Amtsgericht Tiergarten Urteil, 8. Juli 2019 - (256 Ds) 3014 Js 5057/18 (100/18)

published on 02/10/2024 13:40
Amtsgericht Tiergarten Urteil, 8. Juli 2019 - (256 Ds) 3014 Js 5057/18 (100/18)
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Gericht

Richter

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 Amtsgericht Tiergarten

Urteil vom 8. Juli 2019

Az.: (256 Ds) 3014 Js 5057/18 (100/18)

 

 

In der Strafsache g e g e n

F_____,

geboren am __.__.____ in Kishinev,

wohnhaft ________ __, _____ Berlin,

verheiratet, moldauischer Staatsangehöriger,

 

 

wegen besonders schweren Falls des Diebstahls pp.

 

hat das Amtsgericht Tiergarten in der Sitzung vom 08.07.2019, an der teilgenommen haben:

 

Richterin am Amtsgericht Bugge als Strafrichterin

Oberamtsanwältin Zlobinski als Beamtin der Amtsanwaltschaft Berlin

Rechtsanwalt Philipp Martens als Verteidiger

Justizbeschäftigte H______ als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

für Recht erkannt:

 

 

Der Angeklagte wird wegen Diebstahls zu einer

Geldstrafe von  100 Tagessätzen zu je   10,- Euro

verurteilt.

 


Im übrigen wird der Angeklagte freigesprochen.

 

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens, soweit er verurteilt worden ist.

Soweit er freigesprochen worden ist, trägt die Landeskasse Berlin die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

 

§ 242 Abs. 1 StGB

 

 

G r ü n d e:

(Abgekürzte Fassung gern. § 267 Abs. 4 Strafprozessordnung)

 

I.

Der am __.__.____ in Kishinev geborene Angeklagte ist Staatsangehöriger der Republik Moldau und mit N_____ ______ verheiratet, mit der er drei Kinder im Alter von neun, drei und zwei Jahren hat. Er hat einen mittleren Schulabschluss mit angeschlossener Collegeausbildung

{Theologie). Zu Berufserfahrung gab er an, zuletzt in seinem Heimatland als Verkaufsmanager gearbeitet zu haben. Der Angeklagte lebt mit seiner Familie seit ca. drei Jahren in Deutschland und hat lediglich eine ausländerrechtliche Duldung. Die Familie ist bereits in mehreren Wohnheimen untergebracht gewesen und gerade erneut umgezogen. Um die Finanzen, wie z. B. den Kindergeldbezug, kümmert sich die Ehefrau des Angeklagten; die Miete zahlt das Sozialamt, auch sonst lebt die Familie von staatlicher Unterstützung. Der Angeklagte verneinte Erkrankungen und Suchtprobleme. Zu Schulden gab er an, die letzte Geldstrafe in monatlichen Raten zu bezahlen.

Der Angeklagte ist bisher in Deutschland wie folgt bestraft worden:

1.

Am 21. September 2016 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten ihn und seine Ehefrau N_____

_____ wegen gemeinschaftlichen Diebstahls jeweils zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung auf zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt worden ist (256 Os 112/16, rechtskräftig seit dem 29. September 2016, letzte Tatzeit: 10. Juni 2016).

 

Die Urteilsgründe lauten auszugsweise wie folgt:.

„ ...Die Angeklagten sind miteinander verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder im Alter von sechs Jahren und dreieinhalb Monaten. Sie sind am 22. Mai 2016 nach Deutschland gekommen, das zweite Kind ist hier geboren worden. Beide haben Asylanträge gestellt und verfügen derzeit über eine Aufenthaltsgestattung  zur Durchführung des Asylverfahrens. Sie leben in Wohnheimen, gerade sind sie aus einer Unterkunft in der __________ ___ in eine Unterkunft in der ______Str. umgezogen. Sie erhalten jeweils  100,00 Euro monatlich in bar, ansonsten freie Unterkunft und Verpflegung...Der Angeklagte F_____ hat ein Theologie-Studium absolviert; berufstätig war er als Kraftfahrer. Beide Angeklagte verneinten Erkrankungen und Suchtprobleme...

