Arbeitsgericht München Endurteil, 30. Okt. 2015 - 13 Ca 3620/15

bei uns veröffentlicht am30.10.2015

Gericht

Arbeitsgericht München

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Der Streitwert des Verfahrens wird festgesetzt auf € 10.038,41.

Tatbestand

Die Parteien streiten nach einem zu Gunsten des Klägers beendeten Kündigungsrechtsstreit über Resturlaub aus dem Jahr 2013, der vom Kläger erstmals im Februar 2014 geltend gemacht wurde.

Der Kläger war seit 01.08.1987 bei der Konzerngesellschaft der Beklagten beschäftigt und wechselte mit Wirkung zum 01.02.2009 zur Beklagten in B-Stadt. Die durchschnittliche monatliche Vergütung des Klägers betrug zuletzt rund 7.250,- Euro brutto. Der Kläger ist außertariflicher Mitarbeiter, sein jährlicher Urlaubsanspruch beträgt 30 Arbeitstage. Bei der Beklagte existiert ein „Merkblatt über Erholungsurlaub“ vom Oktober 2012 (Bl. 77 d.A.). Darin heißt es unter „I. Geltungsbereich“:

„Der Anspruch auf Erholungsurlaub richtet sich in erster Linie nach den jeweiligen Bestimmungen des Tarifvertrages und des Dienstvertrages sowie nach dem Bundesurlaubsgesetz. Dieses Merkblatt gibt ergänzende Hinweise für

- Fragen, die nicht tarifvertraglich geregelt sind Mitarbeiter, für die die Tarifbestimmungen nicht gelten (insbesondere ÜTMitarbeiter).

(…).“

Unter „V. Erlöschen, Übertragung, Vorgriff“ heißt es unter „1. Grundsätze“:

„Urlaubsjahr ist das Kalenderjahr. Der Urlaub soll grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden, anderenfalls erlischt der Urlaubsanspruch grundsätzlich am 31.12., soweit keine Übertragung ins nächste Urlaubsjahr erfolgt.

Ist die Gewährung des Urlaubs im laufenden Kalenderjahr entweder aus dringenden betrieblichen Gründen oder aus in der Person des Mitarbeiters liegenden Gründen nicht möglich (Krankheit), wird der Urlaub in das erste Kalendervierteljahr (bis 31.3.) des Folgejahres übertragen. Liegen die Voraussetzungen tatsächlich vor, bedarf es keines Antrags bzw. keiner Vereinbarung der Übertragung.

(…).“

Die Beklagte sprach gegenüber dem Kläger mit Schreiben vom 25.02.2011 eine Änderungskündigung zum 30.09.2011 aus, die der Kläger nicht unter Vorbehalt annahm. Im Rahmen des vom Kläger angestrengten Kündigungsschutzverfahrens wurde mit Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 14.11.2013 festgestellt, dass die Kündigung bzw. die angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen unwirksam war. Die Revision wurde nicht zugelassen. Im Kalenderjahr 2013 nahm und beantragte der Kläger keinen Urlaub. Erstmals mit E-Mail vom 06.02.2014 (Bl. 56 d.A.) wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte, seinen Resturlaub von 2013 vom 17.02.2014 bis 28.03.2014 zu nehmen. Hierauf antwortete der Vorgesetzte des Klägers mit E-Mail vom 10.02.2014 (Bl. 57 d.A.) und wies u.a. darauf hin, dass die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtskräftig sei. Weiter führte der Vorgesetzte aus:

„Über Ihre organisatorischen Fragen und das weitere Vorgehen, wie (…) und auch der Genehmigung von Urlaub können wir erst nach rechtskräftigem Abschluss des gerichtlichen Verfahrens entscheiden. (…).“

Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers von Dezember 2014 und nochmals mit E-Mail vom 09.02.2015 (Bl. 58 d.A.) beantragte der Kläger, den Jahresurlaub 2013 im Zeitraum 16.02.2015 bis 27.03.2015 nehmen zu können. Mit Schreiben vom 13.01.2015 (Bl. 59 d.A.) und E-Mail vom 12.02.2015 lehnte die Beklagte den Urlaubsanspruch ab mit Hinweis darauf, dass dieser mit Ablauf des 31.12.2013 verfallen sei. Sie wies den Kläger jedoch darauf hin, dass dem gewünschten Urlaubszeitraum nichts entgegenstünde, der Kläger Urlaubstage aus 2015 bzw. Resturlaub aus 2014 nehmen könne.

Mit seiner am 31.03.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Gewährung hilfsweise die Feststellung von 30 Urlaubstagen aus 2013.

