Amtsgericht Tiergarten Urteil, 14. Sept. 2017 - (285b Ds) 266 Js 4367/16 (70/17)

Amtsgericht Tiergarten
Im Namen des Volkes
Geschäftsnummer: (285b Ds) 266 Js 4367/16 (70/17)
In der Strafsache
gegen
_____ _____ geborener _____,
geboren am __.__.____in Vranje/Serbien, Republik,
wohnhaft _____Straße __ , Et. 2, _____ Berlin,
verheiratet, bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger,
wegen Diebstahls
hat das Amtsgericht Tiergarten in der Sitzung vom 14.09.2017, an der teilgenommen haben:
Richterin am Amtsgericht Riemann, als Strafrichterin
Referendar Roggon, als Beamter der Staatsanwaltschaft Berlin
Rechtsanwalt Dr. Benedikt Mick, als Verteidiger
Justizbeschäftigte ____, als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von
100 Tagessätzen zu je 15,00 EUR
verurteilt.
Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Angewendete Vorschriften: §§ 242, 25 II StGB.
Gründe:
I.
Der zur Zeit der Hauptverhandlung Jahre alte und verheiratete Angeklagte stammt aus Bosnien — Herzigovina und ist als Kind nach Deutschland gekommen. Hier hat er mehrere Jahre die Schule besucht, aber weder einen Schulabschluss erlangt noch eine Berufsausbildung absolviert. Auch ist er ist seit mehreren Jahren erwerbslos. Er hat 9 Kinder, um die er sich, aufgrund eines Haftaufenthaltes seiner Ehefrau, derzeit allein kümmert. Die Familie bezieht Grundsicherungsleistungen als Bedarfsgemeinschaft zuzüglich Kindergeld in Höhe von 2.900 Euro zuzüglich der Miete der Wohnung in Höhe von 1.350 Euro. Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft:
1) Am 07.11.2011 wurde er durch das Amtsgericht Tiergarten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 15 Euro verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 15.01.2011 (AZ. 269 Ds 35/10).
2) Am 10.04.2012 wurde er durch das Amtsgericht Hamburg — Barmbek wegen versuchten Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Bewährungszeit wurde verlängert und im Juli 2016 erlassen. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 18.04.2012 (AZ. 3011 Js 34/12 845 —50/12).
3) Am 11.06.2015 wurde er durch das Amtsgericht Reinbek wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt. Es wurde eine Sperrfrist bis zum, 10.02.2016 bestimmt. Das Urteil ist rechtskräftig seit dem 08.09.2015 (AZ. 2 Cs 191/15).
II.
Am 18.06.2016 begab sich der Angeklagte gegen 15:20 Uhr zusammen mit 5 minderjährigen Familienangehörigen, nämlich seinen 14- und 16 jährigen Söhnen _____ und _____, der 16- jährigen _____ ______ , die der Angeklagte als seine Schwiegertochter bezeichnete, des 15- jährigen _____ ______ sowie seinem achtjährigen Sohn ______, in das Geschäft der Firma „Hennes und Mauritz" in den Spandau-Arkaden in der Klosterstraße 3 in Berlin-Spandau, um dort in größerem Umfang Bekleidungsstücke zu entwenden und ohne Bezahlung an sich zu bringen. Zu diesem Zweck führte die Gruppe eine Plastiktüte bei sich, in die eine Tiefkühltasche eingelegt war, um damit Kleidungsstücke mit einer elektronischen Warensicherung ohne Auslösen des Alarms hinaus tragen zu können. In Ausführung dieses Tatplanes nahmen die jugendlichen Mittäter aus den Auslagen - wechselnd - zwei Jeansshorts, ein Oberteil, zwei Hosen, drei weitere Shorts, ein T- Shirt und eine Strickjacke zum Gesamtpreis von 227,90 € und steckten sie in die 3 vorbereitete Tüte. Der Angeklagte schaute sich sichernd um, stellte sich, ebenfalls wechselnd neben das jeweilige Mitglied der Gruppe, welches gerade Sachen in die Tüte steckte, und deckte dieses hierdurch vor Blicken ab. Mit der Tüte mit den Kleidungsstücken begaben sich der Angeklagte und seine jugendlichen Mittäter — gemeinsam - zum Ausgang, um die Kleidungsstücke ohne Bezahlung für sich behalten zu können. Bevor sie den Kassenbereich passiert hatten, entdeckten sie jedoch die Ladendetektivin, die Zeugin _____. Daraufhin rannte der ______ _______ zurück, nahm die Gegenstände aus der Tüte heraus und legte sie zurück. Die Ware verblieb im Geschäft.
