Amtsgericht Rostock Beschluss, 23. Juli 2008 - 11 F 159/08

bei uns veröffentlicht am23.07.2008

Tenor

1. Die Herausgabe des Kindes A, geboren am 21.07.2007, an den Antragsteller wird zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Großbritannien angeordnet.

2. Die Antragsgegnerin oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, ist verpflichtet, das vorgenannte Kind an den Antragsteller herauszugeben.

3. In Vollzug der Ziffer 2. wird der Gerichtsvollzieher ermächtigt und beauftragt, der Antragsgegnerin das Kind wegzunehmen und dem Antragsteller an Ort und Stelle zu übergeben.

Das Gericht ermächtigt den Gerichtsvollzieher, zur Durchsetzung dieser Anordnung, sofern dies erforderlich ist, unmittelbaren Zwang gegen die Antragsgegnerin oder jede andere Person anzuwenden. Der Gerichtsvollzieher wird ferner ermächtigt und beauftragt, die Wohnung der Antragsgegnerin sowie die Wohnung jeder anderen Person, bei der sich A. aufhält, zu durchsuchen sowie die Unterstützung der Polizei in Anspruch zu nehmen.

4. Die Antragsgegnerin als Herausgabeverpflichtete wird darauf hingewiesen, dass sie bei Nichtauffinden des Kindes zwecks Abgabe der eidesstattlichen Versicherung über den Verbleib des Kindes geladen oder vorgeführt und das auch Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten angeordnet werden kann. Die Kosten hierfür fallen der Herausgabeverpflichteten zur Last.

5. Die Gerichtskosten werden gegeneinander aufgehoben. Eine Erstattung der außergerichtlichen Kosten findet nicht statt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller ist tunesischer Staatsangehöriger. Die Antragsgegnerin ist deutsche Staatsangehörige. Die Parteien leben seit Februar 2006 zusammen in Großbritannien.

2

Aus der Beziehung ist der gemeinsame Sohn A., geboren am 21.07.2007 hervorgegangen.

3

Nach der Geburt des Kindes ist die Antragsgegnerin mit dem Kind zu den Eltern des Antragstellers nach Tunesien gereist und hat dort den Antragsteller am 17.11.2007 geheiratet. Anschließend ist sie nach Großbritannien zum Antragsteller zurückgekehrt. In Großbritannien lebten die Parteien zum Teil vom Einkommen des Antragstellers, später von staatlichen Leistungen, die durch die Antragsgegnerin in Anspruch genommen wurden.

4

Im Januar 2008 beantragte der Antragsteller für sich eine Aufenthaltsgenehmigung für Großbritannien. Seit Februar 2008 liegt eine Bescheinigung über die Antragstellung der Aufenthaltsgenehmigung des Innenministeriums vor, deren Vorlage bei einem Arbeitgeber den Antragsteller zur Arbeit berechtigt.

5

Als die Antragsgegnerin beabsichtigte, mit dem Kind vorübergehend nach Deutschland zu reisen, buchte der Antragsteller für sie ein Flugticket nach Deutschland für den 28.04.2008 mit Rückflugticket für den 29.05.2008. Wie sich bei Abflug herausstellte durfte die Antragsgegnerin nur einen Koffer mitnehmen. Sie ließ die Babysachen zurück, welche ihr der Antragsteller am 30.04.2008 mit einem Paket nachschickte.

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Mit E-Mail vom 01.05.2008 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter anderem mit:

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"...... schon nach ein paar Wochen habe ich gewusst, dass wir nicht zusammen passten.... ich werde nicht zurückkommen......ich werde mich nicht auf den Papieren scheiden lassen, so kannst du dort bleiben, wenn du mich und A. finanziell unterstützt. A. kannst du selbstverständlich zu jeder Zeit besuchen kommen.....".

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Der Antragsteller antwortete mit E-Mail vom 20.05.2008:

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".......wenn dies deine endgültige Entscheidung ist, dann ist es ja in Ordnung.... ich werde dich niemals zwingen, etwas zu tun, womit du nicht glücklich wärst. Das Wichtigste ist A....ich vertraue dir.....du bist eine gute Muslima, bitte halte an deinem Iman (Glauben) fest und halte deine Hände über A., mehr als sonst jemand anderes die Hände über ihn hält....ich werde mir alles mögliche tun, um euch beide zu unterstützen......"