Am 10. Juni 2016 hielten sich die Angeklagten mit ihren beiden strafunmündigen Kinder vor 22.00 Uhr in die Geschäftsräume der Fa. Kaufhof, Alexanderplatz 9 in 10178 Berlin, auf Aufgrund eines gemeinsam gefassten Tatentschlusses entnahm zunächst der Angeklagte F_____ den Auslagen eine Sonnenbrille „Armani", eine Hose desselben Herstellers und einen Anzug sowie ein Paar Schuhe „Hugo Boss", mit welchen er sich wiederholt in Umkleidekabinen begab, in denen er die Warensicherungen gewaltsam durch Abreißen oder unter Benutzung der in den Kabinen angebrachten Kleiderhaken entfernte, um sie im weiteren Verlauf zu entsorgen, während er die vorgenannten Waren an seiner Person verborgen mitnahm. Er traf sich sodann eine Verkaufsebene tiefer mit der Angeklagten F_____, die die beiden Kinder bei sich hatte, die sechsjährige _______ und das Baby im Kinderwagen. Jetzt entnahmen die Angeklagten beide den Auslagen gemeinsam Kleidungsstücke und Kosmetikartikel, brachten diese in eine Umkleidekabine bzw. den Wickelraum für Kunden und entfernten dort wiederum die Warensicherungen. Außerdem brachte das Kind ________ in der Spielwarenabteilung einen Puppenwagen an sich, von welchem der Angeklagte F________ die Diebstahlssicherung entfernte, dieweil das Kind eine Vielzahl von Spielwaren in den Kinderwagen legte, in welchem die Angeklagten auch die zuvor an sich gebrachte Beute - insgesamt 54 verschiedene Artikel zum Gesamtverkaufspreis von 2.017,26 Euro - verstauten, um sodann unter deren Mitnahme  - entsprechend ihrem Tatplan ohne zu zahlen - das Geschäft zu verlassen, um diese für sich zu verwerten. Da sie beobachtet worden waren, wurden sie angesprochen. Das Geschäft erhielt sämtliche Waren zurück...

 

Beide Angeklagte haben den Tatvorwurf freimütig und glaubhaft eingeräumt und sich für ihr Verhalten entschuldigt...

Bei der Strafzumessung wurde der Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zugrundegelegt. Innerhalb dieses Rahmens konnten zugunsten der Angeklagten ihr Geständnis und die Sicherstellung der Waren berücksichtigt werden. Gegen die Angeklagten sprach die Vielzahl der Waren, deren beträchtlicher Wert, die im Entfernen der Sicherungsetiketten zum Ausdruck gebrachte kriminelle Energie und ganz besonders, dass sie ihre sechsjährige Tochter _________ an der Tatbegehung mitwirken ließen. Unter Abwägung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Umstände verhängte das Gericht gegen beide jeweils tat- und schuldangemessene Freiheitsstrafen von sechs Monaten.  Die Vollstreckung der Strafen konnte gern. § 56 Abs. 1 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Das Gericht hatte angesichts der erstmaligen Verurteilung die Erwartung, dass sich die Angeklagten die Verurteilung auch ohne die sofortige Einwirkung der Strafvollstreckung ausreichend zur Warnung dienen lassen und zukünftig keine Straftaten mehr begehen wird. Ihnen wurde nachdrücklich verdeutlicht, dass auch die Existenz ihrer Kinder sie nicht vor der Verhängung unbedingter Freiheitsstrafen bewahren kann, wenn sie weitere Straftaten begehen sollten.. ".

2.

Am 18. Juli 2018 verhängte das Amtsgericht Tiergarten wegen Erschleichens von Leistungen in zwei Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 15,00 Euro (256 Cs 125/18, rechtskräftig seit dem 5. September 2018 ohne Einsprucheinlegung, Tatzeiten: 13. Dezember 2016 und 18. April 2017).

 

3.
Am 16. April 2018 verurteilte das Amtsgericht Tiergarten den Angeklagten wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 10,00 Euro.

 

Die Urteilsgründe  lauten auszugsweise wie folgt:

„ ...Am 17. Juli 2017 gegen 16.30 Uhr nahm der Angeklagte, der an Zahlungsmitteln nur 5,00 Euro Bargeld mit sich führte, in den Geschäftsräumen der Firma Karstadt, Kurfürstendamm 231, 10719 Berlin, ein „Lacoste"-Hemd und ein „Olymp"-Hemd zum Gesamtverkaufspreis von 129,90 Euro aus den Warenträgern und steckte die Ware in seine mitgeführte pinkfarbene „Telekom"- Tüte, um sie ohne Bezahlung für sich zu behalten. Da er beobachtet worden war, wurde er angesprochen. Die geschädigte Firma erhielt die Ware zurück..."