Der Kläger beruft sich zunächst auf ein „Merkblatt über Erholungsurlaub“ - ohne Kopf -vom 02.07.1990 (Bl. 61d.A.). Dieses sei von der Beklagten veröffentlicht worden; er habe es von seinem Prozessbevollmächtigten erhalten. Hierin sei geregelt, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub sich in erster Linie nach den jeweiligen Tarifbestimmungen richte. Grundsätzlich erlösche der Jahresurlaub im Übrigen erst am 31.3. des Folgejahres, soweit Urlaub nicht genommen worden sei. Dieses Merkblatt stelle eine Gesamtzusage dar, mit dem die Beklagte die Rechte ihrer Beschäftigten erweitert habe. Der Kläger habe damit im Februar 2014 rechtzeitig seinen Erholungsurlaub aus dem Jahr 2013 beantragt. Die Neufassung des Merkblattes aus dem Jahr 2012 stehe dem Anspruch nicht entgegen. Das Merkblatt aus 1990 enthalte keinen Änderungsvorbehalt. Die Änderung bleibe damit ohne Wirkung für den Kläger. Letztlich komme es auf das Merkblatt „Erholungsurlaub“ aus dem Jahr 1990 nicht an. Der Urlaub sei bereits von Gesetzes wegen gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG auf das erste Quartal des Folgejahres übertragen worden, da ein dringender betrieblicher Grund für die Übertragung seit Verkündung des LAG-Urteils vom 14.11.2013 vorgelegen habe. Die Beklagte habe selbst ausgeführt, Urlaub könne nicht gewährt werden, weil eine Entscheidung über Rechtsmittel noch nicht getroffen worden sei. Außerdem habe der Kläger wie im Falle der Arbeitsunfähigkeit gar keine Möglichkeit gehabt, noch im Jahr 2013 Urlaub zu beantragen und zu nehmen, da das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist vorläufig beendet gewesen sei.

Der Kläger beantragt,

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Urlaub aus dem Jahr 2013 von 30 Arbeitstagen zu gewähren.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass der Kläger aus dem Kalenderjahr 3013 einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der Urlaubsanspruch des Klägers aus dem Jahr 2013 sei verfallen. Der Kläger hätte trotz des noch anhängigen Kündigungsschutzverfahrens seinen Urlaub aus dem Jahr 2013 vor Ablauf des Jahres geltend machen müssen. Es gebe weder persönliche noch betriebliche Gründe für eine Übertragung des Urlaubs auf das Jahr 2014, Das vom Kläger vorgelegte Merkblatt über Erholungsurlaub vom 02.07.1990 enthalte keine Firmenbezeichnung. Bei der Beklagten sei es nicht bekannt. Unklar sei auch, warum es bei der Beklagten zur Anwendung kommen solle. Darüber hinaus sei der Kläger erst zum 01.02.2009 eingestellt worden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das schriftsätzliche Vorbringen der Parteien nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift vom 22.10.2015 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist weder in ihrem Hauptantrag noch im Hilfsantrag begründet.

I.

Der Kläger hat trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses keinen Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2013 mehr. Sowohl sein Hauptantrag als auch der Feststellungsantrag gehen daher ins Leere.

1. Urlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden, § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG. Nachdem der Kläger im Jahr 2013 weder Urlaub beantragt noch genommen hat, ist der Anspruch mit Ablauf des 31.12.2013 grundsätzlich erloschen.

2. Ein Übertragungsgrund LAG nicht vor.

a) Gemäß § 7 Abs. 3 Satz 2 BurlG ist eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr nur statthaft, wenn dringenden betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Entsprechendes ergibt sich auch aus dem Merkblatt über Erholungsurlaub aus dem Jahr 2012, so dass im Hinblick auf den Übertragungstatbestand dahin stehen kann, ob das gesetzliche Urlaubsregime zwischen den Parteien durch dieses Merkblatt überhaupt zugunsten des Klägers abgeändert wurde.

b) Ein dringender betrieblicher Grund ergibt sich nicht daraus, dass die Beklagte nach Verkündung des LAG-Urteils im Jahr 2013 noch die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde prüfen wollte und daher im Februar 2014 noch nicht über den Urlaubsantrag vom 06.02.2014 des Klägers entscheiden wollte. Die Argumentation des Klägers, der dringende betriebliche Grund für eine Übertragung habe vor dem Hintergrund der LAG-Entscheidung aus November 2013 bereits im Jahr 2013 vorgelegen, so dass es automatisch zu einer Übertragung gekommen sei, geht daher ins Leere. Die Beklagte hätte unabhängig von der Frage, ob noch eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden sollte, über einen rechtzeitig im Jahr 2013 gestellten Urlaubsantrag entscheiden können, ohne dass dringende betriebliche Gründe dem entgegengestanden hätten. Insbesondere liegt im Führen eines Kündigungsrechtsstreit kein dringender (betrieblicher) Übertragungsgrund (siehe hierzu unter c))

