Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 08. Jan. 2018 - L 11 AS 868/17 NZB

bei uns veröffentlicht am08.01.2018
vorgehend
Sozialgericht Nürnberg, S 22 AS 869/15, 25.10.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.10.2017 - S 22 AS 869/15 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Versagung der Übernahme der Kosten für außerschulischen Nachhilfeunterricht in Höhe von 140,00 EUR.

Die 1998 geborene Klägerin besuchte im Schuljahr 2014/2015 die Realschule. Sie beantragte am 16.11.2014 die Erstattung der Kosten für bereits erfolgten außerschulischen Nachhilfeunterricht in Höhe von 140,00 EUR, die sie bzw. ihre Mutter bereits verauslagt hatten. Es habe eine Notsituation bestanden. Die Selbstbeschaffung vor Antragstellung sei gerechtfertigt. Hierzu legte die Klägerin eine Rechnung vom 07.11.2014 über fünf Unterrichtsstunden vor; der Zeitpunkt der Unterrichtsstunden war aber nicht angegeben. Der Beklagte forderte unter anderem eine Bescheinigung der Schule über die Erforderlichkeit des außerschulischen Nachhilfeunterrichts an. Trotz Erinnerung legte die Klägerin die erforderlichen Nachweise nicht vor. Mit Bescheid vom 17.03.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2015 versagte der Beklagte die Leistungen mangels Mitwirkung.

Die dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobene Klage - der Beklagte hat dabei unter anderem auf die nicht rechtzeitige Antragstellung hingewiesen - hat dieses mit Urteil vom 25.10.2017 abgewiesen. Die Versagung sei rechtmäßig erfolgt. Die Klägerin habe erforderliche Unterlagen nicht vorgelegt, obwohl der Beklagte diese zu Recht angefordert habe. Einer Belehrung über die Rechtsfolgen der Nichtvorlage habe es vorliegend nicht bedurft, denn der Beklagte durfte aufgrund des eindeutigen Verhaltens der damals minderjährigen Klägerin bzw. ihrer Bevollmächtigten davon ausgehen, dass diese sich der Folgen der Pflichtverletzung bewusst gewesen seien und durch den Hinweis nicht zur Mitwirkung hätten angehalten werden können. Der Beklagte habe auch sein Ermessen ausgeübt. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen. Dagegen hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) erhoben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, wobei ein Individualinteresse nicht genügt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12.Aufl, § 144 RdNr. 28). Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, die sich nach der Gesetzeslage und dem Stand der Rechtsprechung und Literatur nicht ohne weiteres beantworten lässt. Nicht klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort auf sie so gut wie unbestritten ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17) oder praktisch von vornherein außer Zweifel steht (BSG SozR 1500 § 160a Nr. 4).

Verfahrensfehler, auf denen das Urteil des SG beruhen kann, werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und sind für den Senat ebenso wenig ersichtlich wie ein (bewusstes) Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung. Das SG nimmt vielmehr ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BSG (Beschluss vom 31.01.1979 - 11 BA 129/78 - veröffentlicht in juris) und des BayLSG (Urteil vom 22.06.2017 - L 19 R 550/16 - veröffentlicht in juris) Bezug.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt auch nicht vor. Zum einen ist die Rechtsfrage der Erforderlichkeit einer Rechtsfolgenbelehrung durch die vom SG genannte Rechtsprechung bereits geklärt. Selbst wenn jedoch eine erneute Klärungsbedürftigkeit angenommen werden würde, fehlt es für die Zulassung der Berufung an der Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage, denn ein Anspruch der Klägerin scheitert bereits an der verspäteten Antragstellung gemäß § 37 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 u. 2 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Klägerin hat erst am 16.11.2014 für einen bereits erfolgten und bezahlten Nachhilfeunterricht - so ihre eigene Ausführungen im Antrag - entsprechende Leistungen gemäß § 28 Abs. 5 SGB II beantragt. Eine Anwendung des § 30 SGB II kommt nach den vorliegenden Tatsachen auch nicht in Betracht. Hiernach darf ein eigenes Verschulden des Leistungsberechtigten nicht zu der (drohenden) Leistungsstörung geführt haben (§ 30 S. 1 Nr. 2 SGB II), wobei es auf die Umstände des Einzelfalles und eine am Gesetzeszweck ausgerichtete vernünftige Handhabung der Norm ankommt (vgl. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4.Aufl. 2017, § 30 Rdnr. 17-22). Es geht an dieser Stelle um die Frage, ab wann der Leistungsberechtigte selbst agieren darf und welche Zeitspanne des Zuwartens ihm zuzumuten ist. Generell ist von der Obliegenheit des Leistungsberechtigten auszugehen, die Leistung so rechtzeitig zu beantragen bzw. dem Beklagten von seiner Hilfebedürftigkeit Kenntnis zu geben, dass die Hilfe vom Beklagten rechtzeitig gewährt werden kann. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verwaltung vor Gewährung der Leistung deren tatsächliche und rechtliche Voraussetzungen prüfen muss und dies einen gewissen Zeitaufwand benötigt. Ein Verschulden des Leistungsberechtigten dürfte daher vorliegen, wenn er ohne plausiblen und nachvollziehbaren Grund die Sach- oder Dienstleistung vor dem Zeitpunkt der Selbsthilfe gar nicht oder erst sehr bzw. zu spät beantragt hat bzw. die Verwaltung nicht mit seinem Begehren befasst hat, obwohl ihm dies möglich und zumutbar war. Dies folgt auch aus der Regelung des § 30 S. 2 SGB II. Danach gilt ein Antrag als zum Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt, falls es dem Leistungsberechtigten nicht möglich war, rechtzeitig einen Antrag zu stellen. Auch die Gesetzesbegründung hat diesen Sachverhalt im Blick, wenn sie ausführt, dass keine Erstattungspflicht der Verwaltung besteht, wenn der Leistungsberechtigte sich aus freien Stücken die Leistung selbst beschafft hat und danach die Erstattung fordert (BT-Drs. 17/12036, 8). Dabei muss ggf. der Leistungsberechtigte dartun, aus welchen Gründen eine frühere Antragstellung nicht möglich oder zumutbar gewesen ist. Dies gilt auch Fällen, in denen geltend gemacht wird, dass Bedarfslagen (zu) kurzfristig aufgetreten sind (vgl. zum Ganzen: Luik a.a.O.). Die Klägerin aber hat bislang lediglich das Vorliegen einer Eilbzw. Notsituation behauptet, jedoch nicht dargelegt, weshalb eine rechtzeitige Antragstellung nicht möglich gewesen ist, insbesondere nachdem es sich beim Nachhilfeunterricht um einen Zeitraum zu Schuljahresanfang gehandelt haben dürfte und eine Gefährdung der Klägerin nach den ersten Prüfungen nicht sofort ausgeglichen werden muss und kann. Jedenfalls finden sich hierzu keinerlei Ausführungen der Klägerin.

