Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB

bei uns veröffentlicht am11.04.2018

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 31.01.2018 - S 10 AS 445/16 - wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Streitig ist die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung durch den Beklagten im Rahmen der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.11.2015 bis 31.10.2016.

Auf Antrag hin bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 27.10.2015 und 29.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.12.2016 Alg II unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 109,16 € monatlich.

Mit Bescheid vom 22.02.2016 zuletzt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2016 änderte der Beklagte diese Bewilligung ab, wobei er u.a. die Übernahme einer höheren Kaltmiete als 109,16 € monatlich - der Kläger hatte 150,00 € monatlich gefordert - ablehnte.

Mit der dagegen zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhobenen Klage hat der Kläger die Übernahme von Unterkunftskosten von 150,00 € - zumindest aber 141,91 € - monatlich geltend gemacht. Auf eine Stellungnahme des Beklagten hin hat der Kläger mit Schreiben vom 25.01.2018 - Eingang beim SG am 26.01.2018 - und vom 29.01.2018 geantwortet, die Übernahme der Reisekosten zur mündlichen Verhandlung gefordert und am 29.01.2018 einen Antrag auf Verlegung des Termins vom 31.01.2018 begehrt, da er dem Gericht viele Schreiben und Dokumente am 26.01.2018 habe zukommen lassen, die erst geprüft werden müssten. In der mündlichen Verhandlung am 31.01.2018 ist niemand erschienen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 31.01.2018 abgewiesen. Es handle sich um ein Überprüfungsverfahren gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Der Kläger sei jedoch keiner ernsthaften höheren Mietforderung seiner Schwester als 109,16 € monatlich ausgesetzt. Die Angaben des Klägers - die Schwester als Vermieterin habe von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht - ließen das Gericht nicht zu der Überzeugung kommen, dass der Kläger der erhöhten Mietforderung - allein um diese geht es - ernsthaft ausgesetzt sei. Ob es sich bei dem Mietverlangen insgesamt um ein Scheingeschäft handle, könne daher offen bleiben. Die Berufung hat das SG nicht zugelassen.

Dagegen hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Die Ausführungen des SG zur Begründung des Urteils seien unzutreffend. Unter anderem sei es eine nicht bewiesene Unterstellung, dass die Erhöhung der Miete nicht ernst gemeint gewesen sei. Er habe das SG auch darauf hingewiesen, dass er die Nichtübernahme der Reisekosten zum Termin beim LSG monieren werde, wenn das SG diese nicht übernehme. Darauf habe das SG nicht reagiert, vielmehr das Urteil lediglich auf den Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 gestützt, so dass die Besorgnis der Befangenheit bezüglich des erstinstanzlichen Richters bestehe.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die fristgerecht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist gemäß § 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, sachlich aber nicht begründet. Es gibt keinen Grund, die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes ausgeschlossene Berufung zuzulassen. Der Beschwerdewert wird nicht erreicht. Auch sind nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Nachdem im vorliegenden Verfahren allein streitig die Mieterhöhung um höchstens 40,86 € für die Zeit vom 01.11.2015 bis 31.10.2016 ist, wird der Wert des Beschwerdegegenstandes von 750,00 € nicht überstiegen.

Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache oder ein Abweichen des SG von der obergerichtlichen Rechtsprechung ist für den Senat nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht.

Vielmehr führt er - seine weiteren Ausführungen haben für die Zulassung der Berufung keine Bedeutung - aus, es bestehe gegen den erstinstanzlichen Richter wegen der Unterlassung der Anordnung des persönlichen Erscheinens und der damit abgelehnten Übernahme der Reisekosten die Besorgnis der Befangenheit, zumal dieser sich dann lediglich auf die Ausführungen des Beklagten im Schriftsatz vom 22.01.2018 gestützt habe. Ein Ablehnungsgesuch gegen den erstinstanzlichen Richter kann jedoch nur bis zur Beendigung der Instanz gestellt werden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 60 Rn. 11). Hatte der Beteiligte in der Vorinstanz kein Gesuch gestellt, weil er von dem Ablehnungsgrund erst nach Schluss der Instanz erfahren hatte, kann er die Nichtzulassungsbeschwerde oder Revision nicht auf das Vorliegen eines Ablehnungsgrundes stützen (vgl. Keller aaO Rn. 14b). Im übrigen hat das SG sich gerade nicht inhaltlich auf den Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 gestützt, vielmehr tatsächlich sein Urteil anderweitig begründet.