c) Ein Übertragungstatbestand liegt auch nicht darin, dass die Parteien einen Kündigungsrechtsstreit geführt haben. Hierbei kann dahin stehen, ob es sich insoweit um einen persönlichen oder betrieblichen Übertragungsgrund handelt. Anders als im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers ist der Arbeitgeber rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem unwirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub zu erteilen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Parteien einen Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führen. Entgegen der Ansicht des Klägers gibt auch die reformierte Rechtsprechung des BAG im Nachgang zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - Slg. 2009, I-179) keinen Anlass, § 7 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG zugunsten des Klägers einschränkend anzuwenden (vgl. hierzu BAG, Urteil vom 13.12.2011, Az.: 9 AZR 420/10). Mit Ablauf der Kündigungsfrist wird der Arbeitnehmer zwar von der Pflicht zum Angebot seiner weiteren Arbeitsleistung zunächst frei; im Falle einer unwirksamen Kündigung besteht das Arbeitsverhältnis jedoch rechtlich fort, so dass der Arbeitgeber auf einen rechtzeitig gestellten Antrag des Arbeitnehmers auch (vorsorglich) Urlaub gewähren könnte. Ein solcher Antrag ist auch nicht entbehrlich. Weder einer ordentlichen noch einer außerordentlichen Kündigung kann ohne weiteres der Inhalt beigemessen werden, der Arbeitgeber werde, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend mache, die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern. Dass der gekündigte Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist seine Arbeit seinerseits nicht weiter anbieten muss, da in der Kündigung die Ablehnung auch künftiger Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber zu sehen ist, hindert den Arbeitgeber jedoch nicht daran, im Rahmen eines Kündigungsrechtstreits geltend gemachte Urlaubsansprüche durch ausdrückliche Freistellung jedenfalls vorsorglich zu erfüllen.

d) Eine Übertragung des Urlaubs aus 2013 ins erste Quartal 2014 ergibt sich auch nicht aus dem „Merkblatt über Erholungsurlaub“ vom 02.07.1990. Das Merkblatt aus dem Jahr 1990, das die Urlaubsübertragungsansprüche des Klägers erweitert haben könnte, findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Die Beklagte hat die Anwendbarkeit des Merkblattes bestritten. Der Kläger konnte nicht substantiiert darlegen und unter Beweis stellen, dass es für die Mitarbeiter der Beklagten im streitgegenständlichen Zeitraum Anwendung fand.

e) Der Kläger kann sich auch nicht auf die E-Mail seines Vorgesetzten vom 10.02.2014 stützen. Der Erklärung ist nicht zu entnehmen, dass die Beklagte eine Übertragung des Urlaubs anerkannt hat. Es kommt lediglich zum Ausdruck, dass über den Urlaubsantrag aktuell keine Entscheidung ergehen sollte.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 ZPO.

2. Die Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes erfolgt gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG in Höhe von 10.038,46 Euro (€ 7.250,- x 3 Monate: durch 65 Tage x 30).

IV.

Gegen dieses Urteil ist für die nicht beschwerte Beklagte kein Rechtsmittel gegeben. Der Kläger kann gegen dieses Urteil nach Maßgabe der nachfolgenden RechtsmittelbelehrungBerufung einlegen. Im Einzelnen gilt:

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Lastenausgleichsgesetz - LAG

Zivilprozessordnung - ZPO | § 91 Grundsatz und Umfang der Kostenpflicht


(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung um

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 46 Grundsatz


(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung. (2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsger

Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG | § 61 Inhalt des Urteils


(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest. (2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen

Bundesurlaubsgesetz - BUrlG | § 7 Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspu

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Bundesarbeitsgericht Urteil, 13. Dez. 2011 - 9 AZR 420/10

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Tenor Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 9. März 2010 - 7 Sa 220/10 - aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des A
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Tenor 1. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München (Az: 13 Ca 3620/15) vom 30.10.2015 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen. 2. Die Revision wird zugelassen. Tatbestand Die Pa

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(1) Bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs sind die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, es sei denn, daß ihrer Berücksichtigung dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, entgegenstehen. Der Urlaub ist zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer dies im Anschluß an eine Maßnahme der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation verlangt.

(2) Der Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren, es sei denn, daß dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe eine Teilung des Urlaubs erforderlich machen. Kann der Urlaub aus diesen Gründen nicht zusammenhängend gewährt werden, und hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub von mehr als zwölf Werktagen, so muß einer der Urlaubsteile mindestens zwölf aufeinanderfolgende Werktage umfassen.

(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.

(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 9. März 2010 - 7 Sa 220/10 - aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bamberg - Kammer Coburg - vom 20. Mai 2009 - 3 Ca 61/06 C - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung -, aus den Jahren 2005 und 2006 resultierenden Urlaub abzugelten.

2

Zwischen den Parteien bestand im Zeitraum vom 1. September 2004 bis zum 30. November 2007 ein Arbeitsverhältnis. Der Beklagte beschäftigte die Klägerin als Buchhalterin in Teilzeit. Die Klägerin erbrachte ihre Arbeitsleistung an fünf Tagen in der Woche und erzielte ein monatliches Bruttoeinkommen iHv. 900,00 Euro. Die Klägerin hatte Anspruch auf 31 Tage Jahresurlaub.

3

Der Beklagte meldete die Klägerin mit Wirkung zum 30. November 2005 bei der für die Klägerin zuständigen Krankenkasse mit der Begründung ab, er habe das Arbeitsverhältnis gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt stand der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ein Urlaubsanspruch von 24,5 Tagen zu.

4

Im Zeitraum vom 30. November 2005 bis zum 15. Januar 2006 war die Klägerin durchgehend arbeitsunfähig erkrankt.

5

Im Januar 2006 erhob die Klägerin Kündigungsschutzklage.

