Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 25. Aug. 2015 - L 11 AS 560/15 B PKH

25.08.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 20.07.2015 wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I. Streitig ist der Eintritt einer Minderung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (-SGB II-) und die Aufhebung der Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.08.2015.

Dem 1970 geborenen, alleinstehenden Beschwerdeführer bewilligte der Beschwerdegegner mit Bescheid vom 02.04.2015 Alg II für die Zeit bis 31.08.2015. Bereits mit Bescheiden vom 15.01.2015 und 17.02.2015 hatte der Beschwerdegegner den Eintritt einer Sanktion bzw. den vollständigen Wegfall des Alg II festgestellt. Auf den am 04.03.2015 unterbreiteten, mit Rechtsfolgenbelehrung versehenen Vermittlungsvorschlag (Tätigkeit bei der Firma T. Zeitarbeit GmbH) bewarb sich der Beschwerdeführer erst nach dem Erhalt der Anhörung am 19.05.2015 wegen Nichtbewerbung mit Schreiben vom 25.05.2015, worin er ausführte, die Stelle entspreche nicht ganz seinen Fähigkeiten und Kenntnissen und er sei im Moment aus gesundheitlichen Gründen nicht belastbar, zur Nachtarbeit könne er nur bedingt eingesetzt werden.

Mit Bescheid vom 22.06.2015 stellte der Beschwerdegegner den vollständigen Wegfall des Alg II für die Zeit vom 01.7.2015 bis 30.09.2015 fest und hob die Bewilligung von Alg II für die Zeit vom 01.07.2015 bis 31.08.2015 auf. Sachleistungen seien mangels Antrages nicht zu gewähren. Ein Antrag könne aber noch gestellt werden.

Dagegen legte der Beschwerdeführer Widerspruch ein. Er habe sich beworben, habe aber noch keinen Vorstellungstermin bekommen. Zur Zumutbarkeit verweise er auf ein Attest der Fachärztin für Physikalische und Rehabilitative Medizin Dr. K. vom 04.08.2011, laut dem Tätigkeiten mit Heben und Tragen von schweren Lasten, wirbelsäulenbelastende Zwangshaltungen sowie Überkopfarbeiten nicht zumutbar seien. Den Widerspruch wies der Beschwerdegegner mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2015 zurück. Dagegen hat der Beschwerdeführer Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben (S 10 AS 378/15).

Dem Beschwerdeführer sind am 01.07.2015 und 04.08.2015 Lebensmittelgutscheine i. H. v. je 196 € ausgestellt worden.

Am 10.07.2015 hat der Beschwerdeführer Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruches gegen den Bescheid vom 22.06.2015 zum SG gestellt. Der Sanktionsbescheid sei rechtswidrig, denn der Beschwerdegegner habe es unterlassen, Sachleistungen zu bewilligen, obwohl der Ermessensspielraum des Beschwerdegegners diesbezüglich auf 0 reduziert sei. Zudem hat er am 20.07.2015 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt.

Das SG hat mit Beschluss vom 16.07.2015 (zugestellt am 21.07.2015) den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Der Vermittlungsvorschlag sei mit einer zutreffenden Rechtsfolgenbelehrung versehen gewesen. Der Beschwerdeführer habe sich nicht rechtzeitig und dann für den Arbeitgeber in abschreckender Weise beworben. Das vorgelegte Attest sei vier Jahre alt und die Notwendigkeit eines schweren Hebens und Tragens sei dem Vermittlungsvorschlag nicht zu entnehmen gewesen. Sachleistungen seien auf Antrag zu erbringen und stünden im Ermessen des Beschwerdegegners. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid sei aufgehoben worden. Mit Beschluss vom 20.07.2015 hast es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt. Im Übrigen sei der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfen erst nach Beendigung des zugrunde liegenden Verfahrens gestellt worden.

Auch gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hat der Beschwerdeführer Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben und zudem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Aus dem Vermittlungsvorschlag seien die Rechtsfolgen hinsichtlich einer Nicht- bzw. einer verspäteten Bewerbung nicht zu entnehmen. Im Übrigen dürfe die Erbringung von Sachleistungen nicht von einem Antrag abhängig gemacht werden. Eine Ermessensentscheidung habe der Antragsgegner hinsichtlich der Erbringung von Sachleistungen nicht zu treffen. Zudem werde auf dem Vorlagebeschluss des Sozialgerichts Gotha vom 26.05.2015 - S 15 AS 5157/14 - verwiesen. Der Senat hat über die Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.07.2015 am 25.08.2015 entschieden (L 11 AS 558/15B ER).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte des Beschwerdegegners sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II. Die zulässige Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz SGG-) ist nicht begründet.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i. V. m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Aus verfassungsrechtlichen Gründen dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussicht nicht überspannt werden. Es reicht für die Prüfung der Erfolgsaussicht aus, dass der Erfolg eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.02.1998 - B 13 RJ 83/97 R (Rn.26) - SozR 3-1500 § 62 Nr.19). Diese gewisse Wahrscheinlichkeit ist in aller Regel dann anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Beteiligten aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorgelegten Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit des Obsiegens des Prozesskostenhilfebeantragenden ebenso wahrscheinlich ist wie sein Unterliegen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. § 73a Rn.7). Schwierige, bislang ungeklärte Rechts- und Tatfragen sind nicht im Prozesskostenhilfeverfahren zu entscheiden, sondern müssen auch von Unbemittelten einer prozessualen Klärung zugeführt werden können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 - NJW 1994, 241f). Prozesskostenhilfe muss jedoch nicht schon dann gewährt werden, wenn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht in dem genannten Sinne als „schwierig“ erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13.03.1990 - 2 BvR 94/88 (Rn. 29) - BVerfGE 81, 347ff). Ist dies dagegen nicht der Fall und steht eine höchstrichterliche Klärung noch aus, so ist es mit dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit nicht zu vereinbaren, der unbemittelten Partei wegen der fehlenden Erfolgsaussichten ihres Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.02.2008 - 1 BvR 1807/07 - NJW 2008, 1060ff).

Vorliegend bestehen keine solchen hinreichenden Erfolgsaussichten. Das SG hat die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches bzw. der Klage gegen den Bescheid vom 22.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2015 zu Recht abgelehnt. Diesbezüglich wird auf die Ausführungen des SG gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG und des Senates im Beschluss vom heutigen Tag (L 11 AS 558/15B ER) Bezug genommen.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Prozesskostenhilfe für das Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nicht zu bewilligen (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 73a Rdnr. 2b).

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei und ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 25. Aug. 2015 - L 11 AS 560/15 B PKH

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 25. Aug. 2015 - L 11 AS 560/15 B PKH

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 25. Aug. 2015 - L 11 AS 560/15 B PKH zitiert 8 §§.

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 142


(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend. (2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen

Referenzen

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.

(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.