Amtsgericht München Beschluss, 17. Jan. 2017 - VR 304

bei uns veröffentlicht am17.01.2017

Gericht

Amtsgericht München

Tenor

Eine Löschung des ... e.V. (...) von Amts wegen wird abgelehnt.

Das Amtsermittlungsverfahren gem. § 395 FamFG wird eingestellt.

Gründe

Auf Anregung wurde ein Verfahren betreffend die Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister eingeleitet, § 24 FamFG. Gegenstand der Überprüfung war das mögliche Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs im Sinne der §§ 21 und 22 BGB.

Gem. § 395 FamFG können Eintragungen, die zur Zeit der Ersteintragung wegen Fehlens einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig waren oder nachträglich unzulässig geworden sind, von Amts wegen aus dem Register gelöscht werden.

Gem. § 21 BGB erlangt nur ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister. Anerkannt ist allerdings eine wirtschaftliche Tätigkeit, sofern diese dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck zu- und untergeordnet und Hilfsmittel zu dessen Erreichung ist (sog. Nebenzweckprivileg).

Untersucht wurde daher, ob sich ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb auf der Vereinsebene selbst sowie im Zusammenspiel mit den Gesellschaften, an denen der ... e.V. (...) beteiligt ist, feststellen lässt, welcher auch nicht durch das Nebenzweckprivileg legitimiert ist.

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 29.09.1982 (I ZR 88 /80) entschieden, dass durch die rechtliche und organisatorische Trennung von Beteiligungsgesellschaften und dem ... e.V. (...), eine Geschäftstätigkeit der Beteiligungsgesellschaften vereinsrechtlich nicht als Tätigkeit des Vereins anzusehen ist.

Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb könne auch nicht darin erblickt werden, dass dem Verein sämtliche Anteile an den Beteiligungsgesellschaften gehören und er mit ihnen personell in vielfacher Hinsicht verflochten ist sowie geschäftsleitende Befugnisse in der von ihm allein beherrschten Gesellschaften ausübt.

Zu damaliger Zeit konnte auch in der Unterstützung der Untergliederungen ohne angemessene Gegenleistung kein Verstoß gegen § 21 und § 22 BGB gesehen werden, da die Tätigkeiten durch das Nebenzweckprivileg legitimiert waren.

Das Urteil wurde allerdings in der Literatur häufig dahingehend kritisiert, dass es die Interessen der Vereinsgläubiger nicht ausreichend berücksichtige. Das Handeln der Beteiligungsgesellschaften sei dem Verein stärker zuzurechnen.

Der Verein hat in den vergangen drei Jahren strukturelle Maßnahmen ergriffen, mit der Zielsetzung, die seit der Urteilsfindung fortentwickelte Vereinstätigkeit auch heute noch mit den in dem Urteil des Bundesgerichtshofs aufgestellten Maßstäben in Einklang zu bringen. Er hat durch seine neue auf drei Säulen basierende Organisationsstruktur aber auch der Kritik am Urteil des Bundesgerichtshofs Rechnung getragen.

Nach der erfolgten Reform des Vereins wurden kommerzielle Tätigkeiten, die nicht bereits den Beteiligungsgesellschaften zugeordnet waren und nicht mit dem Nebenzweckprivileg vereinbar sind, in eine europäische Aktiengesellschaft, der ... SE und ihren Tochtergesellschaften ausgelagert. Ideelle Tätigkeiten werden durch den Verein erbracht. Die Erträge der Beteiligungsgesellschaften kommen anteilig dem ... e.V. (...) sowie einer neu gegründeten ... Stiftung zugute. In dieser werden die gemeinnützigen Aktivitäten der „...-Gruppe“ zusammengefasst.

Eine Beherrschung der ... SE bzw. seiner Beteiligungsgesellschaften durch den Verein ist ausgeschlossen.

Die neue Zwischenholdingsgesellschaft ... SE hat einen weisungsunabhängigen Vorstand. An der ... SE ist der ... e.V. (...) nur noch mit 74,9% der Aktien beteiligt. 25, 1% der Aktien werden durch die ... Stiftung gehalten.

Eine personelle Verflechtung zwischen der Vereinsführung und dem Vorstand der ... SE liegt nicht vor. Die Vereinsorgane des ... e.V. (...) werden künftig nicht mehr die Mehrheit im Aufsichtsrat des ... SE sowie im Stiftungsrat der ... Stiftung stellen.

Bei der gegebenen Sachlage kann ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb des Vereins, der eine Amtslöschung gem. § 395 FamFG geboten erscheinen ließe, nicht festgestellt werden. Soweit wirtschaftliche Tätigkeiten ausgeübt werden, unterliegen sie dem Nebenzweckprivileg.

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Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 395 Löschung unzulässiger Eintragungen


(1) Ist eine Eintragung im Register wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, kann das Registergericht sie von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe löschen. Die Löschung geschieht durch Eintragung eines Vermerk

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 21 Nicht wirtschaftlicher Verein


Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 22 Wirtschaftlicher Verein


Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Land zu, in dessen Gebiet der

Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit - FamFG | § 24 Anregung des Verfahrens


(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden. (2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterricht

Referenzen

(1) Ist eine Eintragung im Register wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, kann das Registergericht sie von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe löschen. Die Löschung geschieht durch Eintragung eines Vermerks.

(2) Das Gericht hat den Beteiligten von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu bestimmen. § 394 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gilt § 393 Abs. 3 bis 5 entsprechend.

(1) Soweit Verfahren von Amts wegen eingeleitet werden können, kann die Einleitung eines Verfahrens angeregt werden.

(2) Folgt das Gericht der Anregung nach Absatz 1 nicht, hat es denjenigen, der die Einleitung angeregt hat, darüber zu unterrichten, soweit ein berechtigtes Interesse an der Unterrichtung ersichtlich ist.

Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.

Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Land zu, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hat.

(1) Ist eine Eintragung im Register wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, kann das Registergericht sie von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe löschen. Die Löschung geschieht durch Eintragung eines Vermerks.

(2) Das Gericht hat den Beteiligten von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu bestimmen. § 394 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gilt § 393 Abs. 3 bis 5 entsprechend.

Ein Verein, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister des zuständigen Amtsgerichts.

Ein Verein, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, erlangt in Ermangelung besonderer bundesgesetzlicher Vorschriften Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung. Die Verleihung steht dem Land zu, in dessen Gebiet der Verein seinen Sitz hat.

(1) Ist eine Eintragung im Register wegen des Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulässig, kann das Registergericht sie von Amts wegen oder auf Antrag der berufsständischen Organe löschen. Die Löschung geschieht durch Eintragung eines Vermerks.

(2) Das Gericht hat den Beteiligten von der beabsichtigten Löschung zu benachrichtigen und ihm zugleich eine angemessene Frist zur Geltendmachung eines Widerspruchs zu bestimmen. § 394 Abs. 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(3) Für das weitere Verfahren gilt § 393 Abs. 3 bis 5 entsprechend.