Amtsgericht Charlottenburg Urteil, 11. Apr. 2019 - 218 C 129/18
Amtsgericht Charlottenburg
Urteil vom 11. Apr. 2019
Az.: 218 C 129/18
In dem Rechtsstreit
des Herrn K____, _______ __, _____ ______,
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Meschkat & Nauert, Katharinengasse 1, 35390 Gießen,-
Klägers,
g e g e n
die ______ GmbH,
vertreten d.d. Geschäftsführerin ____ ___, ___________ __, _____ Berlin,
- Prozessbevollmächtigte: BSP Rechtsanwälte ,
Oranienburger Str. 69, 10117 Berlin,-
Beklagte,
hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 218, auf die mündliche Verhandlung vom 21.03.2019 durch die Richterin am Amtsgericht Krumrey für Recht erkannt: .
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 500,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent punkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.04.2018 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger 83,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Pro zentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.05.2018 zu zahlen.
3. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 85 % und die Beklagte 15 %.
5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die vorläufige Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 11O % des aus diesem Urteil beitreibbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
6. Der Streitwert wird auf 3.375,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Rückerstattungsansprüche nach einer Eigenhaartransplantation.
Der Kläger ließ bei der Beklagten am 26.02.2018 eine Eigenhaartransplantation vornehmen und zahlte dafür vereinbarungsgemäß 4.500,00 €.
Unstreitig wurden dem Kläger - vereinbarungsgemäß - 2.300 Grafts (das sind lt. Wikipedia natürliche Gruppierungen von ein bis vier (in seltenen Fällen auch fünf) Haaren) am Hinterkopf entnommen. Anschließend wurden dem Kläger Grafts im Stirn- und Schläfenbereich implantiert. Wegen des Eingriffs wird Bezug genommen auf den OP-Bericht vom 26.02.2018 (Anlage K 1 = BI. 15) und wegen des Ergebnisses unmittelbar nach dem Eingriff auf das zusammengesetzte Foto (Anlage K 2 = BI. 16).
Der Kläger ist der Auffassung, es sei eine Minderleistung erbracht worden, weshalb er das ·gezahlte Honorar teilweise zurückverlangen könne. Die Forderung berechnet er anhand des Verhältnisses zwischen der vereinbarten Graftanzahl (2.300) und den implantierten 600 Grafts. Insofern verlangt er 3/4 des Honorars von 4.500,00 € zurück.
Der Kläger beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.375,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.04.2018 zu zahlen;
2. die Beklagte weiter zu verurteilen, an ihn 431,64 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.05.2018 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
- die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, es seien nicht nur 2.300 Grafts entnommen (gestanzt) worden, sondern dieselbe Anzahl auch wieder eingesetzt worden .
Es sollte Beweis erhoben werden. Wegen der Beweisthemen wird Bezug genommen auf die Beschlüsse vom 22.10.2018 (BI. 59, 60) und vom 06.12.2018 (BI. 71). Die Beweisaufnahme ist daran gescheitert, dass die Beklagte auf die von ihr benannten Zeugen verzichtet hat und den Vorschuss für die bestellte Sachverständige nicht eingezahlt hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet, im Übrigen unbegründet.
Der Kläger hat gemäß §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 630a Abs. Abs. 1 Satz 1 BGB iVm dem unstreitigen Behandlungsvertrag Anspruch auf teilweise Rückzahlung des vereinbarten und geleisteten Honorars. Denn die Beklagte hat schuldhaft gegen die vereinbarten Pflichten verstoßen, indem sie von 2.300 entnommenen Grafts nur ca. 600 implantiert hat.
1.
Die hier vereinbarte Eigenhaartransplantation stellt einen Behandlungsvertrag iS § 630a ff. BGB dar. Denn sowohl bei der Entnahme (Stanzungen) als auch beim Einsetzen der Grafts (Implantation) erfolgt eine medizinische Behandlung, die mit der Verletzung der Haut und dem Versetzen von Eigengewebe, den Grafts, verbunden ist.
Dieser Behandlungsvertrag ist insgesamt als Dienstvertrag über Dienste höherer Art anzusehen.