III.
Der Angeklagte bestreitet nicht, dass aus der Gruppe heraus Kleidungsstücke in die zu diesem Zweck mitgebrachte, präparierte Tüte zwecks Diebstahls gesteckt worden sind. Er selbst habe davon aber nichts gewusst und erst später, nachdem sie festgehalten worden seien, die zwei betroffenen Jugendlichen zur Rede gestellt. Er habe nichts davon gemerkt, weil er sofort nach dem Eintritt in eine Umkleidekabine gegangen sei, eine Hose probiert und anschließend gekauft habe. Zum Beweis legte er einen Zahlungsbeleg der oben genannten Filiale von H & M vom 18.06.2016 um 15.14 über gewebte Bekleidung vor.
Die Einlassung des Angeklagten wurde jedoch durch die Vernehmung der Zeugin _____ sowie der Zeugen _____ und _____ widerlegt. Die Zeugin _____ erinnerte sich in groben Zügen an den Diebstahl der Gruppe mit dem Angeklagten als einzigen Erwachsenen und den Jugendlichen. Es sei ein Kind dabei gewesen, dass gar nichts gemacht habe. Dem Angeklagten sei das Personaldokument von seiner Frau gebracht worden. Auf die Gruppe sei sie wegen der mitgeführten Klautüte aufmerksam geworden. Ihrer Erinnerung nach sei diese mittel bis groß gewesen. Aber auch wenn die Tüte klein gewesen sei, so die Zeugin weiter, würde man sie, aufgrund der Dicke, regelmäßig in der Hand sehen können. Auf Vorhalt ihrer zeugenschaftlichen Aussage vom 18.06.2016 zur Gedächtnisunterstützung gemäß § 253 StPO gab sie weiter an, dass der Angeklagte selbst nichts eingesteckt habe. Er habe sich jedoch immer nah bei der Person aufgehalten, welche gerade etwas eingesteckt habe. Er habe diese abgedeckt und sich dabei absichernd umgeschaut. Die Zeugin machte zudem deutlich, das sie bei Gruppen grundsätzlich explizit schreibe, wenn einzelne Personen selbst nichts einstecken würden, aber in der Nähe, z.B. als Aufpasser, agierten. Wenn jemand, wie hier das Kind, gar nicht beteiligt sei, schreibe sie das ebenfalls. Sie machte ferner deutlich, dass sie als Tatbeute nur die Gegenstände aufschreibe, bei denen sie die Entnahme absolut deutlich gesehen habe. Sobald geringe Zweifel bestünden, schreibe sie die entsprechenden Kleidungsstücke nicht auf. Dementsprechend sei sie sicher, dass im konkreten Fall die Wegnahme der oben genannten Tatbeute durch die Jugendlichen mit Sicherheit von ihr wahrgenommen worden seien. Die Zeugin _____ war glaubhaft und glaubwürdig. Belastungseifer bestand gar nicht. Sie machte ihre Angaben sehr sachlich und sehr vorsichtig. Sobald sie sich nicht ganz sicher war, gab sie dies sofort an. Die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben wurde durch die ebenfalls glaubhaften und glaubwürdigen Zeugen Pk'in _____ und PM ______ bestätigt. Insbesondere der Zeuge PM ______ gab aus eigener Erinnerung an, dass die Zeugin ______ bei der Sachverhaltsaufnahme sehr dezidiert geschildert habe, wer Dinge eingesteckt habe und was der Angeklagte gemacht habe. Er bekundete, ebenfalls aus freier Erinnerung, dass die Zeugin seiner Erinnerung nach sehr gut in der Lage gewesen sei, die einzelnen Beiträge der Tatbeteiligten zu differenzieren. So habe sie damals, anders als bei dem Angeklagten, explizit jeglichen Tatbeitrag des anwesenden Kindes verneint. Die beschlagnahmte Klautüte habe er als eher groß in Erinnerung. Die Zeugin Pk'in ______ bekundete ergänzend, dass der Angeklagte bei der Sachverhaltsaufnahme erkennbar über eine klare Autorität bei den Jugendlichen verfügt habe und diese sofort auf Blicke von ihm reagiert hätten. Beide gaben auf Nachfrage an, dass sie den Kauf einer Hose, wenn er durch den Angeklagten damals vorgetragen worden wäre, sicher aufgenommen hätten. Der Sachverhalt ergab sich zuletzt aus der Inaugenscheinnahme der von den Zeugen _______ und _______ gefertigten Photoaufnahmen der sichergestellten präparierten Tüte sowie der Verlesung des Bundeszentralregisterauszuges vom 14.11.2016.
