch wenn die ihm objektiv zustehende Vergütung diese Höhe nicht erreichen würde. Denn - bei wörtlicher Auslegung - wäre in einem derartigen Fall die Vergütung auf die Höhe des Auslagenvorschusses festzusetzen. Die vom Gesetzgeber als Sanktionierung einer Schlechtleistung gedachte Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG würde damit in eine Belohnung für einen (absichtlich) falsch abrechnenden Sachverständigen und damit das Regelungsziel des Gesetzgebers in sein Gegenteil verkehrt. Dass ein derartiges Ergebnis unvertretbar wäre, bedarf keiner weitergehenden Erläuterung.

Der Senat hat daher nicht den geringsten Zweifel daran, dass im Rahmen des § 8 a Abs. 4 JVEG immer auf die dem Sachverständigen objektiv zustehende Vergütung abzustellen ist, nicht aber auf eine vom Gutachter beantragte höhere.

Wenn aus der erst ganz vereinzelt vorliegenden zivilgerichtlichen Rechtsprechung zu § 8 a Abs. 4 JVEG nicht ersichtlich ist, dass auch die Zivilgerichte immer in gleicher Weise wie der Senat Anlass für eine präzise Betrachtung sehen (vgl. einerseits OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, Az.: I-24 U 220/12, 24 U 220/12:

„Die vom Sachverständigen begehrte Vergütung übersteigt den Auslagenvorschuss ...“;

ähnlich Thüringer OLG, Beschluss vom 01.08.2014, Az.: 7 U 405/12:

„Im vorliegenden Fall stehen die geltend gemachten Gutachterkosten ...“,

andererseits OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2014, Az.: I-10 U 104/11, 10 U 104/11:

„...erscheint der vom Sachverständigen geltend gemachte Zeitaufwand ohne weiteres nachvollziehbar, so dass sich grundsätzlich ein Vergütungsanspruch in der vom Sachverständigen geltend gemachten Höhe errechnet.“)

ist dies ohne Frage mit den praktischen Unterschieden des sozialgerichtlichen Verfahrens einerseits und des zivilgerichtlichen Verfahrens andererseits zu begründen. Denn anders als im zivilgerichtlichen Verfahren, in dem die Parteien die Kosten eines Gutachtens zu tragen haben, ist bei einem Gutachten gemäß § 109 SGG die gar nicht seltene Möglichkeit gegeben, dass letztlich die Staatskasse die Kosten für das Gutachten zu tragen hat. Dies dürfte - neben dem im sozialgerichtlichen Verfahren zu beachtenden Grundsatz, dass alle Gutachten, also sowohl nach § 106 SGG als auch gemäß § 109 SGG, nach den selben Vorgaben abzurechnen sind - die unterschiedliche Sensibilität in den beiden Gerichtszweigen erklären.

Die einem Sachverständigen objektiv zustehende Vergütung ergibt sich aus § 8 Abs. 1 JVEG, begrenzt durch das Antragsprinzip (vgl. Beschlüsse des Senats vom 26.06.2012; Az.: L 15 SF 423/09, und vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13; Thüringer LSG, Beschluss vom 27.01.2005, Az.: L 6 SF 745/04). Insbesondere zur Ermittlung des objektiv erforderlichen Zeitaufwands verweist der Senat auf seine Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, und vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11.

Dass die nach den aufgezeigten Vorgaben zu ermittelnde Vergütung des Beschwerdeführers - der Beschwerdeführer hat eine Rechnung über 2.855,41 € gestellt - sich in einem Bereich von deutlich über 2.000,- € bewegt, liegt angesichts der ausführlichen Erläuterungen des Sachverständigen in seinem Gutachten im Rahmen der Beurteilung der Beweisfragen und der von ihm dazu gemachten plausiblen Zeitangaben auf der Hand; einer detaillierten Berechnung bedarf es insofern im vorliegenden Fall nicht.

5.4. Erreichen (bzw. Überschreiten) der Erheblichkeitsgrenze durch die dem Antragsteller objektiv zustehende Vergütung

Der unter Ziff. 5.3. ermittelte Betrag von mindestens 2.000,- € liegt deutlich über der in Ziff. 5.2. bestimmten Erheblichkeitsgrenze des § 8 a Abs. 4 JVEG in Höhe von hier 1.800,- €.

5.5. Kein rechtzeitiger Hinweis des vergütungsberechtigten Sachverständigen auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses

Der Beschwerdeführer hat überhaupt nicht vor Vorlage des Gutachtens darauf hingewiesen, dass die ihm zustehende Vergütung die Erheblichkeitsgrenze erreichen oder überschreiten werde, sondern das Gutachten zusammen mit seiner Rechnung über 2.855,41 € vorgelegt.

5.6. Kein fehlendes Verschulden bei der Verletzung der Hinweispflicht

Es ist nicht nachgewiesen, dass der Beschwerdeführer die Verletzung seiner Pflicht, auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses rechtzeitig hinzuweisen, nicht zu vertreten hätte.

5.6.1. Zur widerleglichen Vermutung des Verschuldens - Allgemeines

Die gesetzliche Regelung des § 8 a Abs. 5 JVEG ist so konstruiert, dass das Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Vergütungsberechtigten widerleglich vermutet wird (vgl. auch die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a. a. O., S. 260).

Von einer Widerlegung des vom Gesetzgeber vermuteten Verschuldens kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige keine Kenntnis von der Höhe des Vorschusses gehabt hat. Darauf, ob er vom Gericht über die Konsequenzen der Vorschussüberschreitung hingewiesen worden ist, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Der Sachverständige kann sich auch nicht darauf berufen, dass er zunächst davon ausgegangen sei, dass der Vorschuss ausreichend hoch und ihm die Überschreitung erst zu einem Zeitpunkt aufgefallen sei, als der vergütungsrechtliche Wert seiner Arbeit den Vorschuss bereits erheblich überschritten habe.

Das den Gutachtensauftrag erteilende Gericht (der Hauptsache) hat den Sachverständigen nur auf die Höhe des Vorschusses hinzuweisen, nicht aber auf die sich aus einer erheblichen Überschreitung des Vorschusses ergebende Konsequenz. Dies folgt schon aus der gesetzlichen Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG. Der Gesetzgeber hat darin - anders als im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 Satz 2 JVEG - keine ausdrückliche Belehrungspflicht hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Vorschussüberschreitung vorgegeben. Dagegen, dass im Rahmen dieser gerichtlichen Informationspflicht verpflichtend zusätzlich darüber aufzuklären wäre, welche Konsequenzen sich bei erheblicher Überschreitung des Vorschusses ergeben, wenn der Sachverständige darauf nicht rechtzeitig hingewiesen hat, spricht auch, dass als Bezugspunkt für ein fehlendes Vertretenmüssen gemäß § 8 a Abs. 5 JVEG allein die Verletzung der Hinweispflicht des Sachverständigen auf die Vorschussüberschreitung, nicht aber die Kenntnis der vergütungsrechtlichen Konsequenzen einer Hinweispflichtverletzung angesehen wird (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 14.10.2014, Az.: I-10 U 104/11, 10 U 104/11; Landgericht - LG - Heidelberg, Beschluss vom 05.02.2015, Az.: 3 T 4/15). Dies entspricht dem Grundsatz, dass eine Rechtsunkenntnis grundsätzlich einem Verschulden nicht entgegen steht (ständige Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 22.01.1999, Az.: 2 BvR 729/96; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 01.11.2001, Az.: 4 BN 53/01, und vom 07.10.2009, Az.: 9 B 83/09; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 10.04.2006, Az.: VII S 9/06; Bundessozialgericht, Beschluss vom 10.02.1993, Az.: 1 BK 37/92, Urteile vom 15.08.2000, Az.: B 9 VG 1/99 R, vom 28.04.2005, Az.: B 9a/9 VG 3/04 R, und vom 06.05.2010, Az.: B 13 R 44/09 R). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der vorgenannte Grundsatz unabhängig vom Bekanntheitsgrad der gesetzlichen Regelung ist, was sich aus dem Grundsatz der formellen Publizität ergibt (vgl. Beschluss des Senats vom 10.10.2014, Az.: L 15 SF 289/13). Aus dem Grundsatz der formellen Publizität ergibt sich auch, dass es ohne Bedeutung ist, wie lange eine gesetzliche Neuregelung bereits in Kraft ist, und dass es ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Fortbestand der alten Gesetzeslage nicht gibt (vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, Az.: I-24 U 220/12, 24 U 220/12; LG Heidelberg, Beschluss vom 05.02.2015, Az.: 3 T 4/15). Dass ein Sachverständiger zudem gehalten ist, sich regelmäßig über die für seine Tätigkeit maßgeblichen gesetzlichen Vorgaben zu informieren, ist lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken.

Andere Fälle als der aufgezeigte der fehlenden Kenntnis von der Höhe des Vorschusses, weil eine entsprechende Information durch das Gericht nicht erfolgt ist, für die Widerlegung des Verschuldens sind für den Senat schwerlich vorstellbar. Insbesondere kann sich ein Sachverständiger nicht auf eine Fehlkalkulation der Kosten vor Beginn der Gutachtenserstellung (vgl. Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 8 a, Rdnr. 35) oder darauf berufen, dass ihm die erhebliche Kostensteigerung erst bewusst geworden sei, als das Gutachten bereits fertig erstellt oder jedenfalls der Vorschuss durch die schon angefallene Tätigkeit bereits erheblich überschritten gewesen sei. Zwar bestehen für den Senat nicht die geringsten Zweifel daran, dass von einem Sachverständigen nicht erwartet werden kann, dass er bereits bei Beginn der Gutachtenserstellung die endgültigen Kosten exakt abschätzen kann. Eine derartige Erwartungshaltung wäre zum einen völlig praxisfern, da ein soweit gehender Vorausblick des Sachverständigen angesichts oft sehr komplexer Fragestellungen nicht erwartet werden kann, und hätte zum anderen auch keine gesetzliche Grundlage. Denn der Gesetzgeber fordert in § 8 a Abs. 4 JVEG (und auch in § 407 a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. ZPO) lediglich einen „rechtzeitigen“ Hinweis auf die erhebliche Überschreitung des Vorschusses. Von einer Rechtzeitigkeit in diesem Sinn muss, um die Anforderung an den Sachverständigen, sich über die Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten im Bilde zu sein, nicht zu überspannen, auch noch dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige das Gericht zu einem Zeitpunkt informiert, zu dem die ihm bis dahin zustehende Vergütung die Grenze der Erheblichkeit der Vergütung zu erreichen droht. Würde vom Sachverständigen ein früherer Hinweis erwartet - dies läge im Interesse der die Kosten tragenden Partei, da damit ihr Kostenrisiko reduziert werden könnte, dass sie Gutachtenskosten (bis zur Höhe des Vorschusses) zu tragen hätte, ohne dass es zu einer Fertigstellung des Gutachtens gekommen wäre -, würden die Anforderungen an ihn überspannt, sich bei der Gutachtenserstellung der voraussichtlich entstehenden Kosten bewusst zu sein. Auch wäre anderenfalls keine rechtssichere Abgrenzung bezüglich der Rechtzeitigkeit möglich, da es nicht Sache des Kostenbeamten und Kostenrichters sein kann, einem Sachverständigen nachzuweisen, zu welchem Zeitpunkt ihm während der Gutachtenserstellung bewusst geworden sein muss, dass die Gutachtenskosten den Vorschuss erheblich überschreiten würden. Dabei bedarf es in diesem Zusammenhang gar keines Rückgriffs auf den Leitgedanken der Rechtsprechung des Kostensenats, wonach aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und Handhabbarkeit die Anforderungen an die Prüfpflicht der Kostenbeamten und Kostenrichter nur sehr gering sind (vgl. die oben in Ziff. 5.3. aufgelisteten Grundsatzbeschlüsse des Senats). Denn dass es für einen Außenstehenden, der nicht selbst Sachverständiger ist, nicht nachvollziehbar sein wird, ab welchem Zeitpunkt dem gerichtlichen Sachverständigen die Entstehung von Kosten in einer konkreten Höhe, nämlich in Höhe des Vorschusses mit einer nur unerheblichen Überschreitung, bewusst gewesen sein muss, liegt auf der Hand. Erwartet werden kann und muss daher vom Sachverständigen nur, dass er während der Erstellung des Gutachtens über die jeweils bereits angefallenen Kosten weitgehend im Bilde ist.

