Amtsgericht Wedding Urteil, 15. Okt. 2019 - 22a C 339/19
Amtsgericht Wedding
Urteil
In dem Rechtsstreit
A,
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Ludger Freienhofer, Leibnizstraße 56, 10629 Berlin,
gegen
B-GmbH, vertr.d.d. Geschäftsführer C u.D,
- Beklagte -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte BSP - Bierbach, Streifler & Partner, Wilhelmstraße 46, 10117 Berlin,
hat das Amtsgericht Wedding durch die Richterin am Amtsgericht Hartmann-Koch aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24.09.2019 für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 176,77 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 21. Februar 2019 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die monatlich geschuldete Miete für die Wohnung Schöningstra ße 14,13349 Berlin, 1. Obergeschoss rechts ab dem 1. Dezember 2018 494,76 € (Brutto kaltmiete 437,76 €, Heizkostenvorschuss 57,00 €), nicht übersteigt.
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Mieterin der Wohnung ...Straße in Berlin, 1. Obergeschoss rechts, der Mietvertrag datiert vom 16. Mai 1972, Vermieterin war die DeGeWo gemeinnützige Aktiengesellschaft; es handelte sich um einen Berliner Altbau, der der Altbaumietenverordnung unterlag.
Im Mietvertrag heißt es unter § 3 - Miete:
„ Die unter Beachtung des Rechts über die Gemeinnützigkeit im Wohnungswesen und der sonst maßgebenden gesetzlichen Bestimmungen ermittelte Miete beträgt bei Vertragsbeginn monatlich 170,89 DM.
Die Berechnung der Miete, eine etwaige Mietermäßigung, und die - vorbehaltlich einer jährlichen Abrechnung und eines entsprechenden Zahlungsausgleich zwischen dem Wohnungsunternehmen und den Mietern - zu leistenden monatliche Abschlagszahlungen auf die Betriebskosten er geben sich aus der Mietberechnung (Anlage 1 zu diesem Mietvertrag). Diese Mietberechnung ist Bestandteil des Mietvertrages. Abschlagszahlungen werden nach Ziffer 2 Abs. 8 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen abgerechnet."
Die Anlage 1 zum Mietvertrag enthält folgende Mietberechnung:
Monatlich zu zahlende Miete ab 1.6.1972 170,89 DM
Abschlagszahlung für Zentralheizung 22,00 DM
Abschlagszahlung für Warmwasser 11,00 DM
Gesamtbetrag: 203,8 DM
In den allgemeinen Vertragsbestimmungen .der DeGeWo in der Fassung von 1963 heißt es unter Ziffer 2, Miete und Nebenkosten:
„(8) Das Wohnungsunternehmen legt die Kosten für Leistungen, für die Abschlagszahlungen ver einbart sind, ohne 'Rücksicht auf den Umfang der Inanspruchnahme auf die Mieter um, soweit die Kosten nicht im einzelnen besonders erfasst oder berechnet werden. Der Umlegungsmaßstab (Verteilungsschlüssel) wird vom Wohnungsunternehmen festgesetzt. Er kann vom Wohnungsunternehmen unter schriftlicher Mitteilung an die Mieter im Interesse einer ordnungsgemäßen Be wirtschaftung mit Wirkung für den nächsten Abrechnungszeitraum geändert werden. Die Ab schlagszahlungen können vom Wohnungsunternehmen etwaigen Kostenveränderungen ange passt werden. Das Wohnungsunternehmen wird innerhalb angemessener Fristen abrechnen (...).
Die Rechtsvorgänger der Beklagten gingen vom Bestehen einer Bruttokaltmietvereinbarung aus. Mit Schreiben vom 3. Februar 2016 wurde das Bestehen einer solchen bescheinigt.
Die Beklagte hat das Grundstück erworben und ist zwischenzeitlich in das Grundbuch als Eigentümer eingetragen. Sie übersandte mit Schreiben vom 8. Oktober 2018 eine Abrechnung über die Betriebs- und Heizkosten für das Kalenderjahr 2017. Die Heizkostenabrechnung endete mit ei nem Guthaben in Höhe von 213,63 €, demgegenüber errechnete die Beklagte eine Nachzahlung für die Betriebskosten in Höhe von 176,77 €; lediglich die Differenz in Höhe von 36,86 € wurde an die Klägerin überwiesen. Im Rahmen dieses Schreibens erfolgt ferner eine Erhöhung der Vor schüsse auf Betriebskosten um 15,24 € auf 87,74 € sowie eine Reduzierung der Heizkostenvorschüsse auf 57,00 € monatlich.
Die Klägerin wies mit Schreiben des Berliner Mietervereins vom 19. November 2018 darauf hin, dass sie auf Grund der Vereinbarung einer Bruttokaltmiete nicht verpflichtet sei, eine Betriebskos tennachzahlung zu leisten. Mit weiterem Shreiben vom 15. Januar 2019 wurde die Beklagte auf gefordert, dass der Klägerin noch zustehende Guthaben in Höhe von 176,77 € bis zum 20. Febru ar 2019 zu überweisen.
Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass sich aus den Formulierungen des Mietvertrages und der allgemeinen Vertragsbestimmungen ergebe, dass die tatsächlichen Betriebskosten zu tragen sind. Es sei ausreichend, wenn der Vertrag besage, dass die Betriebskosten zu tragen sind.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, das im Rahmen von § 256 ZPO gegebene Feststellungsinteresse ist gegeben.
