Zum standardisierten Messverfahren

bei uns veröffentlicht am04.11.2014

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für Familien- und Erbrecht

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Zusammenfassung des Autors
Zwei aktuelle Entscheidungen bestärken die Offenlegung von Informationen aus standardisierten Messverfahren - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Der etwas sperrige Begriff des standardisierten Messverfahrens hat in verkehrsrechtlichen Bußgeldangelegenheiten eine große Bedeutung.

Das Verfahren betrifft in erster Linie die Frage nach den notwendigen Begründungsanforderungen eines Urteils in Bußgeldsachen. Soweit eine Verurteilung nämlich auf dem Ergebnis eines technischen Messverfahrens beruht - etwa durch den häufigen Fall eines Radar- oder Lasermessgeräts - hat das zuständige Gericht in seinem Urteil auch auszuführen, warum dieses Messverfahren als taugliches Beweismittel anzusehen war. Ist das Urteil nur unzureichend begründet und legt der Betroffene dagegen Rechtsbeschwerde ein, so kann das Rechtsbeschwerdegericht die Sache allein schon wegen dieser unzureichenden Begründung an die vorherige Instanz zurückverweisen.

Für die standardisierten Messverfahren hat der Bundesgerichtshof (Az.: 4 StR 627/92) hingegen bereits in früher Rechtsprechung eine vereinfachte Begründungsanforderung konstituiert. Dazu ist das standardisierte Messverfahren in seiner Anwendbarkeit und seinem Ablauf derart festgelegt, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse erwartet werden dürfen (Az.: 4 StR 24/97). Das Urteil darf sich in diesen Fällen beschränken auf die Bezeichnung,

• des gewählten Messverfahrens,

• des Messergebnisses und

• der gewährten Toleranz.

Gegenüber Behörden und Herstellern von Geschwindigkeitsmessanlagen wird seit Längerem die Einsichtnahme in nähere Informationen zu den einzelnen Messverfahren verlangt, etwa in die Bedienungsanleitung, die dem Messgerät zugrunde liegenden Messprinzipien sowie die Rohmessdaten, die in den Messverfahren anfallen. Dieser Schritt ist vor allem im Wege der Verteidigung von Bußgeldverfahren relevant, da der Nachweis einer Fehlmessung grundsätzlich nur schwer zu führen ist. Daher muss zumindest das konkrete Messverfahren sowie das jeweilige Ergebnis nachvollziehbar sein, hierzu ist es notwendig, in die Anforderungen an das standardisierte Messverfahren Einblick zu haben.

Zwei aktuelle Entscheidungen bestärken nun dieses Interesse der Verteidigung an der Offenlegung der genannten Informationen:


Entscheidung des OLG Naumburg vom 27.08.2014 (Az.: 6 U 3/14):

In der Entscheidung stellte das OLG Naumburg in Fortführung eines Urteils des LG Halle fest, dass ermittelte Messrohdaten keine Betriebsgeheimnisse des Herstellers sind. Sie stellen vielmehr Beweismittel dar und dürfen daher in einem Verfahren herangezogen werden.

Konkret klagte hier die Firma eso, die sich durch Verwendung der Messrohdaten in ihren Rechten verletzt sah und die Ansicht vertrat, dass allein sie berechtigt sei, über die gesicherten Messrohdaten zu verfügen. Indem die Beklagten die Daten dennoch auslesen und auswerten, begründe dies einen (vorbeugenden) Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 2 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 202a, 202c StGB.

Das OLG Naumburg hielt dem entgegen, dass Berechtigter im Hinblick auf die Messrohdaten vielmehr die Behörde selbst sei, die die Geschwindigkeitsmessung beauftragt und mittels des Geschwindigkeitsmessgerätes die streitbefangenen Daten erhoben habe. Daran ändere auch eine durch die eso technisch veranlasste Verschlüsselung der Daten nichts. Letztlich komme es darauf an, dass nicht die eso die Messrohdaten erzeugt habe, sondern der Messbeamte, der das Geschwindigkeitsmessgerät bedient und dabei mittels der durch die eso zur Verfügung gestellten Programmautomatik die Messdaten abgespeichert hat.


Urteil des AG Friedberg vom 11.08.2014 (Az.: 45 a OWi - 205 Js 16236/14):

In dem Urteil des AG Friedberg wurde der Betroffene freigesprochen, da sich der erhobene Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung nicht konkret nachweisen ließ.

Ein Sachverständiger hatte hierzu ausgeführt, dass an der Richtigkeit der Messung durch das Modell Poliscan Speed und der Messgerätesoftware zu zweifeln sei. Zu dem genannten Gerät existiere eine ältere Messgerätesoftware Version 1.5.5. und eine neuere Version 3.2.4.; die zugrundeliegende Messung erfolgte jedoch mit der älteren Softwareversion. Dabei speichere die ältere Messgerätesoftware weniger Daten als die Neuere. Die anlässlich der Messung gespeicherten Daten werden in jedem Fall mittels einer Auswertesoftware ausgewertet. Hierbei fielen jedoch fehlerhafte Ergebnisse auf. Die Auswertesoftware führte zumindest bei der neuen Software 3.2.4 zu teils nicht nachvollziehbaren Verwerfungen von Messungen, eine ähnliche Problematik sei jedoch auch bei der Version 1.5.5 anzunehmen. Daraufhin wurde festgestellt, dass lediglich eine achtzigprozentige Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die Messung im Ergebnis tatsächlich fehlerfrei ist. Eine solche Wahrscheinlichkeit ist aber keinesfalls ausreichend, um Grundlage der Verhängung eines Bußgeldes zu sein, weshalb der Betroffene freizusprechen war.


Gesetze

Gesetze

4 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 823 Schadensersatzpflicht


(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. (2) Di

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch


(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der

Strafgesetzbuch - StGB | § 202a Ausspähen von Daten


(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit

Strafgesetzbuch - StGB | § 202c Vorbereiten des Ausspähens und Abfangens von Daten


(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er 1. Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder2. Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,herstellt,

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(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

(2) Die gleiche Verpflichtung trifft denjenigen, welcher gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstößt. Ist nach dem Inhalt des Gesetzes ein Verstoß gegen dieses auch ohne Verschulden möglich, so tritt die Ersatzpflicht nur im Falle des Verschuldens ein.

(1) Wer unbefugt sich oder einem anderen Zugang zu Daten, die nicht für ihn bestimmt und die gegen unberechtigten Zugang besonders gesichert sind, unter Überwindung der Zugangssicherung verschafft, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Daten im Sinne des Absatzes 1 sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden.

(1) Wer eine Straftat nach § 202a oder § 202b vorbereitet, indem er

1.
Passwörter oder sonstige Sicherungscodes, die den Zugang zu Daten (§ 202a Abs. 2) ermöglichen, oder
2.
Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer solchen Tat ist,
herstellt, sich oder einem anderen verschafft, verkauft, einem anderen überlässt, verbreitet oder sonst zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) § 149 Abs. 2 und 3 gilt entsprechend.