Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 5. Dez. 2024 - IX ZR 122/23 von Dirk Streifler
Bundesgerichtshof Urteil, 5. Dez. 2024 - IX ZR 122/23
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom 17. Mai 2023 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in dem auf Eigenantrag vom 25. August 2019 am 1. November 2019 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Schuldnerin). Der Beklagte ist einer von drei Kommanditisten der Schuldnerin mit einer Einlage von jeweils 500 €. Die Schuldnerin war als Dienstleisterin für Bauvorhaben ausführende Projektgesellschaften tätig. Sie arbeitete von Anfang an nicht rentabel. Die fälligen Verbindlichkeiten überstiegen jeweils die liquiden Mittel. Der Beklagte übernahm aufgrund einer Vereinbarung mit der Schuldnerin seit Beginn des Jahres 2017 die gesamte Bauleitung und Baubetreuung für die von der Schuldnerin zu betreuenden Bauvorhaben. Die Leistungen wurden im auf die Leistungserbringung folgenden Monat abgerechnet und bezahlt.
Am 31. Januar 2019 stellte das H. GmbH & Co. KG (im Folgenden: H. ) der Schuldnerin eine Rechnung für Materiallieferungen, die sich unter Berücksichtigung von Abschlagszahlungen auf eine Restforderung von 41.601,65 € belief, sowie eine weitere Rechnung über 2.302,25 €. Das H. mahnte die Forderungen wiederholt an und kündigte mit Schreiben vom 17. Mai 2019 die Erhebung einer Zahlungsklage an.
Mit Schreiben vom 29. Mai 2019 wies der Geschäftsführer der Schuldnerin die Gesellschafter, darunter den Beklagten, darauf hin, dass es wegen Verzögerungen im Baufortschritt umfassender Vereinbarungen der Schuldnerin und ihrer Projektgesellschaften mit allen Gläubigern der Gesellschaften hinsichtlich der Bestandsverbindlichkeiten sowie hinsichtlich der Sicherstellung der Liquidität der Gesellschaften bedürfe. Für die Schuldnerin bestehe ein kurzfristiger Liquiditätsbedarf von 600.000 €, darunter 275.000 € zur quotalen Bedienung von Bestandsverbindlichkeiten, der voraussichtlich nicht durch Zuflüsse aus Bauvorhaben gedeckt sein werde. Die Kommanditisten wurden aufgefordert, bis spätestens 11. Juli 2019 jeweils 200.000 € einzuzahlen, um einen geordneten Geschäftsbetrieb gewährleisten zu können. Bis zur Bereitstellung der Liquidität beziehungsweise zur Gesellschafterversammlung am 11. Juli 2019 würden weder Zahlungen an einzelne Gläubiger geleistet noch neue Verbindlichkeiten begründet. Der Beklagte entsprach der Zahlungsaufforderung nicht.
Der Beklagte stellte der Schuldnerin für die von ihm im Monat April 2019 erbrachten Leistungen am 3. Mai 2019 insgesamt 31.414,63 € und für die im Monat Mai 2019 erbrachten Leistungen am 4. Juni 2019 weitere 32.184,91 € in Rechnung. Die Schuldnerin nahm - entgegen ihrer Ankündigung - am 31. Mai 2019 und am 21. Juni 2019 Zahlungen von 127.728,98 € und 60.911,55 € vor, mit denen sie unter anderem die beiden Rechnungen des Beklagten vollständig bezahlte. Zudem zahlte die Schuldnerin am 12. Juni 2019 an das H. auf dessen erste Rechnung 20.000 €; die zweite Rechnung beglich sie vollständig. Zum Zeitpunkt des Insolvenzantrags standen von den Forderungen des H. noch 24.817,54 € offen.
Der Kläger begehrt - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - im Wege der Anfechtung Erstattung der beiden Zahlungen an den Beklagten. Er behauptet, die Schuldnerin sei spätestens im März 2019 zahlungsunfähig gewesen und habe mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, welchen der Beklagte gekannt habe. Die Zahlungen seien wegen der dauerhaft unrentablen Wirtschaftsweise der Schuldnerin anfechtbar. Der Kläger ist weiter der Ansicht, dass die Zahlungen an den Beklagten unlauter gewesen seien. Dies sei dem Beklagten bekannt gewesen.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen geringen Teil der Nebenforderungen stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage hinsichtlich der Zahlungen vom 31. Mai 2019 und vom 21. Juni 2019 abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Anfechtungstatbestand des § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO sei grundsätzlich gegeben. Es liege allerdings ein privilegiertes Bargeschäft im Sinne von § 142 Abs. 1 InsO in der seit 5. April 2017 geltenden Fassung vor.
