Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Juni 2017 - L 11 AS 358/17

bei uns veröffentlicht am19.06.2017

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Wiederaufnahmeklage vom 25.04.2017 bezüglich des Rechtsstreits L 11 AS 79/16 wird verworfen.

II. Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit L 11 AS 79/16 durch gerichtlichen Vergleich am 04.04.2016 beendet worden ist.

III. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob der Rechtsstreit L 11 AS 79/16 durch Vergleich beendet worden ist.

Einen vom Senat mit Schreiben vom 01.04.2016 unterbreiteten Vergleichsvorschlag hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 01.04.2016 und der von einem Bevollmächtigten vertretene Kläger mit Schriftsatz vom 04.04.2016 angenommen. Hiernach ist der Rechtsstreit in vollem Umfang durch die Beteiligten für erledigt erklärt worden (Punkt 4 des Vergleiches).

Am 25.04.2017 hat der Kläger die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrt. Die Klage im ersten Verfahren sei "unter Zwang und Drohung von Sanktionen erlangt".

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Verfahren L 11 AS 79/16 wieder aufzunehmen bzw. fortzusetzen.

Der Beklagte hat keine Stellungnahme abgegeben.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Akte des Beklagten sowie die Gerichtsakten aus den Verfahren L 11 AS 79/16, S 17 AS 592/13 und S 16 SV 32/17 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage auf Wideraufnahme des Verfahrens L 11 AS 79/16 ist als unzulässig zu verwerfen. Der Senat kann hierüber durch Beschluss entscheiden, denn die Wiederaufnahme ist nicht statthaft bzw. unzulässig (§ 158 S. 1 u. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG- analog; vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 158 Rn. 6a). Die Beteiligten sind hierzu angehört worden.

Das Verfahren L 11 AS 79/16 ist auch nicht fortzusetzen. Der Senat kann hierüber ebenfalls durch Beschluss entscheiden, denn er hält einstimmig den Rechtsstreit durch Abschluss eines vom Senat unterbreiteten Vergleiches für beendet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für notwendig (§ 153 Abs. 4 SGG; vgl. Keller a.a.O., § 153 Rn. 14 m.w.N.). Auch hierzu sind die Beteiligten gehört worden.

Eine Wiederaufnahme ist vorliegend unzulässig. Nach § 179 Abs. 1 SGG kann ein rechtskräftig beendetes Verfahren entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozessordnung (ZPO) wieder aufgenommen werden. Unabhängig davon, dass kein Wiederaufnahmegrund im Sinne von §§ 579, 580 ZPO oder § 179 Abs. 2 SGG vorliegt, ist eine Wiederaufnahmeklage nur bei rechtskräftigen Endurteilen, Gerichtsbescheiden oder instanzabschließenden Beschlüssen, nicht aber im Falle eines Vergleiches anwendbar (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt a.a.O., § 179 Rn. 3b). Im Berufungsverfahren L 11 AS 79/16 erging kein Urteil. Dieses endete durch Vergleichsabschluss. Hiernach haben beide Beteiligte das Verfahren in vollem Umfang für erledigt erklärt.

Der Rechtsstreit ist auch nicht aus anderen Gründen fortzusetzen. Einem solchen Begehren, das der Senat durch Auslegung ermittelt hat (vgl. Keller a.a.O., § 123 Rn. 3), kann jedenfalls nicht entsprochen werden. Der von den Beteiligten im Verfahren L 11 AS 79/16 auf Vorschlag des Senates geschlossene Vergleich ist wirksam. Ein Widerruf war nicht vorgesehen. Er ist auch nicht nichtig oder wirksam angefochten worden. Der als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt entspricht der Wirklichkeit, die Sachlage war bekannt (vgl. § 779 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB-). Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit - etwa nach den Bestimmungen der §§ 116 ff. BGB oder eine Unwirksamkeit nach § 779 Abs. 1 BGB - liegen nicht vor. Der Kläger war im Verfahren L 11 AS 79/16 von einem Bevollmächtigten vertreten und hat den unterbreiteten gerichtlichen Vergleichsvorschlag schriftlich angenommen sowie den Rechtsstreit in vollem Umfang für erledigt erklärt. Gründe für eine Anfechtung führt der Kläger nicht an; Zwang und Drohung nennt er lediglich im Zusammenhang mit dem erstinstanzlichen Verfahren. Er führt vielmehr aus, dass das Verfahren durch seinen Bevollmächtigten erfolgreich zu Ende geführt worden sei, womit er nur den Vergleich meinen kann. Unabhängig davon ist die Jahresfrist für eine Anfechtung (§ 124 BGB) nicht eingehalten worden. Der Vergleich ist am 04.04.2016 abgeschlossen worden, die Anfechtung ist erst am 25.04.2017 erfolgt.