Eine Exkulpation bezüglich des Verschuldens wäre auch nicht dadurch möglich, dass der Sachverständige vortragen würde, ihm sei die genaue Höhe der Erheblichkeitsgrenze nicht bewusst gewesen. Es muss einem Sachverständigen grundsätzlich bewusst sein, dass er nur mit einer Vergütung im Rahmen des eingezahlten Vorschusses rechnen kann und es daher in seinem eigenen Interesse geboten ist, dass er das Gericht schon darüber in Kenntnis setzt, wenn eine Überschreitung des Vorschusses an sich im Raum steht, nicht erst dann, wenn die Überschreitung einen nicht unerheblichen Umfang annimmt. Entsprechend war auch der Hinweis im Auftragsschreiben des Gerichts an den Sachverständigen formuliert.

5.6.2. Kein fehlendes Verschulden des Beschwerdeführers

Ein fehlendes Verschulden des Beschwerdeführers ist nicht nachgewiesen.

Auf die Höhe des eingezahlten Vorschusses ist der Beschwerdeführer mit dem Gutachtensauftrag hingewiesen worden.

Der Beschwerdeführer ist, der üblichen Praxis in der Sozialgerichtsbarkeit in Bayern folgend, nicht nur über die Höhe des eingezahlten Vorschusses informiert worden, sondern sogar über die rechtliche Konsequenz einer Überschreitung des Vorschusses unter Verstoß gegen die Hinweispflicht belehrt worden. Dass die gerichtliche Aufforderung im Gutachtensauftrag dahingehend formuliert ist, dass der Sachverständige das Gericht schon bei einer im Raum stehenden Überschreitung des Vorschusses zu informieren und dann die Nachricht des Gerichts abzuwarten habe und nicht erst bei einer wesentlichen Überschreitung, wie es die gesetzlichen Regelungen des § 8 a Abs. 4 JVEG und des § 407 a Abs. 3 Satz 2, 2. Alt. ZPO vorsehen, ist unschädlich. Zwar geht die Aufforderung im gerichtlichen Gutachtensauftrag - auch im Interesse des Sachverständigen zur frühzeitigen Vorbeugung etwaiger vergütungsrechtlicher Probleme - über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Dies kann aber kein fehlendes Verschulden des Beschwerdeführers im Sinn des § 8 a Abs. 5 JVEG begründen, was einer Kürzung seiner Vergütungsforderung auf den Vorschuss entgegenstünde. Denn für die Frage des Verschuldens kommt es allein auf die Kenntnis der Vorschusshöhe, nicht aber auf die rechtlichen Konsequenzen einer (erheblichen) Überschreitung an (vgl. oben Ziff. 5.6.1.). Allenfalls dann, wenn die weitergehenden Hinweise insofern nicht mit der Gesetzeslage übereinstimmen würden, dass die falsch oder unzureichend dargestellten rechtlichen Konsequenzen weniger schwerwiegend wären als das, was die Gesetzeslage vorsieht, wäre dies gegebenenfalls zugunsten des Sachverständigen zu berücksichtigen. Da aber hier die gesetzlichen Konsequenzen einer Überschreitung des Vorschusses nicht als weniger belastend, als sie tatsächlich sind, dargestellt worden sind, erübrigen sich weitergehende Überlegungen.

Dass der Beschwerdeführer zunächst davon ausgegangen ist, dass der eingezahlte Vorschuss für das Gutachten ausreichend sei, und sich, wie er vorgetragen hat, erst im Lauf der Erstellung des Gutachtens für ihn zunächst nicht absehbare Kostenmehrungen ergeben haben, kann - wie oben erläutert (vgl. Ziff. 5.6.1.) - ein fehlendes Verschulden nicht begründen. Er hätte das SG spätestens zu dem Zeitpunkt informieren (und vor einem Weiterarbeiten am Gutachten die Antwort des Gerichts abwarten) müssen, als die bis dahin angefallenen Kosten die Erheblichkeitsgrenze zu erreichen drohten.

5.7. Rechtsfolge: Kürzung auf die Höhe des Vorschusses

Die Vergütung ist auf die Höhe des Vorschusses, d. h. auf 1.500 €, zu kürzen. Ein Aufschlag auf die Höhe dessen, was die maximal mögliche Vergütung unterhalb der Erheblichkeitsgrenze darstellen würde, also von 20% abzüglich eines Cents, ist nicht vorzunehmen.

Die gesetzliche Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG ist eindeutig und einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Der Gesetzgeber hat eine Vergütung „nur in Höhe des Auslagenvorschusses“ vorgegeben. Dieses Ergebnis - Festsetzung der Vergütung auf die Höhe des Auslagenvorschusses - entspricht auch der herrschenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 24.07.2014, Az.: I-24 U 220/12, 24 U 220/12, und vom 14.10.2014, Az.: I-10 U 104/11, 10 U 104/11; LG Hannover, Beschluss vom 07.08.2014, Az.: 92 T 87/14; Hartmann, a. a. O., § 8 a JVEG, Rdnr. 64; Meyer/Höver/Bach/Oberlack,, a. a. O., § 8 a, Rdnr. 33, wobei hier die missverständliche Formulierung „kann die Vergütung auf den Betrag des angeforderten Vorschusses begrenzt werden“, verwendet wird; denn dagegen, dass die Begrenzung der Vergütung im Ermessen des Gerichts stünde, spricht der eindeutige Wortlaut des Gesetzes).

5.8. Keine weiteren Prüfungspunkte

5.8.1. Frage der Gutachtenserstellung bei Kenntnis der höheren Kosten irrelevant

Darauf, ob das Gutachten im vorliegenden, über den Kostenvorschuss hinausgehende Kosten verursachenden Umfang auch dann erstellt worden wäre, wenn das Gericht (und von diesem die Antragstellerin gemäß § 109 SGG) über die höheren Kosten rechtzeitig informiert worden wäre, kommt es nicht an.

Wenn das Thüringer OLG im Beschluss vom 01.08.2014, Az.: 7 U 405/12, dies bei einem nach dem Rechtsstand vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG zu beurteilenden Fall anders gesehen hat und mit den Worten

„Eine Kürzung seiner Vergütung scheidet gleichwohl aus. Denn eine solche ist nur möglich, wenn bei verständiger Würdigung aller Umstände anzunehmen ist, dass bei rechtzeitiger Anzeige der Mehrkosten der Gutachtensauftrag eingeschränkt oder beendet worden wäre (OLG Stuttgart, MDR 2008, 652 f.; OLG Celle, BauR 2008, 718 f.; OLG Düsseldorf, BauR 2003, 1448; BayObLGZ 1997, 353 ff.). Das ist im vorliegenden Fall nicht anzunehmen. Hierbei kommt es darauf an, ob und inwieweit das Gutachten für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich war und ob der Kläger bei rechtzeitiger Mitteilung von Mehrkosten die Klage oder die Berufung zurückgenommen hätte (OLG Celle, BauR 2008, 718 f.; OLG Düsseldorf, BauR 2003, 1448; BayObLGZ 1997, 353 ff.). Das Gutachten des Sachverständigen D. war im vollen Umfang für die Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich. Es enthält keine überflüssigen weitschweifigen Ausführungen. Der Kläger hätte die Klage im Falle rechtzeitiger Mitteilung der Mehrkosten nicht zurückgenommen. Vielmehr hat er nachhaltig an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten. Auch eine Einschränkung des Gutachtensauftrags kam nicht in Betracht, vielmehr beschränkte sich dieser von vornherein auf die wesentlichen und für die Entscheidung notwendigen Beweistatsachen“ begründet hat (ähnlich vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.07.2007, Az.: 1 BvR 55/07), kann sich der Senat dem jedenfalls für die neue Rechtslage seit Inkrafttreten des 2. KostRMoG nicht anschließen. Denn die Frage der Kausalität der Verletzung der Hinweispflicht ist jetzt bei der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG kein vom Gesetzgeber vorgesehenes oder zugelassenes Kriterium für die Ermittlung der Vergütungshöhe. Der Senat kann zwar die Zielrichtung der Argumentation des Thüringer OLG nachvollziehen und hat auch unter allgemeinen Gerechtigkeitsüberlegungen Verständnis für diese Position. Gleichwohl würde der Senat einer Einführung eines derartigen weiteren Tatbestandsmerkmals im Weg der Auslegung einen Verstoß gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz des Art. 20 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) sehen. Denn eine Korrektur der gesetzgeberischen Entscheidung in § 8 a Abs. 4 JVEG könnte nur der Gesetzgeber, nicht aber die Judikative im Wege der ergänzenden Auslegung vornehmen. Auf die Frage der Kausalität der Verletzung der Hinweispflicht kann es daher zumindest bei der neuen Rechtslage ab Inkrafttreten des 2. KostRMoG nicht ankommen (vgl. LG Heidelberg, Beschluss vom 05.02.2015, Az.: 3 T 4/15 - m. w. N.).

5.8.2. Frage der Verwertung des Gutachtens irrelevant

Ob das Gutachten, dessen Vergütung auf den Vorschuss gekürzt worden ist, im gerichtlichen Verfahren bestimmungsgemäß verwertet wird oder worden ist, hat für die Frage der Vergütung im Zusammenhang mit § 8 a Abs. 4 JVEG ebenfalls keine Bedeutung.

Der Gesetzgeber hat die Rechtsfolge einer Kürzung der Vergütung an den Vorschuss bei § 8 a Abs. 4 JVEG allein an die erhebliche Überschreitung des Vorschusses unter Verstoß gegen die Hinweispflicht geknüpft, ohne dies vom Umfang der Verwertung des Gutachtens abhängig zu machen. Jede Abhängigmachung der Vergütung vom Umfang der Verwertung bzw. Verwertbarkeit des Gutachtens würde den Regelungszweck des § 8 a Abs. 4 JVEG konterkarieren und den Beteiligten, der einen Vorschuss leistet, zwingen, für das Gutachten mehr auszugeben, als er möglicherweise ursprünglich gewollt hat. Das Risiko einer Kostenüberschreitung des Gutachters kann aber nicht dem Beteiligten aufgebürdet werden, sondern muss wegen der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung, wozu die Fälle des § 8 a Abs. 4 JVEG zählen (vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a. a. O., S. 259), beim Sachverständigen bleiben. Ob und inwieweit ein Gutachten im Hauptsacheverfahren verwertet wird, ist daher für das kostenrechtliche Verfahren nach dem JVEG ohne Bedeutung.

Aus den genannten Gründen ist auch an eine (analoge) Anwendung von § 8 a Abs. 2 Satz 2 JVEG nicht zu denken. Eine direkte Anwendung ist nicht eröffnet, da § 8 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG ausdrücklich nur auf die Verpflichtungen gemäß § 407 a Abs. 1 bis 3 Satz 1 ZPO, nicht aber auf die Hinweispflicht gemäß § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO, die mit § 8 a Abs. 4 JVEG korrespondiert, verweist. Für eine analoge Anwendung ist kein Raum, da damit die über § 8 a Abs. 4 JVEG eröffnete Möglichkeit des die Kosten tragenden Beteiligten, die entstehenden Kosten zu begrenzen, zunichte gemacht und der Zweck der gesetzlichen Regelung unterlaufen würde.

5.8.3. Keine nachträgliche Einholung des Einverständnisses des Beteiligten

Die Frage, ob der Beteiligte - im sozialgerichtlichen Verfahren der Antragsteller gemäß § 109 SGG - die Kosten, die den von ihm geleisteten Vorschuss übersteigen, nachträglich, d. h. nach Vorlage des Gutachtens, nachschießen würde, hat für die Frage der Vergütung keine rechtliche Bedeutung.

