Wettbewerbsrecht: Zu den Voraussetzungen des § 1 GWB
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Eine nach § 1 GWB kartellrechtswidrige horizontale Preisabsprache zwischen Bietern liegt nicht vor, wenn der Auftraggeber mit der Einholung der Angebote (ausnahmsweise) andere Ziele als die Durchführung eines Preiswettbewerbs unter den Bietern verfolgte.
Zum Freispruch des Bieters im Kartellordnungswidrigkeitenverfahren, wenn Anhaltspunkte für das Fehlen eines Wettbewerbszwecks bestehen.
Der Betroffene wird freigesprochen.
Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
(abgekürzte Fassung gemäß § 267 Abs. 5 S. 2 StPO)
Ein Verfahrenshindernis nach § 84 Abs. 1 OWiG i. V. m. § 211 StPO besteht nicht.
Zur Begründung wird auf den gerichtlichen Hinweis vom 11.06.2009 Bezug genommen.
Der Betroffene ist aus rechtlichen Gründen freizusprechen, da nach Aktenlage bereits der hinreichende Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 1 GWB fehlt.
Die Kartellbehörde wirft dem Betroffenen im Bußgeldbescheid eine horizontale kartellrechtswidrige Preisabsprache mit der Bieterin R (handelnd durch den anderweitig verfolgten Betroffenen F) i. S. von § 1 GWB (in der bis zum 30.06.2005 geltenden Fassung der 6. GWB-Novelle) vor. Hiernach sind Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen verboten, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken.
Eine (horizontale) Submissionsabsprache ist nur dann kartellrechtswidrig i. S. von § 1 GWB, wenn der Auftraggeber überhaupt einen (Preis-)Wettbewerb bezweckte, die Angebote somit einholte, um das günstigste Angebot zu ermitteln, und durch die verheimlichte Abrede der Bieter folglich über das Fehlen eines echten Wettbewerbs getäuscht wird.
Nicht erfüllt ist § 1 GWB, wenn der Auftraggeber mit der Einholung weiterer Angebote (ausnahmsweise) andere Ziele als die Durchführung eines Wettbewerbs unter den Bietern verfolgte.
Hingegen lässt die bloße Kenntnis eines - mit den Bietern kollusiv zusammenwirkenden - Mitarbeiters des Auftraggebers von Preisabsprachen den Tatbestand des § 1 GWB noch nicht entfallen. Es ist somit eine kollusive Förderung der heimlichen Preisabsprache durch einen Mitarbeiter von dem Fall abzugrenzen, dass die Aufforderung zur Angebotsabgabe überhaupt nicht mit dem Ziel erfolgte, marktgerechte Angebote zu erhalten. Über die Zielsetzung entscheidet die Person, die im Unternehmen die Entscheidung über das „Ob“ der Einholung weiterer Angebote getroffen hat.
Anders als offenbar die Kartellbehörde meint (s. ihre Stellungnahme vom 16.10.2009 zum Hinweis des Senats vom 03.09.2009), genügt im Bußgeldverfahren zur Überzeugungsbildung vom Vorliegen einer Zuwiderhandlung i. S. von § 1 GWB nicht die allgemeine Annahme, dass Angebotsaufforderungen üblicherweise zur Erlangung wettbewerbsgemäß kalkulierter Angebote erfolgen, so dass eine festzustellende Mitwirkung von Mitarbeitern des Auftraggebers nur auf ein kollusives Zusammenwirken mit den Bietern (quasi hinter dem Rücken des Geschäftsherrn) hinweise. Dies liefe auf einen Anscheinsbeweis hinaus, der im Strafverfahren der Überzeugungsbildung nicht zugrunde gelegt werden darf. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren gelten ungeachtet der für den Betroffenen mitunter geringeren Bedeutung der Sache keine anderen Grundsätze.
Die Verurteilung setzt die volle Überzeugung von der Tat voraus. Zwar gebietet auch der Grundsatz in dubio pro reo nicht, ohne Anhaltspunkte einen dem Betroffenen günstigen Sachverhalt zu unterstellen, so dass ein Freispruch nicht auf bloße Vermutungen gestützt werden kann. Wenn jedoch Anhaltspunkte für einen zum Freispruch führenden Sachverhalt bestehen, darf eine Verurteilung nur erfolgen, wenn diese zur vollen Überzeugung des Gerichts widerlegt sind; die tatrichterliche Würdigung darf sich auch insoweit nicht in Vermutungen erschöpfen, die nicht durch entsprechende Tatsachen belegt sind.
Vorliegend ist der Betroffene freizusprechen, da nach Aktenlage Anhaltspunkte bestehen, die gegen eine kartellrechtswidrige Absprache i. S. von § 1 GWB sprechen, und eine weitere Sachaufklärung nicht möglich erscheint.
Für eine Absprache nicht nur zwischen den Bietern, sondern auch im Vertikalverhältnis zwischen Bietern und Personen auf Seite der B AG spricht, wovon auch die Verfolgungsbehörden ausgehen, die Übersendung der Adressen und Ansprechpartner der Bieter R und R durch die V an die B AG mit Fax vom 15.03.2004. Das Schreiben nebst Sendebericht ist bei der Durchsuchung der Räume der V am 24.03.2004 aufgefunden worden. Am 16.03.2004 erfolgte die Angebotsaufforderung der B AG (handelnd durch Hr. M und Hr. G) an die R, R und P D KG. Hr. M ist Leiter des Baubereichs der Auftraggeberin.
Die Übersendung der Anschriften weiterer aufzufordernder Bieter durch die V lässt es als lebensnah erscheinen, dass Personen im Haus der B Kenntnis davon hatten, dass die Bieter abgesprochene Angebote einreichen wollten. Denn die Geheimhaltung der Bieter ist Voraussetzung eines lauteren Bauvergabewettbewerbs und wird daher auch von privaten Nachfragern regelmäßig beachtet.
Nach Aktenlage, insbesondere den Erklärungen und Verhalten der B im Ermittlungsvefahren, bestehen Indizien, die darauf schließen lassen, dass die für diese Entscheidung zuständigen Personen im Hause der B mit der Angebotsaufforderung vom 16.03.2004 nicht einen Wettbewerb eröffnen, sondern das bereits vorliegende Angebot der V gegen den Vorwurf der Korruption absichern wollten.
Ein solches Motiv erscheint naheliegend. Die B hat eine offenbar enge Geschäftsbeziehung zur V unterhalten und sie wiederholt mit Bauleistungen beauftragt; sie sei als „günstiger Bieter bekannt“ gewesen, die Arbeiten „stets termingerecht und in der geforderten Qualität ausgeführt“ worden.
Die hiesige Auftragsvergabe zum Rückbau verschiedener Gebäude sollte aus öffentlichen Mitteln des Bundes und Landes gefördert werden, die Baumaßnahmen mussten in Absprache mit einer Projektgruppe, der neben der B die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und die B angehörten, durchgeführt werden.
Nachdem die V unter 9 Bietern ausgewählt worden war, wurden gegen sie in der Öffentlichkeit Korruptionsvorwürfe erhoben, was Anlass für eine „neue, beschränkte Ausschreibung“ bei den Bietern P D KG, R und R war. Die Korruptionsvorwürfe wurden in der Presse „Mitte März 2004“ erhoben, und waren damit nicht etwa Folge der Durchsuchung vom 24.03.2004.
Bei dieser Sachlage ist es ein konkret denkbares Motiv für die Einholung von Scheinangeboten, dass die offenbar von der B gewollte Beauftragung dadurch erreicht werden sollte, dass die öffentlichen Korruptionsvorwürfe durch Vorlage höherpreisiger Angebote entkräftet wurden und zugleich die Meinung der anderen Mitglieder der Projektgruppe beeinflusst werden sollte.
Für die Einholung von Scheinangeboten durch die B spricht auch ihr Verhalten im Ermittlungsverfahren.
So wird im Schreiben vom 18.08.2006 behauptet, dass die im Rahmen der beschränkten Ausschreibung aufzufordernden Unternehmen bereits „ausreichend bekannt“ gewesen seien und V über die Anfragen an weitere Bieter nicht unterrichtet worden sei. Dies wird widerlegt durch das bei der Durchsuchung am 24.03.2004 aufgefundene Fax vom 15.03.2004. Diese Schutzbehauptung ist ein starkes Anzeichen dafür, dass die B den wahren Sachverhalt verschleiern will.
Die Mitwirkung der B an der Sachaufklärung in Bezug auf Abläufe in ihrem Haus erscheint zurückhaltend. Auffällig ist, dass die weitere Rückfrage der Polizei vom 07.04.2006 nach telefonischer und schriftlicher Erinnerung vom 20. bzw. 28.07.2006 erst am 18.08.2006 beantwortet wurde. Die Frage danach, „wie die Bieterauswahl für die beschränkte Ausschreibung erfolgte“, wurde darin nur vage beantwortet. Insbesondere bleibt offen, welche Personen die Auswahl trafen. Telefonische Nachfragen der Polizei blieben erfolglos; der stellvertretende Leiter der Rechtsabteilung Dr. K verwies am 04.09.2006 auf den Leiter der Rechtsabteilung O; dieser verweise am 27.09.2006 darauf, dass er auf Informationen der Bauabteilung angewiesen sei.
Hingegen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass „einfache“ Mitarbeiter der B, etwa Fr. Dr. H und Hr. G, durch kollusives Zusammenwirken mit den Bietern den von ihrem Unternehmen gewollten Wettbewerb um den Auftrag unterlaufen haben könnten. Da nichts dafür erkennbar ist, dass diese Mitarbeiter die Entscheidung über das „Ob“ einer erneuten Ausschreibung zu treffen hatten, hätte ihnen gegenüber höherrangigen Mitarbeitern die Erklärung oblegen, warum sie eine Angebotsaufforderung gerade gegenüber diesen Bietern vorschlagen.
Der Akteninhalt bietet keine Anhaltspunkte für eine weitere Sachaufklärung. Die Amtsermittlungspflicht des Gerichts reicht nur soweit, wie aus den Akten oder auf sonstige Weise Tatsachen bekannt werden, die zum Gebrauch eines Beweismittels drängen oder ihn zumindest nahe legen. Die Verfolgungsbehörden haben die Ermittlungen auf eine Beteiligung von Personen der B an der Preisabsprache nicht erstreckt; auf eine Durchsuchung der Räume der B wurde verzichtet. Es ist daher nicht ersichtlich, wie ein kollusives Zusammenwirken mit einzelnen Mitarbeitern nachgewiesen und damit der Verdacht eines von B beabsichtigten Scheinwettbewerbs widerlegt werden könnte.
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Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.
(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.
(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.
(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.
(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.
(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.
(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.
(1) Ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden oder hat das Gericht über die Tat als Ordnungswidrigkeit oder als Straftat rechtskräftig entschieden, so kann dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden.
(2) Das rechtskräftige Urteil über die Tat als Ordnungswidrigkeit steht auch ihrer Verfolgung als Straftat entgegen. Dem rechtskräftigen Urteil stehen der Beschluß nach § 72 und der Beschluß des Beschwerdegerichts über die Tat als Ordnungswidrigkeit gleich.
Ist die Eröffnung des Hauptverfahrens durch einen nicht mehr anfechtbaren Beschluß abgelehnt, so kann die Klage nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel wieder aufgenommen werden.
Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken, sind verboten.