Nach alledem war die Beschwerde mit der Folge zurückzuweisen, dass das Urteil des SG rechtskräftig ist (§ 145 Abs. 4 Satz 4 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

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(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung we

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(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Ur

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 22. Juni 2017 - L 19 R 550/16

bei uns veröffentlicht am 22.06.2017

Tenor I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.07.2016 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Referenzen

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.07.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zu Recht einen Antrag des Klägers auf Weitergewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2014 hinaus wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers abgelehnt hat.

Der 1971 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten am 19.04.2010 eine Rente wegen Erwerbsminderung. Er gab hierbei an, von 1987 bis 1990 den Beruf eines Bäckers erlernt zu haben. Seit dem Jahr 2000 sei er beim Arbeitsamt N-Stadt arbeitsuchend gemeldet, aber nicht vermittelbar. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 01.07.2010 ab, da die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Beim Kläger war seit 1999 ein Grad der Behinderung (GdB) von zunächst 40 und später - nach Besserung der Fußsenkerschwäche - von 30 festgestellt, der ab 06.09.2010 auf einen GdB von 50 erhöht wurde, so dass eine Schwerbehinderung bestand. Maßgeblich hierfür waren die neu festgestellte depressive Verstimmung (Einzel-GdB 20) und die Verschlechterungen bei der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Einzel-GdB 30) und des Schultergelenkes (Einzel-GdB 20), während die Funktionsbehinderung an Hüft- und Sprunggelenken als unverändert angesehen worden waren (Einzel-GdB 20).

Der Kläger machte im Widerspruchsverfahren geltend, er sei seit 1997 arbeitsunfähig, weil ihn seit damals unerträgliche Rückenschmerzen plagen würden. Er sei mit sämtlichen konservativen Maßnahmen einschließlich Reha-Verfahren behandelt worden und auch eine operative Behandlung sei durchgeführt worden. Durch die langjährige Erkrankung sei er depressiv und als chronischer Schmerzpatient zu bezeichnen. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2010 zurück.

Da sowohl schon Frau Dr. B. in ihrem Gutachten vom 17.11.2010 als auch Prof. Dr. S. im Gutachten vom 05.11.2011 dringend eine psychosomatische Rehabilitation angeregt hatten, wurde das sich anschließende Klageverfahren S 18 R 1567/10 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) zunächst ruhend gestellt, nachdem der Kläger die Bewilligung einer psychosomatischen Rehabilitation beantragt hatte. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 28.06.2012 eine medizinische Rehabilitation jedoch ab: Eine solche könne nicht durchgeführt werden, weil beim Kläger eine geminderte Erwerbsfähigkeit nicht vorliege.

Der Rechtsstreit wurde daraufhin fortgeführt. Das vorliegende Gutachten des Prof. Dr. S. vom 05.11.2011 betraf das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet. Als Gesundheitsstörungen beim Kläger wurden angegeben:

1. Somatoforme Schmerzstörung.

2. Dysthymia.

3. Schädlicher Gebrauch von Opiaten und Nikotin.

4. Chronisches Schmerzsyndrom.

5. Spondylolisthese (Grad I nach Meyerding) mit Spinalkanalstenose, knöcherner Dekompression (L5/S1), Neurolyse, Stabilisierung und Reposition (2/2010) ohne sensomotorische Ausfälle.

6. Verdacht auf Stressharninkontinenz.

7. Eingesteifte Abduktion im rechten Schultergelenk bei Z.n. Reruptur der Rotatorenmanschette rechts (2004) und Ruptur der Rotatorenmanschette links (2010) mit beidseits schmerzhafter Bewegungseinschränkung ohne sensomotorische Ausfälle.

8. Leichte Epikondylopathia humeri ulnaris rechts.

9. Sprunggelenksarthrose rechts, Senkspreizknickfuß beidseits.

10. Gefäßrisikofaktoren Hyperlipidämie, Hyperurikämie, Adipositas permagna.

Nach den durchgeführten Tests und bei der klinischen Untersuchung würden sich keine Zeichen für leistungsmindernde kognitive Beeinträchtigungen und erhöhte psychische Erschöpfbarkeit zeigen. Der Kläger sei auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 Stunden täglich einsatzfähig. Besondere nervliche Belastungen, stressreiche Arbeiten mit Publikumsverkehr und Arbeit an laufenden Maschinen seien nicht zumutbar. Hinzu kämen wesentlich qualitative körperliche Einschränkungen aus dem orthopädischen Fachgebiet.

Vor der mündlichen Verhandlung am 01.08.2012 holte das Sozialgericht noch ein weiteres Gutachten ein und zwar beim Orthopäden Dr. S.. Dieser bestätigte im Wesentlichen die in den Vorgutachten beim Kläger erfassten Gesundheitsstörungen und kam zum Ergebnis, dass aus orthopädisch-chirurgischer Sicht beim Kläger noch ein Leistungsvermögen von mindestens 6 Stunden täglich bestehe. Es müsse sich um leichte Arbeiten in Wechselhaltung ohne Knien, Hocken, Bücken, Überkopfarbeit und ohne Gerüst- und Leiterarbeiten handeln. Das Heben und Tragen sei auf Lasten bis maximal 10 kg beschränkt, Treppensteigen dürfe nur gelegentlich abverlangt werden und Schutzmaßnahmen gegen Nässe, Kälte und Zugluft seien zu beachten. In der mündlichen Verhandlung betonte der Sachverständige Dr. S. auf Nachfrage, dass auch er eine Rehabilitationsmaßnahme für vordringlich halte. In einer Gesamtwürdigung aller Gesundheitsstörungen sei eine quantitative Leistungsminderung ab Juni 2012 bis Juli 2013 gerechtfertigt.

Daraufhin verurteilte das Sozialgericht die Beklagte mit Urteil vom 01.08.2012 dazu, dem Kläger aufgrund eines Leistungsfalls vom 06.06.2012 eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 01.01.2013 bis 30.06.2013 zu gewähren. Die zeitliche Einschränkung ergebe sich aus den Darlegungen des Dr. S. in der Zusammenschau mit den von ihm und Prof. Dr. S. erstellten Gutachten.

Die Fachärztin für Psychiatrie Dr. H. vom ärztlichen Dienst der Beklagten wies am 08.11.2012 auf eine hinzugetretene, iatrogen unterstützte Abhängigkeitsproblematik hin und hielt die Einlegung einer Berufung nicht für erfolgversprechend. Die Beklage sah daraufhin von einem Rechtsmittel ab und bewilligte - entsprechend dem Urteil - dem Kläger im Folgenden eine Rente wegen voller Erwerbsminderung befristet bis 30.06.2013.