Unter den Voraussetzungen des § 8 a Abs. 4 JVEG wird die Vergütung des Sachverständigen kraft Gesetzes gekappt. Eine Nachzahlung des Antragstellers sehen die gesetzlichen Regelungen nicht vor. Es wäre auch systemwidrig, eine Nachzahlung zuzulassen, da der Gesetzgeber die Rechtsfolge der Kappung der Vergütung gerade an die nicht rechtzeitige Mitteilung des Vorschusses geknüpft hat, nicht daran, dass es nicht später nach der Vorlage des Gutachtens zu einer Nachzahlung durch den Antragsteller gekommen ist. Wäre dies die Intention des Gesetzgebers gewesen, hätte er dies entsprechend zum Ausdruck bringen müssen.

5.8.4. Keine Befassung des Hauptsacherichters erforderlich

Im Fall der Vorschussüberschreitung im Sinn des § 8 a Abs. 4 JVEG ist keine Befassung des Hauptsacherichters, insbesondere nicht in Form eines Beschlusses erforderlich.

Sofern Ausführungen in der kostenrechtlichen Kommentarliteratur darauf hindeuten, dass nach dortiger Ansicht der Kostenbeamte nicht dazu befugt wäre, über die Kappung gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG zu entscheiden, sondern dass dazu ein gerichtlicher Beschluss - wohl des Hauptsachegerichts - ergehen müsste und dass vor diesem Beschluss die „Beteiligten“ - unklar ist, ob damit die Beteiligten des Hauptsacheverfahrens oder auch der Sachverständige gemeint sind - zu hören wären (vgl. Hartmann, a. a. O., § 8 a JVEG, Rdnr. 65), ist eine solche Ansicht für den Senat im Zusammenhang mit § 8 a Abs. 4 JVEG nicht nachvollziehbar.

Nach den allgemeinen Regelungen erfolgt die Festsetzung der Vergütung oder Entschädigung zunächst, wenn nicht bereits mit der Geltendmachung der Vergütung oder Entschädigung explizit ein Antrag auf gerichtliche Festsetzung gemäß § 4 Abs. 1 JVEG gestellt wird, durch den Kostenbeamten in einem reinen Verwaltungsverfahren nach § 2 JVEG. Einer Einbeziehung der Prozessbeteiligten des Hauptsacheverfahrens bedarf es dabei nicht (vgl. Hartmann, a. a. O., § 4 JVEG, Rdnr. 4; Meyer/Höver/Bach/Oberlack, a. a. O., § 4, Rdnr. 7 - jeweils m. w. N.).

Irgendein Grund, von diesem vorgegebenen Verfahren nur deshalb abzuweichen, weil bei der Frage der Vergütung § 8 a Abs. 4 JVEG eine Rolle spielt, lässt sich § 8 a JVEG nicht entnehmen, zumal § 8 a JVEG keinerlei gegenüber § 2 und § 4 JVEG abweichende Verfahrensvorschriften enthält. Der Senat kann auch keinerlei Sinn und Zweck eines vorab über die Frage der Überschreitung des Vorschusses zu treffenden Gerichtsbeschlusses erkennen, wovon Hartmann auszugehen scheint (vgl. Hartmann, a. a. O., § 8 a JVEG, Rdnr. 65). Denn ein solcher Beschluss würde inhaltlich nichts anderes darstellen als der gemäß § 4 Abs. 1 JVEG zu treffende Beschluss, für den nicht das Gericht der Hauptsache, sondern - wenn die gerichtliche Zuständigkeit in der Hauptsache nicht mit der in der Kostensache zusammenfällt - das Kostengericht zuständig ist.

Zudem ist auch kein Gesichtspunkt ersichtlich, warum beispielsweise aus Gründen einer Sachnähe das Gericht der Hauptsache einen Beschluss in Zusammenhang mit § 8 a Abs. 4 JVEG treffen sollte. Denn es sind ausschließlich kostenrechtliche Fragen zu klären. An dieser Beurteilung ändert auch die Tatsache nichts, dass in anderem Zusammenhang bei § 8 a JVEG, nämlich bei der Frage der Verwertbarkeit der gutachtlichen Leistung gemäß § 8 a Abs. 2 JVEG, eine Äußerung des Hauptsachegerichts - aber nicht in Form eines Beschlusses - vor der Festsetzung der Vergütung durch den Kostenbeamten oder das Gericht der Kostensache regelmäßig unverzichtbar sein wird. Denn auf die Frage der Verwertbarkeit der Leistung des Sachverständigen kommt es bei § 8 a Abs. 4 JVEG gerade nicht an (vgl. oben Ziff. 5.8.2.).

5.9. Ergebniskontrolle

Rechtliche Bedenken gegen das gefundene Ergebnis bestehen nicht.

5.9.1. Allgemeiner Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG

Unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlich gemäß Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Gleichbehandlung ist das gefundene Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt vom Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.07.1998, Az.: 1 BvR 1554/89, 1 BvR 963/94, 1 BvR 964/94). Er gilt sowohl für ungleiche Belastungen als auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21.06.2011, Az.: 1 BvR 2035/07). Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.07.2009, Az.: 1 BvR 1164/07). Verletzt ist der Gleichheitssatz dann, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 08.06.2004, Az.: 2 BvL 5/00).

Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben begegnet das Ergebnis des Senats - bei erheblicher Überschreitung des Vorschusses Kürzung auf den Vorschuss ohne Aufschlag - keinen Bedenken.

Der Senat ist sich bewusst, dass bei der von ihm praktizierten Anwendung der Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG ein Sachverständiger, wenn die ihm objektiv zustehende Vergütung den eingezahlten Vorschuss nicht erheblich übersteigt, eine höhere Vergütung erhält als ein Gutachter, der für sein Gutachten objektiv eine höhere Vergütung, nämlich eine erheblich den Vorschuss übersteigende Vergütung, verlangen könnte; bei letzterem ist nämlich - im Gegensatz zu ersterem - auf die Höhe des Vorschusses zu kürzen. Einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz stellt das aber nicht dar. Überschreitet der Sachverständige mit seiner Vergütungsforderung den Vorschuss nicht im Sinn des § 8 a Abs. 4 JVEG erheblich, verstößt er gegen keine gesetzlichen Vorgaben. Überschreitet er dagegen den Vorschuss erheblich, liegt ein Fall der nicht ordnungsgemäßen Leistungserbringung vor (vgl. die Gesetzesbegründung zum 2. KostRMoG, a. a. O., S. 259). Diese beiden Konstellationen - einerseits gesetzeskonforme, andererseits nicht ordnungsgemäße Leistungserbringung - gleich zu behandeln, gebietet der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht.

Nicht ganz unähnlich stellt sich im Übrigen die Vorgehensweise zur Ermittlung des zu vergütenden Zeitaufwands eines Sachverständigen dar. Überschreiten dort die Zeitangaben eines Sachverständigen die vom Kostenbeamten oder Kostenrichter als objektiv notwendig ermittelte Zeit um nicht mehr als 15%, sind der Vergütung die Zeitangaben des Sachverständigen zugrunde zu legen. Gehen seine Zeitangaben jedoch um mehr als 15% über die als objektiv erforderlich ermittelte Zeit hinaus, wird der Vergütung die als objektiv erforderlich ermittelte Zeit ohne einen 15%igen Aufschlag zugrunde gelegt (vgl. Beschluss des Senats vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11).

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bestehen daher nicht.

Gleichwohl kann der Senat nicht verhehlen, dass er die vom Gesetzgeber mit dem 2. KostRMoG eingeführte Regelung des § 8 a Abs. 4 JVEG jedenfalls für das sozialgerichtliche Verfahren unter dem Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung nicht für gerade glücklich hält. Es mag zwar sein, dass damit eine Anpassung an die bisherige Rechtsprechung vor der Einführung des § 8 a JVEG erfolgt ist. Im Gesetzgebungsverfahren wurde aber die Situation in der Sozialgerichtsbarkeit nicht berücksichtigt. Eine Regelung wie in § 8 a Abs. 4 JVEG wäre insbesondere in der sozialgerichtlichen Praxis dann ein Beitrag zur Verwaltungsvereinfachung, wenn eine Kürzung auf den Vorschuss unabhängig davon erfolgen würde, ob die Überschreitung erheblich oder nur unerheblich ist. Denn in den Fällen einer unerheblichen Überschreitung des Kostenvorschusses muss sich das Gericht erneut an den Antragsteller gemäß § 109 SGG wenden und versuchen, die den Vorschuss übersteigenden Kosten von diesem zu erhalten. Dies kann, insbesondere bei fehlendem Zahlungswillen, mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden sein, den der Gesetzgeber der Sozialgerichtsbarkeit ersparen hätte können, wenn er in jedem Fall eine Kappung auf den Vorschuss vorgesehen hätte. Dass dies verfassungsrechtlich ohne Frage zulässig gewesen wäre, bedarf keiner Diskussion. Der Senat kann nicht erkennen, dass die jetzt mit § 8 a Abs. 4 JVEG getroffene Regelung mit einer Orientierung an der Erheblichkeit der Überschreitung im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens zwingend notwendig gewesen wäre.

5.9.2. Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten

Die getroffene Auslegung des § 8 a Abs. 4 JVEG eröffnet keine Missbrauchsmöglichkeiten, sondern allenfalls rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten eines Sachverständigen. Dies gibt keinen Anlass, an der gewählten Auslegung zu zweifeln.

Die gesetzlichen Vorgaben lassen dem Sachverständigen eine Möglichkeit, wie er bei erheblicher Überschreitung des Vorschusses unter Verstoß gegen die Hinweispflicht die gesetzlich vorgegebene Kürzung minimieren kann. Wie oben ausgeführt (vgl. Ziff. 5.3.), ist bei der Beurteilung, ob eine zur Kürzung führende erhebliche Überschreitung des Vorschusses vorliegt, auf den dem Sachverständigen objektiv zustehenden Vergütungsbetrag abzustellen. Dieser bestimmt sich nach den allgemeinen Abrechnungsvorgaben, wie sie in der ständigen Rechtsprechung des Kostensenats angewendet werden, wobei zu beachten ist, dass die Vergütung des Sachverständigen immer durch das Antragsprinzip limitiert ist. Insofern kann ein Sachverständiger, der erkannt hat, dass er bei einer Rechnungsstellung, wie sie den Abrechnungsvorgaben der Rechtsprechung des Kostensenats entsprechen würde, eine Kürzung bis auf die Höhe des Vorschusses erleiden würde, eine so weit gehende Kürzung dadurch vermeiden, dass er eine Rechnung in Höhe des Vorschusses zuzüglich eines 20%igen Zuschlags und abzüglich eines Cents stellt. So könnte er ein fast 20% höheres Honorar, als dies der Gesetzgeber sich vorgestellt hat, nur durch geschickte Rechnungsstellung erreichen.

In einer derartigen Rechnungsstellung sieht der Senat aber keinen Rechtsmissbrauch, der Anlass gäbe, an der angewandten Auslegung des § 8 a Abs. 4 JVEG zu zweifeln. Denn ein Rechtsmissbrauch als besondere Form des Grundsatzes von Treu und Glauben (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.02.1981, Az.: 1 BvR 413/80, 1 BvR 768/80, 1 BvR 820/80) würde voraussetzen, dass kein (rechtlich) nachvollziehbares Interesse des Betroffenen besteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.08.1995, Az.: 2 BvR 175/95) und sein Vorgehen zu missbilligen ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.04.1990, Az.: 1 BvR 269/83). Davon kann aber in einem Fall nicht ausgegangen werden, in dem ein Sachverständiger eine Vergütungsforderung in einer Höhe aufstellt, die ihm die gesetzlichen Möglichkeiten eröffnen. Denn kein Sachverständiger ist daran gehindert, seine Rechnung so zu stellen, dass die Rechnungsforderung unter dem Betrag liegt, wie er sich bei Zugrundelegung der Abrechnungsvorgaben für das Gericht insbesondere bei der Ermittlung der objektiv erforderlichen Zeit ergeben würde.