6

In der Zeit vom 16. Februar bis zum 8. Juni 2006, vom 18. November bis zum 1. Dezember 2006 und vom 12. April bis zum 20. April 2007 war die Klägerin erneut arbeitsunfähig erkrankt.

7

Mit rechtskräftigem Teilurteil vom 16. Mai 2007 gab das Arbeitsgericht der Kündigungsschutzklage statt.

8

Im Zeitraum vom 22. Oktober bis zum 3. Dezember 2007 war die Klägerin wiederum arbeitsunfähig erkrankt.

9

Das Arbeitsverhältnis endete mit Wirkung zum 30. November 2007.

10

Der Beklagte gewährte der Klägerin weder im Jahr 2006 noch im Jahr 2007 Erholungsurlaub.

11

Mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2007, der dem Beklagten am 6. Dezember 2007 zugestellt worden ist, verlangte die Klägerin von dem Beklagten ua., Urlaub aus den Jahren 2005 und 2006 abzugelten.

12

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Urlaubsanspruch sei nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen. Wegen der Behauptung des Beklagten, er habe das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt, sei es ihr aufgrund von Umständen, die sie nicht zu vertreten habe, unmöglich gewesen, den Urlaub zu nehmen.

13

Die Klägerin hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an sie 2.305,47 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Dezember 2007 zu zahlen.

14

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung die Klägerin verlange, seien gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen.

15

Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage ua. hinsichtlich der Urlaubsabgeltung stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte, die Entscheidung des Arbeitsgerichts wiederherzustellen.

Entscheidungsgründe

16

Die zulässige Revision ist begründet. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat das Landesarbeitsgericht das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht abgeändert und den Beklagten verurteilt, Urlaub aus den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von insgesamt 55,5 Tagen abzugelten. Der Klägerin steht der erhobene Zahlungsanspruch nicht zu.

17

I. Die Klage ist - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - im Umfang der Anfechtung unbegründet. Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten keinen Anspruch auf Abgeltung von Urlaubsansprüchen aus den Jahren 2005 und 2006 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG. Diese Urlaubsansprüche bestanden bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 30. November 2007 nicht mehr.

18

1. Gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG hat der Arbeitgeber den Urlaub abzugelten, wenn der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann. Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG). Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG).

19

2. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Beklagte habe 55,5 Arbeitstage Urlaub aus den Jahren 2005 und 2006 gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten. Bis zum 30. November 2007, dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, seien die Urlaubsansprüche nicht verfallen. Mit der Behauptung, er habe das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. November 2005 wirksam gekündigt, habe der Beklagte den Urlaubsanspruch der Klägerin in Abrede gestellt. Der Klägerin sei es deshalb aus von ihr nicht zu vertretenden Gründen unmöglich gewesen, den Urlaub zu nehmen. Der Streitfall sei mit dem Fall vergleichbar, dass ein Arbeitnehmer infolge krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit daran gehindert sei, seinen Urlaubsanspruch innerhalb der gesetzlichen Verfallszeiträume zu realisieren.

20

3. Das ist unzutreffend. Die Urlaubsansprüche der Klägerin aus den Jahren 2005 und 2006 sind spätestens mit Ablauf des 31. März 2007 verfallen.

21

a) Mangels abweichender arbeits- oder tarifvertraglicher Regelungen bindet § 7 Abs. 3 Satz 1 BUrlG den Urlaubsanspruch an das Urlaubsjahr(so grundlegend BAG 13. Mai 1982 - 6 AZR 360/80 - zu II 4 a der Gründe, BAGE 39, 53). Der Urlaubsanspruch verfällt am Ende des Urlaubsjahres, wenn nicht einer der in § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG genannten Übertragungsgründe vorliegt(vgl. BAG 21. Juni 2005 - 9 AZR 200/04 - zu II 1 a der Gründe, AP InsO § 55 Nr. 11 = EzA BUrlG § 7 Nr. 114). Bestehen dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe, wird der Urlaub ipso iure auf die ersten drei Monate des Folgejahres übertragen (BAG 24. März 2009 -  9 AZR 983/07  - Rn. 52, BAGE 130, 119). In diesem Fall verlangt § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG, dass der Arbeitgeber den Anteil des Urlaubsanspruchs, der vor dem laufenden Urlaubsjahr entstanden ist, innerhalb des ersten Quartals gewährt, damit eine zeitnahe Erholung des Arbeitnehmers gewährleistet ist(vgl. BAG 9. August 2011 -  9 AZR 425/10  - Rn. 19, NZA 2012, 29). Nimmt der Arbeitnehmer den übertragenen Urlaub nicht bis zum 31. März, verfällt der Urlaubsanspruch. Eine Ausnahme hat der Senat im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 20. Januar 2009 (- C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 43, Slg. 2009, I-179) für die Fälle anerkannt, in denen es dem Arbeitnehmer aufgrund von ihm nicht zu vertretender Umstände unmöglich gewesen ist, den Urlaub vor Ablauf des Übertragungszeitraums zu nehmen (vgl. BAG 4. Mai 2010 - 9 AZR 183/09 - Rn. 18 f., BAGE 134, 196 ).

