Urteils-Kommentar zu Landgericht Kempten (Allgäu) Urteil, 8. Okt. 2020 - 3 Ns 111 Js 10508/14

published on 21/06/2024 13:00
Urteils-Kommentar zu Landgericht Kempten (Allgäu) Urteil, 8. Okt. 2020 - 3 Ns 111 Js 10508/14
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Landgericht Kempten (Allgäu) Urteil, 8. Okt. 2020 - 3 Ns 111 Js 10508/14

Das Urteil

Das Landgericht Kempten (Allgäu) hat am 8. Oktober 2020 das Urteil des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 24. Januar 2019 (32 Ls 111 Js 10508/14) abgeändert. Ursprünglich war der Angeklagte, ein Facharzt für Augenheilkunde, wegen schwerer Körperverletzung in zwei und vorsätzlicher Körperverletzung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden. Das Landgericht verurteilte ihn nunmehr wegen fahrlässiger Körperverletzung in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.

 

Sachverhalt

Der Angeklagte erlitt im Jahr 2009 einen Schlaganfall mit Gehirnblutung, der zu einer rechtsseitigen unvollständigen Lähmung führte. Trotz dieser gesundheitlichen Einschränkungen nahm er ab März 2011 wieder selbstständig ambulante Augenoperationen vor. Zwischen 2011 und 2016 operierte er rund 3.000 Patienten, ohne sie über seine gesundheitlichen Probleme und deren potenzielle Auswirkungen auf die Operationen zu informieren. In neun Fällen kam es zu Augenschädigungen bei den Patienten.

 

Rechtliche Würdigung

Das Gericht prüfte, ob die unterlassene Aufklärung über die Gesundheitsprobleme des Arztes eine fahrlässige Körperverletzung gemäß § 229 StGB darstellt. Zentral war die Frage, ob die ärztlichen Eingriffe (insbesondere Kataraktoperationen) ohne ordnungsgemäße Aufklärung gerechtfertigt waren.

 

Entscheidung des Gerichts

Das LG Kempten stellte fest, dass die Strafbarkeit gemäß § 229 StGB gegeben ist. Eine allgemeine Aufklärung über die Risiken der Operationen reichte nicht aus. Der Arzt hätte die Patienten zusätzlich über seine eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen informieren müssen. Diese zusätzliche Aufklärung wäre notwendig gewesen, um den Patienten eine informierte Entscheidung über die Zustimmung zur Operation zu ermöglichen.

Erstmals legte ein Gericht ausdrücklich fest, dass Patienten über die Gesundheitsprobleme des behandelnden Arztes aufgeklärt werden müssen und dass das Unterlassen dieser Aufklärung strafrechtliche Relevanz haben kann.

 

Neue Entwicklung im Fall

Nach weiteren eingelegten Revisionen, sowohl seitens des Angeklagten als auch der Staatsanwaltschaft, hat das Bayerisches Oberstes Landesgericht (BayObLG) den Schuldspruch dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte nun wegen gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen sowie schwerer Körperverletzung verurteilt wird.

Mit dem Rechtsmittel wendete sich die Staatsanwaltschaft dagegen, dass der Angeklagte lediglich wegen vorsätzlicher, und nicht wegen gefährlicher Körperverletzung in elf Fällen verurteilt worden ist. Diese Rüge hatte Erfolg.

Denn das BayObLG entschied nun am 19. März 2024 , dass ein medizinisches Instrument, das von einem approbierten Arzt im Rahmen eines indizierten Eingriffs verwendet wird, unter bestimmten Umständen als gefährliches Werkzeug im Sinne von § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB eingestuft werden kann. 

Somit erfüllt der Angeklagte den Feststellungen des Gerichts zu Folge den Schuldspruch der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB.

Das aktuelle Urteil ist hier nachzulesen unter: 205 StRR 8/24

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2 Gesetze

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(1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,3. mittels eines hinterlistigen Überfalls,4. mit einem anderen Beteiligten gemeins

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Annotations

Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung einer anderen Person verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.