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In der Folgezeit fand zwischen den Parteien ein regelmäßiger E-Mail-Austausch statt. So schreibt der Antragsteller unter dem 04.05.2008: " ....... er braucht seine Mutter mehr als seinen Vater, damit bin ich einverstanden, bis zum Alter von 7 Jahren, dann müssen wir uns zu gleichen Teilen um ihn kümmern." Wenige Minuten später mailt er: "..... der Gesandte Allahs..... sprach zu ihr: " dein Recht auf ihn ist größer, solange du nicht noch einmal heiratest. "

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Danach wurde weiter über Scheidung und Umgangsmöglichkeiten kommuniziert. Am 11.05.2008 bat der Antragsgegner die Antragstellerin ihm das Online-Ticket per E-Mail zu schicken.

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Unter dem 15.05.2008 bittet die Mutter den Vater um schriftliche Zustimmung zum Verbleib des Sohnes in Deutschland. Hierauf reagiert der Antragsteller mit E-Mail vom 15.05.2008: " Ich erwarte dich am 29. zurück. Bring mein Baby dahin zurück, wo es wohnt. Was du getan hast ist nicht rechtens! Wir haben beide das Sorgerecht. Wir können die Scheidung hier in London abwickeln. Lass das Gericht entscheiden, was für das Baby besser ist. Du versuchst, das alleinige Sorgerecht zu bekommen, indem du mich mit dem Home Office erpresst. Das ist nicht richtig. Ich mache mir darüber keine Sorgen. Ich will mein Baby wieder hier haben und du wirst es zurückbringen! "

13

Unter dem 18.05.2008 schreibt die Antragsgegnerin unter anderem: ".....Ich werde am 29. zurückkommen, nicht für immer, aber für eine Woche. So kannst du etwas Zeit mit ihm verbringen....ich werde dir Bescheid geben, damit du ein Ticket für den Rückflug nach Deutschland buchst. Ich weiß noch nicht an welchem Tag, o.k. Ich hoffe, dass wir als Eltern gut zusammen funktionieren können, weil ich A. nicht verlieren möchte und du willst das auch nicht. " Zugleich bat sie nochmal darum, das Papier zu unterschreiben, dass sie dem Antragsteller bereits geschickt hatte. Dieses tat er nicht.

14

Unter dem 18.05.2008 schreibt der Antragsteller unter anderem: ".....aber du musst einsehen, dass es nicht richtig ist, das du A. dort behältst....du musst am 29. nach London zurückkehren, bitte!..... dann werden wir hier unsere Probleme klären.....sorge dich nicht um A.....er ist dein Sohn, und er wird bei dir bleiben......niemand kann ihn dir wegnehmen, und ich will ihn dir bestimmt nicht wegnehmen. "

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Am 21.06.2008 schreibt der Antragsteller nochmals ".....ich bitte dich sobald wie möglich mit A. zurückzukommen, bitte. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde euch beiden eine Wohnung beschaffen und man wird sich sehr gut um euch kümmern, und ich verspreche dir, ich werde nicht bei dir wohnen. Es wäre besser, wenn wir die Scheidung und den Sorgerechtsbeschluss im Vereinigten Königreich abwickeln, wo A. gewöhnlich wohnt. So entführst du das Baby. Es wird die Dinge für alle schwer machen, für dich und auch für mich. "