Am 18.06.2013 beantragten seine damaligen Bevollmächtigten für den Kläger bei der Beklagten die Weitergewährung der vollen Erwerbsminderungsrente über den 30.06.2013 hinaus. Sie schrieben, dass der Kläger weiter bei Frau Dr. C. in hausärztlicher Behandlung stehe und sich seine Krankheitsmerkmale verschlechtert hätten. Sein aktueller Aufenthaltsort sei unbekannt. Nachdem Dr. H. am 29.08.2013 in einer äußerst knappen Stellungnahme nach Aktenlage - ohne Beiziehung aktueller ärztlicher Unterlagen - eine Weitergewährung der Zeitrente befürwortet hatte, bewilligte die Beklagte eine Verlängerung bis zum 31.12.2014.

Nach Einstellung der Zeitrente zu diesem Datum erkundigte sich der Kläger am 29.01.2015 - erstmals - telefonisch nach seiner Rente, wie aus einem Aktenvermerk der Beklagten ersichtlich ist. Er trug vor, sie sei das letzte Mal einfach so weitergewährt worden. Er könne keinen Antrag stellen, dies sei ihm einfach nicht möglich. Am 02.02.2015 ergab eine Rücksprache beim VdK, der die letzte Verlängerung der Zeitrente beantragt hatte, dass der Kläger seit 01.01.2015 kein Mitglied mehr im VdK sei. Ein weiteres Telefonat vom 02.02.2015 mit dem Kläger ergab, dass dieser keinen Antrag auf Weitergewährung stellen werde, da er sich geschworen habe, keine Unterschriften mehr zu leisten und bei Behörden keine Anträge mehr zu stellen.

Am 09.03.2015 meldeten sich per Telefax neue Bevollmächtigte des Klägers bei der Beklagten. Sie beantragten, dem Kläger ab 01.01.2015 rückwirkend, hilfsweise ab sofort weiter Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Der Formblattantrag auf Weiterzahlung der Rente wegen Erwerbsminderung ging am 27.03.2015 bei der Beklagten ein. Der Kläger gab an, wegen seiner chronischen Schmerzen ausschließlich bei der Hausärztin Dr. C. in Behandlung zu stehen. Eine stationäre Behandlung wegen Herzrhythmusstörungen sei im Januar 2015 in der M-Klinik in B-Stadt erfolgt.

Die Beklagte forderte einen Befundbericht bei der behandelnden Ärztin Dr. C. an, die am 21.04.2015 bestätigte, dass sich der Kläger seit 1985 in ihrer Behandlung befinde und diese früher regelmäßig und jetzt gelegentlich erfolge. Der Kläger sei berentet. Die letzte Untersuchung sei am 26.06.2014 erfolgt. Beim Kläger bestehe

– ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei Spondylodese,

– eine Schmerzverarbeitungsstörung,

– eine Unverträglichkeit von Analgetika außer Cannabis,

– eine Arthrose des oberen Sprunggelenks,

– eine Wesensveränderung mit kompletter sozialer Isolation und aggressiver Abwehrhaltung und

– eine Omarthrose mit starker Bewegungseinschränkung beidseits.

Die beigefügten fachärztlichen Befunde datierten aus den Jahren 2011 bis 2014.

Daraufhin kam die Prüfärztin A. zum Ergebnis, dass eine sozialmedizinische Beurteilung nach Aktenlage nicht ausreiche und der Kläger aktuell untersucht werden solle.

Nach Ladung des Klägers zu einem Untersuchungstermin erfolgte am 11.05.2015 ein telefonischer Kontakt mit dem Kläger, wegen einer evtl. geringfügigen Abänderung des konkreten Untersuchungszeitpunkts. Der Kläger lehnte einen vorgesehenen Untersuchungstermin vollständig ab und betonte, dass er seit 16 Jahren mit der Deutschen Rentenversicherung streiten würde und er nicht bereit sei, zu einer Untersuchung zu kommen. Auf die trotzdem erfolgte Einladung zur Untersuchung am 09.06.2015 hin ist der Kläger zu diesem Termin nicht erschienen. In dem Einladungsschreiben war auf die Anlage mit Hinweisen zur Vermeidung von Nachteilen verwiesen worden.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17.06.2015 versagte die Beklagte die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach dem Ende der Befristung, also ab 01.01.2015. Der Kläger sei der Aufforderung der Beklagten vom 11.05.2015 zu der im Rentenverfahren erforderlichen ärztlichen Untersuchung zu erscheinen, nicht nachgekommen. Er sei auf die Folgen der fehlenden Mitwirkung schriftlich hingewiesen worden. Ohne Kenntnis des derzeitigen Gesundheitszustandes könne der Umfang des Leistungsvermögens nicht festgestellt werden. Die Verweigerung der Untersuchung habe deshalb zur Folge, dass die Rente versagt werden könne (§§ 62, 65, 66 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - SGB I).

Hiergegen legte der Kläger persönlich mit Schreiben vom 07.07.2015 Widerspruch ein. Er habe bereits telefonisch am 06.01.2015 der Beklagten mitgeteilt, dass die psychische Belastung, von einem Arzt untersucht zu werden, nach 17 Jahren der Qual und des nicht Unterstützens seiner Genesung für ihn nicht mehr zu ertragen sei. Da die Beklagte ja schon einmal ein ärztliches Gutachten nach Aktenlage angefertigt habe und für die letzte Verlängerung der Rente auch keine ärztliche Untersuchung mehr nötig gewesen sei, solle die Beklagte aufgrund der vorliegenden ärztlichen Unterlagen entscheiden und ihm die Rente rückwirkend ab 01.01.2015 gutschreiben. Die Bevollmächtigten des Klägers verwiesen darauf, dass beim Kläger eine Wesensänderung mit kompletter sozialer Isolation und aggressiver Abwehrhaltung vorliege. Dieser Zustand sei krankheitsbedingt und vom Kläger nicht mehr willentlich steuerbar und könne ihm deshalb nicht als mangelnde Mitwirkung ausgelegt werden. Die in der Akte vorhandenen ärztlichen Befunde seien nach wie vor ausreichend, um über die Rentengewährung zu entscheiden.

Am 14.08.2015 hielt Medizinaldirektor Dr. B. vom ärztlichen Dienst der Beklagten fest, dass der Kläger nach telefonischer Bestätigung seiner Hausärztin zuletzt am 26.06.2014 bei ihr in Behandlung gewesen sei. Seiner Ansicht nach sei ohne Abklärung durch Begutachtung keine Aussage zur aktuellen Leistungsfähigkeit möglich.

Die Beklagte bot dem Kläger über seinen Bevollmächtigten am 25.08.2015 schriftlich an, ihm einen neuen Untersuchungstermin zuzuteilen, wenn er sich zur Mitwirkung bereit erkläre; der Kläger wurde erneut förmlich auf seine Mitwirkungspflicht und die ihr zugrundeliegenden Bestimmungen hingewiesen. Die Beklagte hielt in einem Telefonvermerk vom 26.08.2015 fest, dass der Kläger angegeben habe, er sei psychisch nicht mehr in der Lage, an einer Untersuchung durch einen Arzt teilzunehmen, egal um welchen Arzt es sich handele; er werde nie mehr an einer teilnehmen.