Auf die Berufung des Angeklagten, die der bis dahin den Tatvorwurf bestreitende Angeklagte erst in der Berufungshauptverhandlung auf das Strafmaß beschränkt hatte, entschied das Landgericht Berlin - 579 Ns 19/18 - durch Urteil vom 3. Januar 2019 auf eine Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 10,00 Euro unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl vom 18. Juli 2018. Das Urteil ist seit dem 11. Januar 2019 rechtskräftig.

Die Urteilsgründe lauten auszugsweise wie folgt:

,,...Der Angeklagte ist moldauischer Staatsangehöriger. Er ist verheiratet und hat drei (eheliche) Kinder, die neun, zweieinhalb und eineinhalb Jahre alt sind. In Deutschland ist er aufenthaltsrechtlich geduldet. Die Duldung gilt nur so lange, wie das Asylverfahren für sein jüngstes Kind, den eineinhalb Jahren alten Sohn, noch nicht abgeschlossen ist. Er befindet sich seit Mai 2016 mit seiner Familie in Deutschland. Er gibt an, einen mittleren Schulabschluss zu haben und in seiner Heimat Theologie studiert zu haben. Seinen Lebensunterhalt bestreitet der Angeklagte, der mit seiner Familie in einem Wohnheim lebt, von öffentlichen Mitteln. Er erhält - wie seine Frau - monatlich 380,00 Euro. Außerdem erhalten auch die Kinder staatliche Leistungen. Die Miete wird ebenfalls staatlicherseits getragen.

Nach der erfolgten Beschränkung des Rechtmittels war nur noch über die Strafzumessung  zu entscheiden. Das Gesetz sieht für den Diebstahl (in § 242 Abs. 1 StGB) Freiheitsstrafe bis zu fünf

(5) Jahren oder Geldstrafe vor.

a)  Bei der Bemessung der Strafe in diesem Rahmen konnte zu Gunsten des Angeklagten nach der Beschränkung seines Rechtsmittels nunmehr bedacht werden, dass er sich zu seiner neuerlichen Tat nunmehr bekannt hat. Außerdem waren die entwendeten Waren wieder an den Eigentümer zurückgelangt.

b)  Ganz erheblich zu seinen Lasten spricht aber seine Vorstrafensituation. Er ist einschlägig vorbestraft und beging die Tat innerhalb einer laufenden Bewährungsfrist (aus der einschlägigen Vorstrafe). Auch war der erstrebte Warenwert nicht ganz geringfügig

c)  Die Kammer hielt dennoch, wie das Amtsgericht, unter Abwägung der für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände, für die Ahndung der Tat die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe für nicht erforderlich.

§ 47 Abs. 1 StGB gibt vor, dass für Straftaten geringeren Gewichts in der Regel Geldstrafen zu

verhängen sind und kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen. Ein solcher Ausnahmefall liegt hier - auch unter Beachtung des Übermaßverbotes und des Umstandes, dass kurze Freiheitsstrafen im Verhältnis zu Geldstrafen eine besondere Härte darstellen -  nicht vor.

d)  Die Kammer entschied sich deswegen für die Verhängung einer Geldstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen als (noch) ausreichend, schuldangemessen und allen Strafzwecken genügend.              .

Mit dieser Geldstrafe war aus den Einzelstrafen von 15 (fünfzehn) und 20 (zwanzig) Tagessätzen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts  Tiergarten vom 18. Juli 2018 (dessen Gesamtgeldstrafe deshalb entfällt) nach Maßgabe des § 55 StGB eine Gesamtgeldstrafe zu bilden. Dies geschah unter maßvoller Erhöhung der vorliegend verhängten Einzelstrafe von 60 (sechzig) Tagessätzen auf 80 (achtzig) Tagessätze als insgesamt angemessen...".

 

II.

Am 24. August 2018 gegen 19.00 Uhr nahm der Angeklagte in den Geschäftsräumen der Firma lntersport Voswinkel, Stromstr. 11- 17 („Schultheiss-Quartier"),  10555 Berlin, ein rotes „Nike"-T­ Shirt zum Verkaufspreis von 35,00 Euro von einem Warenträger, ging damit in eine Umkleidekabine und zog es dort unter sein Oberteil, wobei es im Ausschnitt noch etwas hervor sah, um es ohne Bezahlung für sich zu behalten. Da er beobachtet worden war, wurde er kurz vor Verlassen des Geschäfts angehalten. Er ging in die Umkleidekabine zurück, zog das T-Shirt wieder aus und pfefferte es in eine Kabinenecke. Die geschädigte Firma stellte am 24. August 2018 schriftlich Strafantrag.