Die Frage, ob und wenn ja wie lang es dem Sachverständigen möglich ist, auch nach Geltendmachung einer den Vorschuss erheblich übersteigenden und in diesem Umfang auch - abgesehen von den Vorgaben des § 8 a Abs. 4 JVEG - berechtigten Forderung diese durch eine neue Rechnung mit einer unter der Grenze der Erheblichkeit liegenden Vergütungsforderung zu ersetzen, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Es dürfte aber einiges dafür sprechen, eine derartige erneute Vorlage einer Rechnung mit reduzierter Forderung wie die Geltendmachung einer Nachforderung zu behandeln. Denn auch wenn es sich formal betrachtet um eine Reduzierung der Rechnungshöhe handeln würde, dient die reduzierte Rechnungsstellung allein dem Zweck, eine höhere Vergütung zu erhalten. Würde ein derartiges Vorgehen unabhängig von der dreimonatigen Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG (bei Versäumung dieser Frist nur über eine Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 JVEG) zugelassen, würde das mit der kurzen Antragsfrist des § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG verfolgte Ziel eines zeitnahen kostenrechtlichen Abschlusses des Verfahrens (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts [Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG] - Bundestags-Drucksache 15/1971, S. 178 f.) missachtet.

Sofern der Bezirksrevisor in seinem Schreiben vom 04.11.2014 zu der Ansicht zu tendieren scheint, dass bei der Kürzung der Vergütungsforderung durch den Kostenbeamten dieser, würde der Rechtsansicht des Senats zur Möglichkeit einer nachträglichen Rechnungsänderung gefolgt, seine Kürzung als (zumindest haushaltsrechtlichen) Verwaltungsakt mit einer Rechtsbehelfsbelehrung nicht nur im Sinn eines Hinweises auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Kostenfestsetzung, sondern auch auf die Gelegenheit zur nachträglichen Rechnungskorrektur versehen müsste, würde dies zu weit gehen. Denn eine Rechtsbehelfsbelehrung muss nur den Hinweis auf den sich eröffnenden Rechtsschutz, nicht aber alle denkbaren rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen, mit denen sich ein Antragsteller gegebenenfalls (wirtschaftliche) Vorteile verschaffen kann. Dies ergibt sich auch aus dem mit Wirkung zum 01.01.2014 neu eingeführten § 4 c JVEG. Danach hat eine Belehrung (nur) „über den statthaften Rechtsbehelf“ zu erfolgen, nicht aber über andere Möglichkeiten, sich gegen eine nicht genehme Entscheidung zur Wehr zu setzen (vgl. auch Hartmann, a. a. O., § 4 c JVEG, Rdnr. 1, § 5 b GKG, Rdnr. 16).

Die Kürzung der Vergütungsforderung des Beschwerdeführers auf die Höhe des Vorschusses ist daher zu Recht erfolgt; die Beschwerde kann keinen Erfolg haben.

Der Kostensenat trifft diese Entscheidung wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Frage des Umfangs der Kürzung bei erheblicher Überschreitung des Vorschusses gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG in voller Besetzung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München vom 4. April 2013 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung der Kostenbeamtin in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG)(KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 3 KR 399/10 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren der Erinnerungs- und jetzigen Beschwerdegegnerin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung wegen einer Erstattung nach § 105 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch wurde in der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2012 durch Vergleich beendet. Eine Regelung zur Kostentragung enthielt der Vergleich nicht, wobei der Vergleich nicht ausdrücklich auf die Hauptsache beschränkt wurde. Mit in der mündlichen Verhandlung anschließend ergangenem Beschluss des SG wurden die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben und der Streitwert auf 90.721,29 € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 16.07.2012 setzte die Kostenbeamtin des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtskosten in Höhe von 756,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde.

Dagegen hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schriftsatz vom 28.11.2012 Erinnerung eingelegt. Eine Ermäßigung der Gerichtskosten nach Nr. 7111 KV GKG - so der Beschwerdeführer - komme nur dann in Betracht, wenn das gesamte Verfahren durch einen Ermäßigungstatbestand erledigt worden sei, ohne dass eine gerichtliche Kostengrundentscheidung ergangen sei. Aufgrund der hier erfolgten gerichtlichen Kostengrundentscheidung vom 11.07.2012 seien die Gerichtskosten nach Nr. 7110 KV GKG anzusetzen.

Mit Beschluss vom 04.04.2013 hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen. Durch den Vergleich - so das SG - sei das Hauptsacheverfahren hinsichtlich aller anhängigen Streitgegenstände erledigt worden. Die Verfahrenskosten würden keinen eigenen Streitgegenstand bilden, so dass eine Entscheidung über die Verfahrenskosten der Erledigung des gesamten Verfahrens im Sinne der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehe, wie dies auch das Bayer. Landessozialgericht (LSG) mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: „L 15 SF 268/11 B“ [Anmerkung des Senats: richtiges Aktenzeichen: L 12 SF 268/11 B E], entschieden habe.

Mit Schreiben vom 12.04.2013 hat der Beschwerdeführer Beschwerde zum Bayer. LSG erhoben. Er vertritt die Ansicht, dass die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG dann nicht in Betracht komme, wenn eine Kostengrundentscheidung des Hauptsachegerichts ergangen sei, die sich nicht auf eine aktenkundige Einigung oder Bereitschaftserklärung eines Beteiligten stütze; denn in einem derartigen Fall sei nicht das gesamte Verfahren erledigt worden. Darauf, ob die Kostenfolge aus § 160 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) eine zwingende und nur noch deklaratorisch auszusprechende Rechtsfolge darstelle, komme es nicht an.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Gerichtskostenfeststellung vom 16.07.2012 ist nicht zu beanstanden, wie dies auch das SG im Ergebnis richtig mit Beschluss zur Erinnerung vom 04.04.2013 festgestellt hat; der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG kommt vorliegend zur Anwendung.

Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.

Mit der zugrunde liegenden Problematik, ob eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestands im Sinn der Nr. 7111 KV GKG im Übrigen einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, befasst und Folgendes ausgeführt:

„3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens

Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus, dass entweder überhaupt kein gerichtlicher Beschluss des Gerichts der Hauptsache zu den Kosten zu treffen ist oder die zu erlassende Kostengrundentscheidung einzig und allein darin besteht, dass das Gericht nur eine von Gesetzes wegen vorgegebene eindeutige Rechtsfolge in Form eines Beschlusses auszusprechen hat, für den es - mit Ausnahme des zur Beendigung führenden Schreibens - keiner Kenntnis der Akten bedarf („unechte“ Kostengrundentscheidung), oder die Kostenentscheidung nur die einvernehmlich von den Beteiligten gefundene Kostentragung aufgreifen muss.

„3.1. Gesamtbeendigung

Es entspricht dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG, der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. - teilweise zu vergleichbaren Ermäßigungstatbeständen - Oberlandesgericht - OLG - Hamburg, Beschluss vom 08.06.1996, Az.: 8 W 140/96; OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2005, Az.: 3 Ta 136/05; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.04.2008, Az.: 6 AZR 1049/06; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2014, Az.: 11 C 14.1588; a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E), der Literatur (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 3 und 5; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2015, KV 7111, Rdnr. 8, KV 5111, Rdnr. 5, KV 1211, Rdnr. 27) und dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der oben (vgl. Ziff. 1.) angeführten Gesetzesbegründung ergibt, dass die Gebührenermäßigung eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraussetzt.

3.2. Fehlende Kostenentscheidung

Muss das Gericht der Hauptsache nach der Beendigung des Verfahrens im Übrigen noch eine Entscheidung zu den Kosten treffen, steht dies grundsätzlich einer Ermäßigung entgegen. Lediglich dann, wenn nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen ist, ist der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 KV GKG anzuwenden.

3.2.1. Grundsatz

Eine streitige Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht steht einer Ermäßigung entgegen.

Denn nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte des Rechtsstreits wird das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Justiz (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69) nachhaltig erreicht. Ein Entlastungseffekt tritt hingegen nur eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der Kostenentscheidung inhaltlich mit der Sache befassen muss.

Wenn demgegenüber der 12. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E, die Ansicht vertreten hat, dass allein das Vorliegen eines Beendigungstatbestands aus den Nr. 1 bis 3 von Nr. 7111 KV GKG ausreiche, um eine Ermäßigung zu begründen, ohne dass eine Beendigung des gesamten Verfahrens, also auch im Kostenpunkt, vorliegen müsse, und dies sowohl mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelung begründet hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

Dass beim Ermäßigungstatbestand für alle Alternativen der Nr. 7111 KV GKG - und nicht nur für die dortige Nr. 4, wie dies im vorgenannten Beschluss vom 04.04.2012 vertreten wird - eine Beendigung auch im Kostenpunkt erforderlich ist, ergibt sich aus dem Obersatz der Nr. 7111 KV GKG, wenn dort eine Beendigung des „gesamten“ Verfahrens vorausgesetzt wird. Zweifel an dieser Ansicht, wie sie der vorgenannten Entscheidung des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012 zugrunde liegen, können nicht damit begründet werden, dass nur unter Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG aufgeführt werde, dass keine (streitige) Entscheidung über die Kosten zu ergehen habe. Denn dieser Zusatz hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11), begründet aber kein zusätzliches, nicht bereits in Nr. 7111 KV GKG enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien, in denen der Streitstand zu den bis dahin nicht gesetzlich geregelten Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO und damit der Grund für den klarstellenden gesetzlichen Hinweis aufgezeigt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.). Der Senat sieht daher keinen Raum für eine erweiternde Auslegung im Sinn des Beschlusses des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnrn. 2 f. - m. w. N.).

3.2.2. Ausnahme

Hat das Gericht nach Beendigung des Verfahrens in der Sache nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen, steht dies einer Ermäßigung nicht entgegen.

Dass nicht jedwede gerichtliche Kostengrundentscheidung nach im Übrigen vollständiger Beendigung des Verfahrens die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 VV GKG verbietet, ergibt sich selbstredend schon daraus, dass gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein gerichtlicher Beschluss über die Kosten zu erfolgen hat. Würde davon ausgegangen, dass allein dieses Erfordernis eines Beschlusses einer „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG entgegen stehen würde, würde die Regelung der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG neben der in Nr. 7111 Nr. 4, 2. Alt. KV GKG aufgezeigten Konstellation auf die Fälle der in Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG genannten Beendigungstatbestände einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis, wobei in beiden Fällen auch eine Regelung zu den Kosten enthalten sein müsste, beschränkt. In allen anderen in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbeständen wäre eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen. Dieses in konträrem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehende Ergebnis zeigt überdeutlich, dass allein die Tatsache, dass das Gericht noch eine Entscheidung zu den Kosten zu treffen hat, der Anwendung der Ermäßigungsregelung der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehen kann.

Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum KostRMoG (vgl. a. a. O., S. 159 f.) ergibt, kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG trotz Erforderlichkeit noch eines Kostenbeschlusses grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung und Einsichtnahme in die Akten treffen muss (vgl. auch zum Fall eines Verzichts auf Begründung des Kostenbeschlusses: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2008, 2 UF 135/07; a.A. zum Fall des Begründungsverzichts: OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; offengelassen vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06), also bei seiner Entscheidung entweder nur der von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgen muss oder wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat.

Nichts anderes kann nach der Ansicht des Senats gelten, wenn sich die Kostenfolge allein aus der Form der Beendigung ergibt, ohne dass es zur Kostenentscheidung noch eines Blicks in die Akten des erledigten Verfahrens bedarf, der gerichtliche Kostenbeschluss also nur die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge in Beschlussform fassen muss (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5). Denn in einem so einfach gelagerten Fall ist der für das Gericht entstehende Aufwand für die Kostenentscheidung auch nicht ansatzweise mit dem bei der Abfassung eines Urteils anfallenden richterlichen Arbeitsaufwand vergleichbar, sondern weitgehend identisch mit der Konstellation, dass wegen der von den Beteiligten mitgeteilten Einigung über die Kosten überhaupt kein Beschluss nötig ist oder nur die von einem Beteiligten erklärte Bereitschaft zur Kostenübernahme in Beschlussform „gegossen“ werden muss.