Die Klägerseite trug inhaltlich vor, dass eine nachvollziehbare Begründung, warum die abermalige ärztliche Begutachtung des Klägers zwingend erforderlich sein solle, dem Schreiben nicht zu entnehmen gewesen sei. Bekanntlich sei dem Kläger aufgrund der ärztlich nachgewiesenen chronischen Schmerzen bereits über mehrere Jahre eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung gewährt worden. An dem Sachverhalt habe sich nichts geändert. Der Kläger erhalte nach wie vor Cannabis aus medizinischen Gründen mit Genehmigung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte. Der Kläger habe durch die jahrelangen ärztlichen Fehlbehandlungen eine massive Angststörung entwickelt und werde allein bei dem Gedanken, sich erneut in ärztliche Behandlung und Begutachtung begeben zu müssen, von Panikattacken befallen. Eine Mitwirkungspflicht des Klägers durch Teilnahme an einer ärztlichen Untersuchung bestehe aus den vorgenannten Gründen nicht. Die Folgen fehlender Mitwirkung kämen deshalb im vorliegenden Fall nicht zum Tragen.

Vorgelegt wurde zugleich die Erlaubnis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) für den Kläger vom 26.03.2015: Die Erlaubnis erlösche mit sofortiger Wirkung, sobald der betreuende Arzt die Fortsetzung der Betreuung abbreche; betreuender Arzt sei Frau Dr. C. aus C-Stadt.

Am 29.09.2015 stellte Dr. B. erneut fest, dass die neuen Unterlagen sowie die vorliegenden Unterlagen eine Begutachtung nach Aktenlage nicht zuließen; sie seien weder aktuell noch vollständig. Der Bevollmächtigte des Klägers forderte dagegen nochmals, dass aufgrund der bereits vorliegenden Befunde eine Begutachtung nach Aktenlage erfolgen müsse.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.10.2015 den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei zwar zulässig, aber nicht begründet. Die Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.12.2014 hinaus sei zu Recht bis zur Nachholung der Mitwirkung versagt worden. Die Versagung der Leistung sei ausdrücklich bis zur Nachholung der Mitwirkung begrenzt und habe daher einen vorläufigen Charakter. Die Mitwirkung könne jederzeit nachgeholt werden und danach die Leistung erbracht werden. Es wurde erneut auf die Vorschriften der §§ 62, 65 und 66 SGB I hingewiesen. Auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles sei die Versagung der Leistung als ermessensfehlerfrei anzusehen: Eine Versagung bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung sei für den Kläger günstiger als eine vollständige Ablehnung des Anspruchs wegen Nichterfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen.

Am 27.10.2015 beantragte der Kläger beim Jobcenter Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Er hatte hierfür seine Mutter I.A. bevollmächtigt, diesen Antrag zu stellen. Aus den Antragsunterlagen war u.a. ersichtlich, dass der Kläger über ein Kraftfahrzeug verfügte. In der daraufhin angelegten Akte des Jobcenters ist ein Ausdruck der Arbeitsagentur enthalten, aus dem zu ersehen ist, dass für den Kläger bis 31.12.2014 der Bezug einer Erwerbsminderungsrente vermerkt ist, die Zeit vom 01.01.2015 bis 27.10.2015 als Zeit ohne Nachweis und die sich anschließende Zeit als Zeit der Arbeitsunfähigkeit geführt wurde.

Am 09.11.2015 hat der Kläger durch seine Bevollmächtigten per Telefax Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Er hat vorgetragen, dass sich sein Gesundheitszustand seit der Bewilligung der befristeten Rente noch weiter massiv verschlechtert habe. Zum Beweis ist ein medizinisches Sachverständigengutachten angeboten worden. Der Kläger habe eine massive Angststörung entwickelt. Auch hierfür ist ein Sachverständigengutachten angeboten worden.

Aus einem Versicherungsverlauf vom 25.11.2015 sind rentenrechtliche Zeiten nach Abschluss des Rentenbezugszeitraums nicht ersichtlich. Das Sozialgericht hat dem Klägerbevollmächtigten unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften angeschrieben und eine Erfolgsaussicht der Klage nicht als gegeben angesehen. Ein in diesem Zusammenhang durchgeführtes Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit (S 13 SF 39/16 AB) ist ohne Erfolg geblieben - Ablehnung des Befangenheitsantrags mit Beschluss vom 21.03.2016.

Am 27.04.2016 hat der Kläger einen formlosen Antrag auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) gestellt, aber offensichtlich auch in der Folgezeit fortlaufend Leistungen nach dem SGB II erhalten.

Nach Anhörung der Beteiligten hat das Sozialgericht am 06.07.2016 durch Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden und die Klage abgewiesen. Sie sei nur zum Teil zulässig, nämlich als Anfechtungsklage, während die darüber hinausgehende Leistungsklage auf Rentenzahlung unzulässig sei. Klagegegenstand sei nämlich nicht die Frage, ob dem Kläger die Rente wegen voller Erwerbsminderung weiter zu gewähren sei, sondern einzig und allein die Frage, ob die Beklagte die Weitergewährung der Rente zu Recht bis zur Nachholung der Mitwirkungshandlung gemäß § 66 SGB I habe versagen dürfen. Die hierauf bezogene Klage sei nicht begründet, denn es liege ein Verstoß gegen Mitwirkungspflichten vor. Dieser liege darin, dass der Kläger nicht zur ärztlichen Untersuchung erschienen sei und aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen aus dem Jahr 2014 entgegen der Ansicht des Prozessbevollmächtigten des Klägers das aktuelle Leistungsvermögen des Klägers gerade nicht abgeleitet werden könne. Auch nach Auskunft der behandelnden Ärztin sei der Kläger letztmals am 26.06.2014 bei ihr in Behandlung gewesen. Der Kläger habe durch die Nichtteilnahme an der Untersuchung die Aufklärung des Sachverhalts unmöglich gemacht. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, dass hier die gesetzlichen Mitwirkungspflichten nicht bestehen würden, da sie ihm aus wichtigem Grund nicht zugemutet werden könnten. Die vom Kläger behaupteten massiven Angst- und Panikattacken seien im vorliegenden Fall kein ausreichender Grund, da sie medizinisch nicht belegt und nachgewiesen seien. Die Frage des Leistungsvermögens des Klägers müsse von medizinischer Seite aus untersucht werden und könne nicht allein auf seine Angaben gestützt werden. Die sonst erforderliche Hinweispflicht auf die Folgen einer fehlenden Mitwirkung entfalle, wenn die Erfüllung der Hinweispflicht nach den Umständen den Einzelfalles sinnlos sei, wie schon das BSG in seinem Beschluss vom 31.01.1979 (Az. 11 BA 129/78) entschieden habe. Dies sei hier durchaus anzunehmen, da der Kläger gegenüber der Beklagten und dem ärztlichen Gutachter mehrfach telefonisch eine Untersuchung zum Zwecke der Leistungsbeurteilung als unzumutbar abgelehnt habe. Auch sein Prozessbevollmächtigter habe dies schriftlich bestätigt. Die Beklagte habe deshalb zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung annehmen dürfen, dass die Erfüllung der Hinweispflicht ohnehin ins Leere gehe. Die Beklagte habe auch eine Ermessensentscheidung getroffen und die Umstände des Einzelfalls abgewogen. Die Klage sei abzuweisen.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers mit Telefax-Schreiben vom 16.08.2016 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Der erstinstanzlichen Entscheidung könne nicht gefolgt werden. Es wäre Sache des Gerichts gewesen, die Frage des Leistungsvermögens zu beurteilen, sich mit dem Sachvortrag des Klägers auseinander zu setzen und sich selbst einen Eindruck von der Glaubhaftigkeit seines Sachvortrags und zur Glaubwürdigkeit seiner Person zu machen. Die Erklärung, dass die behauptete massive Angst und die Panikattacken kein ausreichender Grund seien und das Leistungsvermögen von medizinischer Seite aus beurteilt werden müsse und nicht vom Kläger selbst, sei so nicht richtig. Die Parteien hätten bereits im Jahre 2011 vor dem Sozialgericht einen Rechtsstreit geführt. In diesem Rechtsstreit habe Prof. Dr. S. am 05.11.2011 ein 58-seitiges Gutachten über den Kläger erstattet, dem zwar nicht in vollem Umfang gefolgt werden könne, dem jedoch massive krankheitsbedingte Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des Klägers entnommen werden könnten, die nachdem die Beklagte die seinerzeit von Prof. Dr. S. empfohlene ambulante Therapie abgelehnt habe, sich massiv verstärkt hätten. Hätte die Beklagte die bei ihren Akten befindlichen Befunde pflichtgemäß und antragsgemäß geprüft, hätte sie dem Kläger die beantragte Rente weiterhin gewähren müssen. Die Prüfung sei jetzt durch die gerichtliche Beweisaufnahme zu ersetzen.