 

III.

Die Feststellungen zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen folgten aus den Angaben des Angeklagten. Außerdem wurde gern. § 249 Abs. 1 Strafprozessordnung der Bundeszentralregisterauszug vom 30. November 2018 verlesen, dessen Eintragungen der Angeklagte insoweit als zutreffend anerkannt hat, sowie auszugsweise die Urteilsgründe der Urteile vom 21. September 2016, 4. April 2018 und 3. Januar 2019.

 

Der Angeklagte hat den Tatvorwurf bestritten. Er habe das T-Shirt nur einem Bekannten vorführen wollen und sei auf der Suche nach diesem gewesen, als er angesprochen worden sei. Er wurde überführt durch die glaubhaften Angaben des glaubwürdigen lntersport-Verkäufers S_____, der den Vorgang wie unter II. dargestellt sachlich und ohne Belastungstendenzen berichtet hat.

 

IV.

Der Angeklagte hat sich des Diebstahls gern. § 242 Abs. 1 StGB schuldig gemacht.

Bei der Strafzumessung wurde der Strafrahmen des § 242 Abs. 1 StGB zugrundegelegt. Innerhalb dieses Rahmens konnte die Rückgabe der Ware berücksichtigt werden. Auch der eher noch niedrige Verkaufspreis des T-Shirts wurde in die Abwägung aufgenommen. Gegen den Angeklagten sprach hingegen seine Vorstrafensituation.  Er beging die Tat während laufender Bewährungszeit aus einem Urteil, in dem er auch bereits wegen Ladendiebstahls verurteilt worden war, nur wenige Monate nach erstinstanzlicher,  nicht rechtskräftiger Verurteilung wegen eines weiteren Ladendiebstahls während der auf seine Berufung hin laufenden Berufungsverfahrens - und nur wenige Tage nach Zustellung eines Strafbefehls wegen Beförderungserschleichungen. Unter Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände hielt das Gericht es angesichts des im Vergleich mit seinen früheren Taten eher geringen Warenwertes für ausreichend, erneut mit der Verhängung einer Geldstrafe zu reagieren. Diese wurde tat- und schuldangemessen auf 100 Tagessätze zu je 10,00 Euro festgesetzt.

 

V.

Teilfreispruch

Mit Anklageschrift vom 8. Oktober 2018 ist dem Angeklagten im Wege der Wahlfeststellung die Begehung eines Diebstahls im besonders schweren Fall gern. §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB oder einer Hehlerei gern. § 259 Abs. 1 StGB zur Last gelegt worden.

Er soll entweder in der Zeit vom 16. Mai 2018 gegen 8.00 Uhr bis zum 28. Mai 2018 gegen 19.00 Uhr das mit einem Faltschloss gesicherte Trekkingrad des Zeugen T_____ im Wert von 599 Euro aus dem Hinterhof Büsingstr. 10 in 12161 Berlin gestohlen haben oder das durch die beschriebene Diebstahlstat von einem Dritten entwendete Fahrrad für 70,00 Euro angekauft haben, obwohl er erkannt haben soll, dass es aus einer Straftat stammt.

Der den Tatvorwurf bestreitende Angeklagte war insoweit aus tatsächlichen Gründen freizusprechen

Er wurde zwar am 28. Mai 2018 gegen 19.00 Uhr durch Polizeibeamte im Besitz des Fahrrades angetroffen.  Das Gericht konnte sich aber keine zweifelsfreie Überzeugung dazu bilden, dass er bei dem von ihm behaupteten Ankauf auf einem Flohmarkt für 70,00 Euro allein aus der Höhe dieses Kaufpreises im Verhältnis zum Wert des Fahrrades erkannt haben musste, dass es sich um Diebesgut gehandelt haben muss. Das Fahrrad war zwar in gutem Zustand, aber bereits mehrere Jahre alt.

 

VI.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 Strafprozessordnung, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist. Soweit er freigesprochen wurde, beruhte die Kostenentscheidung auf § 467 Abs. 1 Strafprozessordnung.

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