22

b) Diesen Grundsätzen zufolge ist der Urlaubsanspruch, dessen Abgeltung die Klägerin verlangt, teilweise mit Ablauf des 31. Dezember 2006, im Übrigen mit Ablauf des 31. März 2007 verfallen.

23

aa) Nach den unangefochtenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hatte die Klägerin am 30. November 2005 Anspruch auf 24,5 Arbeitstage Urlaub. Da die Klägerin im Zeitraum vom 30. November 2005 bis zum 15. Januar 2006 arbeitsunfähig erkrankt war, wurde dieser Urlaubsanspruch in das Jahr 2006 übertragen (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG). Ist es dem Arbeitnehmer aufgrund einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unmöglich, seinen Urlaub am Jahresende zu nehmen, liegt ein Übertragungsgrund in der Person des Arbeitnehmers vor. Denn der Arbeitgeber ist aus Rechtsgründen gehindert, dem aufgrund seiner krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit von der Arbeitsverpflichtung bereits befreiten Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen. Urlaub und Arbeitsunfähigkeit schließen sich gegenseitig aus (vgl. BAG 29. Juli 2003 - 9 AZR 270/02 - zu B I 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 107, 124).

24

bb) Zu dem übertragenen Urlaubsanspruch (24,5 Arbeitstage) trat am 1. Januar 2006 der Anspruch auf Urlaub für das Urlaubsjahr 2006 (31 Arbeitstage). Der Urlaubsanspruch der Klägerin belief sich demnach zu Beginn des Jahres 2006 auf 55,5 Arbeitstage.

25

cc) Der aus dem Jahr 2005 übertragene Urlaub (24,5 Arbeitstage) bestand ungeachtet des in § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG bestimmten Übertragungszeitraums über den 31. März 2006 fort. Denn die Klägerin war ohne ihr Verschulden daran gehindert, den übertragenen Urlaub zu nehmen. Ursächlich hierfür war ihre krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Zeitraum vom 16. Februar bis zum 8. Juni 2006. Der Klägerin kann dabei nicht entgegengehalten werden, sie hätte ihren Resturlaub aus dem Jahr 2005 während der Zeit ihrer Arbeitsfähigkeit vom 16. Januar 2006 bis zum Beginn der erneuten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit am 16. Februar 2006 nehmen können. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, nach Wiederherstellung seiner Arbeitsfähigkeit im Übertragungszeitraum unmittelbar Urlaub zu nehmen. Dies würde den Übertragungszeitraum von drei Monaten des Folgejahres gemäß § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG unzulässig verkürzen. Er darf vielmehr für die Festlegung der zeitlichen Lage seines Urlaubs diesen Zeitraum voll ausschöpfen. Diese Grundsätze gelten auch für den arbeitsvertraglichen Mehrurlaub. Es ist deshalb rechtlich nicht erheblich, ob es sich dabei um einen Teil des gesetzlichen Mindesturlaubs oder aber um arbeitsvertraglichen Mehrurlaub handelte. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien gelten weder arbeits- noch tarifvertragliche Regelungen, wonach der übergesetzliche Mehrurlaub anderen Regeln als der durch § 3 Abs. 1 BUrlG garantierte Mindesturlaub folgen soll(vgl. zu tariflichen Regelungen: BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 34, EzA BUrlG § 7 Nr. 123).

26

dd) Am 31. Dezember 2006 verfiel ein Teil des Urlaubsanspruchs gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG; im Übrigen wurde er auf das Urlaubsjahr 2007 übertragen und verfiel später.

27

(1) Vom Ende des Jahres 2006 gerechnet, war der Anspruch auf Urlaub im Umfang von 44,5 Arbeitstagen erfüllbar, da der Gewährung keine Hindernisse entgegenstanden. In diesem Umfang verfiel der Urlaubsanspruch.

28

Der Urlaub geht nach § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG nur insoweit auf den Übertragungszeitraum über, als er wegen eines Übertragungsgrundes nicht mehr vollständig erfüllt werden kann. Ansonsten erlischt der erfüllbare Teil mit Ablauf des Kalenderjahres (vgl. BAG 24. November 1992 - 9 AZR 549/91 - zu 2 der Gründe, AP BUrlG § 1 Nr. 23 = EzA TVG § 4 Ausschlussfristen Nr. 102). Dies gilt auch im Falle einer langwierigen krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, wenn der Arbeitnehmer im Kalenderjahr so rechtzeitig gesund und arbeitsfähig wird, dass er in der verbleibenden Zeit seinen Urlaub nehmen kann (vgl. BAG 9. August 2011 - 9 AZR 425/10 - Rn. 20, NZA 2012, 29).

29

(2) Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts gilt dies unbeschadet des Umstands, dass die Parteien in den Jahren 2006 und 2007 einen Bestandsrechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Bamberg führten. Insbesondere gibt die reformierte Rechtsprechung des Senats im Nachgang zu der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in der Rechtssache Schultz-Hoff (EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - Slg. 2009, I-179) keinen Anlass, § 7 Abs. 3 Satz 1 bis Satz 3 BUrlG zugunsten der Klägerin einschränkend anzuwenden.

30

(a) Im Hinblick auf Art. 7 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9; im Folgenden: Arbeitszeitrichtlinie) hat der Senat in seiner Entscheidung vom 24. März 2009 ( BAG - 9 AZR 983/07 - BAGE 130, 119) angenommen, § 7 Abs. 3 BUrlG sei dahingehend fortzubilden, dass Urlaub, den ein Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit weder im Urlaubsjahr noch innerhalb des Übertragungszeitraums habe nehmen können, nicht verfalle. Danach wirkt sich die verbindliche Auslegung, die Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie durch den Gerichtshof der Europäischen Union gefunden hat(EuGH 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Slg. 2009, I-179), auf das deutsche Urlaubsrecht aus. Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie ist dahin auszulegen, dass er einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub bei Ablauf des Bezugszeitraums und/oder eines im nationalen Recht festgelegten Übertragungszeitraums auch dann erlischt, wenn der Arbeitnehmer während des gesamten Bezugszeitraums oder eines Teils davon krankgeschrieben war und seine Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Übertragungszeitraums fortbestand, weshalb er seinen Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub nicht ausüben konnte.

31

(b) Die Voraussetzungen, unter denen der Senat eine richtlinienkonforme Rechtsfortbildung befürwortet, liegen im Streitfall nicht vor. Unabhängig davon, dass die Parteien in den Jahren 2006 und 2007 einen Bestandsrechtsstreit führten, war es der Klägerin möglich, Urlaub zu nehmen.

32

Das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand, wie das Arbeitsgericht mit Teilurteil vom 16. Mai 2007 feststellte, über den 30. November 2005 ungekündigt fort und endete erst mit Ablauf des 30. November 2007. Der Arbeitgeber ist - anders als im Fall der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers - rechtlich nicht gehindert, einem Arbeitnehmer in einem unwirksam gekündigten und deshalb fortbestehenden Arbeitsverhältnis Urlaub zu erteilen. Dies gilt nach bisheriger Senatsrechtsprechung unabhängig davon, ob die Parteien einen Rechtsstreit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses führen (vgl. BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 14, AP BUrlG § 7 Nr. 38 = EzA BUrlG § 7 Nr. 119).

33

(3) Der Senat ist nicht gehalten, den Gerichtshof der Europäischen Union insoweit um eine Vorabentscheidung zu ersuchen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die Art. 267 Abs. 3 AEUV die Vorlagepflicht knüpft, liegen nicht vor.

34

(a) Gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b AEUV entscheidet der Gerichtshof der Europäischen Union im Wege der Vorabentscheidung über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen ua. der Organe und Einrichtungen der Union. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV). Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie bestimmt, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen nach Maßgabe der Bedingungen für die Inanspruchnahme und die Gewährung erhält, die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder nach den einzelstaatlichen Gepflogenheiten vorgesehen sind.

35

(b) Der Gerichtshof hat mehrfach betont, Art. 7 Abs. 1 der Arbeitszeitrichtlinie stehe einer nationalen Regelung nicht entgegen, die den Verlust des Urlaubsanspruchs am Ende eines Bezugszeitraums oder eines Übertragungszeitraums bestimmt, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Urlaub zu nehmen(EuGH 22. November 2011 - C-214/10 - [KHS] Rn. 26, NZA 2011, 1333; 20. Januar 2009 - C-350/06 und C-520/06 - [Schultz-Hoff] Rn. 43, Slg. 2009, I-179). Deshalb kann der Urlaub in den folgenden Urlaubsjahren verfallen, wenn der Arbeitnehmer ihn nicht rechtzeitig genommen hat und er nicht an der Urlaubsnahme wegen Arbeitsunfähigkeit gehindert war (BAG 12. April 2011 - 9 AZR 80/10 - Rn. 39, EzA BUrlG § 7 Nr. 123). Im Streitfall war es der Klägerin nach ihrer Genesung im Juni 2006 teilweise möglich, in den Genuss des Urlaubs, dessen Abgeltung sie verlangt, zu gelangen. Denn das Arbeitsverhältnis der Parteien bestand bis zum 30. November 2007 fort.

36

ee) Soweit der Beklagte den Urlaubsanspruch der Klägerin wegen der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin im Zeitraum vom 18. November bis zum 1. Dezember 2006 (10 Arbeitstage) nicht erfüllen konnte, liegt ein Umstand in der Person der Klägerin vor, der zu einer Übertragung des Urlaubs auf das Jahr 2007 führte (§ 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG).

37

ff) Der auf das Jahr 2007 übertragene Urlaubsanspruch (10 Arbeitstage) verfiel am Ende des Übertragungszeitraums am 31. März 2007 (§ 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG). Die Klägerin hat keine Umstände vorgetragen, die darauf schließen ließen, ihr sei es unverschuldet nicht möglich gewesen, den Urlaub im ersten Quartal des Jahres 2007 zu nehmen.