In einem Erörterungstermin vom 06.03.2017 hat der Kläger angegeben, er habe im Jahr 2014 noch einmal MRTs fertigen lassen, sei damals aber schon psychisch so beeinträchtigt gewesen, dass er kurz davor gewesen sei, den sogenannten Notknopf bei der Untersuchung zu bedienen. Mittlerweile könne er keine Ärzte mehr aufsuchen. Auf weitere Nachfrage hat der Kläger angegeben, auch bei der Untersuchung bei Prof. Dr. S. im letzten Verfahren sei er bereits an seine Grenzen gelangt gewesen. Dieser Arzt habe beispielsweise die Nervenempfindlichkeit an seinem zerschmetterten Bein untersucht. Er sehe sich auch nicht in der Lage, eine Untersuchung diagnostischer Art durchführen zu lassen, die auf ihn wie eine Psychotherapie wirke. Der Kläger ergänzt, dass bei ihm das Bevorstehen eines möglichen Arztbesuches Panikattacken auslöse und sich dies in Schweißausbrüchen, innerer Unruhe und Zittern äußere.

Die Klägerseite hat weiter vorgetragen, sie halte die Einholung eines Aktenlagegutachtens durch den Senat für erforderlich. Sie hat darauf hingewiesen, dass beim Kläger zwischenzeitlich eine erhebliche Gewichtszunahme vorliege. Der Kläger hat auf Nachfrage angegeben, dass er zur Schmerzmedikation medizinisches Cannabis nutzen dürfe und hierzu ein Kontakt mit der Hausärztin Dr. C., die er seit seiner Jugend kenne, fortbestehe. Diese könne befragt werden.

Die Beklagte hat angegeben, dass beim Kläger die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen derzeit erfüllt seien. Auf Nachfrage des Senats hat die AOK Bayern mitgeteilt, dass bei ihr keine aktuellen Angaben über den Kläger vorliegen würden. Er beziehe seit 01.10.2015 laufend Arbeitslosengeld II für Pflichtversicherte.

Die behandelnde Hausärztin Dr. C. hat im Rahmen der Ermittlungen des Senats am 03.05.2017 angegeben, dass der Kläger im Zeitraum nach dem 31.12.2014 bei ihr am 12.01.2015, am 17.08.2015, am 18.04.2016, am 02.06.2016 und am 10.04.2017 Behandlungskontakte gehabt hätte. Der Kläger habe seit 2014 jedoch weitere Untersuchungen abgelehnt, da er wisse, was er habe und damit leben müsse. Die Befunde der Jahre von 2010 bis 2014 seien in Kopie beigefügt. Beim Kläger bestünden starke chronische lumbale Schmerzen, ausstrahlend bis in die Füße, wobei der Schmerz als intensiv und brennend beschrieben werde. Wenn er länger stehe, würden beide Beine einschlafen. Der Nacken sei verspannt. Die Hände würden einschlafen. Beide Schultergelenke würden knirschen. Er könne die Arme nur minimal seitwärts heben. Nach vorne könne er sie etwa bis 90° heben und er könne beidseits keine Faust machen. Der Kläger sehe schlechter als früher, habe massiv an Gewicht zugenommen und es bestünden ausgeprägte Schlafstörungen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.07.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 17.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Nürnberg vom 06.07.2016 zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen waren die Akten der Beklagten, die Akten des Zentrums Bayern Familie und Soziales,, Versorgungsamt, und die Akten des Jobcenters N-Stadt sowie die Gerichtsakten des Sozialgerichts Nürnberg zu den erledigten Verfahren S 10 RJ 603/03, S 12 R 251/07, S 18 R 1567/10 und S 13 SF 39/16 AB. Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen und der beigezogenen Akten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 17.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2015 ist rechtlich nicht zu beanstanden.

Streitig ist vorliegend ausschließlich die Frage, ob die Beklagte dem Kläger zu recht die Weitergewährung von Erwerbsminderungsrente über den 31.12.2014 hinaus wegen fehlender Mitwirkung nach § 66 SGB I versagen durfte. Eine Sachentscheidung über die Frage des Leistungsvermögens des Klägers im Sinne des § 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) ist von der Beklagten noch nicht getroffen worden und kann deshalb auch im Rahmen dieses Verfahrens nicht erfolgen bzw. überprüft werden.

Der Kläger hat bei der Beklagten die Weitergewährung einer Rentenleistung beantragt. Dazu enthält das Erste Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) - für alle Sozialleistungen gleichermaßen - Regelungen über die Mitwirkung des Leistungsberechtigten (§§ 60 ff SGB I). Gemäß § 60 Absatz 1 Nr. 1 SGB I hat derjenige, der eine Sozialleistung beantragt - hier der Kläger eine Erwerbsminderungsrente -, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind, und der Erteilung der Auskünfte durch Dritte zuzustimmen. Dies hat der Kläger augenscheinlich getan.

Weiter regelt § 62 SGB I, dass der Antragsteller - hier also der Kläger - sich auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers ärztlichen und psychologischen Untersuchungsmaßnahmen unterziehen soll, soweit diese für die Entscheidung über die Leistung erforderlich sind.

