Amtsgericht Bottrop Urteil, 19. Mai 2016 - 8 C 222/15
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in selber Höhe leisten.
Der Streitwert wird auf 1010,00 EUR festgesetzt.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin begehrt Schadensersatz aus einem Verkehrsunfallgeschehen. Der Anspruch dem Grunde nach aus dem Verkehrsunfallgeschehen ist unstreitig, die Parteien streiten um die Frage, ob weiterer Nutzungsausfall zu entschädigen ist. Die Klägerin verunfallte mit ihrem Roller Q Typ …, der Roller erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2) mit Schreiben vom 17.11.2014 auf, an die Klägerin den Wiederbeschaffungswert jn Höhe von 750,00 EUR zu zahlen. Eine Zahlung durch die Beklagte zu 2) erfolgte am 16.2.2015. Nach Zahlung durch die Beklagte zu 2) schaffte die Klägerin sich umgehend einen neuen Roller an. Die Klägerin macht für die Zeit zwischen der Zahlungsaufforderung und der Begleichung der Forderung Nutzungsausfall geltend, demnach für 111 Tage. Die Beklagte zu 2) hat für den Zeitraum von 10 Tagen Nutzungsausfall entschädigt durch Zahlung von 100 EUR.
3Die Klägerin behauptet, dass sie für den gesamten Zeitraum einen Nutzungswillen gehabt habe, sie sei zudem nicht in der Lage gewesen, die Neuanschaffung eines Rollers vorzufinanzieren. Sie sei Schülerin und habe kein eigenes Einkommen. Zudem nutze sie den Roller nicht nur für Fahrten zur Schule, sondern auch für Fahrten ins Fittnessstudio oder zu ihrer Arbeitsstelle. Die Anbindung durch öffentliche Verkehrsmittel sei derart schlecht, dass sie nicht alternativ genutzt werden könne.
4Die Klägerin beantragt,
5die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 1010,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.06.2015 zu zahlen, sowie die Klägerin von ihrer ihrem Prozessbevollmächtigten gegenüber bestehende Zahlungspflicht über noch 78,90 EUR wegen dessen vorprozessualer Tätigkeit freizustellen.
6Die Beklagten beantragen,
7die Klage abzuweisen.
8Sie behaupten, dass ein Nutzungswille über den gesamten Zeitraum schon deshalb nicht vorgelegen habe, da in dem streitgegenständlichen Zeitraum Winterferien gewesen seien und die Klägerin in diesem Zeitraum den Roller nicht habe nutzen müssen. Die Beklagten vertreten zudem die Auffassung, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Schadensminderungspflicht eine Ersatzbeschaffung hätte vornehmen müssen, insofern sei die Klägerin gehalten, den Roller ggfs. durch ein privates Darlehen vorzufinanzieren. Zudem habe die Klägerin die Beklagte zu 2) zu keinem Zeitpunkt darüber informiert, dass eine Ersatzbeschaffung und eine Vorfinanzierung scheitere, sie habe dadurch ihre Schadensminderungspflicht verletzt. Das Zuwarten bis zur Ausgleichung durch die Beklagte zu 2) spreche zudem gerade gegen den Nutzungswillen der Klägerin.
9Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zur Gerichtsakte gelangten Schriftsätze sowie Urkunden Bezug genommen.
10Entscheidungsgründe:
11Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen weiteren Anspruch auf Zahlung von Nutzungsausfall aus § 249 Abs. 1 BGB, denn Sie hat nicht nachgewiesen, dass sie über den geltend gemachten Zeitraum von 111 Tagen einen Nutzungswillen hatte.