38

II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Der Klageanspruch steht der Klägerin auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes (Abgeltung von Ersatzurlaub) zu. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die die § 275 Abs. 1 und Abs. 4, § 280 Abs. 1, § 283 Satz 1, § 286 Abs. 1 Satz 1, § 287 Satz 2, § 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1 BGB eine Entschädigungspflicht des Beklagten knüpfen, liegen nicht vor.

39

1. Ist der Anspruch auf Leistung gemäß § 275 Abs. 1 BGB ausgeschlossen, weil die Leistung unmöglich ist, bestimmen sich die Rechte des Gläubigers gemäß § 275 Abs. 4 BGB ua. nach den §§ 280, 283 BGB. § 283 Satz 1 BGB bestimmt, dass der Gläubiger in diesen Fällen unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen kann. Gemäß § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Gläubiger Ersatz des Schadens verlangen, der dadurch entsteht, dass der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt. Ungeachtet dessen, dass § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB die Haftung des Schuldners an ein Verschulden knüpft, bestimmt § 287 Satz 2 BGB, dass der Schuldner, der sich im Verzug mit der Leistung befindet, auch für Zufall einzustehen hat, es sei denn, dass der Schaden auch bei rechtzeitiger Leistung eingetreten wäre. Der Schuldner befindet sich mit der geschuldeten Leistung in Verzug, wenn er auf eine Mahnung des Gläubigers nicht leistet, die nach dem Eintritt der Fälligkeit erfolgt (§ 286 Abs. 1 Satz 1 BGB). Der Mahnung bedarf es nicht, wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB).

40

2. Ein Ersatzurlaubsanspruch der Klägerin für den verfallenen Urlaub war nicht entstanden, weil sich der Beklagte zu dem Zeitpunkt, da der Urlaubsanspruch der Klägerin infolge seiner gesetzlichen Befristung nach § 7 Abs. 3 BUrlG verfiel, nicht mit der Urlaubsgewährung im Verzug befand.

41

a) Die Klägerin mahnte den Beklagten erstmals mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2007; zu diesem Zeitpunkt war der Urlaubsanspruch bereits untergegangen.

42

Der Umstand, dass die Klägerin im Januar 2006 Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Bamberg erhob, rechtfertigt es nicht, abweichend zu urteilen. Der Senat hat in ständiger Rechtsprechung angenommen, dass die Erhebung einer Kündigungsschutzklage regelmäßig nicht die Geltendmachung von Urlaubsansprüchen des Arbeitnehmers zum Inhalt hat (vgl. BAG 18. September 2001 - 9 AZR 571/00 - zu II 2 a aa der Gründe ; 18. Januar 2000 - 9 AZR 803/98 - zu I 2 a der Gründe; 9. November 1999 - 9 AZR 915/98 - zu II 2 b aa der Gründe; 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 b und c der Gründe, BAGE 92, 299; 17. Januar 1995 - 9 AZR 664/93 - zu I 2 b der Gründe, BAGE 79, 92). Vor dem Hintergrund dieser ständigen Rechtsprechung musste der Beklagte in der Kündigungsschutzklage nicht zugleich auch die Aufforderung zur Urlaubsgewährung sehen.

43

b) Eine Mahnung war auch nicht nach § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Die Klägerin konnte es nicht als ernsthafte und endgütlige Weigerung des Beklagten ansehen, ihre Urlaubsansprüche zu erfüllen, als der Beklagte der Klägerin gegenüber die Ansicht vertrat, er habe das Arbeitsverhältnis wirksam gekündigt.

44

aa) An die Annahme, der Schuldner verweigere ernsthaft und endgültig die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung, sind strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Es müssen deshalb Umstände vorliegen, die es ausgeschlossen erscheinen lassen, dass er sich von einer Fristsetzung hätte umstimmen lassen (vgl. BGH 13. Juli 2011 - VIII ZR 215/10 - Rn. 24, NJW 2011, 3435). Das ist regelmäßig nur anzunehmen, wenn er sich beharrlich weigert, die Leistung zu erbringen (vgl. BGH 15. März 1996 - V ZR 316/94 - zu II 2 der Gründe, NJW 1996, 1814). Denn nur in diesem Fall entbehrt eine Mahnung ihres Sinnes, den Schuldner zu vertragsgerechtem Verhalten anzuhalten (vgl. zur Nachfristsetzung: BGH 30. Oktober 1991 - VIII ZR 9/91 - zu 2 der Gründe, NJW 1992, 235).

45

bb) Die in anderem Zusammenhang geäußerte Annahme des Landesarbeitsgerichts, ein Arbeitgeber, der den Bestand des Arbeitsverhältnisses bestreite, leugne zugleich seine Verpflichtung, dem Arbeitnehmer Urlaub zu erteilen, widerspricht der bisherigen Rechtsprechung des Senats. Das Bundesarbeitsgericht vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, weder einer ordentlichen noch einer außerordentlichen Kündigungserklärung könne ohne Weiteres der Inhalt beigemessen werden, der Arbeitgeber werde, wenn der Arbeitnehmer den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses geltend mache, die für die Erfüllung des Urlaubsanspruchs nötige Freistellung von der Arbeitspflicht verweigern. Denn der Arbeitgeber habe ein wirtschaftliches Interesse daran, einem Arbeitnehmer auf dessen Wunsch Urlaub zu erteilen, um die Kumulation von Annahmeverzugs- und Urlaubsabgeltungsansprüchen zu verhindern (vgl. BAG 21. September 1999 - 9 AZR 705/98 - zu I 2 c der Gründe, BAGE 92, 299; so zuletzt BAG 14. August 2007 - 9 AZR 934/06 - Rn. 15, AP BUrlG § 7 Nr. 38 = EzA BUrlG § 7 Nr. 119 ). Im Hinblick auf diese ständige Rechtsprechung konnte die Klägerin die Kündigungserklärung nicht als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung verstehen und darauf vertrauen, dass eine Mahnung entbehrlich sei.

