BayObLG: Keine Rettungsgassenpflicht auf autobahnähnlich ausgebauten innerstädtischen Straßen

published on 20/01/2024 17:28
BayObLG: Keine Rettungsgassenpflicht auf autobahnähnlich ausgebauten innerstädtischen Straßen
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Bayerisches Oberstes Landesgericht Beschluss, 26. Sept. 2023 - 201 ObOWi 971/23

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Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) hat entschieden, dass auf innerstädtischen Bundesstraßen keine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse besteht, selbst wenn diese autobahnähnlich ausgebaut sind. Das Gericht hob die Entscheidung des Amtsgerichts Augsburg teilweise auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung zurück. Die Argumentation basierte auf dem klaren Wortlaut des § 11 Abs. 2 StVO und dem Zweck der Vorschrift, der in innerstädtischen Situationen keine Verpflichtung zur Rettungsgassenbildung vorsieht. Das BayObLG wies zudem darauf hin, dass die verhängte Geldbuße möglicherweise gegen den Bestimmtheitsgrundsatz verstoßen könnte. Eine endgültige Strafe für den Autofahrer bleibt abhängig von weiteren Feststellungen des Amtsgerichts Augsburg.

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) hat kürzlich ein bedeutendes Urteil in einem Fall gefällt, der die Bildung einer Rettungsgasse auf einer autobahnähnlich ausgebauten innerörtlichen Straße betrifft. Die rechtliche Frage, ob Fahrer auf solchen Straßen zur Bildung einer Rettungsgasse verpflichtet sind, stand im Mittelpunkt dieser Entscheidung.

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

Am 16. Januar 2023 wurde ein Zwischenfall auf einer Bundesstraße im Stadtgebiet A. verhandelt, bei dem ein LKW-Fahrer angeklagt wurde, keine vorschriftsgemäße Rettungsgasse für ein Polizeifahrzeug gebildet zu haben.

Ein Vorfall ereignete sich, als ein Mann sich auf einer innerörtlichen autobahnähnlichen Bundesstraße befand und laut dem Amtsgericht (AG) beharrlich darauf verzichtete, eine Rettungsgasse für die Passage von Polizei- oder Hilfsfahrzeugen zu bilden. Dies führte dazu, dass er ein Polizeifahrzeug für mehrere Minuten an der Weiterfahrt hinderte. Das Arbeitsgericht verurteilte ihn wegen eines Verstoßes nach §§ 11 Abs. 2, 49 Abs. 1 Nr. 11 der Straßenverkehrsordnung (StVO) aufgrund seines als ordnungswidrig eingestuften Verhaltens.

In seiner Rechtsbeschwerde argumentierte der Betroffene, dass innerorts keine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse bestehe und er alle notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, um eine solche Gasse zu ermöglichen.

Das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) sah sich vor die Herausforderung gestellt, die Anwendbarkeit des § 11 Abs. 2 StVO auf innerstädtische, autobahnähnlich ausgebaute Straßen zu prüfen. Obwohl dieser Paragraph die Pflicht zur Rettungsgassenbildung auf Autobahnen und Außerortsstraßen regelt, fehlt eine explizite Regelung für innerstädtische Straßen. Das Gericht entschied, dass trotz des autobahnähnlichen Ausbaus die betreffende Straße rechtlich nicht als Autobahn oder Außerortsstraße klassifiziert werden kann, wodurch der Betroffene nicht zur Bildung einer Rettungsgasse verpflichtet war.

Das Gericht prüfte die Anforderungen des § 11 Abs. 2 StVO, der die Bildung einer Rettungsgasse regelt. Diese Pflicht besteht auf Autobahnen und Außerortsstraßen mit mindestens zwei Fahrstreifen, wenn Fahrzeuge nur noch Schrittgeschwindigkeit fahren oder zum Stillstand kommen. Die Auslegung der Vorschrift erfolgte unter Berücksichtigung der Wortlautgrenzen, wobei das Gericht betonte, dass die Rettungsgassenpflicht gemäß § 11 Abs. 2 StVO nicht für den innerstädtischen Verkehr auf Bundesstraßen gilt. Trotz des autobahnähnlichen Ausbaus der innerstädtischen Straße sah das Gericht keine Änderung dieses Auslegungsergebnisses. Im vorliegenden Fall wurde die befahrene Straße als Bundesstraße mit baulich getrennten, zweistreifigen Richtungsfahrbahnen in einer geschlossenen Ortschaft betrachtet, wodurch nach Auffassung des Gerichts weder eine Autobahn noch eine Außerortsstraße vorlag, auf der die Rettungsgassenpflicht besteht.

Das Gericht betonte, dass der Sinn und Zweck des § 11 Abs. 2 StVO es nicht rechtfertigen würden, innerorts eine Verpflichtung zur Bildung einer Rettungsgasse anzunehmen. Diese Vorschrift zielt darauf ab, auf Autobahnen oder Außerortsstraßen bei Unfällen den Sicherungs- und Rettungskräften einen schnellen und sicheren Zugang zu ermöglichen. Innerorts und auf einspurigen Straßen hingegen neigen Fahrzeuge dazu, an den rechten Fahrbahnrand zu fahren, um Platz für Rettungs- und Polizeifahrzeuge zu schaffen. Das Gericht schloss daher daraus, dass der Zweck des § 11 Abs. 2 StVO nicht erlaubt, die Bildung einer Rettungsgasse innerorts als verpflichtend anzusehen.
 
 Zusätzlich betonte das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG), dass die verhängte Geldbuße möglicherweise gegen den Bestimmtheitsgrundsatz in Art. 103 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) und § 3 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verstoßen könnte.

Aufgrund der identifizierten rechtlichen Mängel hob das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) teilweise die Entscheidung des Amtsgerichts Augsburg auf und verwies den Fall zur erneuten Entscheidung dorthin zurück.

Haben Sie noch Fragen zu diesem Thema? Dann nehmen Sie Kontakt zu Streifler&Kollegen auf und lassen Sie sich fachkundig beraten.
 

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