16

Der Antragsteller trägt vor, die Antragsgegnerin habe das Kind unter Verletzung des gemeinsamen Sorgerechts widerrechtlich zurückgehalten. Er habe den dauerhaften Aufenthalt des Kindes in Deutschland nicht genehmigt. Der entscheidungserhebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Zustimmung könne frühestens der 29.05.2008 sein, da er bis zu diesem Zeitpunkt damit rechnen konnte, dass die Mutter den Rückflug antritt, insbesondere nachdem sie dies am 18.05.2008 in einer E-Mail zugesagt hatte. Sollten seine E-Mails vor diesem Zeitpunkt als Zustimmung gewertet werden, so sei dies unerheblich, wenn er spätestens bis zum 29.05. der Mutter klar gemacht habe, dass er keine Zustimmung zum Verbleib des Sohnes in Deutschland erteilen werden. Eine Genehmigung hätte erst nach Verstreichen des geplanten und gebuchten Rückfluges am 29.05.2008 erfolgen können. Im übrigen sei in seinen E-Mails eine Genehmigung nicht zu sehen. Der Mutter sei die Rückkehr nach Großbritannien auch zumutbar. Sie könne als EU-Bürgerin zurückgehen, da ihr alle staatlichen Unterstützungen offen stünden.

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Der Antragsteller beantragt:

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1. Die Herausgabe des Kindes A. an den Antragsteller wird zum Zwecke der sofortigen Rückführung nach Großbritannien angeordnet.

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2. Die Antragsgegnerin oder jede andere Person, bei der sich das Kind aufhält, ist verpflichtet, das vorgenannte Kind an den Antragsteller herauszugeben.

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Die Antragsgegnerin beantragt,

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die Anträge zurückzuweisen.

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Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, eine gemeinsame elterliche Sorge bestehe nicht. Im übrigen habe der Antragsteller den Aufenthalt des Kindes in Deutschland genehmigt. Könne sich nicht vorstellen, mit dem Kind nach London zurückzukehren. Sie habe bis zum heutigen Tag keine Berufsausbildung. Sie wolle nunmehr in Deutschland ihre Schule zu Ende bringen und eine Berufsausbildung aufnehmen. Sie wäre mit dem Leben in Großbritannien allein, erst recht mit dem gemeinsamen Kind völlig überfordert. Der Antragsteller seinerseits sei nicht in der Lage, für das einjährige Kind tatsächlich Sorge zu tragen. Sie ist der Auffassung, dass aufgrund der Gesamtsituation davon auszugehen sei, dass die Rückführung des Kindes gemäß Artikel 13 Abs. 1 b HKÜ abzulehnen sei, wenn das zuständige Familiengericht in Großbritannien unter den gegebenen Umständen zumindest das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Antragsgegnerin übertragen müsse mit der Folge, dass sie anschließend sogleich mit dem Kind nach Deutschland zurückkehren würde. Bei einer derartig eindeutigen Entscheidungslage hinsichtlich der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes müsse das vom HKÜ verfolgte abstrakte Kindeswohlinteresse, wonach die Rückführung grundsätzlich dem Kindeswohl am besten entspreche, hinter dem konkret festgestellten Kindeswohlinteresse zurücktreten.

II.

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Der Antragsteller kann die Rückführung des Kindes nach Großbritannien gemäß Artikel 12 Abs. 1 des Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (HKÜ) verlangen, weil die Antragsgegnerin das Kind widerrechtlich in Deutschland zurückgehalten hat und keiner der Ausnahmetatbestände des Artikel 13 HKÜ, die gegen eine Rückgabe sprechen könnten, gegeben ist.

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Gemäß Artikel 3 Abs. 1 HKÜ gilt das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes als widerrechtlich, wenn dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte oder dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte. Ein widerrechtliches Zurückhalten liegt vor, wenn das Kind mit Billigung des Sorgeberechtigten Elternteils zunächst von einem Vertragsstaat in den anderen Vertragsstaat verbracht wird und nach Ablauf einer festgelegten Besuchsfrist nicht an den sorgeberechtigten Elternteil herausgegeben wird.

25

( vgl. Bach/Gildenast, Internationale Kindesentführung, Rn. 74). Beim widerrechtlichen Zurückhalten des Kindes kommt es auf den Zeitpunkt an, indem das Kind dem sorgeberechtigten Elternteil hätte zurückgegeben werden müssen ( Bach/Gildenast a.a.O. Rn. 88).