Sein weiteres Vorbringen, das SG hätte die Reisekosten zum Termin übernehmen müssen, kann als Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG) interpretiert werden. Dieser Verfahrensmangel wird aber vom Kläger nicht in der erforderlichen Form geltend gemacht. Hierzu muss er die Tatsachen, die den Mangel ergeben, genau angeben und aus den vorgetragenen Tatsachen muss sich schlüssig ergeben, welcher Mangel gerügt werden soll und sinngemäß auch, welche Verfahrensvorschrift als verletzt angesehen wird (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer/Schmidt aaO § 144 Rn. 36). Unabhängig davon, dass der Kläger die verletzte Verfahrensvorschrift nicht angibt, führt er lediglich aus, er habe ausdrücklich die fehlende Übernahme der Reisekosten beim SG moniert, um die Möglichkeit zu erhalten, zum Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 Stellung zu nehmen. Diese Ausführungen sind aber insoweit nicht schlüssig, als er mit Schriftsatz vom 25.01.2018 und auch noch mit Schriftsatz vom 29.01.2018 zum Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 tatsächlich Stellung genommen hat. Damit aber hat er den Verfahrensfehler nicht nur nicht schlüssig geltend gemacht, sondern auch tatsächlich rechtliches Gehör erhalten und sich dieses mit seinem Schreiben vom 25.01.2018 und 29.01.2018 auch verschafft, so dass der - vermeintlich gerügte - Verfahrensfehler auch tatsächlich nicht vorliegt.

Die Nichtentscheidung des SG über sein Begehren nach einer Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung, das auch tatsächlich jeglicher sinnvollen Begründung entbehrt, hat der Kläger hingegen im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht gerügt.

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB

Referenzen - Gesetze

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB zitiert 10 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 144


(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hier

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 177


Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialger

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 44 Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes


(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 62


Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 11. Apr. 2018 - L 11 AS 221/18 NZB zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Sozialgericht Würzburg Urteil, 31. Jan. 2018 - S 10 AS 445/16

bei uns veröffentlicht am 31.01.2018

Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Tatbestand Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme vom Kläger geltend gemachter h

Referenzen

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung des Beklagten zur Übernahme vom Kläger geltend gemachter höherer Aufwendungen für seine Unterkunft im Rahmen der Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Der 1968 geborene Kläger steht beim Beklagten seit dem 01.03.2006 im Bezug von laufenden Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

Der Kläger wohnt im Haus seines Vaters. Das Haus ist seit dem 29.04.1992 an die Schwester des Klägers verpachtet. Das Rechtsverhältnis, auf Grund dessen der Kläger (neben seinem Vater) in dem Anwesen wohnen darf, beruht auf mündlichen Absprachen zwischen dem Kläger und seiner Schwester.

Der Beklagte bewilligte dem Kläger auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 15.10.2015 hin mit Bescheid vom 27.10.2015 laufende Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 in Höhe von monatlich jeweils 529,09 EUR (November 2015) bzw. 517,34 EUR (ab Dezember 2015). Als angemessene Kosten der Unterkunft erkannte der Beklagte dabei hinsichtlich des Monats November 2015 einen Betrag von 109,16 EUR für die Grundmiete (wie auch in der jüngeren Vergangenheit) und von 11,75 EUR für Nebenkosten an. Für die Zeit ab Dezember 2015 verblieb es dagegen allein bei der Anerkennung der Grundmiete von 109,16 EUR.

In einem Schreiben vom 18.11.2015 beantragte der Kläger eine Erhöhung des „Mietzuschusses“ von 109,16 EUR auf einen Pauschalbetrag von 150,- EUR und berief sich hierfür auf eine umfangreiche Haftpflichtversicherung, welche seine Schwester im August abgeschlossen habe.