Damit ist das Verfahren L 11 AS 79/16 durch Vergleich beendet worden und nicht fortzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 u. 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Juni 2017 - L 11 AS 358/17 zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

Zivilprozessordnung - ZPO | § 580 Restitutionsklage


Die Restitutionsklage findet statt:1.wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;2.wenn eine Urkunde, auf die das Urteil

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 779 Begriff des Vergleichs, Irrtum über die Vergleichsgrundlage


(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sach

Zivilprozessordnung - ZPO | § 579 Nichtigkeitsklage


(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:1.wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;2.wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht diese

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 124 Anfechtungsfrist


(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen. (2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im F

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 179


(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung wieder aufgenommen werden. (2) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich ver

Referenzen

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung wieder aufgenommen werden.

(2) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.

(3) Auf Antrag kann das Gericht anordnen, daß die gewährten Leistungen zurückzuerstatten sind.

(1) Die Nichtigkeitsklage findet statt:

1.
wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war;
2.
wenn ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen war, sofern nicht dieses Hindernis mittels eines Ablehnungsgesuchs oder eines Rechtsmittels ohne Erfolg geltend gemacht ist;
3.
wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war;
4.
wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.

(2) In den Fällen der Nummern 1, 3 findet die Klage nicht statt, wenn die Nichtigkeit mittels eines Rechtsmittels geltend gemacht werden konnte.

Die Restitutionsklage findet statt:

1.
wenn der Gegner durch Beeidigung einer Aussage, auf die das Urteil gegründet ist, sich einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht schuldig gemacht hat;
2.
wenn eine Urkunde, auf die das Urteil gegründet ist, fälschlich angefertigt oder verfälscht war;
3.
wenn bei einem Zeugnis oder Gutachten, auf welches das Urteil gegründet ist, der Zeuge oder Sachverständige sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht hat;
4.
wenn das Urteil von dem Vertreter der Partei oder von dem Gegner oder dessen Vertreter durch eine in Beziehung auf den Rechtsstreit verübte Straftat erwirkt ist;
5.
wenn ein Richter bei dem Urteil mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf den Rechtsstreit einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten gegen die Partei schuldig gemacht hat;
6.
wenn das Urteil eines ordentlichen Gerichts, eines früheren Sondergerichts oder eines Verwaltungsgerichts, auf welches das Urteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist;
7.
wenn die Partei
a)
ein in derselben Sache erlassenes, früher rechtskräftig gewordenes Urteil oder
b)
eine andere Urkunde auffindet oder zu benutzen in den Stand gesetzt wird, die eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde;
8.
wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte eine Verletzung der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten oder ihrer Protokolle festgestellt hat und das Urteil auf dieser Verletzung beruht.

(1) Ein rechtskräftig beendetes Verfahren kann entsprechend den Vorschriften des Vierten Buches der Zivilprozeßordnung wieder aufgenommen werden.

(2) Die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ferner zulässig, wenn ein Beteiligter strafgerichtlich verurteilt worden ist, weil er Tatsachen, die für die Entscheidung der Streitsache von wesentlicher Bedeutung waren, wissentlich falsch behauptet oder vorsätzlich verschwiegen hat.

(3) Auf Antrag kann das Gericht anordnen, daß die gewährten Leistungen zurückzuerstatten sind.

(1) Ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (Vergleich), ist unwirksam, wenn der nach dem Inhalt des Vertrags als feststehend zugrunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspricht und der Streit oder die Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden sein würde.

(2) Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist.

(1) Die Anfechtung einer nach § 123 anfechtbaren Willenserklärung kann nur binnen Jahresfrist erfolgen.

(2) Die Frist beginnt im Falle der arglistigen Täuschung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Anfechtungsberechtigte die Täuschung entdeckt, im Falle der Drohung mit dem Zeitpunkt, in welchem die Zwangslage aufhört. Auf den Lauf der Frist finden die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 206, 210 und 211 entsprechende Anwendung.

(3) Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn seit der Abgabe der Willenserklärung zehn Jahre verstrichen sind.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.