Die Zahlungen seien in den drei letzten Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Zahlungseinstellung habe vorgelegen, weil die Schuldnerin fällige Zahlungen an das H. über einen Zeitraum von Februar 2019 bis zum 12. Juni 2019 trotz Mahnung und Klageandrohung am 17. Mai 2019 zunächst überhaupt nicht und dann nur teilweise geleistet habe. Aus dem Schreiben vom 29. Mai 2019 ergebe sich, dass Bestandsverbindlichkeiten von mehr als 275.000 € bestünden und für eine quotale Befriedigung dieser Forderungen und weiterer Ausgaben Liquidität von 600.000 € benötigt werde. Die erheblichen Zahlungen im Nachgang zum Schreiben änderten nichts, weil sich aus der vom Kläger vorgelegten Gegenüberstellung der fälligen Verbindlichkeiten und der liquiden Mittel ergebe, dass die Schuldnerin seit Aufnahme ihrer Geschäftstätigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kontinuierlich Verbindlichkeiten aufgebaut habe, die ihre liquiden Mittel jeweils deutlich überstiegen hätten und sie zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen sei, die fälligen Verbindlichkeiten auch nur ansatzweise zu befriedigen. Die Kenntnis des Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit werde nach § 130 Abs. 3 in Verbindung mit § 138 Abs. 2 Nr. 1 InsO vermutet. Diese Vermutung habe der Beklagte nicht widerlegt; der Inhalt des Schreibens begründe überdies ein starkes Indiz für die Kenntnis des Beklagten von der desolaten Situation der Schuldnerin.
Ein Bargeschäft liege vor. Die Leistung des Beklagten sei in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Die Leistung der Schuldnerin habe den Wert der vom Beklagten erbrachten Leistungen nicht überstiegen. Leistung und (gleichwertige) Gegenleistung seien vorliegend vereinbarungsgemäß in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang vorgenommen worden. Welcher Zeitraum unschädlich sei, sei eine Frage des Einzelfalls. Dieser Zeitraum sei vorliegend nicht überschritten.
Liege demnach ein Bargeschäft vor, müsse der Kläger darlegen und beweisen, dass die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung vorlägen, die Schuldnerin unlauter gehandelt und der beklagte Anfechtungsgegner dies erkannt habe. Vorliegend lägen die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats zu deren Neuausrichtung vor. Die Schuldnerin habe ausweislich ihres Schreibens vom 29. Mai 2019 gewusst, dass sie einen Liquiditätsbedarf von 600.000 € gehabt und dass der Beklagte seinen Anteil von 200.000 € nicht bezahlt habe. Die Kenntnis des Beklagten werde nach § 133 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 InsO vermutet; diese Kenntnis habe der Beklagte nicht widerlegt.
Allerdings seien die Zahlungen nicht unlauter gewesen. Unlauterkeit verlange mehr als das Bewusstsein, nicht alle Gläubiger befriedigen zu können. Solange ein Schuldner Geschäfte führe, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich seien, fehle es ausweislich der Gesetzesbegründung auch dann an einer Unlauterkeit, wenn der Schuldner erkenne, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig sei. Gehe es dem Schuldner vor allem darum, Verbindlichkeiten aus dem Bargeschäft zu tilgen, gestatte die Kenntnis des Schuldners von der Unrentabilität seiner Geschäftstätigkeit nicht den Schluss auf Unlauterkeit. Der Kläger habe trotz Hinweises Unlauterkeit nur pauschal behauptet, jedoch keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergeben könnte, dass die Schuldnerin bei den angefochtenen Zahlungen unlauter gehandelt habe.
II.
Das hält rechtlicher Überprüfung stand. Zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Zahlungen an den Beklagten weder nach § 130 Abs. 1 InsO noch nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar sind, weil ein Bargeschäft nach § 142 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom 5. April 2017 (vgl. Art. 103j EGInsO) vorliegt. Ein unlauteres Handeln der Schuldnerin hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint.
1. Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass eine Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO ausscheidet, weil es sich um ein Bargeschäft gemäß § 142 Abs. 1 InsO handelt.
a) Es liegt ein unmittelbarer Austausch von Leistung und Gegenleistung vor, der nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgte (§ 142 Abs. 2 Satz 1 InsO). Die Schuldnerin bezahlte die erbrachten Dienstleistungen des Beklagten aufgrund der monatlich unmittelbar nach der Leistungserbringung erfolgten Rechnungsstellung jeweils innerhalb von 30 Tagen.
b) Das Berufungsgericht stellt weiter fest, dass für die Leistung der Schuldnerin unmittelbar eine objektiv gleichwertige Gegenleistung des Beklagten in das Vermögen der Schuldnerin geflossen ist. Die Revision nimmt diese Feststellung im Ausgangspunkt hin, meint allerdings, Leistungen, die einer dauerhaft defizitären Unternehmensführung dienten, seien - normativ haftungsrechtlich betrachtet - nicht gleichwertig (vgl. zur Problematik Thole, ZIP 2017, 401, 408). Diesem Ansatz kann nicht gefolgt werden. Die Frage der Gleichwertigkeit ist vielmehr nach objektiven Maßstäben zu bestimmen, ohne dass nach dem Abnehmer zu differenzieren wäre (vgl. Ganter, NZI 2019, 481, 489; Foerste, ZInsO 2019, 1778, 1780). Die Regelungen zum Bargeschäft wollen einem Schuldner in der Krise die Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen (vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 167 zu § 161 RegE-InsO; BGH, Urteil vom 7. März 2002 - IX ZR 223/01, BGHZ 150, 122, 132).
2. Weiter verneint das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine Anfechtung des Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO. Zwar hat die Schuldnerin die Zahlungen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit dem dem Beklagten bekannten Vorsatz, ihre Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen. Hiergegen erheben die Parteien keine Einwände. Es fehlt jedoch an der nach § 142Abs. 1 InsO für eine Anfechtung eines Bargeschäfts nach § 133 Abs. 1 InsO erforderlichen Unlauterkeit des schuldnerischen Handelns.
a) Gemäß § 142 Abs. 1 InsO in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. März 2017 (BGBl. I S. 654) ist ein Bargeschäft nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte.
b) In der Literatur ist umstritten, unter welchen Voraussetzungen ein unlauteres Handeln des Schuldners anzunehmen ist. Einigkeit besteht nur insoweit, dass Handlungen, die einer gezielten Benachteiligung von Gläubigern dienen, unlauter sind. In Anlehnung an die Gesetzesbegründung werden als Beispiele insbesondere die Vermögensverschleuderung für flüchtige Luxusgüter ohne Nutzen für die Gläubiger oder die Abstoßung von für die Unternehmensfortführung notwendigem Betriebsvermögen in der Absicht, den Gegenwert den Gläubigern zu entziehen, genannt (statt vieler: Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 20. Aufl., § 142 Rn. 17 mwN). Umstritten ist, ob unterhalb dieser Schwelle Unlauterkeit zu bejahen ist.
aa) Teilweise wird die Auffassung vertreten, das neue Tatbestandsmerkmal habe gegenüber der früheren Rechtslage keine sachliche Änderung mit sich gebracht. Letztlich seien Ansätze, das Unlauterkeitsmerkmal (objektiv oder subjektiv) zu definieren, Umschreibungen dafür, dass der Schuldner bei Vornahme der Leistungshandlung erkenne und für möglich halte, dass trotz des gleichwertigen Leistungsaustauschs ein mittelbarer Nachteil für die Insolvenzgläubiger eintreten könne, und dies billigend in Kauf nehme (Bartels in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2019, § 142 Rn. 141, 148).
bb) Andere nehmen Unlauterkeit nur an, wenn der Schuldner hinsichtlich des Benachteiligungsvorsatzes mit dolus directus - und nicht nur mit dolus eventualis - handelt (Uhlenbruck/Borries/Hirte, InsO, 15. Aufl., § 133 Rn. 146b; MünchKomm-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, 4. Aufl., § 142 Rn. 38; HmbKomm-InsO/Rogge/Leptien, 10. Aufl., § 142 Rn. 20).
cc) Wieder andere bejahen Unlauterkeit, wenn Schuldner und Empfänger wissen, dass die Zahlung zu einer Insolvenzverschleppung führt und dadurch andere Gläubiger Quotennachteile erleiden (HK-InsO/Thole, 11. Aufl., § 142 Rn. 17). Der Verstoß gegen die Insolvenzantragspflicht sei strafbewehrt (§ 15a InsO); Gesellschaftsorganen sei bei Zahlungsunfähigkeit die Leistung von Zahlungen untersagt (§ 15b InsO). Diese gesetzlichen Wertungen zwängen dazu, bei Verstößen hiergegen Unlauterkeit anzunehmen. Daraus folge, dass ein Anfechtungsgegner, der die Insolvenzverschleppung durch Weiterbelieferung des Schuldners fördere und davon profitiere, nicht ungeschoren davonkommen dürfe; Leistungen an ein dauerhaft unrentables Unternehmen seien daher vom Bargeschäftsprivileg nicht geschützt (vgl. Pape, ZInsO 2018, 296, 303 f; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 774 f; Neuberger, ZInsO 2018, 1242, 1248; Kayser, ZIP 2018, 1153, 1157). Damit sei im Ergebnis an der Rechtsprechung zu § 142 InsO in der Fassung bis zum 4. April 2017 festzuhalten, wonach ein anfechtungsfestes Rechtsgeschäft ausscheide, wenn zwar im unmittelbaren Zusammenhang mit der potentiell anfechtbaren Rechtshandlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelange, also ein Leistungsaustausch ähnlich einem Bargeschäft stattfinde, der Schuldner jedoch wisse, dass er trotz Belieferung zu marktgerechten Preisen fortlaufend unrentabel arbeite und deshalb bei Fortführung seines Geschäfts weitere Verluste anhäufe, die die Befriedigungschancen der Gläubiger weiter minderten, ohne dass auf längere Sicht Aussicht auf Ausgleich bestehe (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - IX ZR 180/12, WM 2015, 591 Rn. 22, 25). Dem wird entgegengehalten, dass es erklärter Wille des Gesetzgebers sei (BT-Drucks. 18/7054, S. 19), in bewusster Abkehr von dieser Rechtsprechung Bargeschäfte auch dann anfechtungsfest zu stellen, wenn der Schuldner erkannt habe, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig sei (Schmidt/Ganter/Weinland, InsO, 20. Aufl., § 142 Rn. 19; Foerste, ZInsO 2018, 1034, 1036; Ganter, NZI 2018, 585, 586 f; ders., NZI 2019, 481, 489; Hiebert, ZInsO 2018, 1657; Tolani, ZIP 2018, 1997, 2001).
c) Richtigerweise handelt der Schuldner bei einem Bargeschäft dann unlauter, wenn es sich weniger um die Abwicklung von Bargeschäften handelt als vielmehr um ein die übrigen Gläubiger gezielt schädigendes Verhalten. Dies kommt in Betracht, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 InsO das Bargeschäft zu einer gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger führt oder dazu genutzt wird, den Empfänger gegenüber anderen Gläubigern gezielt zu bevorzugen.
aa) Dies ergibt sich aus der Auslegung des Gesetzes. Der Begriff des unlauteren Handelns verlangt eine über den Benachteiligungsvorsatz hinausgehende Bewertung des schuldnerischen Verhaltens.
(1) Das Merkmal der Unlauterkeit knüpft nach der Gesetzesbegründung an die Rechtsprechung zur Benachteiligungsabsicht nach § 31 Nr. 1 KO an (BT-Drucks. 18/7054, S. 32). Danach war Benachteiligungsabsicht in Fällen, in denen der Anfechtungsgegner nur erhielt, was ihm rechtlich gebührte, insbesondere dann anzunehmen, wenn sich ergab, dass es dem Schuldner weniger auf die Erfüllung seiner Pflichten oder auf Erlangung weiterer Kredite ankam, sondern mehr auf die Schädigung der übrigen Gläubiger (vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1954 - IV ZR 164/53, BGHZ 12, 232, 237 f; vom 26. März 1984 - II ZR 171/83, NJW 1984, 1893, 1898 unter V.3., insoweit in BGHZ 90, 381 nicht abgedruckt; vom 18. April 1991 - IX ZR 149/90, NJW 1991, 2144, 2145 unter II.2.a mwN; dafür Braun/Riggert, InsO, 10. Aufl, § 142 Rn. 23). Eine Handlung, durch die einer Rechtspflicht genügt werde, könne durch den Zweck, auf den sie gerichtet sei, unlauteren Charakter bekommen. In solchen Fällen sei das die Handlung des Schuldners bestimmende Motiv maßgebend für ihre Charakterisierung. Dieses Motiv müsse unter Würdigung der gesamten Tatumstände festgestellt werden (BGH, Urteil vom 4. Februar 1954, aaO).
(2) Diese Einschränkung der Vorsatzanfechtung von Bargeschäften ist vom Gesetzgeber angestrebt (BT-Drucks. 18/7054, S. 13); sie verringert Anfechtungsrisiken und stärkt das Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit von Geschäften mit Schuldnern in der Krise. Das Merkmal des unlauteren Handelns erfordert mehr als das Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Dies ergibt sich gesetzessystematisch daraus, dass anderenfalls dem vom Gesetzgeber bewusst neu eingeführten Tatbestandsmerkmal unlauteren Handelns kein eigenständiger Regelungsgehalt neben den für den Ausschluss eines Bargeschäfts weiterhin vorgesehenen Voraussetzungen einer Vorsatzanfechtung zukäme.
bb) Daran gemessen kommt unlauteres Verhalten in verschiedenen Fallgestaltungen in Betracht.
(1) Unlauter kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für Gegenleistungen sein, die nicht zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind. Dies kommt etwa wegen einer gezielten Benachteiligung der Gläubigergesamtheit insbesondere bei einem bargeschäftlichen Einsatz von Vermögen für Leistungen in Betracht, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen können, etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder der Abstoßung von für die Betriebsfortführung notwendigem Vermögen, wenn der Schuldner den Gegenwert entziehen will (vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 19; BGH, Urteil vom 30. September 1993 - IX ZR 227/92, BGHZ 123, 320, 324).
(2) Eine gezielte Benachteiligung von Gläubigern und damit unlauteres Handeln kann ferner vorliegen, wenn es dem Schuldner (statt auf die Erfüllung einer bestehenden vertraglichen Pflicht aus dem Bargeschäft) auf die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers ankommt. Dies hat die Rechtsprechung bejaht, wenn ein Schuldner zahlt, um den Gläubiger von der Stellung eines Insolvenzantrags abzuhalten (BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 - IX ZR 169/02, BGHZ 155, 75, 84 zu § 133 InsO). Gleiches kann gelten, wenn ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch im Vorfeld eines als unabwendbar erkannten und vom Schuldner beabsichtigten Insolvenzantrags erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2022 - IX ZR 78/20, BGHZ 233, 70 Rn. 56). Schließlich kann ein bargeschäftlicher Leistungsaustausch für eine Sanierungsberatung für einen untauglichen Sanierungsversuch ein unlauteres Handeln des Schuldners erfüllen (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2022, aaO Rn. 47 ff).
(3) Ein unlauteres Verhalten kommt weiter in Betracht, wenn der Schuldner Bargeschäfte mit nahestehenden Personen (§ 138 InsO) vornimmt und der Schuldner diese nahestehenden Personen insoweit anders behandelt als andere Gläubiger. Dann sprechen die objektiven Umstände dafür, dass bestimmendes Motiv für die Erfüllung der Forderung das persönliche oder gesellschaftsrechtliche Näheverhältnis ist. Eine gezielte Bevorzugung eines Gläubigers zum Schaden der anderen Gläubiger kann ferner dann vorliegen, wenn diesem gezielt letzte Vermögenswerte übertragen werden. Denkbar ist ein unlauteres Handeln des Schuldners schließlich, wenn der bargeschäftliche Leistungsaustausch zwischen verbundenen Unternehmen dazu eingesetzt wird, Waren und Leistungen an den Schuldner abzusetzen, um dessen verbleibende Vermögenswerte auf das liefernde Unternehmen überzuleiten.
cc) Hingegen liegt ein unlauteres Handeln nicht schon dann vor, wenn der Schuldner fortlaufend Verluste erwirtschaftet. Ebenso wenig ergibt sich ein unlauteres Handeln des Schuldners deshalb, weil sein Handeln § 15a InsO oder § 15b InsO verletzt.
(1) Unlauteres Handeln liegt nicht schon deshalb vor, wenn der Schuldner, der zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderliche Geschäfte tätigt, positiv erkennt, dass die Betriebsfortführung dauerhaft verlustträchtig ist. Der Gesetzgeber will einer Gesellschaft in der Krise die weitere Teilnahme am Rechtsverkehr ermöglichen. Die Geschäftspartner sind hierzu aber nur bereit, wenn die Leistung des Schuldners anfechtungsfest ist. Daher kommt der bloßen Fortsetzung eines verlustträchtigen Betriebs ohne Hinzutreten weiterer Umstände kein über eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung hinausgehender Unwertgehalt zu.
(2) Gesetzesbegründung und Gesetzesgenese bestätigen diesen Befund. Die Gesetzesbegründung, die ein Gericht zur Auslegung eines Gesetzes heranziehen kann und muss (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2016 - IX ZB 46/14, ZIP 2016, 1601 Rn. 27), erklärt ausdrücklich, dass es an der Unlauterkeit fehlen soll, wenn der Schuldner erkennt, dass die Betriebsfortführung verlustträchtig ist (BT-Drucks. 18/7054, S. 19). Der hiervon abweichende Änderungsvorschlag des Bundesrats, statt der erkannten Unlauterkeit darauf abzustellen, dass der Gläubiger erkennen musste, dass die Gegenleistung weder zur Sicherung des Lebensbedarfs erforderlich sei noch der Fortführung oder Sanierung des Unternehmens diene, ist trotz der vom Bundesrat geäußerten Bedenken gegen das Merkmal der Unlauterkeit (vgl. BT-Drucks. 18/7054, S. 28 f) nicht Gesetz geworden. Er hätte dazu geführt, dass das Bargeschäftsprivileg allein in den seltenen Fällen Anwendung gefunden hätte, in denen der Schuldner im Vorfeld der Insolvenz profitabel gewirtschaftet hat (BT-Drucks. 18/7054, S. 32). Dies wollte der Gesetzgeber nicht.