Durch Änderungsbescheid vom 29.11.2015 erhöhte der Beklagte die bislang bewilligten Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.10.2016 wegen der jährlichen Regelbedarfsanpassung auf nunmehr monatlich 522,45 EUR.

Mit Widerspruch vom 15.12.2015, eingegangen am 17.12.2015, wandte sich der Kläger mit der Rüge einer fehlenden Berücksichtigung verschiedener Nebenkosten gegen den Änderungsbescheid vom 29.11.2015. Der Widerspruch wurde später mit Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016 als unbegründet zurückgewiesen. Der Begründung des Widerspruchsbescheides ist eine Passage angefügt, wonach der Kläger nach Auskunft des Sachbearbeiters am 19.02.2016 die letzten Unterlagen zu den Nebenkosten vorlegen wollen würde. Danach werde ein Bescheid ergehen, der die Nebenkosten beinhalte. Der Widerspruchsbescheid wurde im Anschluss nicht mehr angefochten.

Am 22.02.2016 erließ der Beklagte den vorliegend streitgegenständlichen Änderungsbescheid, mit welchem er für die Monate November 2015 (546,68 EUR), Februar 2016 (565,79 EUR), Mai 2016 (548,20 EUR) und August 2016 (548,20 EUR) nunmehr jeweils höhere Leistungen auf Grund der Anerkennung bestimmter Nebenkosten gewährte. Zugleich erklärte der Beklagte, dass die beantragte Erhöhung der Kaltmiete abgelehnt werde. Für die vom Kläger bewohnten Räume werde ihm bereits eine entsprechend den Richtwerten des Landkreises Haßberge für einen 1-Personen-Haushalt angemessene Kaltmiete anerkannt, obwohl es sich nicht um eine eigene abgeschlossene Wohnung handeln würde.

Der Kläger wandte sich hiergegen mit Widerspruch vom 07.03.2016, eingegangen am 10.03.2016, und bemängelte zum einen die fehlende Nichtberücksichtigung einer höheren Grundmiete und zum anderen die Nichtberücksichtigung bestimmter weiterer Nebenkosten. Mit Schreiben vom 07.04.2016 erläuterte der Kläger dann noch weitere Einzelheiten zu seiner Unterkunft in Zusammenhang mit dem Pachtverhältnis der Schwester.

Der Beklagte wies den Widerspruch vom 07.03.2016 mit Widerspruchsbescheid vom 14.06.2016 unter Verweis auf § 96 SGG als unzulässig zurück. Der Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016 sei nachweislich der Postzustellungsurkunde am 23.02.2016 zugestellt worden und betreffe den Bewilligungszeitraum 01.11.2015 bis 31.10.2016. Am 22.02.2016 sei ein Änderungsbescheid erstellt worden, der denselben Bewilligungszeitraum betreffe. Da dieser mit einfachem Brief versendet worden sei, sei von der Dreitagesfiktion auszugehen. Demnach sei der Änderungsbescheid am 25.02.2016 zugegangen. Damit sei der Änderungsbescheid nach Erlass des Widerspruchsbescheides ergangen und habe diesen verändert bzw. ersetzt. Dementsprechend sei der Änderungsbescheid vom 22.02.2016 Gegenstand des Klageverfahrens.

Das vom Beklagten angesprochene Klageverfahren (gegen den Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016) wurde jedoch zu keinem Zeitpunkt eingeleitet.

Stattdessen erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 22.06.2016 die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2016 und erließ stattdessen unter dem 13.09.2016 einen neuen Widerspruchsbescheid, mit welchem der Widerspruch vom 07.03.2016 nunmehr als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die vom Kläger verlangte Miete ab dem 01.11.2015 sei aus zivilrechtlicher Sicht unzulässig. Die von der Vermieterin der Wohnung des Klägers verlangte Miete übersteige die zulässige Kappungsgrenze des § 558 Abs. 3 BGB. Nach dieser Vorschrift dürfe sich die Miete innerhalb von drei Jahren nicht um mehr als 20% erhöhen. Die Kappungsgrenze nach § 558 Abs. 3 BGB solle verhindern, dass die Mietsteigerung für den Mieter innerhalb zu kurzer Zeit zu groß werde. Ausgangsmiete sei die drei Jahre vor dem Wirksamwerden des Mieterhöhungsverlangens geltende Miete, nicht die zuletzt gezahlte bzw. aktuelle Miete. Mieterhöhungen, die länger als drei Jahre zurücklägen, würden von der Ausgangsmiete nicht herausgerechnet. Für die Ermittlung der Kappungsgrenze sei die bislang bezahlte Miete von 109,16 EUR heranzuziehen. Diese Miete werde seit dem 01.07.2013 vom Beklagten gezahlt. Als Miete sei hierbei der vom Mieter bezahlte Betrag ohne Betriebskostenvorauszahlungen und Betriebskostenpauschalen anzusehen. Auf den gesamten Restbetrag der monatlich zu zahlenden Miete sei die Kappungsgrenze anzuwenden, unabhängig davon, ob es sich um eine Inklusiv-, Teilinklusiv- oder um eine Nettomiete handeln würde. Ausweislich des vorgelegten Antrages des Klägers sei als Miete für die angemieteten Räume ab 01.11.2015 ein Betrag von 150,- EUR zwischen der Vermieterin und dem Kläger vereinbart worden. Tatsächlich zahle der Kläger jedoch nur 109,16 EUR, da er den Restbetrag von 40,84 EUR nicht von seiner Regelleistung zahlen könne. Eine Mieterhöhung sei erst mit Ablauf von drei Jahren erneut möglich. Da demnach die Kappungsgrenze von der im Mietvertrag ausgewiesenen Miete in Höhe von 109,16 EUR zu berechnen sei, dürfe die Miete lediglich um 20% erhöht werden. Ein Ausschlusstatbestand im Sinne von § 558 Abs. 4 BGB sei nicht ersichtlich.

Mit der am 26.09.2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Ihm geht es nur noch um die Anerkennung einer höheren Grundmiete, nicht mehr dagegen auch um weitere Nebenkosten. In seiner Klagebegründung weist der Kläger u.a. darauf hin, dass der Beklagte zu Unrecht von einer Vereinbarung zwischen dem Kläger und seiner Schwester bezüglich der Mieterhöhung ausgehe. Es liege hier aber keine Vereinbarung vor, sondern seine Schwester fordere die 150,- EUR. Wegen immer wieder aufgetretener Verwirrungen bei der Berechnung der von ihm genutzten Räume und der gemeinsam mit seinem Vater genutzten Räume erläuterte er außerdem noch, dass er bis zum 30.06.2013 nur sein Schlafzimmer alleine genutzt habe. Da ihm dies auf Dauer ein zu kleiner Rückzugsort für sich gewesen sei, habe er ab dem 01.07.2013 ein weiteres bis dahin unbenutztes Zimmer für sich fortan alleine genutzt. Somit habe er ab dem 01.07.2013 zwei Räume mit insgesamt 28 qm für seine alleinige Benutzung. Mit seinem Vater teile er sich nach wie vor die Küche, das Wohnzimmer, das Bad und das WC.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung des Änderungsbescheides vom 22.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2016 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 01.11.2015 bis zum 31.10.2016 höhere Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung einer Grundmiete von monatlich 150,- EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält an seiner Entscheidung fest.

Am 25.07.2017 fand in der Angelegenheit ein Erörterungstermin statt. Eine zeugenschaftliche Einvernahme der Schwester des Klägers war dabei nicht möglich, weil diese von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht bereits im Vorfeld Gebrauch machte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.