Nach Würdigung dieser Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Gruppe mit dem Angeklagten gemeinsam und gezielt mit einer sogenannten Klautüte in das Geschäft gegangen ist, um dort Kleidung in großem Umfang zu entwenden. Dabei hat das Gericht nicht die einzelnen Belastungsindizien gesondert auf ihren jeweiligen Beweiswert geprüft. Es wurde vielmehr eine Abwägung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Belastungsindizien vorgenommen, die in ihrer Gesamtheit die für eine Verurteilung notwendige Überzeugung des Gerichtes begründen (vgl. insoweit KG Az: (4) 121 Ss 4/15 (18/15 m.w.N, BGHSt 34, 29, 34).
Die Umstände, die auf das gezielte Vorgehen hindeuten, nämlich die Mitnahme einer präparierten Tüte, stellt der Angeklagte selbst nicht in Abrede. Soweit er bestreitet, sich im Nahbereich der Jugendlichen aufgehalten zu haben, wird dies zweifelsfrei durch die glaubhafte und glaubwürdige Zeugin ______ bestätigt. Wäre er tatsächlich in dem gesamten Zeitraum nicht in der Nähe der jugendlichen Täter gewesen, hätte die Zeugin ______ dies zur Überzeugung des Gerichtes bei ihm ebenso vermerkt wie bei dem Kind. Diese Einlassung des Angeklagten ist zweifelsfrei widerlegt. Dementsprechend ergab sich auch der weitere Teil des Geschehensablauf, demzufolge der Angeklagte Aufpasserdienste leistete und, insoweit gerichtsbekannt üblich, den Blick auf die handelnden Jugendlichen einschränkte, aus der Aussage der Zeugin ______, entsprechend und ohne Abweichungen aufgenommen in der Strafanzeige der Zeugin PK"in ______ und bestätigt durch den Zeugen PM ______.