Ein Verlangen der Beklagten, dass der Kläger zu einem Arzt zur ärztlichen Begutachtung erscheinen soll, ist klar zum Ausdruck gebracht. Der Senat sieht auch die von der Beklagten zu Grunde gelegte Annahme, dass eine solche Begutachtung mit Untersuchung für die Entscheidung über die beantragte Erwerbsminderungsrente erforderlich sei, als zutreffend an.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI setzt ein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung voraus, dass ein Versicherter voll erwerbsgemindert ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit aufzuweisen hat und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. § 43 SGB VI erfordert also die Aufklärung des Leistungsvermögens des Klägers. Dabei ist auch für den Fall, dass ein neuer Rentenantrag auf die nahtlose Weitergewährung einer befristeten Rente abzielt, nicht nur ein Vergleich zur bisherigen Situation anzustellen, sondern eine komplette Prüfung der geltenden Voraussetzungen vorzunehmen. Der Kläger hat als derjenige, der diesen Anspruch geltend macht, die entsprechenden Voraussetzungen zu beweisen. Nachdem der Kläger nach den Auskünften der Beklagten die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen voller - aber auch wegen teilweiser - Erwerbsminderung erfüllt gehabt hätte, geht es ausschließlich darum, ob die sog. medizinischen Voraussetzungen erfüllt sind. Zur Prüfung dieser medizinischen Voraussetzungen ist die Ermittlung der aktuellen medizinischen Fakten erforderlich.

Die in § 62 SGB I normierte Verpflichtung des Klägers zur Mitwirkung an einer ärztlichen Untersuchung wird in § 65 SGB I ergänzend präzisiert, indem dort neben der schon in § 62 SGB I geregelten Erforderlichkeit weitere Grenzen für die Mitwirkung eines Leistungsverpflichteten, hier also des Klägers, aufgeführt sind. Für den Senat zeigt sich, dass die Beklagte zu Recht die Mitwirkung des Klägers an einer ärztlichen Untersuchung einfordern durfte.

Anhaltspunkte dafür, dass eine objektive Unzumutbarkeit der Untersuchung, wie sie in den verschiedenen Fallgruppen des § 65 Abs. 2 SGB I erfasst ist, vorliegen würde, sind in keiner Weise ersichtlich.

Es besteht auch keine Unverhältnismäßigkeit zwischen geforderter Mitwirkung und beantragter Leistung (§ 65 Abs. 1 Nr. 1 SGB I), nachdem der Kläger eine Berentung wegen Erwerbsminderung auf Dauer einfordert und von ihm die Mitwirkung an einer ambulanten Untersuchung im üblichen Umfang (einige Stunden) erwartet wird.

Der Kläger hat auch nicht die Voraussetzungen des § 65 Abs. 1 Nr. 2 SGB I belegt, wonach die Erfüllung der Mitwirkung dem Betroffenen aus einem wichtigen Grund nicht zugemutet werden kann. Grundsätzlich könnte ein solcher wichtiger Grund zwar in einer psychischen Überforderung gesehen werden; für das Vorliegen einer dem Willen des Klägers entzogenen Verweigerungshaltung etwa infolge einer Angststörung vor schweren psychischen oder somatischen Beeinträchtigungen bei Durchführung einer ärztlichen Untersuchung gibt es keine Nachweise, sondern nur die eigenen Angaben des Klägers. Diese reichen nicht aus. Insbesondere ist nicht ersichtlich, warum die - noch mögliche - Befragung durch einen Richter in einer Verhandlungssituation etwa sich in der Eigenwahrnehmung des Klägers fundamental von der - angeblich unmöglichen - Befragung durch einen Psychiater vor bzw. außerhalb der Verhandlung unterscheiden soll.

Die Beklagte kann sich auch nicht - mit einem geringeren Aufwand - die erforderlichen Kenntnisse - anderweitig d.h. insbesondere ohne Untersuchung - selbst beschaffen, so dass auch die Ausnahme von der Mitwirkungspflicht nach § 65 Abs. 1 Nr. 3 SGB I im Fall des Klägers nicht greift. Für die Weiterbewilligung ist es nicht ausreichend, dass in der Vergangenheit bereits eine medizinisch begründete Entscheidung über eine Rentenbewilligung wegen voller Erwerbsminderung getroffen worden war. Die Entscheidung war seinerzeit ja gerade auf Gründe gestützt worden, die eine weitere Beurteilung der maßgeblichen gesundheitlichen Situation über den Bewilligungszeitraum hinaus nicht hatten möglich erscheinen lassen.

Aber auch inhaltlich ergeben die seinerzeit - im November 2011 und August 2012 - erstellten Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. S. keine hinreichenden Belege für das Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung beim Kläger im Zeitraum ab Januar 2015. Im Gegenteil, beide Gutachter waren in ihren Gutachten unter Auswertung der Untersuchungsergebnisse und Unterlagen zum Ergebnis gelangt, dass der Kläger unter Beachtung qualitativer Einschränkungen der Arbeitsbedingungen noch mehr als 6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein könnte. Erst in der mündlichen Verhandlung war im Hinblick auf die gegenseitige Beeinflussung der Einschränkungen auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet das befristete Vorliegen einer quantitativen Einschränkung beim Kläger von Dr. S. bejaht worden. Auch die im Nachgang zur damaligen Sozialgerichtsentscheidung entstandene Äußerung der Dr. H., wonach eine iatrogen unterstützte Abhängigkeitsproblematik vorliege, ändert daran nichts. Ausreichende Belege für eine medizinisch begründete, längerfristige Einschränkung durch den unter - wenn auch sehr lockerer - ärztlicher Aufsicht erfolgenden Cannabiskonsum sind nicht in den Akten enthalten.

Aus der Weiterbewilligung der Rente im Sommer 2013 lässt sich für das vorliegende Verfahren nichts ableiten. Weder gibt es inhaltlich verwertbare medizinische Darlegungen; die ohne neue ärztliche Unterlagen erstellte Stellungnahme des Dr. H. vom 29.08.2013 trägt aus Sicht des Senats noch nicht einmal die damalige Verlängerung der befristeten Rentengewährung. Noch ist die Beklagte daran gebunden, erneut mit unzureichenden Ermittlungen - es lagen nur Äußerungen der damaligen Klägerbevollmächtigten über eine Abwesenheit des Klägers vor - die Rente weiter zu bewilligen. Für die Entscheidung über den neuen Rentenantrag sind allein die gesetzlichen Vorgaben maßgeblich.

Der Beklagten und dem Sozialgericht ist daher in vollem Umfang darin beizupflichten, dass eine neue sozialmedizinische Beurteilung erforderlich ist. Selbst die Klägerseite stellt hierzu einen Beweis durch ein neu zu erstellendes Gutachten in den Raum. Abgesehen davon, dass ein Gutachten mit Untersuchung regelhaft die aktuelle medizinische Situation besser abbildet als eine bloße Aktenlagebefassung, war im Fall des Klägers ein Aktenlagegutachten nicht geeignet, die Frage zu beantworten, ob die medizinischen Voraussetzungen für volle Erwerbsminderung im Zeitraum ab Januar 2015 bestehen bzw. bestanden haben.