1. Der Bescheid vom 22.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.09.2016, mit dem der Beklagte die Gewährung höherer Grundsicherungsleistungen abgelehnt hat, soweit es die Grundmiete angeht, ist im Ergebnis rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung einer Grundmiete von monatlich 150,- EUR statt lediglich 109,16 EUR und demnach auch keinen Anspruch auf eine entsprechende Abänderung des Ausgangsbewilligungsbescheides vom 27.10.2015 bzw. des Änderungsbescheides vom 29.11.2015.

a) Zur Klarstellung ist zunächst festzuhalten, dass in verfahrensrechtlicher Hinsicht

§ 44 SGB X zur Anwendung kommt, nachdem die Frage der Anerkennung einer höheren Grundmiete rein inhaltlich wohl bereits im Änderungsbescheid vom 29.11.2015 bzw. im Widerspruchsbescheid vom 19.02.2016 zu berücksichtigen gewesen wäre, weil die Mieterhöhung nach den diesbezüglichen erstmaligen Angaben des Klägers in seinem Schreiben vom 18.11.2015 (Bl. 757 der Verwaltungsakte) ab dem 01.01.2016 gelten soll.

b) § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Zu beachten ist, dass nach Unanfechtbarkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes die objektive Beweislast für Tatsachen, aus denen sich eine Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahme ergeben kann, bei dem Adressaten des Verwaltungsaktes liegt. Können diese Voraussetzungen nicht festgestellt werden, geht dies zu Lasten des die Überprüfung begehrenden Adressaten (Schütze, in: v. Wulffen, SGB X, 8. Aufl. (2014), § 44 Rn. 12 m.w.N.).

Die Voraussetzungen des § 44 SGB X sind vorliegend nicht erfüllt. Der Änderungsbescheid vom 29.11.2015 ist nach der im Zeitpunkt seiner Bekanntgabe gegebenen Sach- und Rechtslage nicht rechtswidrig im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Das Recht ist weder unrichtig angewandt worden noch ist von einem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtig erwiesen hätte. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Anerkennung höherer Kosten der Unterkunft wegen einer höheren Grundmiete ab dem 01.01.2016:

c) Nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.

Wie das BSG bereits entschieden hat, liegen „tatsächliche Aufwendungen“ für eine Wohnung nicht nur dann vor, wenn der Hilfebedürftige die Miete bereits gezahlt hat und nunmehr deren Erstattung verlangt. Vielmehr reicht es aus, dass der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten (ernsthaften) Mietzinsforderung ausgesetzt ist. Denn bei Nichtzahlung der Miete droht regelmäßig Kündigung und Räumung der Unterkunft (vgl. Urteil vom 07.05.2009, Az.: B 14 AS 31/07 R, Rn. 16 f.).

Für Mietverhältnisse unter nahen Angehörigen ist zu beachten, dass dabei nicht darauf abgestellt werden kann, ob der Vertrag nach Inhalt und tatsächlicher Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entspricht (sog. Fremdvergleich). Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Umstände kann allerdings der Gesichtspunkt eine Rolle spielen, dass für die Auslegung von Vereinbarungen die spätere tatsächliche Übung der Parteien, mithin der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhaltes, berücksichtigt werden kann (SG Neuruppin, Urteil vom 18.08.2010, Az.: S 26 AS 704/08, Rn. 25 mit Hinweis auf BSG, Urteil vom 07.05.2009, a.a.O., Rn. 20 sowie Urteil vom 03.03.2009, Az.: B 4 AS 37/08 R, Rn. 27).

Grundsätzlich gilt, dass bei Verträgen unter nahen Angehörigen an den Nachweis der Ernsthaftigkeit einer Mietzinsforderung als solches grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen sind (vgl. etwa Bayer. LSG, Beschluss vom 13.05.2009, Az.: L 11 AS 177/09 B PKH, Rn. 12; wohl auch Dau, in: jurisPR-SozR 14/2009, Anm. 2 unter „D. Auswirkungen für die Praxis“).

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger in der Vergangenheit bzw. Gegenwart einer ernsthaften Mietzinsforderung seiner Schwester, die über den bislang gezahlten Betrag für Grundmiete von monatlich 109,16 EUR hinausgeht, ausgesetzt war bzw. ist.

Vorab ist der Auffassung des Klägers, wonach die zwischen ihm und seiner Schwester praktizierte Zahlung von monatlich 109,16 EUR nicht auf einem Mietvertrag beruhen würde, weil dies nach den Regeln des SGB II nur bei einer abgeschlossenen Wohnung möglich sei (so sinngemäß im Schriftsatz vom 07.04.2016), zu widersprechen. Ein Mietvertrag ist auch nur hinsichtlich eines Teils einer Wohnung möglich. Dies ergibt sich etwa aus dem Gegenschluss zu § 549 Abs. 2 Nr. 2 BGB.