Die Klage ist auch begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 176,77 € Guthaben aus der Heizkostenabrechnung aus dem Jahr 2017 zu. Der Anspruch ist nicht durch Aufrechnung erloschen, da der Beklagten kein aufrechenbarer Gegenanspruch aus der Betriebskostenabrechnung 2017 gegen die Klägerin zusteht.
Vertraglich vereinbart ist eine Bruttokaltmiete mit der Folge, dass Vorschüsse auf die sogenann ten kalten Betriebskosten, über die jährlich abzurechnen sind, nicht geschuldet sind.
Dabei gilt, dass, sofern der Inhalt des Vertrages streitig ist, die Beweislast für die Vereinbarungen von Vorschüssen auf Betriebskosten den Vermieter trifft, sofern dieser einen Nachzahlungsbe trag aus einer Abrechnung begehrt ( BeckOK-Drager, 01.07.2019, BGB § 56 Rn 246).
Für die Vereinbarung einer Bruttokaltmiete spricht zunächst der Umstand, dass es sich zum Zeit punkt des Vertragsschlusses um eine ehemals preisgebundene Berliner Altbauwohnung handelte und dass damalige Mietpreisbindungen eine Vereinbarung von Betriebskostenvorschüssen nicht zuließen. Entsprechend ist während der gesamten Laufzeit des Mietvertrages, auch nach der zum 1. Januar 1988 erfoigten Aufhebung der Mietpreisbindung für Altbauten, niemals eine Abrechnung von Betriebskosten erfolgt. Für die Vereinbarung einer Bruttokaltmiete spricht auch der Wortlaut des Vertrages, wonach sich die zu leistenden Abschlagszahlungen auf Betriebskosten aus der Mietberechnung (Alage 1 zum Vertrag) ergeben. Aus der Anlage 1 ergibt sich, dass Vor auszahlungen lediglich für die Zentralheizung und für Warmwasser verei bart gewesen sind. Aus der Aufschlüsselung im Rahmen der Mietberechnung folgt benfalls, dass die Vereinbarung einer Bruttokaltmiete zwingend gewesen ist. Denn die Aufzählung unter der Grundmiete enthält keine Abschlagszahlungen für kalte Betriebskosten sondern lediglich für den Fahrstuhl, die Vorhaltung der maschinellen Waschanlage, die Gemeinschaftsantenne und .den Hausgarten. Aus Ziffer 2 Abs. 8 der Allgemeinen Vertragsbestimmungen folgt nichts anderes. Diese Bestimmung setzt die vertragliche Vereinbarung von Abschlagszahlungen voraus und regelt deren Modalitäten, nicht hingegen begründet sie selbstständig eine Pflicht zur Zahlung von Abschlagszahlungen,soweit diese vertraglich nicht vereinbart sind. Soweit § 3 Abs. 2 des Vertrages von Abschlagszahlungen auf die Betriebskosten spricht, wird hier ausdrücklich inhaltlich Bezug genommen auf die Mietbe rechnung - Anlage 1 zum Mietvertrag. Auch diese Vorschrift ist mithin nicht geeignet, selbstständig eine Umlage von weitergehenden Vorschüsseh zu begründen.
Soweit die Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung die Anlage 1 des Mietvertrages eingereicht hat, bedurfte es insoweit keiner Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, da es sich insoweit um eine Urkunde handelt, die der nach § 566 BGB in das Mietverhältnis als Ver mieterin eingetretenen Beklagten bekannt sein muss, § 131 Abs. 3 ZPO.
Eine nachträgliche Vereinbarung, die zu einer Änderung . der Mietstruktur geführt hätte, hat die in soweit darlegungsbelastete Beklagte nicht vorgetragen. Vielmehr weist die Bestätigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten vom 3. Februar 2016 ebenfalls ausdrücklich die Vereinbarung einer Bruttokaltmiete nebst Vorauszahlung für Heizkosten aus. Inwieweit diese Erklärung in Ver bindung mit der vorangegangenen Teilzustimmung zu einem Mieterhöhungsverlangen für sich genommen geeignet gewesen wäre, vertraglich eine Mietstruktur zu regeln, bedarf vorliegend kei ner Entscheidung.
Der Zinsanspruch erfolgt aus §§ 286 Abs. 1, 288,Abs. 1 BGB.
Der zulässige Feststellungsantrag ist begründet. Die von der Klägerin geschuldete Miete beläuft sich ausweislich des vorgenannten Schreibens vom 3. Februar 2016 auf eine Bruttokaltmiete in Höhe von 437,76 €, einschließlich der aktuell geschuldeten Vorauszahlungen für die Heizkosten in Höhe von 57,00 € auf 494,76 € monatlich. Hinsichtlich der Mietstruktur wird auf die vorstehenden Äußerungen verwiesen. Anderweitige Veränderungen hat die Beklagte nicht dargelegt, vielmehr geht sie in ihrem Schreiben vom 8.10.2018 ebenfalls von einer Ausgangsmiete in Höhe von 509,76 € aus, mit dem Unterschied, dass Betriebskosten in Höhe von 72,50 € als Vorschüsse ausgewie sen und entsprechend erhöht werden, wozu die Beklagte indessen nicht berechtigt ist.
Die prozes.sualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 713 ZPO.
Hartmann-Koch
Richterin am Amtsgericht