Alte Gesellschaftsverträge im neuen Recht des MoPeG – Herausforderungen und Lösungsansätze
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I. Anwendung des neuen Rechts auf bestehende Gesellschaftsverträge
Die Anwendung des MoPeG auf Altgesellschaften richtet sich nach den Grundsätzen des intertemporalen Rechts. Eine umfassende Übergangsregelung, wie sie etwa im EGAktG oder EGGmbHG zu finden ist, fehlt jedoch im MoPeG. Lediglich Art. 89 EGHGB adressiert spezifische Aspekte, wie die Aufhebung des bisherigen § 162 Abs. 1 S. 2 HGB. Daher gilt nach allgemeiner Auffassung, dass das neue Recht uneingeschränkt auf bereits bestehende Gesellschaften Anwendung findet, es sei denn, zwingendes neues Recht steht dem entgegen.
Diese Sichtweise hat zur Folge, dass Gesellschaftsverträge, die unter altem Recht abgeschlossen wurden, nun an den Vorgaben des neuen Rechts gemessen werden. Insbesondere die Abwägung zwischen dispositivem und zwingendem Recht spielt hierbei eine zentrale Rolle.
II. Konfliktfelder zwischen neuem Recht und bisherigen Gesellschaftsverträgen
Das neue Recht des MoPeG bringt in einigen Bereichen erhebliche Änderungen mit sich, die zu Konflikten mit bestehenden Gesellschaftsverträgen führen können. Nachfolgend werden einige der zentralen Problemfelder exemplarisch dargestellt:
1. Rechtsfähige Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Die rechtsfähige GbR wurde durch die Reform umfassend neu geregelt. Während sich die Änderungen im Verhältnis zu Dritten stärker bemerkbar machen, ergeben sich für das Innenverhältnis der Gesellschafter geringere Auswirkungen. Gesellschaftsverträge, die konkrete Regelungen zu Beteiligungsverhältnissen oder Gewinn- und Verlustanteilen enthalten, bleiben maßgeblich (§ 108 HGB). Fehlen solche Regelungen, greift die neue gesetzliche Zweifelsregelung des § 709 Abs. 3 BGB, die eine Beteiligung nach Köpfen vorsieht.
Problematisch kann jedoch die Anwendung des neuen § 715b Abs. 2 BGB sein, der Einschränkungen oder den Ausschluss der Gesellschafterklage für unwirksam erklärt. Gesellschaftsvertragliche Regelungen, die der Gesellschafterklage entgegenstehen, verlieren daher ihre Wirkung. Dies führt zu einer Stärkung der Minderheitsrechte, kann aber auch zu Streitigkeiten über die Reichweite bestehender Regelungen führen.
2. Offene Handelsgesellschaft (OHG) und Kommanditgesellschaft (KG)
Ein zentrales Konfliktfeld für OHG und KG ist das neue Beschlussmängelrecht (§§ 110–115 HGB), das nun das Anfechtungsmodell als Regelfall einführt. Während das bisherige Recht überwiegend auf dem Feststellungsmodell basierte, kann das neue Recht erhebliche Änderungen für Gesellschaften mit älteren Verträgen bedeuten. Gesellschaftsverträge, die keine Regelungen zum Beschlussmängelrecht enthalten, unterliegen nun vollständig dem neuen Recht. Bestehende Regelungen, die das Feststellungsmodell vorsehen, bleiben jedoch vorrangig anwendbar.
3. Auflösung und Liquidation
Die neuen Regelungen zur Auflösung und Liquidation von Gesellschaften (§§ 732, 140 HGB) enthalten erstmals ein Mindestquorum von drei Viertel der abgegebenen Stimmen für Auflösungsbeschlüsse. Dies führt dazu, dass Gesellschaftsverträge, die bisher eine geringere Mehrheit vorsehen, insoweit unwirksam sind. Gesellschaften, die bislang etwa nur eine einfache Mehrheit für Auflösungsbeschlüsse benötigten, müssen sich nun an die neue Regelung halten.
4. Kontroll- und Informationsrechte
Das neue Recht stärkt die Kontroll- und Informationsrechte von Gesellschaftern, insbesondere in der KG (§ 166 HGB). Einschränkungen dieser Rechte, die nach altem Recht zulässig waren, können nach neuem Recht unwirksam sein, was vor allem bei Publikumsgesellschaften zu Anpassungsbedarf führen kann.
III. Rechtsprechung und abweichende Meinungen
Die Rechtsprechung hat sich bislang nur sporadisch mit den intertemporalen Auswirkungen des MoPeG beschäftigt. Einigkeit besteht darüber, dass das neue Recht grundsätzlich auf alle bestehenden Gesellschaften Anwendung findet. Kontrovers diskutiert wird jedoch die Frage, ob bestehende Gesellschaftsverträge, die das bisherige Recht ausdrücklich oder konkludent einbeziehen, unter bestimmten Umständen Vorrang genießen. Kritiker sehen hierin eine Gefahr für die Rechtssicherheit, während Befürworter die Autonomie der Gesellschafter betonen.
Ein weiterer Diskussionspunkt ist die Frage, inwiefern zwingendes neues Recht rückwirkend auf bestehende Verträge einwirkt. Während die Gesetzesmaterialien dies grundsätzlich bejahen, bleibt offen, wie mit unklaren Vertragsbestimmungen umzugehen ist. Beispielsweise könnte § 732 HGB so interpretiert werden, dass eine Abweichung von der ¾-Mehrheit stets zur Unanwendbarkeit der gesellschaftsvertraglichen Regelung führt, was in der Praxis erheblichen Anpassungsbedarf mit sich bringt.
IV. Fazit und praktische Empfehlungen
Das MoPeG bringt umfassende Änderungen für alle Personengesellschaften mit sich, die sowohl neue als auch bestehende Gesellschaftsverträge betreffen. Gesellschaften mit älteren Verträgen sollten diese auf Konformität mit dem neuen Recht prüfen lassen, insbesondere im Hinblick auf zwingende Regelungen wie § 732 HGB oder § 715b BGB.
Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die Gesellschaften beraten, sollten ihre Mandanten frühzeitig auf die Risiken und Anpassungserfordernisse hinweisen. Besonders wichtig ist es, bestehende Konfliktpotenziale in Gesellschaftsverträgen zu identifizieren und zu klären, welche Rechte und Pflichten sich für die Gesellschafter aus dem neuen Recht ergeben.
Letztlich zeigt die Reform, dass das Personengesellschaftsrecht weiterhin ein dynamisches Rechtsgebiet bleibt, das sowohl für die Praxis als auch für die Wissenschaft zahlreiche spannende Fragestellungen bereithält.
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