Die tatsächliche Durchführung oder besser Nichtdurchführung der Mieterhöhung spricht gegen die Ernsthaftigkeit der Mieterhöhungsvereinbarung bzw. des entsprechenden Verlangens.

Der Kläger hat am 08.11.2017 im Zuge der Berufungsverhandlung zu dem Az. vor dem Bayer. LSG erklärt, dass er seiner Schwester nur das für die Wohnung bezahlt habe, was er vom Beklagten für Unterkunftskosten in Bezug auf die „Miete“ bekommen habe. Seiner Auffassung nach liege kein Mietvertrag vor. Seiner Meinung nach sei ihm das auch von Herrn Sauer bestätigt worden, ebenso von Frau Dippold vom Finanzamt Ebern. Seine Schwester habe offene Beträge bezüglich der 180,- EUR nicht angemahnt. Über das, was der Beklagte geleistet habe hinaus, habe sie keine weiteren Leistungen von ihm bekommen bezüglich der sog. „Miete“.

In einem Schreiben vom Schreiben vom 23.01.2018 hat der Kläger mittlerweile auch ausdrücklich erklärt, dass ihm die restliche Kaltmiete von seiner Schwester gestundet wird.

Eine solche Handhabung legt nahe, dass eine vereinbarte Erhöhung oder ein entsprechendes Verlangen nur dann gelten soll, wenn der Beklagte darauf eingeht. Hier drängt sich die Frage auf, ob nicht ein Fall der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB vorliegt. Nach der genannten Vorschrift ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Rechtsgeschäfte, die nach Inhalt, Zweck und Beweggrund in erster Linie darauf angelegt sind, Vermögensverhältnisse zum Schaden der Sozialhilfeträger bzw. Träger der Leistungen nach dem SGB II und damit auf Kosten der Allgemeinheit zu regeln, verstoßen gegen die guten Sitten i.S. von § 138 BGB, wenn nicht besondere Rechtfertigungsgründe vorliegen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.02.2011, Az.: L 12 AS 4387/10, Rn. 14 m.w.N.; Bayer. LSG, Beschluss vom 23.08.2013, Az.: L 11 AS 479/13 NZB, Rn. 9).

Auch wenn im vorliegenden Fall noch nicht das Ausmaß einer Sittenwidrigkeit erreicht sein sollte, so liegt gleichwohl durch die völlige Nichterfüllung der durch die Mieterhöhung begründeten Mehrforderung durch den Kläger einerseits und die völlige Passivität der Schwester (jedenfalls soweit von außen erkennbar) die Vermutung nahe, dass die Mieterhöhung zumindest dauerhaft gestundet ist (alternativ hierzu stellt das LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16.02.2016, Az.: L 2 AS 242/12, Rn. 46, in einer solchen Situation unterbliebener Versuche zur Realisierung der Mietforderung auf eine fehlende Wirksamkeit der Forderung ab). Was dabei den Kläger angeht, vergisst das Gericht nicht, dass nach den weiter oben dargestellten Regeln des BSG nicht allein darauf abgestellt werden darf, dass der Kläger den Mehrbetrag an Miete nicht zahlt. Jedoch wäre bei einer nicht-dauerhaften Stundung zu erwarten, dass der Kläger, wenn schon nicht vollständig, dann doch wenigstens zu einem - und sei es auch nur kleinen - Teil die Mehrforderung aus seinem Regelbedarf bestreitet.

Gegen eine Ernsthaftigkeit der Mieterhöhung spricht auch der Umstand, dass nicht etwa die Vermieterin, sondern der Kläger als Mieter in seinem Schreiben an den Beklagten vom 07.04.2016 (Bl. 785 der Verwaltungsakte) die Zusage gegeben hat, dass bis zum Tod seines Vaters oder bis zu einem eventuellen Auszug seines Vaters in ein Pflege- oder Altersheim die Kaltmiete von 150,- EUR bestehen bleibe und nicht erhöht werde. Eine solche Zusage wäre dem Kläger als typischem Mieter nicht möglich, da nicht etwa der Mieter, sondern primär der Vermieter im Rahmen der §§ 557 ff. BGB über etwaige Mieterhöhungen entscheidet.