(3) Ebenso wenig ergeben sich aus § 15a InsO oder § 15b InsO ausreichende Gründe, einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch allein deshalb als unlauteres Handeln anzusehen. Der Senat hat zum Benachteiligungsvorsatz des § 133 InsO bei kongruenten Handlungen bereits entschieden und ausführlich begründet, dass das von §§ 15a, 15b InsO verfolgte, anderen Voraussetzungen unterliegende Schutzkonzept zugunsten der Gesamtheit der Gläubiger nicht darüber bestimmt, wann ein Eingriff in die Interessen eines einzelnen Gläubigers zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 3. März 2022 - IX ZR 78/20, BGHZ 233, 70 Rn. 29 ff). Für § 142 InsO, der die Anfechtbarkeit des (ebenfalls kongruenten) Bargeschäfts nur unter den Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung erlaubt und sie zusätzlich von unlauterem Verhalten des Schuldners abhängig macht, kann nichts anderes gelten.
d) Daran gemessen, hat das Berufungsgericht vorliegend Unlauterkeit zu Recht verneint. Der Kläger hat sich allein darauf berufen, dass die Schuldnerin einen verlustträchtigen Betrieb fortsetzte. Dies begründet keine Unlauterkeit der Zahlungen an den Beklagten.
aa) Bei der bezahlten Bauleitung und -überwachung der Bauprojekte der Schuldnerin handelt es sich nicht um ein neu - etwa erst in der Krise - mit einem Gesellschafter abgeschlossenes Geschäft, sondern um die unveränderte Fortsetzung einer laufenden und bereits seit längerem, insbesondere außerhalb der Krise begründeten Geschäftsbeziehung, die für die Unternehmensfortführung notwendig war.
bb) Die Geschäftsführung hielt die Schuldnerin bei Mitwirkung der Gesellschafter und der Gläubiger für grundsätzlich sanierungsfähig. Erkennbar gescheitert war die Sanierung zum Zeitpunkt der geleisteten Zahlungen (noch) nicht. Die Gesellschafter hatten Frist bis zum 11. Juli 2019, um über ihre Beteiligung zu entscheiden. Aus dem Umstand, dass der Beklagte (später) keine Einzahlung vornahm, kann nicht rückgeschlossen werden, dass er zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen war, sich an einer Sanierung der Schuldnerin, die ein einvernehmliches Zusammenwirken mehrerer Beteiligter voraussetzte, zu beteiligen, und dass die Schuldnerin dies und damit ein Scheitern ihrer Sanierungsbemühungen erkannt hätte.
cc) Dass sich die Schuldnerin an den im Schreiben vom 29. Mai 2019 angekündigten Zahlungsstopp nicht gehalten hat, begründet für sich genommen keine Unlauterkeit. Ein darin möglicherweise liegender Verstoß gegen das gesetzliche Zahlungsverbot aus § 15b InsO genügt hierfür allein nicht (vgl. oben Rn. 34). Vorliegend spricht entscheidend gegen Unlauterkeit, dass die Zahlungen für Leistungen erfolgten, die für den Fortgang der Bauprojekte der Projektgesellschaften essentiell waren und damit unmittelbar dazu dienten, den einstweiligen Fortbestand des Geschäftsbetriebs während laufender Sanierungsbemühungen zu sichern.
dd) Auch der Umstand, dass die angefochtenen Zahlungen an einen Gesellschafter flossen, indiziert vorliegend keine Unlauterkeit. Insoweit ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht ersichtlich, dass die Schuldnerin damit den Beklagten gegenüber anderen, der Schuldnerin nicht nahestehenden Gläubigern (§ 138 InsO) bevorzugt behandelte. Die Schuldnerin bezahlte im Zeitraum vom 31. Mai 2019 bis zum 21. Juni 2019 nicht nur die Rechnungen des Beklagten, sondern zugleich Rechnungen verschiedener anderer Gläubiger. Das Zahlungsverhalten gegenüber dem Beklagten entsprach - auch im zeitlichen Ablauf - dem vor dem Schreiben der Geschäftsführer vom 29. Mai 2019. Es ist weder vorgetragen noch festgestellt, dass der Beklagte auf die Entscheidung der Geschäftsleitung, entgegen dem angekündigten Zahlungsstopp Zahlungen fortzusetzen, eingewirkt hätte.