Die Überzeugung des Gerichtes wird bestätigt durch weitere Umstände. Die Einlassung des Angeklagten, er sei zwar zusammen mit den Jugendlichen hereingekommen, habe aber die zumindest mittelgroße und ersichtlich auffällige Tüte bei einem seiner Begleiter nicht wahrgenommen, ist als wenig lebensnah zu erachten. Ebenfalls wenig nachvollziehbar ist die Annahme, dass es gleich alle seine minderjährige Familienangehörige unternähmen, ausgerechnet in Anwesenheit des Vaters und erkennbarer Autoritätsperson nicht nur eine Sache, sondern gleich in einem derartigen Umfang stehlen, wenn sie gegen dessen Willen handelten. Zuletzt lassen die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten erkennen, dass ihm die Begehung derartiger Delikte nicht völlig lebensfremd ist. Der von dem Angeklagten — erstmalig in der Hauptverhandlung - vorgelegte Zahlungsbeleg ist nicht geeignet, begründete Zweifel herbeizuführen. Er kann lediglich zum Beweis der Tatsache dienen, dass eine Ware in zeitlicher Nähe an der Kasse der H & M - Filiale gekauft worden ist. Es lässt sich nicht entnehmen, wer gekauft hat und welche Ware genau wie gekauft worden ist. Da es, selbst den Kauf durch den Angeklagten zu seinen Gunsten unterstellt, diesem ohne weiteres möglich wäre, im Vorbeigehen ein beliebiges Kleidungsstück von der Stange zu nehmen und zu bezahlen ( späterer Umtausch nicht ausgeschlossen), ist der Bon nicht geeignet, die Einlassung des Angeklagten, er habe sich durchgehend in der Umkleidekabine aufgehalten, zu stützen und die Aussage der Zeugin ______, demzufolge er im Nahbereich der stehlenden Jugendlichen agiert habe, zu erschüttern. Er ist nicht ergiebig. Ein strafbefreiender Rücktritt lag in Anbetracht der Vollendung des Gewahrsamsbruches und der Entdeckung durch die Ladendetektivin nicht vor.
Die Überzeugung des Gerichtes wird bestätigt durch weitere Umstände. Die Einlassung des Angeklagten, er sei zwar zusammen mit den Jugendlichen hereingekommen, habe aber die zumindest mittelgroße und ersichtlich auffällige Tüte bei einem seiner Begleiter nicht wahrgenommen, ist als wenig lebensnah zu erachten. Ebenfalls wenig nachvollziehbar ist die Annahme, dass es gleich alle seine minderjährige Familienangehörige unternähmen, ausgerechnet in Anwesenheit des Vaters und erkennbarer Autoritätsperson nicht nur eine Sache, sondern gleich in einem derartigen Umfang stehlen, wenn sie gegen dessen Willen handelten. Zuletzt lassen die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten erkennen, dass ihm die Begehung derartiger Delikte nicht völlig lebensfremd ist. Der von dem Angeklagten — erstmalig in der Hauptverhandlung - vorgelegte Zahlungsbeleg ist nicht geeignet, begründete Zweifel herbeizuführen. Er kann lediglich zum Beweis der Tatsache dienen, dass eine Ware in zeitlicher Nähe an der Kasse der H & M - Filiale gekauft worden ist. Es lässt sich nicht entnehmen, wer gekauft hat und welche Ware genau wie gekauft worden ist. Da es, selbst den Kauf durch den Angeklagten zu seinen Gunsten unterstellt, diesem ohne weiteres möglich wäre, im Vorbeigehen ein beliebiges Kleidungsstück von der Stange zu nehmen und zu bezahlen ( späterer Umtausch nicht ausgeschlossen), ist der Bon nicht geeignet, die Einlassung des Angeklagten, er habe sich durchgehend in der Umkleidekabine aufgehalten, zu stützen und die Aussage der Zeugin ______, demzufolge er im Nahbereich der stehlenden Jugendlichen agiert habe, zu erschüttern. Er ist nicht ergiebig. Ein strafbefreiender Rücktritt lag in Anbetracht der Vollendung des Gewahrsamsbruches und der Entdeckung durch die Ladendetektivin nicht vor.
IV.
Die Einziehung des Taterlöses oder eines entsprechenden Wertersatzes war nicht anzuordnen, da ein entsprechender Anspruch der geschädigten Firma erloschen war, § 73 e StGB.
VII.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs.1 StGB
Riemann
Richterin am Amtsgericht

Annotations
(1) Erklärt ein Zeuge oder Sachverständiger, daß er sich einer Tatsache nicht mehr erinnere, so kann der hierauf bezügliche Teil des Protokolls über seine frühere Vernehmung zur Unterstützung seines Gedächtnisses verlesen werden.
(2) Dasselbe kann geschehen, wenn ein in der Vernehmung hervortretender Widerspruch mit der früheren Aussage nicht auf andere Weise ohne Unterbrechung der Hauptverhandlung festgestellt oder behoben werden kann.