Eine eigene Befragung der Schwester des Klägers durch das Gericht - und damit eine mögliche Gewinnung von Angaben aus erster Hand von der Vermieterin des Klägers, die gegebenenfalls dem Eindruck einer mangelnden Ernsthaftigkeit bzw. dauerhaften Stundung der Mieterhöhung entgegenwirken könnten - war leider nicht möglich, nachdem die Schwester von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat.

Die Angaben, die von ihr im Vorfeld des Erörterungstermins am 25.07.2017 in schriftlicher Form gemacht worden sind, befassen sich jedenfalls nicht mit der Frage, inwieweit sie im streitgegenständlichen Zeitraum oder auch danach konkret vom Kläger die Zahlung der erhöhten Miete verlangt hat oder nicht bzw. welche Schritte sie zur Beitreibung der Mietrückstände bzw. zur Auflösung des Mietvertrages unternommen hat bzw. warum diese Schritte ggf. nicht unternommen worden sind bzw. bis zu welchem Zeitpunkt sie die Nichtzahlung des Mieterhöhungsbetrages hinnehmen wird. Sie äußern sich auch nicht zu den Hintergründen des Mieterhöhungsverlangens oder zu etwaigen Veränderungen des Mietverhältnisses.

Bei einer Gesamtschau der aufgezeigten Aspekte und unter Berücksichtigung der bereits weiter oben geschilderten Beweislast in Verfahren nach § 44 SGB X (was hier aber keinen Unterschied zur Beweislast in einem gewöhnlichen Bewilligungsverfahren machen würde), vermag das erkennende Gericht nicht zur Überzeugung (§ 128 Abs. 1 S. 1 SGG) zu gelangen, dass der Kläger hinsichtlich des Mieterhöhungsbetrages tatsächlich einer ernsthaften, nicht dauerhaft gestundeten Mietforderung ausgesetzt war oder ist.

d) Soweit sich der Kläger in verschiedenen Schriftsätzen kurz vor der mündlichen Verhandlung am 31.01.2018 zum Sachverhalt geäußert hat, stellt das Gericht fest, dass sich diese Äußerungen primär auf den Schriftsatz des Beklagten vom 22.01.2018 beziehen, mit welchem vom Beklagten insgesamt - also nicht nur bezüglich der Mieterhöhung - unterstellt wird, dass das zwischen dem Kläger und seiner Schwester bestehende Mietverhältnis ein Scheingeschäft i.S:d.§ 117 BGB sei. Über diese Frage brauchte das erkennende Gericht im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht zu entscheiden, nachdem in diesem Verfahren nur die Mieterhöhung streitig ist und ein Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung hierfür unabhängig von der Frage nach der Rechtswirksamkeit des Mietverhältnisses als solchem nicht zu bejahen ist (s.o.).

e) Nachdem die mangelnde Berücksichtigungsfähigkeit des Mieterhöhungsverlangens bereits auf Grund anderweitiger Umstände festzustellen ist (s.o.), kann offen bleiben, ob das Mieterhöhungsverlangen auch wegen des vom Beklagten angenommenen Verstoßes gegen die Regelungen zu Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen unwirksam ist oder nicht.

2. Aus den genannten Gründen war die Klage abzuweisen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

4. Die Berufung ist nicht bereits nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes in Anbetracht eines monatlichen Differenzbetrages zwischen anerkannter und begehrter Miete von (150,- EUR minus 109,16 EUR =) 40,84 EUR und einem streitgegenständlichen Zeitraum von 12 Monaten offenkundig weniger als 750,- EUR beträgt. Gründe für eine Zulassung nach § 144 Abs. 2 SGG bestehen nicht.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

Vor jeder Entscheidung ist den Beteiligten rechtliches Gehör zu gewähren; die Anhörung kann schriftlich oder elektronisch geschehen.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.