Soweit ersichtlich hatte die Beklagte nur eine den allgemeinen Grundsätzen der Wissenschaft entsprechende Behandlung versprochen: Davon darf das Gericht auch ohne Vorlage des Behandlungsvertrages und des Aufklärungsbogens ausgehen. Bei medizinischen Behandlungen, wie sie auch hier vereinbart war, stellt § 630b BGB klar, dass der Behandlungsvertrag ein besonderer Dienstvertrag ist, auf den grundsätzlich auch die allgemeinen Vorschriften der §§ 611 ff BGB anwendbar sind (BGH, Urteil vom 13. September 2018 - 111 ZR 294/16 -, Rn. 15, juris).
Dem gegenüber hat der streitgegenständliche Behandlungsvertrag, anders als z.B. ein Vertrag über zahnprothetische Versorgung, keinen Anteil mit werkvertraglichem Charakter. Insofern kommt die Anwendung der werkvertraglichen Gewährleistunsregeln, z.B. Minderung im Falle von Minderleistung und/oder Mängeln, nicht in Betracht.
Weil der Behandler bei einem solchen Vertrag keinen Erfolg, sondern nur die Erbringung der von ihm versprochenen Dienste schuldet und das Dienstvertragsrecht keine Gewährleistungsregeln kennt, kann der Vergütungsanspruch bei einer unzureichenden oder pflichtwidrigen Leistung grundsätzlich nicht gekürzt werden oder in Fortfall geraten (BGH, Urteil vom 13. September 2018 - III ZR 294/16 -, Rn. 16, juris). Liegt ein Behandlungsfehler vor, können sich allerdings Rechte und (Gegen-)Ansprüche des Patienten insbesondere aus § 280 Abs. 1 BGB ergeben (Palandt Weidenkaff BGB 76. Aufl. § 630a, Rdnr. 41) .
Ein Behandlungsfehler liegt beispielsweise vor, wenn der Behandelnde vom geschuldeten Pflichtprogramm abweicht (Palandt aaO. Rdnr. 25). Das geschuldete Pflichtprogramm war hier die Entnahme und die Implantation von 2.300 Grafts. Das ist dem OP-Bericht hinreichend deutlich zu entnehmen.
Dem steht nicht entgegen, dass weder der eigentliche Behandlungsvertrag, noch die Rechnung der Beklagten zur Akte gereicht worden sind. Denn der Patient darf erwarten, dass sämtliche entnommenen Grafts auch wieder eingesetzt werden. Dabei ist es Sache des Arztes, nicht mehr Grafts zu entnehmen, als er für die spätere Implantation benötigen wird. Diese Zahl abzuschätzen ist ebenfalls Aufgabe des Arztes und nicht Risiko des Patienten.
Vorliegend hat die Beklagte nicht bewiesen, dass sie tatsächlich 2.300 Grafts wieder implantiert hat. Die Beweislast dafür liegt bei ihr, wie § 630 h Abs. 1 zu entnehmen ist.
Dem steht nicht entgegen, dass im OP-Bericht von 2.300 Grafts die Rede ist. Denn diese Zahl erscheint nur im Zusammenhang mit der Entnahme (Stanzungen). Soweit 3 Sätze weiter „die vorsichtige Implantation der Grafts" beschrieben ist, bleibt unklar, .wie viele Grafts denn nun implantiert wurden. Es ist nicht auszuschließen, dass alle Grafts gemeint sind, sicher ist das aber nicht. Gegen die Implantation von 2.300 Grafts spricht jedenfalls das vom Kläger vorgelegte Foto, auf dem nur ca. 600 winzige „Beulen" zu erkennen sind. Soweit dem Gericht ersichtlich, ist jede dieser winzigen „Beulen" die Folge der Implantation eines Grafts. Anderes hat auch die .Beklagte nicht vorgetragen. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend die Implantation von nur ca. 600 Grafts statt der entnommenen und wohl auch vereinbarten 2.300 Grafts gleichwohl eine fachgerechte Behandlung sein könnte, hat die Beklagte ebenfalls nicht dargetan.