Für die Gutachtenerstellung konnte eine ärztliche Untersuchung schon deshalb als erforderlich angesehen werden, weil eine sozialmedizinische Beurteilung der aktuellen Situation, die auf Grund eigener Untersuchung abgegeben wurde, in der Regel einer nur auf Aktenunterlagen gestützten überlegen ist. Im Fall des Klägers bestand die Erforderlichkeit jedoch vor allem deshalb, weil ein Aktenlagegutachten überhaupt nicht in Betracht kam.

Entgegen der Ansicht der Klägerseite konnte ein Gutachten nach Aktenlage hier überhaupt nicht sinnvoll erstellt werden, weil eine Grundlage hierfür - auch für den medizinischen Laien offensichtlich - nicht vorhanden war. Nach dem Jahr 2014 sind keine substantiellen neuen ärztlichen Untersuchungen beim Kläger erfolgt, wie seine Hausärztin und er selbst ausdrücklich bestätigt haben. Es gab lediglich einige wenige Arztkontakte mit der langjährigen Hausärztin - offensichtlich zur Fortführung der Cannabisverordnung. Nach den Angaben der Ärztin erfolgten aber keine Untersuchungen. Soweit die Klägerseite meint, diese Aussage hätte sich nur fachärztliche Untersuchungen bezogen, kann dies nicht überzeugen. Auch eigene Untersuchungsbefunde wie etwa Blutdruck oder Laborwerte sind für diesen Zeitraum von Dr. C. nicht mitgeteilt worden. Dagegen hat sie auf ausdrückliche Nachfrage im August 2015 angegeben, dass bei ihr seit über einem Jahr keine Untersuchung des Klägers mehr vorgenommen worden sei, obwohl sie - an anderer Stelle - Vorsprachedaten des Klägers für diesen Zeitraum angibt. Auch die Ermittlungen des Senats haben keinerlei aktuelle medizinische Unterlagen ergeben, die über eine Wiedergabe der Angaben des Klägers hinausgegangen wären. Dass auf die vorliegenden Unterlagen und Angaben kein Aktenlagegutachten ärztlicherseits gestützt werden kann, hat zudem Dr. B. zweimal mit eindeutiger Begründung dargelegt. Medizinaldirektor H. hat darauf hingewiesen, dass selbst der aktuell vorliegende Befundbericht der Dr. C., der auf 5 Gesprächskontakten mit dem Kläger im fraglichen Zeitraum beruhte, nicht ausreiche, den Schweregrad und die Beeinflussbarkeit der Schmerzerkrankung des Klägers genauer einzuschätzen.

Damit ergibt sich für den Senat, dass die von der Beklagten vorgesehene gutachterliche Untersuchung erforderlich war und auch weiterhin erforderlich ist, so dass eine Mitwirkungspflicht des Klägers nach § 62 SGB I bestand und besteht.

Eine unmittelbare Weiterbewilligung der Rente auf Grund der schon bekannten Fakten ist damit der Beklagten nicht möglich gewesen.

Der Kläger hat zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für eine berechtigte Einschränkung seiner Mitwirkung nicht hinreichend belegt. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass der Kläger sich gehindert sieht, die Nachweise für das Vorliegen einer Ausnahme gemäß § 65 SGB I zu erbringen, da er ja mangels der Möglichkeit zum Arztkontakt gerade nicht ärztliche Nachweise beibringen könne. Warum ein Nachweispflichtiger den erforderlichen Nachweis nicht erbringt, ist allgemein unbeachtlich und kann allenfalls im Rahmen der von der Beklagten vorzunehmenden Ermessensausübung miteinbezogen werden.

Damit sind die Voraussetzungen für die in § 66 SGB I geregelten Folgen fehlender Mitwirkung zu bejahen: Nach dieser Vorschrift darf ein Sozialleistungsträger - ohne weitere Ermittlungen - die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung versagen.

Die Versagung nach § 66 SGB I stellt - wegen der Möglichkeit der Nachholung der Mitwirkung - auch das für den Kläger weniger einschneidende Vorgehen als die endgültige Ablehnung des Weitergewährungsantrags wegen fehlenden Nachweises der Erwerbsminderung in rentenberechtigendem Umfang dar. Hinsichtlich der vom Kläger beschriebenen Beweisnot ist auch bedeutsam, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt durch andere - nicht untersuchungsabhängige - Sozialleistungen decken kann, so dass für ihn eine zu Unrecht erfolgte Rentenversagung weniger gravierend wäre als für die Versichertengemeinschaft eine womöglich über lange Jahre zu Unrecht zu erbringende Rentenzahlung. Auch wenn die Beklagte bei ihrer Ermessensausübung nicht soweit gegriffen hat, sieht der Senat keinen bedeutsamen Mangel oder Fehlgebrauch des Ermessens durch die Beklagte.

Aus Sicht des Senats scheitert die von der Beklagten vorgenommene Leistungsversagung nach § 66 SGB I auch nicht an § 66 Abs. 3 SGB I. Dort ist geregelt, dass Sozialleistungen wegen fehlender Mitwirkung nur versagt werden dürfen, nachdem der Leistungsberechtigte - hier der Kläger - auf diese Folge schriftlich hingewiesen worden ist und seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten angemessenen Frist nachgekommen ist. Im Fall des Klägers ist es nach dem Akteninhalt anzunehmen, dass dem Kläger mit der Ladung zur Untersuchung routinemäßig ein derartiger schriftlicher Hinweis auf die Folgen fehlender Mitwirkung gegeben worden ist; ein weiterer schriftlicher Hinweis ist im Verlauf des Widerspruchsverfahrens belegt. Eine konkrete Androhung mit Fristsetzung scheint dagegen nicht erfolgt zu sein. Ein schriftlicher Hinweis enthält vor allem eine Appellfunktion, damit der Betroffene die mangelhafte Mitwirkung in Ansehung der möglichen Rechtsfolge reflektiert (Sichert in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB, Stand November 2011, § 66 SGB I, Rn. 19). Einer erkennbaren Zweckverfehlung des Hinweises entsprechend entfalle die Pflicht zum Hinweis ausnahmsweise, wenn der Leistungsträger aufgrund eindeutigen Verhaltens des Betroffenen davon ausgehen durfte, dass sich dieser der Folgen seiner Pflichtverletzung konkret bewusst sei und durch den Hinweis definitiv nicht zur Mitwirkung angehalten werden könne (Sichert a.a.O.; so auch Seewald in: Kasseler Kommentar, Stand Dezember 2010, § 66 SGB I, Rn. 13 unter Berufung auf das Urteil des BSG vom 31.01.1979, Az. 11 BA 129/78). Einen derartigen Fall sah der Senat im Fall des Klägers gegeben. Bereits aufgrund der mehrfachen telefonischen Kontakte hatte der Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er sich auf keinen Fall ärztlich untersuchen lassen werde. Auch soweit sich anfänglich noch eine relativierende Position andeutet, hat die Beklagte durch ein konkretes Untersuchungsangebot, dem mit der Ladung dazu verbundenen Hinweis, dass ohne Untersuchung keine Leistungsgewährung möglich sei, und den allgemeinen Hinweisen auf Mitwirkungspflichten und mögliche Folgen der Nichtmitwirkung nach Auffassung des Senats den förmlichen Anforderungen in diesem Einzelfall hinreichend Genüge getan.

Hinzu kommt, dass der Kläger auch im Nachgang zum Verwaltungsverfahren, nämlich gegenüber dem erstinstanzlichen Gericht und dem Senat nach eindringlicher richterlicher Darlegung seiner Mitwirkungspflichten und des vom Kläger erwarteten Mitwirkungsumfang, weiterhin geäußert hat, dass er generell unter keinen Umständen für eine ärztliche Untersuchung mehr zur Verfügung stehe. Insofern wäre, falls man hinsichtlich der Einhaltung von Formvorschriften durch die Beklagte zu einem anderen Ergebnis als der Senat kommen würde, eine Verurteilung der Beklagten zu einer neuerlichen Entscheidung erwartbar ohne für den Kläger positives Ergebnis, da dann die Beklagte - wie dargestellt zu Recht - erneut die Mitwirkung des Klägers einfordern würde und dann bei Unterlassen der nach der anderen Ansicht zu monierenden Formfehler zu Recht erneut ein Versagungsbescheid nach § 66 SGB I ergehen würde.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten und die hierzu ergangene erstinstanzliche Entscheidung sind somit im Ergebnis insgesamt nicht zu beanstanden und die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

(1) Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden bei Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen neben dem Regelbedarf nach Maßgabe der Absätze 2 bis 7 gesondert berücksichtigt. Bedarfe für Bildung werden nur bei Personen berücksichtigt, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, eine allgemein- oder berufsbildende Schule besuchen und keine Ausbildungsvergütung erhalten (Schülerinnen und Schüler).

(2) Bei Schülerinnen und Schülern werden die tatsächlichen Aufwendungen anerkannt für

1.
Schulausflüge und
2.
mehrtägige Klassenfahrten im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen.
Für Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird, gilt Satz 1 entsprechend.

(3) Für die Ausstattung von Schülerinnen und Schülern mit persönlichem Schulbedarf ist § 34 Absatz 3 und 3a des Zwölften Buches mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass der nach § 34 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 3a des Zwölften Buches anzuerkennende Bedarf für das erste Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. August und für das zweite Schulhalbjahr regelmäßig zum 1. Februar zu berücksichtigen ist.

(4) Bei Schülerinnen und Schülern, die für den Besuch der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsgangs auf Schülerbeförderung angewiesen sind, werden die dafür erforderlichen tatsächlichen Aufwendungen berücksichtigt, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden. Als nächstgelegene Schule des gewählten Bildungsgangs gilt auch eine Schule, die aufgrund ihres Profils gewählt wurde, soweit aus diesem Profil eine besondere inhaltliche oder organisatorische Ausgestaltung des Unterrichts folgt; dies sind insbesondere Schulen mit naturwissenschaftlichem, musischem, sportlichem oder sprachlichem Profil sowie bilinguale Schulen, und Schulen mit ganztägiger Ausrichtung.

(5) Bei Schülerinnen und Schülern wird eine schulische Angebote ergänzende angemessene Lernförderung berücksichtigt, soweit diese geeignet und zusätzlich erforderlich ist, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Auf eine bestehende Versetzungsgefährdung kommt es dabei nicht an.

(6) Bei Teilnahme an einer gemeinschaftlichen Mittagsverpflegung werden die entstehenden Aufwendungen berücksichtigt für

1.
Schülerinnen und Schüler und
2.
Kinder, die eine Tageseinrichtung besuchen oder für die Kindertagespflege geleistet wird.
Für Schülerinnen und Schüler gilt dies unter der Voraussetzung, dass die Mittagsverpflegung in schulischer Verantwortung angeboten wird oder durch einen Kooperationsvertrag zwischen Schule und Tageseinrichtung vereinbart ist. In den Fällen des Satzes 2 ist für die Ermittlung des monatlichen Bedarfs die Anzahl der Schultage in dem Land zugrunde zu legen, in dem der Schulbesuch stattfindet.

(7) Für die Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft werden pauschal 15 Euro monatlich berücksichtigt, sofern bei Leistungsberechtigten, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, tatsächliche Aufwendungen entstehen im Zusammenhang mit der Teilnahme an

1.
Aktivitäten in den Bereichen Sport, Spiel, Kultur und Geselligkeit,
2.
Unterricht in künstlerischen Fächern (zum Beispiel Musikunterricht) und vergleichbare angeleitete Aktivitäten der kulturellen Bildung und
3.
Freizeiten.
Neben der Berücksichtigung von Bedarfen nach Satz 1 können auch weitere tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden, wenn sie im Zusammenhang mit der Teilnahme an Aktivitäten nach Satz 1 Nummer 1 bis 3 entstehen und es den Leistungsberechtigten im Einzelfall nicht zugemutet werden kann, diese aus den Leistungen nach Satz 1 und aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

Geht die leistungsberechtigte Person durch Zahlung an Anbieter in Vorleistung, ist der kommunale Träger zur Übernahme der berücksichtigungsfähigen Aufwendungen verpflichtet, soweit

1.
unbeschadet des Satzes 2 die Voraussetzungen einer Leistungsgewährung zur Deckung der Bedarfe im Zeitpunkt der Selbsthilfe nach § 28 Absatz 2 und 5 bis 7 vorlagen und
2.
zum Zeitpunkt der Selbsthilfe der Zweck der Leistung durch Erbringung als Sach- oder Dienstleistung ohne eigenes Verschulden nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen war.
War es dem Leistungsberechtigten nicht möglich, rechtzeitig einen Antrag zu stellen, gilt dieser als zum Zeitpunkt der Selbstvornahme gestellt.

(1) Die Nichtzulassung der Berufung durch das Sozialgericht kann durch Beschwerde angefochten werden. Die Beschwerde ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten einzulegen.

(2) Die Beschwerde soll das angefochtene Urteil bezeichnen und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(3) Die Einlegung der Beschwerde hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(4) Das Landessozialgericht entscheidet durch Beschluss. Die Zulassung der Berufung bedarf keiner Begründung. Der Ablehnung der Beschwerde soll eine kurze Begründung beigefügt werden. Mit der Ablehnung der Beschwerde wird das Urteil rechtskräftig.

(5) Läßt das Landessozialgericht die Berufung zu, wird das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung durch den Beschwerdeführer bedarf es nicht. Darauf ist in dem Beschluß hinzuweisen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.