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So liegt der Fall hier. Die Parteien hatten bis zur Abreise der Antragsgegnerin mit dem Kind nach Deutschland im April 2008 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Großbritannien. Die Zurückhaltung des Kindes in Deutschland erfolgte auch widerrechtlich, da unter Verletzung des Mitsorgerechts des Antragstellers. Nach britischem Recht steht die elterliche Verantwortung den Eltern gemeinsam zu, wenn sie verheirate sind ( Sec. 2 Abs. 1 Children Akt 1989). Sind die Eltern zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, hat - zunächst - nur die Mutter die elterliche Verantwortung ( Sec. 2 Abs. 2 Children Akt 1989). Der Vater erwirbt die elterliche Verantwortung, wenn er gemäß den Vorschriften des Births and Deaths Registration Act 1953 als Vater des Kindes eingetragen wird. Vorliegend ist das Kind vor der Eheschließung geboren, der Vater ist jedoch in die Geburtsurkunde des Kindes eingetragen. Der Antragsteller hat die Sorge auch tatsächlich ausgeübt. Die Parteien haben bis zum Abflug gemeinsam gelebt. Der Antragsteller hat der Auslandsreise zugestimmt und das Flugticket gekauft. Auch die Kindesmutter selbst geht in dem gesamten Schriftverkehr durchgehend von einem gemeinsamen Sorgerecht aus. Die Verlängerung des Aufenthalts des Kindes in Deutschland über den 28.05.2008 hinaus war auch ab dem 29.05. widerrechtlich.

27

Die Antragsfrist des Artikel 12 HKÜ wurde gewahrt.

28

Eine Ausnahmetatbestand nach Artikel 13 HKÜ liegt nicht vor. Gemäß Artikel 13 Abs. 1 a HKÜ kann die Rückführung unterbleiben, wenn der Antragsteller dem Verbringen oder Zurückhalten zustimmt oder dieses nachträglich genehmigt hat. Die Beweislast für die Zustimmung bzw. Genehmigung der dauerhaften Aufenthaltsänderung trägt derjenige, welcher sich der Rückgabe des Kindes widersetzt. Dieser Beweis ist der Antragsgegnerin nicht gelungen.

29

Die Genehmigung kann, ebenso wie die Zustimmung, formlos erteilt werden. Sie kann sich zwar aus einer einmaligen Erklärung oder aus den Umständen ergeben, aber nicht aus bloßer zeitweiliger Hinnahme des Aufenthalts beim Verbringer, vor allem wenn dies in Unkenntnis der Möglichkeiten des HKÜ geschieht (vgl. Staudinger/Pirrung, BGB, Vorb. zu Artikel 19 EGBGB Rn. 682).

30

Es ist bereits zweifelhaft, ob in den in den E-Mails getätigten Aussagen des Antragstellers eine solche Genehmigung gesehen werden kann. Er hat zu keinem Zeitpunkt ausdrücklich mitgeteilt, dass er mit dem dauerhaften Aufenthalt des Kindes in Deutschland einverstanden ist. Aber selbst wenn die von ihm getätigten Aussagen und die anschließende Diskussion um seine Besuche in Deutschland bzw. den Umgang als Genehmigung zu bewerten wären, so hat sich der Antragsteller am 15.05.2008 unmissverständlich dahin geäußert, dass er die Antragsgegnerin mit dem Kind am 29.05.2008 zurück erwartet, und dass sie das Kind dorthin zurück zu bringen habe, wo es seinen ständigen Aufenthalt hatte. Jedenfalls ab dem 15.05.2008 hat der Antragsteller auf eine Rückführung des Kindes bestanden. Der entscheidungserhebliche Zeitpunkt für die Beurteilung des Vorliegens einer Zustimmung bzw. einer Genehmigung kann jedoch frühestens der 29.05.2008 sein. Im Fall des Zurückhaltens ist der Ablauf der eingeräumten Umgangsfrist maßgeblich, auch wenn die Absicht, das Kind nicht zurückzugeben, schon vorher erkennbar wird (Staudinger/ Pirrung, a.a.0 Rn. 676). Insbesondere in dem Übersenden der Babysachen kann keine Genehmigung gesehen werden. Das Paket hat der Antragsteller abgeschickt, bevor die Antragsgegnerin ihre Trennungsabsicht überhaupt kundgetan hat.