46

c) Der Senat lässt offen, ob er an dieser überkommenen Rechtsprechung, wie sie unter II 2 a und II 2 b dargestellt ist, für die Zukunft festhalten wird. Denn der Arbeitgeber gerät durch Ausspruch einer rechtsunwirksamen Kündigung in Annahmeverzug, da er dem Arbeitnehmer bei einer ordentlichen Kündigung mit Ablauf der Kündigungsfrist die Arbeitsmöglichkeit entzieht (BAG 5. November 2003 - 5 AZR 562/02 - zu I 1 der Gründe, AP BGB § 615 Nr. 106 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 2). Es spricht einiges dafür, diese Grundsätze künftig auch für die Kehrseite der Arbeitspflicht, nämlich die Befreiung hiervon durch Urlaubsgewährung anzuwenden.

47

III. Da die Hauptforderung nicht besteht, ist die Klage auch in Bezug auf den von der Klägerin erhobenen Zinsanspruch unbegründet.

48

IV. Die Klägerin hat die Kosten des Revisions- und des Berufungsverfahrens zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

        

    Krasshöfer    

        

    Klose    

        

    Suckow    

        

        

        

    Mehnert    

        

    Neumann     

                 

(1) Das Urteilsverfahren findet in den in § 2 Abs. 1 bis 4 bezeichneten bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung.

(2) Für das Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechend, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt. Die Vorschriften über den frühen ersten Termin zur mündlichen Verhandlung und das schriftliche Vorverfahren (§§ 275 bis 277 der Zivilprozeßordnung), über das vereinfachte Verfahren (§ 495a der Zivilprozeßordnung), über den Urkunden- und Wechselprozeß (§§ 592 bis 605a der Zivilprozeßordnung), über die Musterfeststellungsklage (§§ 606 bis 613 der Zivilprozessordnung), über die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 128 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung) und über die Verlegung von Terminen in der Zeit vom 1. Juli bis 31. August (§ 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung) finden keine Anwendung. § 127 Abs. 2 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass die sofortige Beschwerde bei Bestandsschutzstreitigkeiten unabhängig von dem Streitwert zulässig ist.

(1) Die unterliegende Partei hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Die Kostenerstattung umfasst auch die Entschädigung des Gegners für die durch notwendige Reisen oder durch die notwendige Wahrnehmung von Terminen entstandene Zeitversäumnis; die für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften sind entsprechend anzuwenden.

(2) Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei sind in allen Prozessen zu erstatten, Reisekosten eines Rechtsanwalts, der nicht in dem Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und am Ort des Prozessgerichts auch nicht wohnt, jedoch nur insoweit, als die Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war. Die Kosten mehrerer Rechtsanwälte sind nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. In eigener Sache sind dem Rechtsanwalt die Gebühren und Auslagen zu erstatten, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte.

(3) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne der Absätze 1, 2 gehören auch die Gebühren, die durch ein Güteverfahren vor einer durch die Landesjustizverwaltung eingerichteten oder anerkannten Gütestelle entstanden sind; dies gilt nicht, wenn zwischen der Beendigung des Güteverfahrens und der Klageerhebung mehr als ein Jahr verstrichen ist.

(4) Zu den Kosten des Rechtsstreits im Sinne von Absatz 1 gehören auch Kosten, die die obsiegende Partei der unterlegenen Partei im Verlaufe des Rechtsstreits gezahlt hat.

(5) Wurde in einem Rechtsstreit über einen Anspruch nach Absatz 1 Satz 1 entschieden, so ist die Verjährung des Anspruchs gehemmt, bis die Entscheidung rechtskräftig geworden ist oder der Rechtsstreit auf andere Weise beendet wird.

(1) Den Wert des Streitgegenstands setzt das Arbeitsgericht im Urteil fest.

(2) Spricht das Urteil die Verpflichtung zur Vornahme einer Handlung aus, so ist der Beklagte auf Antrag des Klägers zugleich für den Fall, daß die Handlung nicht binnen einer bestimmten Frist vorgenommen ist, zur Zahlung einer vom Arbeitsgericht nach freiem Ermessen festzusetzenden Entschädigung zu verurteilen. Die Zwangsvollstreckung nach §§ 887 und 888 der Zivilprozeßordnung ist in diesem Fall ausgeschlossen.

(3) Ein über den Grund des Anspruchs vorab entscheidendes Zwischenurteil ist wegen der Rechtsmittel nicht als Endurteil anzusehen.