Liegt demgegenüber eine „echte“ Kostengrundentscheidung in dem Sinn vor, dass die Entscheidung nur nach einem erneuten Blick in die Akten getroffen werden kann, kann der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung anfallende Aufwand für das entscheidende Gericht erheblich bis nahezu genauso umfangreich werden wie im Fall eines Urteils (vgl. die Gesetzesbegründungen zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69 f., und zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.) und steht daher einer Gebührenermäßigung entgegen (vgl. Hartmann, a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5).

Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass auch bei einer „echten“ Kostengrundentscheidung im vorgenannten Sinn der dadurch für das Gericht entstehende Aufwand nicht in jedem Fall an den eines Urteils heranreicht. In durchaus nicht wenigen Fällen wird der Aufwand eher dem Zeitumfang ähneln, wie er auch bei einer „unechten“ Kostengrundentscheidung, in dem das Gericht lediglich durch deklaratorischen Beschluss die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge feststellt, anfällt. Insbesondere ist dann an eine Situation mit geringem Aufwand zu denken, wenn zur Ermittlung der Quote der Kostentragung im Rahmen der Kostengrundentscheidung, die im Regelfall anhand des Erfolgsprinzips vorzunehmen ist (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 24.05.2011, Az.: L 15 SB 66/09), lediglich ein Vergleich zwischen dem ursprünglich angestrebten Klageziel und dem letztlich Erreichten vorgenommen werden muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage einer Gebührenermäßigung allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden ist, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss. Denn im Sinne der gebotenen Verwaltungspraktikabilität kann es vom Urkundsbeamten genauso wie vom Kostenrichter nicht erwartet werden, den tatsächlich durch die zu treffende Kostengrundentscheidung anfallenden Aufwand zu ermitteln, zumal auch keinerlei Kriterien vorhanden wären, zwischen einem ausgesprochen geringen Zeitaufwand, wie er dem einer „unechten“ Kostengrundentscheidung ähnelt, und einem darüber hinausgehenden Aufwand zu differenzieren. Alles andere würde die Prüfpflichten und -möglichkeiten der Kostenbeamten und Kostenrichter übersteigen und dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats auch zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), widersprechen.

Diese Ansicht des Senats findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien. In der Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994 (vgl. a. a. O., S. 70) hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der mit dem Ermäßigungstatbestand verbundenen Anreizwirkung die Bereitschaft der Parteien gefördert werden solle, „die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen.“

Aus diesem Hinweis wird deutlich, dass der Gesetzgeber bereits das Erfordernis einer nach dem Erfolgsprinzip zu treffenden und daher mit wenig Aufwand verbundenen Kostengrundentscheidung als schädlich für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands erachtet hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr. 7111 KV GKG unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben, insbesondere der Praktikabilität, sieht der Senat keine Möglichkeit für eine weitergehende und kostenschuldnerfreundlichere Auslegung.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine vom Gericht der Hauptsache zu treffende Kostengrundentscheidung nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG nicht entgegensteht, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum.

Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit durch gerichtlichen Vergleich erledigt worden. Zwar enthält der Vergleich eine Regelung zur Kostentragung nicht. Da der Vergleich aber nicht ausdrücklich auf die Hauptsache beschränkt worden ist, hatte das SG im Rahmen der Kostengrundentscheidung nur die sich aus § 160 VwGO ergebende Rechtsfolge auszusprechen (vgl. Kopp, Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, § 160, Rdnr. 1). Dabei handelt es sich um eine „unechte“ Kostengrundentscheidung, die ohne weitere Kenntnis der Akten getroffen werden konnte, so dass eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen hat.

Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

Tenor

I.

Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Januar 2012 wird aufgehoben.

II.

Die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 4. November 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Kostenbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 28 KA 881/07 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren des Erinnerungsführers und jetzigen Beschwerdegegners (im Folgenden: Beschwerdegegner) gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns endete durch mit Schriftsatz vom 22.10.2007 erklärter Klagerücknahme. Anschließend erlegte das SG mit Beschluss vom 05.03.2008, gestützt auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens auf; weiter stellte es fest, dass Kosten des Beigeladenen nicht zu erstatten seien, weil dieser weder Anträge zur Hauptsache gestellt habe noch Ausführungen des Beigeladenen das Verfahren wesentlich gefördert hätten, da auch ein Äußerungsbedarf noch nicht bestanden habe. Zudem wurde der Streitwert auf 5.000,- € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 363,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG zugrunde. Der Ansatz der Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG und nicht nach Nr. 7111 KV GKG wurde im Begleitschreiben vom 04.11.2011 damit begründet wurde, dass ein Beschluss nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) erlassen worden sei.

Dagegen hat der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 09.11.2011 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass im Falle der Klagerücknahme eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen sei und der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG erfüllt sei.

Mit Beschluss vom 26.01.2012 hat das SG die Gerichtskosten auf 121,- € festgesetzt und dabei den Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG zugrunde gelegt. Wegen der Klagerücknahme - so das SG - beruhe die Kostenentscheidung des Gerichts der Hauptsache auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO. Dass hinsichtlich der Tragung der Kosten des Beigeladenen eine Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO nach billigem Ermessen ergangen sei, führe nicht zum Ausschluss der Ermäßigung der Gerichtsgebühr. Nach dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG seien die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr erfüllt.

Gegen den Beschluss des SG München vom 26.01.2012 hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 02.02.2012 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass der Ermäßigungstatbestand nur dann zur Anwendung komme, wenn das gesamte Verfahren, also die Hauptsache und die Kosten, erledigt seien und eine gerichtliche Kostenentscheidung entbehrlich geworden sei. Im vorliegenden Fall sei aber über die Kosten zu entscheiden gewesen. Dabei sei es unbeachtlich, ob die gerichtliche Kostenentscheidung nur deklaratorischen Charakter habe oder - wie hier - nach billigem Ermessen erfolgt sei. Außerdem sei es Teil des vom Beschwerdegegner eingegangenen Prozessrisikos, dass ein Mitbewerber seine Beiladung beantrage. Dass über die Kosten dieses Beigeladenen mit Beschluss entschieden werden müsse, könne nicht mit einer Ermäßigung der Gerichtskosten zulasten der Staatskasse honoriert werden.

Demgegenüber ist der Beschwerdegegner der Meinung, dass die Auslegung des Beschwerdeführers, eine „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG umfasse auch den Kostenpunkt, neben der Sache liege und nicht haltbar sei. Nur im Fall der - hier nicht einschlägigen - Nummer 4 von Nr. 7111 KV GKG verhindere eine Kostenentscheidung die Ermäßigung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.

Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zur Anwendung komme. Der Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 hingegen ist zu Recht der Gebührentatbestand der Nr. 7110 KV GKG zugrunde gelegt worden.

Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.

Mit der inmitten stehenden Problematik, ob eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestands im Sinn der Nr. 7111 KV GKG im Übrigen einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, befasst und Folgendes ausgeführt:

„3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens

Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus, dass entweder überhaupt kein gerichtlicher Beschluss des Gerichts der Hauptsache zu den Kosten zu treffen ist oder die zu erlassende Kostengrundentscheidung einzig und allein darin besteht, dass das Gericht nur eine von Gesetzes wegen vorgegebene eindeutige Rechtsfolge in Form eines Beschlusses auszusprechen hat, für den es - mit Ausnahme des zur Beendigung führenden Schreibens - keiner Kenntnis der Akten bedarf („unechte“ Kostengrundentscheidung), oder die Kostenentscheidung nur die einvernehmlich von den Beteiligten gefundene Kostentragung aufgreifen muss.

„3.1. Gesamtbeendigung

Es entspricht dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG, der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. - teilweise zu vergleichbaren Ermäßigungstatbeständen - Oberlandesgericht - OLG - Hamburg, Beschluss vom 08.06.1996, Az.: 8 W 140/96; OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2005, Az.: 3 Ta 136/05; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.04.2008, Az.: 6 AZR 1049/06; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2014, Az.: 11 C 14.1588; a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E), der Literatur (vgl. A., Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 3 und 5; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2015, KV 7111, Rdnr. 8, KV 5111, Rdnr. 5, KV 1211, Rdnr. 27) und dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der oben (vgl. Ziff. 1.) angeführten Gesetzesbegründung ergibt, dass die Gebührenermäßigung eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraussetzt.

3.2. Fehlende Kostenentscheidung

Muss das Gericht der Hauptsache nach der Beendigung des Verfahrens im Übrigen noch eine Entscheidung zu den Kosten treffen, steht dies grundsätzlich einer Ermäßigung entgegen. Lediglich dann, wenn nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen ist, ist der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 KV GKG anzuwenden.

3.2.1. Grundsatz

Eine streitige Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht steht einer Ermäßigung entgegen.

Denn nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte des Rechtsstreits wird das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Justiz (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69) nachhaltig erreicht. Ein Entlastungseffekt tritt hingegen nur eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der Kostenentscheidung inhaltlich mit der Sache befassen muss.

Wenn demgegenüber der 12. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E, die Ansicht vertreten hat, dass allein das Vorliegen eines Beendigungstatbestands aus den Nr. 1 bis 3 von Nr. 7111 KV GKG ausreiche, um eine Ermäßigung zu begründen, ohne dass eine Beendigung des gesamten Verfahrens, also auch im Kostenpunkt, vorliegen müsse, und dies sowohl mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelung begründet hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

Dass beim Ermäßigungstatbestand für alle Alternativen der Nr. 7111 KV GKG - und nicht nur für die dortige Nr. 4, wie dies im vorgenannten Beschluss vom 04.04.2012 vertreten wird - eine Beendigung auch im Kostenpunkt erforderlich ist, ergibt sich aus dem Obersatz der Nr. 7111 KV GKG, wenn dort eine Beendigung des „gesamten“ Verfahrens vorausgesetzt wird. Zweifel an dieser Ansicht, wie sie der vorgenannten Entscheidung des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012 zugrunde liegen, können nicht damit begründet werden, dass nur unter Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG aufgeführt werde, dass keine (streitige) Entscheidung über die Kosten zu ergehen habe. Denn dieser Zusatz hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11), begründet aber kein zusätzliches, nicht bereits in Nr. 7111 KV GKG enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien, in denen der Streitstand zu den bis dahin nicht gesetzlich geregelten Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO und damit der Grund für den klarstellenden gesetzlichen Hinweis aufgezeigt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.). Der Senat sieht daher keinen Raum für eine erweiternde Auslegung im Sinn des Beschlusses des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnrn. 2 f. - m. w. N.).

3.2.2. Ausnahme

Hat das Gericht nach Beendigung des Verfahrens in der Sache nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen, steht dies einer Ermäßigung nicht entgegen.

Dass nicht jedwede gerichtliche Kostengrundentscheidung nach im Übrigen vollständiger Beendigung des Verfahrens die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 VV GKG verbietet, ergibt sich selbstredend schon daraus, dass gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein gerichtlicher Beschluss über die Kosten zu erfolgen hat. Würde davon ausgegangen, dass allein dieses Erfordernis eines Beschlusses einer „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG entgegen stehen würde, würde die Regelung der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG neben der in Nr. 7111 Nr. 4, 2. Alt. KV GKG aufgezeigten Konstellation auf die Fälle der in Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG genannten Beendigungstatbestände einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis, wobei in beiden Fällen auch eine Regelung zu den Kosten enthalten sein müsste, beschränkt. In allen anderen in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbeständen wäre eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen. Dieses in konträrem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehende Ergebnis zeigt überdeutlich, dass allein die Tatsache, dass das Gericht noch eine Entscheidung zu den Kosten zu treffen hat, der Anwendung der Ermäßigungsregelung der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehen kann.

Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum KostRMoG (vgl. a. a. O., S. 159 f.) ergibt, kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG trotz Erforderlichkeit noch eines Kostenbeschlusses grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung und Einsichtnahme in die Akten treffen muss (vgl. auch zum Fall eines Verzichts auf Begründung des Kostenbeschlusses: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2008, 2 UF 135/07; a.A. zum Fall des Begründungsverzichts: OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; offengelassen vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06), also bei seiner Entscheidung entweder nur der von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgen muss oder wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat.

Nichts anderes kann nach der Ansicht des Senats gelten, wenn sich die Kostenfolge allein aus der Form der Beendigung ergibt, ohne dass es zur Kostenentscheidung noch eines Blicks in die Akten des erledigten Verfahrens bedarf, der gerichtliche Kostenbeschluss also nur die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge in Beschlussform fassen muss (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5). Denn in einem so einfach gelagerten Fall ist der für das Gericht entstehende Aufwand für die Kostenentscheidung auch nicht ansatzweise mit dem bei der Abfassung eines Urteils anfallenden richterlichen Arbeitsaufwand vergleichbar, sondern weitgehend identisch mit der Konstellation, dass wegen der von den Beteiligten mitgeteilten Einigung über die Kosten überhaupt kein Beschluss nötig ist oder nur die von einem Beteiligten erklärte Bereitschaft zur Kostenübernahme in Beschlussform „gegossen“ werden muss.

Liegt demgegenüber eine „echte“ Kostengrundentscheidung in dem Sinn vor, dass die Entscheidung nur nach einem erneuten Blick in die Akten getroffen werden kann, kann der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung anfallende Aufwand für das entscheidende Gericht erheblich bis nahezu genauso umfangreich werden wie im Fall eines Urteils (vgl. die Gesetzesbegründungen zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69 f., und zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.) und steht daher einer Gebührenermäßigung entgegen (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5).

Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass auch bei einer „echten“ Kostengrundentscheidung im vorgenannten Sinn der dadurch für das Gericht entstehende Aufwand nicht in jedem Fall an den eines Urteils heranreicht. In durchaus nicht wenigen Fällen wird der Aufwand eher dem Zeitumfang ähneln, wie er auch bei einer „unechten“ Kostengrundentscheidung, in dem das Gericht lediglich durch deklaratorischen Beschluss die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge feststellt, anfällt. Insbesondere ist dann an eine Situation mit geringem Aufwand zu denken, wenn zur Ermittlung der Quote der Kostentragung im Rahmen der Kostengrundentscheidung, die im Regelfall anhand des Erfolgsprinzips vorzunehmen ist (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 24.05.2011, Az.: L 15 SB 66/09), lediglich ein Vergleich zwischen dem ursprünglich angestrebten Klageziel und dem letztlich Erreichten vorgenommen werden muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage einer Gebührenermäßigung allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden ist, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss. Denn im Sinne der gebotenen Verwaltungspraktikabilität kann es vom Urkundsbeamten genauso wie vom Kostenrichter nicht erwartet werden, den tatsächlich durch die zu treffende Kostengrundentscheidung anfallenden Aufwand zu ermitteln, zumal auch keinerlei Kriterien vorhanden wären, zwischen einem ausgesprochen geringen Zeitaufwand, wie er dem einer „unechten“ Kostengrundentscheidung ähnelt, und einem darüber hinausgehenden Aufwand zu differenzieren. Alles andere würde die Prüfpflichten und -möglichkeiten der Kostenbeamten und Kostenrichter übersteigen und dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats auch zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), widersprechen.

Diese Ansicht des Senats findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien. In der Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994 (vgl. a. a. O., S. 70) hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der mit dem Ermäßigungstatbestand verbundenen Anreizwirkung die Bereitschaft der Parteien gefördert werden solle,

„die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen.“

Aus diesem Hinweis wird deutlich, dass der Gesetzgeber bereits das Erfordernis einer nach dem Erfolgsprinzip zu treffenden und daher mit wenig Aufwand verbundenen Kostengrundentscheidung als schädlich für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands erachtet hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr. 7111 KV GKG unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben, insbesondere der Praktikabilität, sieht der Senat keine Möglichkeit für eine weitergehende und kostenschuldnerfreundlichere Auslegung.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine vom Gericht der Hauptsache zu treffende Kostengrundentscheidung nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG nicht entgegensteht, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum (vgl. auch Beschluss des Senats vom 07.01.2016, Az.: L 15 SF 95/13 B).

Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden. Auch wenn im Fall einer Klagerücknahme wegen der gemäß § 155 Abs. 2 VwGO vorgegebenen Kostenfolge (einer Kostentragung dessen, der die Klage zurückgenommen hat) grundsätzlich von einer „unechten“ Kostengrundentscheidung mit der Folge einer Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 Nr. 1 KV GKG auszugehen ist, ist im hier vorliegenden Fall einer Beteiligung eines Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren ausnahmsweise nicht von einer solchen Kostengrundentscheidung auszugehen. Denn gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ist die vom Gericht zu treffende Kostengrundentscheidung, soweit sie die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen betrifft, eine Ermessensentscheidung und damit insofern eine echte Kostengrundentscheidung. Eine solche Entscheidung kann nicht allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung der Rücknahme und einer vom Gesetzgeber daran geknüpften kostenrechtlichen Konsequenz getroffen werden, sondern bedarf eines weiteren Blicks in die Akten, um die Ausübung des für die Kostenentscheidung erforderlichen Ermessens zu gewährleisten. Damit ist eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG ausgeschlossen.

Der Senat ist sich bewusst, dass damit im Fall einer Klagerücknahme regelmäßig nicht eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG erfolgen wird, sofern im Verfahren ein Beigeladener beteiligt gewesen ist. Zwar kann auch in solchen Fällen der die Klage zurücknehmende Kläger eine Anwendung des Ermäßigungstatbestands dadurch bewirken, dass er seine Bereitschaft zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen erklärt. Eine derartige Erklärung wird aber - dies zeigt auch der hier entschiedene Fall - oft nicht erfolgen. Gleichwohl sieht der Senat in derartigen Fällen keine Grundlage, einem sein Rechtsmittel zurücknehmenden Kläger durch die Anwendung des Ermäßigungstatbestands zulasten der Staatskasse entgegenzukommen. Denn für eine Kostenprivilegierung ist dann kein Raum, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostenentscheidung treffen muss, die mit erheblichem richterlichem Arbeitsaufwand verbunden sein kann, weil eine Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insbesondere mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien erforderlich ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen [Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 - KostRÄndG 1994] - Bundestags-Drucksache 12/6962, S. 70), wie es auch bei der gemäß § 162 Abs. 3 VwGO zu treffenden Entscheidung der Fall ist.

Darauf, wie hoch der Aufwand des Gerichts der Hauptsache für die mit Blick auf den Beigeladenen zu treffende Kostenentscheidung im Einzelfall tatsächlich ist, kommt es nicht an. Denn die Frage einer Gebührenermäßigung ist allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss (vgl. Beschluss des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E).

Für eine erweiternde Auslegung in dem Sinn, dass es mit Blick auf die Anreizwirkung der Nr. 7111 KV GKG zur umfassenden unstreitigen Verfahrensbeendigung allein auf die Kostenregelung betreffend Kläger und Beklagte, nicht aber den Beigeladenen ankommen sollte, sieht der Senat keinen Raum, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. Beschluss des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E; A., a. a. O., GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 1 f. - m. w. N.).

Dass es in Verfahren mit Beigeladenen im Fall der Klagerücknahme wie hier regelmäßig nicht zu einer Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 KV GKG kommen wird, ist daher hinzunehmen.

Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Tenor

I.

Der Beschluss des Sozialgerichts München vom 26. Januar 2012 wird aufgehoben.

II.

Die Erinnerung gegen die Gerichtskostenfeststellung vom 4. November 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Streitig ist eine Gerichtskostenfeststellung des Kostenbeamten in einem Verfahren nach § 197 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter dem Gesichtspunkt der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 Kostenverzeichnis (KV) der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz (GKG) (KV GKG).

Das unter dem Aktenzeichen S 28 KA 881/07 beim Sozialgericht (SG) München geführte Klageverfahren des Erinnerungsführers und jetzigen Beschwerdegegners (im Folgenden: Beschwerdegegner) gegen die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns endete durch mit Schriftsatz vom 22.10.2007 erklärter Klagerücknahme. Anschließend erlegte das SG mit Beschluss vom 05.03.2008, gestützt auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), dem Beschwerdegegner die Kosten des Verfahrens auf; weiter stellte es fest, dass Kosten des Beigeladenen nicht zu erstatten seien, weil dieser weder Anträge zur Hauptsache gestellt habe noch Ausführungen des Beigeladenen das Verfahren wesentlich gefördert hätten, da auch ein Äußerungsbedarf noch nicht bestanden habe. Zudem wurde der Streitwert auf 5.000,- € festgesetzt.

Mit Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 setzte der Kostenbeamte des SG, ausgehend von vorgenanntem Streitwert, Gerichtkosten in Höhe von 363,- € fest und legte dabei eine Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG zugrunde. Der Ansatz der Gebühr nach Nr. 7110 KV GKG und nicht nach Nr. 7111 KV GKG wurde im Begleitschreiben vom 04.11.2011 damit begründet wurde, dass ein Beschluss nach billigem Ermessen (§ 161 Abs. 2 VwGO) erlassen worden sei.

Dagegen hat der Beschwerdegegner mit Schriftsatz vom 09.11.2011 Erinnerung eingelegt. Die Erinnerung hat er damit begründet, dass im Falle der Klagerücknahme eine Kostenentscheidung nach billigem Ermessen gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 2 VwGO ausgeschlossen sei und der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 Nr. 1b KV GKG erfüllt sei.

Mit Beschluss vom 26.01.2012 hat das SG die Gerichtskosten auf 121,- € festgesetzt und dabei den Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 Nr. 1a KV GKG zugrunde gelegt. Wegen der Klagerücknahme - so das SG - beruhe die Kostenentscheidung des Gerichts der Hauptsache auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO. Dass hinsichtlich der Tragung der Kosten des Beigeladenen eine Entscheidung nach § 162 Abs. 3 VwGO nach billigem Ermessen ergangen sei, führe nicht zum Ausschluss der Ermäßigung der Gerichtsgebühr. Nach dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG seien die Voraussetzungen für eine Ermäßigung der Gerichtsgebühr erfüllt.

Gegen den Beschluss des SG München vom 26.01.2012 hat der Bezirksrevisor (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Schreiben vom 02.02.2012 Beschwerde eingelegt. Er vertritt die Ansicht, dass der Ermäßigungstatbestand nur dann zur Anwendung komme, wenn das gesamte Verfahren, also die Hauptsache und die Kosten, erledigt seien und eine gerichtliche Kostenentscheidung entbehrlich geworden sei. Im vorliegenden Fall sei aber über die Kosten zu entscheiden gewesen. Dabei sei es unbeachtlich, ob die gerichtliche Kostenentscheidung nur deklaratorischen Charakter habe oder - wie hier - nach billigem Ermessen erfolgt sei. Außerdem sei es Teil des vom Beschwerdegegner eingegangenen Prozessrisikos, dass ein Mitbewerber seine Beiladung beantrage. Dass über die Kosten dieses Beigeladenen mit Beschluss entschieden werden müsse, könne nicht mit einer Ermäßigung der Gerichtskosten zulasten der Staatskasse honoriert werden.

Demgegenüber ist der Beschwerdegegner der Meinung, dass die Auslegung des Beschwerdeführers, eine „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG umfasse auch den Kostenpunkt, neben der Sache liege und nicht haltbar sei. Nur im Fall der - hier nicht einschlägigen - Nummer 4 von Nr. 7111 KV GKG verhindere eine Kostenentscheidung die Ermäßigung der Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen.