Schließlich begründet es keine Unlauterkeit, dass die Schuldnerin Leistungen des Beklagten bezahlt hat, ohne dessen Bereitschaft zur Leistung des geforderten, die Rechnungsbeträge weit überschießenden Nachschusses abzuklären, und (Aus-)Zahlungen an ihn nicht bis zu diesem Zeitpunkt zurückgestellt hat. Die Schuldnerin hat den Beklagten wie andere Gläubiger behandelt.
ee) Soweit die Revision den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis für nicht ausreichend hält, hat der Senat die Verfahrensrüge geprüft, sie aber für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung sieht er ab (§ 564 ZPO).
B. Sachverhalt, Prozessgeschichte, Tenor
Die spätere Insolvenzschuldnerin (B. GmbH & Co. KG) arbeitete dauerhaft unrentabel. Ein Kommanditist erbrachte Bauleitungs‑/Baubetreuungsleistungen, die monatlich abgerechnet und innerhalb von ca. 30 Tagen bezahlt wurden. Parallel bestanden fällige Lieferantenforderungen und Liquiditätsengpässe; ein Gesellschafter‑Cash‑Call blieb aus. LG gab der Anfechtung überwiegend statt; OLG Naumburg wies die Klage bzgl. zweier Zahlungen unter Hinweis auf § 142 InsO ab. Der BGH bestätigte: Bargeschäft (+) und keine Unlauterkeit (–); die Revision des Verwalters blieb ohne Erfolg.
C. Rechtlicher Rahmen – § 142 InsO nach der Reform 2017
Seit 2017 ist ein Bargeschäft nur noch anfechtbar, wenn zugleich die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1–3 InsO vorliegen und der Empfänger erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Der Begriff der Unlauterkeit erhält damit eigenständigen Regelungsgehalt neben § 133 InsO; bloßes Wissen um die allgemeine Gläubigerbenachteiligung reicht nicht. Der Senat stützt sich ausdrücklich auf die Gesetzesbegründung (BT‑Drs. 18/7054) und die ältere Rechtsprechung zur Benachteiligungsabsicht nach § 31 Nr. 1 KO.
D. Zentrale Rechtssätze des BGH
1. Definition der Unlauterkeit.
Unlauter handelt der Schuldner bei einem Bargeschäft nur, wenn es weniger um die Abwicklung eines Bargeschäfts geht als vielmehr um ein gezielt gläubigerschädigendes Verhalten. Das kann vorliegen, wenn zusätzlich zu den Voraussetzungen des § 133 InsO das Bargeschäft zur gezielten Benachteiligung anderer Gläubiger eingesetzt oder der Empfänger gezielt bevorzugt wird (z. B. Zahlung, um einen Insolvenzantrag zu verhindern).
2. Kein Automatismus bei Verlustbetrieben.
„Unlauter“ ist nicht bereits, wer trotz erkannter Verlustlage betriebsnotwendige Leistungen gegen marktgerechte Gegenwerte bezieht und bezahlt. Die fortlaufende Unrentabilität allein begründet keine Unlauterkeit.
3. Beispiele und Leitplanken.
Unlauterkeit kann insbesondere vorliegen:
– bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter oder dem Abstoßen betriebsnotwendiger Vermögenswerte, um Gegenwerte dem Gläubigerzugriff zu entziehen;
– bei Zahlungen zur Abwendung eines Insolvenzantrags;
– bei bargeschäftlichen Zahlungen im unmittelbaren Vorfeld eines als unabwendbar erkannten und beabsichtigten Insolvenzantrags;
– bei Sanierungsberatungen für ersichtlich untaugliche Konzepte.
4. Zeitlicher Zusammenhang & Gleichwertigkeit.
Ein Bargeschäft verlangt einen engen zeitlichen Zusammenhang (hier: ca. 30 Tage bei Monatsabrechnung) und objektive Gleichwertigkeit der Leistungen – bewertet ohne Sondermaßstab für den kriselnden Abnehmer. Zweck des § 142 InsO ist die Ermöglichung fortlaufender Teilnahme am Rechtsverkehr in der Krise.
5. Kenntnis des Empfängers.
Für die Durchbrechung des Bargeschäftsprivilegs verlangt § 142 Abs. 1 InsO außerdem, dass der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte – also mehr als bloß erkannte Zahlungsprobleme.