31

Die Rückgabe des Kindes hat auch nicht gemäß Artikel 13 b HKÜ zu unterbleiben, da die Antragsgegnerin nicht nachgewiesen hat, dass diese mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden ist. Das HKÜ dient dem Ziel, die Beteiligten von einem widerrechtlichen Verbringen des Kindes ins Ausland abzuhalten und die Sorgerechtsentscheidung am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthaltes des Kindes sicher zu stellen. Die Berücksichtigung von zwangsläufig mit jeder Rücküberstellung verbundenen Belastungen für das Kind im Rahmen der Folgeabwägung würde dem so verstandenen Schutz des Kindes  widersprechen. Deshalb ist eine enge Auslegung von Artikel 13 HKÜ geboten und nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls können einer Rückgabe des Kindes entgegenstehen. Für solche ungewöhnlich schwerwiegenden Beeinträchtigungen liegen keine Anhaltspunkte vor.

32

Die Antragsgegnerin hat zwar in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie nicht nach Großbritannien zurückgehen wolle. Eine Trennung von ihr wäre für das jetzt gerade einmal einjährige Kind sicherlich eine sehr schwere Belastung. Hierauf kann sich die Antragsgegnerin aber nicht berufen, da es ihr zuzumuten ist, mit dem Kind in den Herkunftsstaat zurück zu kehren. Wer durch die Ablehnung der Begleitung eines Kindes selbst die Gefahr schafft, kann diese nicht der Rückführung entgegenhalten. Auch das die Antragsgegnerin nunmehr beabsichtigt, in Deutschland ihre Schule zu beenden und eine Ausbildung zu beginnen und eine Rückkehr nach Großbritannien für sie Nachteile mit sich bringt, ist unbeachtlich. Einer etwaigen Gefährdung für die Entwicklung des Kindes ist dadurch zu begegnen, dass die Mutter mit ihm nach Großbritannien zurückkehrt. Dies muss der entführende Elternteil auf sich nehmen, auch wenn er selbst dadurch Nachteile erleidet. Finanzielle Probleme reichen ebenso wenig für die Ablehnung der Rückgabe aus wie sonstige Schwierigkeiten der Mutter, um in Großbritannien wieder sesshaft zu werden oder dort ihren Lebensunterhalt zu sichern (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1142). Darüber hinaus hat die Kindesmutter in der mündlichen Verhandlung auch mitgeteilt, dass sie überlegt habe, falls sie besuchsweise nach Großbritannien fliege, vorübergehend bei dem Antragsteller zu leben. Auch hat sie bereits von Sozialleistungen in Großbritannien gelebt. Es ist ihr zumutbar dies für einen gewissen Zeitraum wieder hinzunehmen und gegebenenfalls nach einer Entscheidung des zuständigen Gerichts in Großbritannien nach Deutschland zurückzukehren. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass der Antragsgegnerin als EU-Bürgerin ein eigenes Aufenthaltsrecht in Großbritannien zukommt.

33

Die Rückgabe des Kindes ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil ein britisches Gericht in einer Sorgerechtsentscheidung ohnehin der Mutter die elterliche Sorge zusprechen würde und deshalb dem Kind ein Wechsel des Aufenthalts in den Herkunftsstaat und dann die Rückkehr nach Deutschland nicht zumutbar erscheint. Das HKÜ soll gerade verhindern, dass sich der entführende Elternteil durch die Entführung der Gerichtsbarkeit des Herkunftsstaates entzieht. Es soll eine Sorgerechtsentscheidung am Ort des früheren gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes gewährleisten. Wenn das um die Rückgabeentscheidung ersuchte Gericht gewissermaßen im Vorgriff auf die materielle Sorgerechtsentscheidung das Recht des Herkunftslandes an, so träfe es eine Sorgerechtsentscheidung anstelle des Gerichts des Herkunftslandes. Gerade dies widerspricht jedoch den Zweck des HKÜ.

34

Die Beauftragung des Gerichtsvollziehers beruht auf § 33 FGG.

35

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 13 a FGG, 26 HKÜ. Angesichts der Gesamtumstände, insbesondere der schlechten finanziellen und der tatsächlichen Situation der Antragsgegnerin, sieht das Gericht von der Auferlegung der außergerichtlichen Kosten ab.

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