12Voraussetzung für die Ersatzpflicht ist ein Verlust der Gebrauchsmöglichkeit sowie die fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung (Palandt/Grünberg, 75. Aufl. 2016, § 249, Rn. 41, 42). Ein Verlust der Gebrauchsmöglichkeit liegt hier unstreitig vor. Die fühlbare Beeinträchtigung der Nutzung setzt voraus, dass ein Nutzungswille und eine hypothetische Nutzungsmöglichkeit vorlagen. Der Nutzungswille wird grundsätzlich vermutet, wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls genutzt wurde und der Fahrer des Fahrzeugs nicht unfallbedingt an dem Fahren des Fahrzeugs gehindert war. Beides ist hier grundsätzlich gegeben, die Vermutung gilt nicht unbegrenzt. Zeitlich gesehen gilt der Anspruch grundsätzlich für die Zeit der Reparatur oder der Ersatzbeschaffung. Darüber hinaus kann ein Anspruch auf Nutzungsersatz nur unter besonderen Umständen verlangt werden, wenn der Geschädigte zum Beispiel vor dem Unfall bereits ein Neufahrzeug gekauft hat (Palandt/Grünberg, 75. Aufl. 2016, § 249, Rn. 41, 37). Das bedeutet, dass der Geschädigte über den Zeitraum der Reparatur bzw. Der Ersatzbeschaffung hinaus die besonderen Umstände darlegen muss, die für einen Nutzungswillen sprechen, dieser wird dann gerade nicht mehr vermutet. Solche besonderen Umstände liegen hier aber gerade nicht vor bzw. Sind nicht schlüssig dargelegt. Die Klägerin hat insbesondere nicht dargelegt, weshalb sie über den gesamten geltend gemachten Zeitraum untätig geblieben ist. Diese Untätigkeit belegt gerade, dass kein Nutzungswille vorlag. Wer sich im Rahmen der Schadensabwicklung gänzlich untätig zeigt, der belegt, dass ein Nutzungswille nicht besteht. Wer ein Kraftfahrzeug nutzen möchte, der setzt von sich aus alles an eine schnelle Abwicklung, der wendet sich insbesondere öfters an den Schadensregulierer, um den Erledigungsdruck zu erhöhen. Es ist davon auszugehen, dass die Nutzung des Rollers die komfortabelste Möglichkeit für die Klägerin ist, um von einem Ort zum Nächsten zu kommen. Ein Nutzungswille ergibt sich aus den angeführten Nutzungsmöglichkeiten aber gerade nicht. Das Umsteigen auf öffentliche Verkehrsmittel sowohl zur Schule, als auch zu der Arbeitsstätte ist wie die Klägerin selbst vorträgt, möglich, wenn auch unannehmlicher. Zumal die bereits angeführte Untätigkeit über den gesamten Zeitraum dafür spricht, dass andere Möglichkeiten bestanden und genutzt wurden, um die jeweiligen Orte zu erreichen (Mitnahme durch Erziehungsbechtigte oder durch Eltern der Freunde).
13Gegen den Nutzungswillen spricht auch, dass die Klägerin sich eben gerade nicht um eine Ersatzbeschaffung bemüht hat. Die Klägerin ist zwar Schülerin, aber gerade auch für Schüler gibt es die Möglichkeit, sogenannte Schülerkredite aufzunehmen. Diese setzen zwar bei minderjährigen Schülern voraus, dass die Erziehungsberechtigten mitwirken. Dass eine solche Mitwirkung hier nicht möglich war, trägt die Klägerin jedoch nicht vor. Es hätte auch die Möglichkeit bestanden, dass ein Kredit aufgenommen wird und die Erziehungsberechtigten als Bürgen eintreten, auch zu dieser Möglichkeit trägt die Klägerin nicht vor. Schließlich hat die Beklagtenseite auch wiederholt auf die Möglichkeit einer privaten Finanzierung durch Verwandte hingewiesen. Zu diesem Vortrag schweigt die Klägerin im Rahmen dieses Prozesses, kann also gerade nicht widerlegen, dass eine solche Möglichkeit bestand. Angesichts des geringen Betrages, wäre einer der genannten Finanzierungen auch zumutbar gewesen, dies hätte für keinen der Beteiligten ein hohes wirtschaftliches Risiko bedeutet, jedenfalls, wenn man davon ausgeht, dass normale wirtschaftliche Verhältnisse bestanden. Davon ist hier auszugehen, denn die Klägerin trägt nicht vor, dass andere wirtschaftliche Verhältnisse vorlagen. Wenn die Klägerin vorträgt, dass die Finanzierungsmöglichkeit nicht zumutbar war, weil aufgrund des Verhaltens der Beklagten zu 2) gar nicht sicher war, ob überhaupt gezahlt wird, so geht dieses Argument fehl, denn ein Anspruch bestand unstreitig bzw. Eindeutig, dieser hätte ggfs. eingeklagt werden müssen, was bei Verkehrsunfällen nicht unüblich ist. Der Vortrag der Klägerin ist vielmehr ein weiterer Beleg gegen einen Nutzungswillen. Denn der Vortrag ist so zu verstehen, dass die Klägerin auf eine Neuanschaffung eines Motorrollers verzichtet hätte, wenn von der Beklagtenseite keine Zahlung geleistet worden wäre. Dann aber lag kein Nutzungswille vor.
14Insgesamt liegen viele Umstände vor, die nicht nur einen Nutzungswillen nicht belegen, insofern ist die Klägerin ihrer Darlegungslast nicht nachgekommen, es liegen vielmehr Umstände vor, die gegen einen Nutzungswillen sprechen, ein solcher kann daher über den Zeitraum von zehn Tagen hinaus nicht angenommen werden. Mangels Nutzungswillen liegt dann aber auch kein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung vor.
15Da bereits der Hauptanspruch nicht besteht, hat die Klägerin auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Nebenforderungen.
16Die Kostenentscheidung sowie der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
17Rechtsbehelfsbelehrung:
18Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
191. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
202. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.
21Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Essen, Y-Straße, 45130 Essen, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.
22Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Essen zu begründen.
23Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Essen durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.
24Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.
Annotations
(1) Wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre.
(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Bei der Beschädigung einer Sache schließt der nach Satz 1 erforderliche Geldbetrag die Umsatzsteuer nur mit ein, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist.