Amtsgericht Augsburg Beschluss, 11. Nov. 2015 - 300 UR III 47/15

bei uns veröffentlicht am11.11.2015

Tenor

Der anerkennende Vater ... kann als Vater des Kindes ..., geboren am ..., ohne Nennung des Ehemanns der Mutter in das Geburtenregister eingetragen werden.

Gründe

Am 05.07.2015 hat die italienische Staatsangehörige ... in ... die Tochter ... geboren. Frau ... ist seit dem 30.07.2004 mit dem italienischen Staatsangehörigen ... verheiratet und per Gerichtsbeschluss vom 16.07.2010 getrennt von Tisch und Bett lebend. Am 11.08.2015 hat der italienische Staatsangehörige ... vor dem Standesamt ... die Vaterschaft des Kindes anerkannt. Sowohl die Mutter des Kindes, als auch der getrennt lebende Ehemann haben die Zustimmung zur Anerkennung der Vaterschaft erteilt. Das Kind, die Mutter und der anerkennende Vater haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ....

Alle Beteiligten wünschen eine Beurkundung, in der neben der Mutter ... ... als Vater eingetragen und der Ehemann nicht erwähnt wird. Bislang wurde die Geburt des Kindes, welches über die Mutter gemäß § 4 Abs. 3 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, noch nicht beurkundet.

Die elterliche Abstammung des Kindes richtet sich nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB. Vorliegend ist sowohl italienisches Recht anwendbar als Heimatrecht des Ehemanns der Mutter, als auch deutsches Recht als Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Nach dem deutschen Aufenthaltsrecht des Kindes ist gemäß § 1592 Nr. 1 BGB... der Vater des Kindes, da er mit der Kindsmutter zum Zeitpunkt der Geburt verheiratet war. Die gerichtlich bestätigte Trennung der Eheleute kann einer Eheauflösung nicht gleichgestellt werden.

Es stellt sich nun die Frage, ob daneben noch die Vaterschaft des anerkennenden ... bejaht werden kann und welcher Vaterschaft bejahendenfalls der Vorzug zu geben ist.

Das Gericht vertritt hier die Position des sog. „relativen Prioritätsprinzips“. Der Wortlaut des Art. 19 Abs. 1 EGBGB gebietet keine restriktive Auslegung dahingehend, dass wenn aufgrund eines nach dieser Vorschrift anwendbaren Rechts eine Vaterschaft einmal feststeht, der Anwendungsbereich des Art. 19 Abs. 1 EGBGB erschöpft wäre. Dem Grundsatz der Abstammungswahrheit muss hier unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Kindes der Vorzug gegenüber Statusklarheit und Rechtssicherheit eingeräumt werden.

Vorliegend liegt eine wirksame Vaterschaftsanerkennung zwar nicht nach deutschem Recht, wohl aber nach italienischem Recht vor.

Einer (einfachen) Anerkennung nach deutschem Recht steht § 1594 Abs. 2 BGB entgegen, da nach den obigen Ausführungen bereits die Vaterschaft eines anderen Mannes, nämlich des... feststeht. Auch eine sog. qualifizierte Drittanerkennung nach § 1599 Abs. 2 BGB, welche die Anerkennungssperre des § 1594 Abs. 2 BGB überwinden könnte, ist vorliegend nicht möglich. Selbst wenn man die Meinung vertritt, dass die gerichtlich bestätigte Trennung von Tisch und Bett die erforderliche Anhängigkeit eines Scheidungsantrags vor der Geburt zu substituieren vermag, so fehlt es an der erforderlichen anschließenden Auflösung der Ehe.

Nach italienischem Recht ist konstitutiv für den Status eines Kindes nicht die Tatsache, dass das Kind von einer verheirateten Frau geboren worden ist, sondern die Erklärung darüber vor dem Standesbeamten und die Aufnahme der Erklärung in die Geburtsurkunde. Unterbleibt diese Erklärung, so kann das Kind von einem Dritten anerkannt werden. Die Abstammung vom Ehemann wird also nicht vermutet. Dasselbe gilt, wenn ein Kind nach Ablauf von 300 Tagen nach der gerichtlichen Trennung geboren worden ist ( Art. 232 Abs. 2 C.c.).

Die Voraussetzungen hierfür liegen vor. Die Mutter des Kindes wünscht keine Beurkundung mit den Angaben des getrennt lebenden Mannes, ... hat die Vaterschaft anerkannt und die Mutter hat der Anerkennung zugestimmt. Nach italienischem Recht wurde damit die Vaterschaft des ... begründet.

Der Wirksamkeit der Anerkennung steht auch nicht deutsches Kollisionsrecht entgegen. Gemäß Art. 23 EGBGB unterliegt die Wirksamkeit einer Abstammungserklärung zusätzlich dem Recht des Staates, dem das Kind angehört, also deutschem Recht. Somit ist gemäß § 1599 Abs. 2 Satz 2 BGB zusätzlich die Zustimmung des Ehemann des Mutter zur Vaterschaftsanerkennung erforderlich. Diese Erklärung hat Herr ... am 11.08.2015 gegenüber dem Standesamt ... abgegeben.

Somit hat das Kind zunächst zwei Väter.

Im Rahmen einer wertenden Entscheidung ist Herrn ... zwischen den beiden konkurrierenden Vätern der Vorzug zu geben. Mit der Regelung des § 1599 Abs. 2 BGB hat der deutsche Gesetzgeber gerade ein die Vermutung der Ehelichkeit durchbrechendes Anerkenntnis in den Normenbestand aufgenommen und sich damit für die Verwirklichung des Grundsatzes der Abstammungswahrheit ausgesprochen. Scheinvaterschaften und Anfechtungen sollen reduziert werden. Auch für das Kind selbst ist diese Lösung am günstigsten, da ihm dadurch ohne Umwege zu seinem biologisch wahrscheinlichstem und wirklichen Vater verholfen wird.

Ein Verstoß gegen den ordre puplic nach Art. 6 EGBGB ist nicht erkennbar.

Zusammenfassend ist somit festzustellen, dass ausschließlich der anerkennenden ... als Vater in das Geburtenregister einzutragen ist.

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Referenzen - Gesetze

Amtsgericht Augsburg Beschluss, 11. Nov. 2015 - 300 UR III 47/15 zitiert 4 §§.

Staatsangehörigkeitsgesetz - RuStAG | § 4


(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach d

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1592 Vaterschaft


Vater eines Kindes ist der Mann,1.der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,2.der die Vaterschaft anerkannt hat oder3.dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1594 Anerkennung der Vaterschaft


(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird. (2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solang

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1599 Nichtbestehen der Vaterschaft


(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist. (2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Sch

Referenzen

(1) Durch die Geburt erwirbt ein Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Ist bei der Geburt des Kindes nur der Vater deutscher Staatsangehöriger und ist zur Begründung der Abstammung nach den deutschen Gesetzen die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so bedarf es zur Geltendmachung des Erwerbs einer nach den deutschen Gesetzen wirksamen Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft; die Anerkennungserklärung muß abgegeben oder das Feststellungsverfahren muß eingeleitet sein, bevor das Kind das 23. Lebensjahr vollendet hat.

(2) Ein Kind, das im Inland aufgefunden wird (Findelkind), gilt bis zum Beweis des Gegenteils als Kind eines Deutschen. Satz 1 ist auf ein vertraulich geborenes Kind nach § 25 Absatz 1 des Schwangerschaftskonfliktgesetzes entsprechend anzuwenden.

(3) Durch die Geburt im Inland erwirbt ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil

1.
seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und
2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (BGBl. 2001 II S. 810) besitzt.
Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit wird in dem Geburtenregister, in dem die Geburt des Kindes beurkundet ist, eingetragen. Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung Vorschriften über das Verfahren zur Eintragung des Erwerbs der Staatsangehörigkeit nach Satz 1 zu erlassen.

(4) Die deutsche Staatsangehörigkeit wird nicht nach Absatz 1 erworben bei Geburt im Ausland, wenn der deutsche Elternteil nach dem 31. Dezember 1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos. Die Rechtsfolge nach Satz 1 tritt nicht ein, wenn innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes ein Antrag nach § 36 des Personenstandsgesetzes auf Beurkundung der Geburt im Geburtenregister gestellt wird; zur Fristwahrung genügt es auch, wenn der Antrag in dieser Frist bei der zuständigen Auslandsvertretung eingeht. Sind beide Elternteile deutsche Staatsangehörige, so tritt die Rechtsfolge des Satzes 1 nur ein, wenn beide die dort genannten Voraussetzungen erfüllen. Für den Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes und nach § 15 ist die Rechtsfolge nach Satz 1 unbeachtlich.

(5) Absatz 4 Satz 1 gilt nicht

1.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, der die deutsche Staatsangehörigkeit nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 erworben hat, und
2.
für Abkömmlinge eines deutschen Staatsangehörigen, wenn dieser ohne den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen Anspruch nach Artikel 116 Absatz 2 des Grundgesetzes oder nach § 15 gehabt hätte.

Vater eines Kindes ist der Mann,

1.
der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,
2.
der die Vaterschaft anerkannt hat oder
3.
dessen Vaterschaft nach § 1600d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird.

(2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht.

(3) Eine Anerkennung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist unwirksam.

(4) Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig.

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.

(1) Die Rechtswirkungen der Anerkennung können, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden, zu dem die Anerkennung wirksam wird.

(2) Eine Anerkennung der Vaterschaft ist nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht.

(3) Eine Anerkennung unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung ist unwirksam.

(4) Die Anerkennung ist schon vor der Geburt des Kindes zulässig.

(1) § 1592 Nr. 1 und 2 und § 1593 gelten nicht, wenn auf Grund einer Anfechtung rechtskräftig festgestellt ist, dass der Mann nicht der Vater des Kindes ist.

(2) § 1592 Nr. 1 und § 1593 gelten auch nicht, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses die Vaterschaft anerkennt; § 1594 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. Neben den nach den §§ 1595 und 1596 notwendigen Erklärungen bedarf die Anerkennung der Zustimmung des Mannes, der im Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist; für diese Zustimmung gelten § 1594 Abs. 3 und 4, § 1596 Abs. 1 Satz 1 bis 3, Abs. 3 und 4, § 1597 Abs. 1 und 2 und § 1598 Abs. 1 entsprechend. Die Anerkennung wird frühestens mit Rechtskraft des dem Scheidungsantrag stattgebenden Beschlusses wirksam.