Der Senat hat die Akten des Hauptsacheverfahrens und des Erinnerungsverfahrens des SG beigezogen.

II.

Die gemäß § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.

Das SG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zur Anwendung komme. Der Gerichtskostenfeststellung vom 04.11.2011 hingegen ist zu Recht der Gebührentatbestand der Nr. 7110 KV GKG zugrunde gelegt worden.

Streitig ist ausschließlich die Frage, ob der Erhebung der Gerichtskosten der Ermäßigungstatbestand nach Nr. 7111 KV GKG zugrunde zu legen ist; im Übrigen ist die angefochtene Kostenfestsetzung zweifelsfrei nicht zu beanstanden.

Mit der inmitten stehenden Problematik, ob eine vom Gericht auszusprechende Kostengrundentscheidung bei Vorliegen eines Erledigungstatbestands im Sinn der Nr. 7111 KV GKG im Übrigen einer Anwendung des Ermäßigungstatbestands entgegensteht, hat sich der Senat in seinem Grundsatzbeschluss vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E, befasst und Folgendes ausgeführt:

„3. Voraussetzung einer Beendigung des gesamten Verfahrens

Die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 KV GKG setzt bei vollständiger Beendigung des Rechtsstreits in der Hauptsache voraus, dass entweder überhaupt kein gerichtlicher Beschluss des Gerichts der Hauptsache zu den Kosten zu treffen ist oder die zu erlassende Kostengrundentscheidung einzig und allein darin besteht, dass das Gericht nur eine von Gesetzes wegen vorgegebene eindeutige Rechtsfolge in Form eines Beschlusses auszusprechen hat, für den es - mit Ausnahme des zur Beendigung führenden Schreibens - keiner Kenntnis der Akten bedarf („unechte“ Kostengrundentscheidung), oder die Kostenentscheidung nur die einvernehmlich von den Beteiligten gefundene Kostentragung aufgreifen muss.

„3.1. Gesamtbeendigung

Es entspricht dem Wortlaut der Nr. 7111 KV GKG, der ganz überwiegenden Rechtsprechung (vgl. - teilweise zu vergleichbaren Ermäßigungstatbeständen - Oberlandesgericht - OLG - Hamburg, Beschluss vom 08.06.1996, Az.: 8 W 140/96; OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.09.2005, Az.: 3 Ta 136/05; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06; Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.04.2008, Az.: 6 AZR 1049/06; OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 25.11.2014, Az.: 11 C 14.1588; a.A. Bayer. LSG, Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E), der Literatur (vgl. A., Kostengesetze, 45. Aufl. 2015, GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 3 und 5; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl. 2015, KV 7111, Rdnr. 8, KV 5111, Rdnr. 5, KV 1211, Rdnr. 27) und dem Willen des Gesetzgebers, wie er sich aus der oben (vgl. Ziff. 1.) angeführten Gesetzesbegründung ergibt, dass die Gebührenermäßigung eine Gesamtbeendigung des Verfahrens voraussetzt.

3.2. Fehlende Kostenentscheidung

Muss das Gericht der Hauptsache nach der Beendigung des Verfahrens im Übrigen noch eine Entscheidung zu den Kosten treffen, steht dies grundsätzlich einer Ermäßigung entgegen. Lediglich dann, wenn nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen ist, ist der Ermäßigungstatbestand der Nr. 7111 KV GKG anzuwenden.

3.2.1. Grundsatz

Eine streitige Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung durch das Gericht steht einer Ermäßigung entgegen.

Denn nur bei einer vollständigen Erledigung aller Streitpunkte des Rechtsstreits wird das gesetzgeberische Ziel einer Entlastung der Justiz (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69) nachhaltig erreicht. Ein Entlastungseffekt tritt hingegen nur eingeschränkt ein, wenn sich das Gericht noch im Rahmen der Kostenentscheidung inhaltlich mit der Sache befassen muss.

Wenn demgegenüber der 12. Senat des Bayer. LSG mit Beschluss vom 04.04.2012, Az.: L 12 SF 268/11 B E, die Ansicht vertreten hat, dass allein das Vorliegen eines Beendigungstatbestands aus den Nr. 1 bis 3 von Nr. 7111 KV GKG ausreiche, um eine Ermäßigung zu begründen, ohne dass eine Beendigung des gesamten Verfahrens, also auch im Kostenpunkt, vorliegen müsse, und dies sowohl mit dem Wortlaut und der Systematik der Regelung begründet hat, kann sich der Senat dem nicht anschließen.

Dass beim Ermäßigungstatbestand für alle Alternativen der Nr. 7111 KV GKG - und nicht nur für die dortige Nr. 4, wie dies im vorgenannten Beschluss vom 04.04.2012 vertreten wird - eine Beendigung auch im Kostenpunkt erforderlich ist, ergibt sich aus dem Obersatz der Nr. 7111 KV GKG, wenn dort eine Beendigung des „gesamten“ Verfahrens vorausgesetzt wird. Zweifel an dieser Ansicht, wie sie der vorgenannten Entscheidung des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012 zugrunde liegen, können nicht damit begründet werden, dass nur unter Nr. 7111 Nr. 4 KV GKG aufgeführt werde, dass keine (streitige) Entscheidung über die Kosten zu ergehen habe. Denn dieser Zusatz hat lediglich klarstellenden Charakter (vgl. auch OLG Köln, Beschluss vom 27.08.1997, Az.: 17 W 95/97; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 15.02.2000, Az.: 11 W 12/00; Thüringer LSG, Beschluss vom 20.09.2011, Az.: L 6 SF 701/11), begründet aber kein zusätzliches, nicht bereits in Nr. 7111 KV GKG enthaltenes Tatbestandsmerkmal. Dies ergibt sich zweifelsfrei aus den Gesetzesmaterialien, in denen der Streitstand zu den bis dahin nicht gesetzlich geregelten Erledigungserklärungen nach § 91 a ZPO und damit der Grund für den klarstellenden gesetzlichen Hinweis aufgezeigt worden ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.). Der Senat sieht daher keinen Raum für eine erweiternde Auslegung im Sinn des Beschlusses des 12. Senats des Bayer. LSG vom 04.04.2012, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnrn. 2 f. - m. w. N.).

3.2.2. Ausnahme

Hat das Gericht nach Beendigung des Verfahrens in der Sache nur noch eine „unechte“ Kostengrundentscheidung zu treffen, steht dies einer Ermäßigung nicht entgegen.

Dass nicht jedwede gerichtliche Kostengrundentscheidung nach im Übrigen vollständiger Beendigung des Verfahrens die Anwendung des Ermäßigungstatbestands der Nr. 7111 VV GKG verbietet, ergibt sich selbstredend schon daraus, dass gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 161 Abs. 1 VwGO grundsätzlich ein gerichtlicher Beschluss über die Kosten zu erfolgen hat. Würde davon ausgegangen, dass allein dieses Erfordernis eines Beschlusses einer „Beendigung des gesamten Verfahrens“ im Sinn der Nr. 7111 KV GKG entgegen stehen würde, würde die Regelung der Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG neben der in Nr. 7111 Nr. 4, 2. Alt. KV GKG aufgezeigten Konstellation auf die Fälle der in Nr. 7111 Nr. 3 KV GKG genannten Beendigungstatbestände einer Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder angenommenes Anerkenntnis, wobei in beiden Fällen auch eine Regelung zu den Kosten enthalten sein müsste, beschränkt. In allen anderen in Nr. 7111 KV GKG genannten Beendigungstatbeständen wäre eine Gebührenermäßigung ausgeschlossen. Dieses in konträrem Widerspruch zur gesetzlichen Regelung stehende Ergebnis zeigt überdeutlich, dass allein die Tatsache, dass das Gericht noch eine Entscheidung zu den Kosten zu treffen hat, der Anwendung der Ermäßigungsregelung der Nr. 7111 KV GKG nicht entgegenstehen kann.

Wie sich aus der Gesetzesbegründung zum KostRMoG (vgl. a. a. O., S. 159 f.) ergibt, kommt eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG trotz Erforderlichkeit noch eines Kostenbeschlusses grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn das Gericht keine Kostenentscheidung nach inhaltlicher Prüfung und Einsichtnahme in die Akten treffen muss (vgl. auch zum Fall eines Verzichts auf Begründung des Kostenbeschlusses: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.09.2004, Az.: I-10 W 100/04, 10 W 100/04; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2008, 2 UF 135/07; a.A. zum Fall des Begründungsverzichts: OLG Celle, Beschluss vom 19.04.2011, Az.: 2 W 89/11; offengelassen vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.2007, Az.: 18 A 2612/06), also bei seiner Entscheidung entweder nur der von den Parteien mitgeteilten Einigung in der Kostenfrage uneingeschränkt folgen muss oder wenn eine Partei ihre Bereitschaft zur Übernahme der Kosten erklärt hat.

Nichts anderes kann nach der Ansicht des Senats gelten, wenn sich die Kostenfolge allein aus der Form der Beendigung ergibt, ohne dass es zur Kostenentscheidung noch eines Blicks in die Akten des erledigten Verfahrens bedarf, der gerichtliche Kostenbeschluss also nur die sich bereits eindeutig aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge in Beschlussform fassen muss (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5). Denn in einem so einfach gelagerten Fall ist der für das Gericht entstehende Aufwand für die Kostenentscheidung auch nicht ansatzweise mit dem bei der Abfassung eines Urteils anfallenden richterlichen Arbeitsaufwand vergleichbar, sondern weitgehend identisch mit der Konstellation, dass wegen der von den Beteiligten mitgeteilten Einigung über die Kosten überhaupt kein Beschluss nötig ist oder nur die von einem Beteiligten erklärte Bereitschaft zur Kostenübernahme in Beschlussform „gegossen“ werden muss.

Liegt demgegenüber eine „echte“ Kostengrundentscheidung in dem Sinn vor, dass die Entscheidung nur nach einem erneuten Blick in die Akten getroffen werden kann, kann der im Zusammenhang mit dieser Entscheidung anfallende Aufwand für das entscheidende Gericht erheblich bis nahezu genauso umfangreich werden wie im Fall eines Urteils (vgl. die Gesetzesbegründungen zum KostRÄndG 1994, a. a. O., S. 69 f., und zum KostRMoG, a. a. O., S. 159 f.) und steht daher einer Gebührenermäßigung entgegen (vgl. A., a. a. O., GKG KV 1211, Rdnr. 5).

Der Senat ist sich durchaus bewusst, dass auch bei einer „echten“ Kostengrundentscheidung im vorgenannten Sinn der dadurch für das Gericht entstehende Aufwand nicht in jedem Fall an den eines Urteils heranreicht. In durchaus nicht wenigen Fällen wird der Aufwand eher dem Zeitumfang ähneln, wie er auch bei einer „unechten“ Kostengrundentscheidung, in dem das Gericht lediglich durch deklaratorischen Beschluss die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge feststellt, anfällt. Insbesondere ist dann an eine Situation mit geringem Aufwand zu denken, wenn zur Ermittlung der Quote der Kostentragung im Rahmen der Kostengrundentscheidung, die im Regelfall anhand des Erfolgsprinzips vorzunehmen ist (ständige Rspr., vgl. z. B. Beschluss des Senats vom 24.05.2011, Az.: L 15 SB 66/09), lediglich ein Vergleich zwischen dem ursprünglich angestrebten Klageziel und dem letztlich Erreichten vorgenommen werden muss. Dies ändert aber nichts daran, dass die Frage einer Gebührenermäßigung allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden ist, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss. Denn im Sinne der gebotenen Verwaltungspraktikabilität kann es vom Urkundsbeamten genauso wie vom Kostenrichter nicht erwartet werden, den tatsächlich durch die zu treffende Kostengrundentscheidung anfallenden Aufwand zu ermitteln, zumal auch keinerlei Kriterien vorhanden wären, zwischen einem ausgesprochen geringen Zeitaufwand, wie er dem einer „unechten“ Kostengrundentscheidung ähnelt, und einem darüber hinausgehenden Aufwand zu differenzieren. Alles andere würde die Prüfpflichten und -möglichkeiten der Kostenbeamten und Kostenrichter übersteigen und dem Leitgedanken der durch das Gebot der Praktikabilität und Verwaltungsökonomie der Kostensachbearbeitung begründeten geringen Prüfpflichten der Kostenbeamten und Kostenrichter, der die Rechtsprechung des Kostensenats auch zum Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz durchzieht (vgl. z. B. Grundsatzbeschlüsse vom 14.05.2012, Az.: L 15 SF 276/10 B E, vom 18.05.2012, Az.: L 15 SF 104/11, vom 22.06.2012, Az.: L 15 SF 136/11, vom 30.07.2012, Az.: L 15 SF 439/11, vom 08.04.2013, Az.: L 15 SF 305/10, vom 08.10.2013, Az.: L 15 SF 157/12 B, vom 04.12.2013, Az.: L 15 SF 226/11, vom 17.12.2013, Az.: L 15 SF 275/13, vom 08.05.2014, Az.: L 15 SF 42/12, vom 03.06.2014, Az.: L 15 SF 402/13 E, vom 03.11.2014, Az.: L 15 SF 254/12, vom 04.11.2014, Az.: L 15 SF 198/14, vom 14.01.2015, Az.: L 15 SF 239/12 B, vom 10.03.2015, Az.: L 15 RF 5/15, vom 11.05.2015, Az.: L 15 RF 14/15, und vom 08.06.2015, Az.: L 15 SF 255/14 E), widersprechen.

Diese Ansicht des Senats findet ihre Bestätigung auch in den Gesetzesmaterialien. In der Gesetzesbegründung zum KostRÄndG 1994 (vgl. a. a. O., S. 70) hat der Gesetzgeber ausdrücklich darauf hingewiesen, dass mit der mit dem Ermäßigungstatbestand verbundenen Anreizwirkung die Bereitschaft der Parteien gefördert werden solle,

„die Kostenverteilung häufiger in einen Vergleich einzubeziehen, statt sie der gerichtlichen Entscheidung zu überlassen.“

Aus diesem Hinweis wird deutlich, dass der Gesetzgeber bereits das Erfordernis einer nach dem Erfolgsprinzip zu treffenden und daher mit wenig Aufwand verbundenen Kostengrundentscheidung als schädlich für die Anwendung des Ermäßigungstatbestands erachtet hat.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die praktizierte Auslegung des Nr. 7111 KV GKG unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes des Art. 3 Grundgesetz, weil auch eine echte Kostengrundentscheidung im Einzelfall mit sehr wenig Aufwand verbunden sein kann, bestehen nicht. Der Gebührengesetzgeber verfügt innerhalb seiner Regelungskompetenz über einen weiten Entscheidungs- und Gestaltungsraum (ständige Rspr., vgl. z. B. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 12.10.1994, Az.: 1 BvL 19/90). Die Frage, ob der Gesetzgeber die „gerechteste“ gesetzliche Lösung gewählt hat oder ob auch andere Lösungen denkbar oder sogar gerechter gewesen wären, ist einer Prüfung unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten entzogen (vgl. BVerfG, Urteil vom 17.12.1953, Az.: 1 BvR 147/52). Auch wenn der Gleichheitsgrundsatz erfordert, dass Gebührenmaßstäbe so auszugestalten sind, dass sie den unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, um so die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern sicher zu stellen, findet dieses Gebot seine Grenzen unter den Gesichtspunkten der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.1979, Az.: 2 BvL 5/76). Bei Berücksichtigung dieser Vorgaben, insbesondere der Praktikabilität, sieht der Senat keine Möglichkeit für eine weitergehende und kostenschuldnerfreundlichere Auslegung.“

Im Ergebnis bedeutet dies, dass eine vom Gericht der Hauptsache zu treffende Kostengrundentscheidung nur dann einer Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG nicht entgegensteht, wenn sich diese Entscheidung lediglich in der Wiederholung einer von Gesetzes wegen vorgegebenen oder von den/dem Beteiligten mitgeteilten Kostenfolge erschöpft. Oder mit anderen Worten: Ist die Kostengrundentscheidung allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung(en) getroffen worden, ohne dass ein weiterer Blick in die Akten erforderlich gewesen ist, hat eine Gebührenermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG zu erfolgen; anderenfalls ist für eine Gebührenermäßigung kein Raum (vgl. auch Beschluss des Senats vom 07.01.2016, Az.: L 15 SF 95/13 B).

Im vorliegenden Fall ist der Rechtsstreit durch Klagerücknahme erledigt worden. Auch wenn im Fall einer Klagerücknahme wegen der gemäß § 155 Abs. 2 VwGO vorgegebenen Kostenfolge (einer Kostentragung dessen, der die Klage zurückgenommen hat) grundsätzlich von einer „unechten“ Kostengrundentscheidung mit der Folge einer Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 Nr. 1 KV GKG auszugehen ist, ist im hier vorliegenden Fall einer Beteiligung eines Beigeladenen im gerichtlichen Verfahren ausnahmsweise nicht von einer solchen Kostengrundentscheidung auszugehen. Denn gemäß § 162 Abs. 3 VwGO ist die vom Gericht zu treffende Kostengrundentscheidung, soweit sie die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen betrifft, eine Ermessensentscheidung und damit insofern eine echte Kostengrundentscheidung. Eine solche Entscheidung kann nicht allein auf der Grundlage der zur Verfahrensbeendigung führenden Erklärung der Rücknahme und einer vom Gesetzgeber daran geknüpften kostenrechtlichen Konsequenz getroffen werden, sondern bedarf eines weiteren Blicks in die Akten, um die Ausübung des für die Kostenentscheidung erforderlichen Ermessens zu gewährleisten. Damit ist eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG ausgeschlossen.

Der Senat ist sich bewusst, dass damit im Fall einer Klagerücknahme regelmäßig nicht eine Ermäßigung nach Nr. 7111 KV GKG erfolgen wird, sofern im Verfahren ein Beigeladener beteiligt gewesen ist. Zwar kann auch in solchen Fällen der die Klage zurücknehmende Kläger eine Anwendung des Ermäßigungstatbestands dadurch bewirken, dass er seine Bereitschaft zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen erklärt. Eine derartige Erklärung wird aber - dies zeigt auch der hier entschiedene Fall - oft nicht erfolgen. Gleichwohl sieht der Senat in derartigen Fällen keine Grundlage, einem sein Rechtsmittel zurücknehmenden Kläger durch die Anwendung des Ermäßigungstatbestands zulasten der Staatskasse entgegenzukommen. Denn für eine Kostenprivilegierung ist dann kein Raum, wenn das Gericht der Hauptsache noch eine Kostenentscheidung treffen muss, die mit erheblichem richterlichem Arbeitsaufwand verbunden sein kann, weil eine Auseinandersetzung mit dem Streitstoff, insbesondere mit den Erfolgsaussichten der Prozessparteien erforderlich ist (vgl. die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung von Kostengesetzen und anderen Gesetzen [Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 - KostRÄndG 1994] - Bundestags-Drucksache 12/6962, S. 70), wie es auch bei der gemäß § 162 Abs. 3 VwGO zu treffenden Entscheidung der Fall ist.

Darauf, wie hoch der Aufwand des Gerichts der Hauptsache für die mit Blick auf den Beigeladenen zu treffende Kostenentscheidung im Einzelfall tatsächlich ist, kommt es nicht an. Denn die Frage einer Gebührenermäßigung ist allein anhand der auf der Grundlage von formalen Kriterien zu beantwortenden Frage zu entscheiden, ob die Kostengrundentscheidung des Gerichts lediglich eine bereits zwingend sich aus den gesetzlichen Regelungen ergebende Kostenfolge beinhaltet und damit mit keinerlei Prüfaufwand verbunden ist oder ob sich das Gericht - unabhängig in welchem Umfang - weitere Gedanken vor der zu treffenden Kostenentscheidung machen muss (vgl. Beschluss des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E).

Für eine erweiternde Auslegung in dem Sinn, dass es mit Blick auf die Anreizwirkung der Nr. 7111 KV GKG zur umfassenden unstreitigen Verfahrensbeendigung allein auf die Kostenregelung betreffend Kläger und Beklagte, nicht aber den Beigeladenen ankommen sollte, sieht der Senat keinen Raum, zumal die Regelung der Nr. 7111 KV GKG als Ausnahmevorschrift gegenüber Nr. 7110 KV GKG ohnehin keiner weiten Auslegung zugänglich ist (vgl. Beschluss des Senats vom 04.01.2016, Az.: L 15 SF 171/13 E; A., a. a. O., GKG KV 7111, Rdnr. 1, GKG KV 1211, Rdnrn. 1 f. - m. w. N.).

Dass es in Verfahren mit Beigeladenen im Fall der Klagerücknahme wie hier regelmäßig nicht zu einer Gebührenermäßigung gemäß Nr. 7111 KV GKG kommen wird, ist daher hinzunehmen.

Das Bayer. LSG hat über die Erinnerung gemäß § 66 Abs. 6 Satz 1, 1. Halbsatz GKG als Einzelrichter zu entscheiden gehabt.

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 66 Abs. 3 Satz 3 GKG). Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 66 Abs. 8 GKG).

(1) Über Erinnerungen des Kostenschuldners und der Staatskasse gegen den Kostenansatz entscheidet das Gericht, bei dem die Kosten angesetzt sind. Sind die Kosten bei der Staatsanwaltschaft angesetzt, ist das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig. War das Verfahren im ersten Rechtszug bei mehreren Gerichten anhängig, ist das Gericht, bei dem es zuletzt anhängig war, auch insoweit zuständig, als Kosten bei den anderen Gerichten angesetzt worden sind. Soweit sich die Erinnerung gegen den Ansatz der Auslagen des erstinstanzlichen Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz richtet, entscheidet hierüber das für die Durchführung des Musterverfahrens zuständige Oberlandesgericht.

(2) Gegen die Entscheidung über die Erinnerung findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde ist auch zulässig, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt.

(3) Soweit das Gericht die Beschwerde für zulässig und begründet hält, hat es ihr abzuhelfen; im Übrigen ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beschwerdegericht ist das nächsthöhere Gericht. Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt. Das Beschwerdegericht ist an die Zulassung der Beschwerde gebunden; die Nichtzulassung ist unanfechtbar.

(4) Die weitere Beschwerde ist nur zulässig, wenn das Landgericht als Beschwerdegericht entschieden und sie wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zugelassen hat. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Verletzung des Rechts beruht; die §§ 546 und 547 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Über die weitere Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht. Absatz 3 Satz 1 und 4 gilt entsprechend.

(5) Anträge und Erklärungen können ohne Mitwirkung eines Bevollmächtigten schriftlich eingereicht oder zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegeben werden; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Für die Bevollmächtigung gelten die Regelungen der für das zugrunde liegende Verfahren geltenden Verfahrensordnung entsprechend. Die Erinnerung ist bei dem Gericht einzulegen, das für die Entscheidung über die Erinnerung zuständig ist. Die Erinnerung kann auch bei der Staatsanwaltschaft eingelegt werden, wenn die Kosten bei dieser angesetzt worden sind. Die Beschwerde ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird.

(6) Das Gericht entscheidet über die Erinnerung durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter; dies gilt auch für die Beschwerde, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter oder einem Rechtspfleger erlassen wurde. Der Einzelrichter überträgt das Verfahren der Kammer oder dem Senat, wenn die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Das Gericht entscheidet jedoch immer ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter. Auf eine erfolgte oder unterlassene Übertragung kann ein Rechtsmittel nicht gestützt werden.

(7) Erinnerung und Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung. Das Gericht oder das Beschwerdegericht kann auf Antrag oder von Amts wegen die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen; ist nicht der Einzelrichter zur Entscheidung berufen, entscheidet der Vorsitzende des Gerichts.

(8) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.