E. Anwendung im Fall
Die Zahlungen an den Kommanditisten standen im laufenden Austausch für betriebsnotwendige Bauleitungsleistungen, wurden zeitnah beglichen und waren gleichwertig. Zwar lagen die Voraussetzungen des § 133 InsO (Vorsatz und Kenntnis) dem Grunde nach vor; Unlauterkeit verneinte der BGH aber mit Blick auf den Schutzzweck des § 142 InsO und die fehlenden Anhaltspunkte für ein gezielt schädigendes oder gezielt bevorzugendes Vorgehen. Ergebnis: keine Anfechtung nach § 130 oder § 133 InsO.
F. Ist die Entscheidung richtig? – Bewertung
Die Entscheidung ist dogmatisch sauber und praxisgerecht. Sie respektiert die gesetzgeberische Zielsetzung, die Rechtsbeständigkeit von bargeschäftlichen Austauschleistungen in der Krise zu stärken, und lässt nur dort eine Anfechtung zu, wo Bargeschäfte instrumentalisiert werden, um gezielt zu schädigen oder zu bevorzugen. Zugleich ordnet der Senat die zersplitterte Diskussion in Literatur und Instanzrechtsprechung (teils „keine Änderung“, teils „dolus‑directus‑Erfordernis“, teils „Insolvenzverschleppung = unlauter“) und weist Überdehnungen zurück.
G. Praxisfolgen – „Checkliste“ für Berater:innen
Für Insolvenzverwalter:innen
· Unlauterkeit gezielt darlegen: Motivlage und Zielrichtung der Zahlung belegen (z. B. Abkauf eines Insolvenzantrags, „Gefälligkeitszahlungen“, Luxus‑/Nicht‑Betriebsausgaben, Entzug von Gegenwerten).
· Kenntnis des Empfängers von der Unlauterkeit beweisen (Kommunikation, Drucksituationen, Absprachen). Pauschaler Verweis auf Verluste genügt nicht.
Für Lieferanten/Dienstleister (Krisenumfeld)
· Bargeschäftssichere Abwicklung organisieren: zeitnaher Austausch, marktgerechte Preise, betriebsnotwendige Leistungen.
· Vorsicht bei Sonderkonstellationen: Zahlungen gegen Unterlassung eines Insolvenzantrags, Vorfeld‑Deals kurz vor einem erkannten, beabsichtigten Antrag oder „Luxus‑/Nicht‑Betriebsleistungen“ bergen Anfechtungsrisiken.
Für CFOs/Organe
· Dokumentieren, warum Zahlungen betrieblich erforderlich und gleichwertig waren.
· „Abkauf‑Situationen“ und Entzugshandlungen vermeiden; diese werden künftig besonders kritisch gewürdigt.
H. Kontroversen & offene Punkte
Weiter diskutiert werden dürfte die Grenzziehung bei Sanierungsberatungen (wann „untauglich“?) sowie die Evidenzanforderungen an das Erkennen der Unlauterkeit durch den Empfänger. Ebenso bleibt die zeitliche Klammer ein Einzelfallthema (wie eng ist „eng“?). Die Entscheidung stellt aber robuste Leitplanken bereit, an denen sich Instanzgerichte orientieren können.
Kurzfazit
Bargeschäfte bleiben geschützt. Unlauter ist nur, was gezielt schädigt oder bevorzugt. Wer betriebsnotwendige Leistungen im zeitnahen Austausch zu marktgerechten Konditionen bezieht und bezahlt, kann sich auf § 142 InsO verlassen – selbst im Verlustbetrieb. „Unlauterkeit“ ist die Ausnahme und verlangt konkrete Indizien für eine Zweckentfremdung des Bargeschäfts.
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Annotations
(1) Anfechtbar ist eine Rechtshandlung, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wußte, daß die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und daß die Handlung die Gläubiger benachteiligte.
(2) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, beträgt der Zeitraum nach Absatz 1 Satz 1 vier Jahre.
(3) Hat die Rechtshandlung dem anderen Teil eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht, welche dieser in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte, tritt an die Stelle der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nach Absatz 1 Satz 2 die eingetretene. Hatte der andere Teil mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder diesem in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte.
(4) Anfechtbar ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den die Insolvenzgläubiger unmittelbar benachteiligt werden. Die Anfechtung ist ausgeschlossen, wenn der Vertrag früher als zwei Jahre vor dem Eröffnungsantrag geschlossen worden ist oder wenn dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Vorsatz des Schuldners, die Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt war.