Die Beklagte hat auch nicht bewiesen, dass tatsächlich 2.300 Grafts implantiert worden wären. Sie hat für diesen Sachvortrag zunächst 3 Zeugen angeboten, dann aber auf diese verzichtet. Soweit sie Sachverständigengutachten angeboten hat, ist der angeforderte Vorschuss trotz Mahnung und Hinweises nicht gezahlt worden.
Den dem Kläger durch die Fehlbehandlung entstandenen Schaden schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO auf 500,- €.
Zu bemessen ist der Schaden daran, was der Kläger für die Eigenhaartransplantation hätte zahlen müssen, wenn die Parteien sich von vornherein auf die Entnahme und Implantation von 600 Grafts geeinigt hätten. Denn er verlangt eben nicht die Kosten einer künftigen Folge-OP, mit der eine Nachverdichtung vorgenommen werden könnte. Das beruht vermutlich darauf, dass der Kläger mit dem Erscheinungsbild durchaus zufrieden ist, wie er im Termin vo.m 20.09.2018 mitteilte. Auch das Gericht konnte im Termin feststellen, dass der Kläger nach der OP einen einheitlich geraden Haaransatz über der Stirn hat, der auch dann nicht unnatürlich licht wirkt, wenn der „Pony" steil nach oben frisiert ist. Dabei verkennt das Gericht nicht, dass bei hochfrisiertem Pony noch in ca. 1 - 2 cm Entfernung von den _ ersten Haarwurzeln Kopfhaut zu erkennen war. Jedoch ist auch bei Menschen mit natürlichem Haarwuchs die Kopfhaut ein Stück weit hinter dem Haaransatz zu er kennen, wenn die Haare hochfrisiert werden. Zudem hat der Kläger weder zu solchen Kosten einer Folge-OP noch zu seiner Absicht, eine solche durchführen zu lassen, vorgetragen.
Angesichts der sog. Sowieso-Kosten im Falle einer OP kann der Minderpreis für die Transplantation von nur 600 Grafts statt 2.300 Grafts nicht einfach anhand der Relation zum vereinbarten Honorar bemessen werden. Abzustellen ist vielmehr auf eine ex-ante-Betrachtung, was die Parteien vereinbarten hätten, wenn gleich die Transplantation von nur 600 Grafts vereinbart worden wäre. Mangels sonstiger Angaben schätzt das Gericht dieses Honorar auf 4.000,- €. Denn dem Kläger war die Haartransplantation einigen Aufwand wert, ohne dass es ihm grundsätzlich auf die Anzahl der Grafts angekommen wäre. Er wollte in sein Äußeres investieren und hinterher einen ansehnlichen Haaransatz haben. Letzteres hat er auch mit 600 Grafts erhalten, wie sich das Gericht im Termin vom 20.09.2018 überzeugen konnte. Und auch er ist ja mit dem Ergebnis grundsätzlich zufrieden. Auf die kolportierte „vernichtende Kritik" in einem Internetforum kommt es dem gegenüber nicht an.
Immateriellen Schaden macht der Kläger ausdrücklich nicht geltend.
Nach alle dem kann der Kläger die Differenz zwischen dem Honorar, dass die Parteien für das Versetzen von 600 Grafts vereinbart hätten, und dem, das für das Versetzen von 2.300 Grafts tatsächlich vereinbart und gezahlt worden ist, zurückverlangen. Dieser Betrag von 500,00 € ist gemäß §§ 286, 288 BGB zu verzinsen.
Der weitergehende Klageantrag war abzuweisen.
2.
Der Kläger hat darüber hinaus gemäß §§ 280, 286 BGB Anspruch auf vorprozessuale Anwaltskosten, die sich nach einem Gegenstandswert von 500,00 € berechnen und 83,54 € ausmachen.
Der weitergehende Klageantrag zu 2. war ebenfalls abzuweisen.
3.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92, 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
Der Streitwert bemisst sich anhand der Klageforderung zu 1. Die Klageforderung zu 2. ist als Nebenforderung geltend gemacht worden .