Strafrecht: Widerstand bei Verkehrskontrolle
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Am Freitag, dem 28. 6. 1991, wurde der von dem Angekl. gesteuerte Pkw gegen 2.50 Uhr von Beamten einer Polizeizivilstreife verfolgt und auf dem beleuchteten Parkplatz der Bahnpolizei am Hauptbahnhof in Düsseldorf angehalten, weil er zeitweilig ohne Licht fuhr und beschleunigt wurde. Einer der Beamten hielt seinen als solchen erkennbaren Dienstausweis vor die Windschutzscheibe des Fahrzeugs. Der Angekl. und sein Beifahrer wurden von den Zivilbeamten lautstark aufgefordert, den Pkw zu verlassen. Daraufhin verriegelte der Angekl. von innen die Fahrzeugtüren des Wagens und blieb zusammen mit dem Beifahrer im Pkw sitzen. Erst als die Beamten androhten, die Seitenscheibe des Fahrzeugs einzuschlagen, öffnete der Beifahrer die Tür. Der Angekl. und der Beifahrer wurden durchsucht und zur Feststellung der Personalien in eine Polizeiwache verbracht.
Das AG hat den Angekl. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe verurteilt. Seine Berufung hat das LG mit der Maßgabe verworfen, daß dem Angekl. gestattet wird, die Geldstrafe in monatlichen Raten zu zahlen. Die Revision des Angekl. hatte keinen Erfolg.
Gründe:
Der Angekl. hat den zur Vollstreckung von Gesetzen und Verfügungen berufenen Polizeibeamten bei der Vornahme einer rechtmäßigen Diensthandlung i.S. des § 113 StGB mit Gewalt Widerstand geleistet, indem er nach Aufforderung zum Aussteigen die Türen des Pkw von innen verriegelt hat. Die Ausführungen der Revisionsbegründung geben lediglich Anlaß zu folgenden Bemerkungen:
Bei den Anordnungen der Beamten der Zivilstreife handelt es sich um rechtmäßige Vollstreckungshandlungen hierzu berufener Amtsträger im Rahmen einer Verkehrskontrolle gem. § 36V StVO.
Der Angekl. hat den Polizeibeamten bei dieser Diensthandlung durch das Verriegeln der Türen i.S. des § 113I StGB mit Gewalt Widerstand geleistet.
Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte setzt eine aktive Tätigkeit voraus, die nach der Vorstellung des Täters geeignet ist, die Vollziehung der Diensthandlung zu verhindern oder zu erschweren; rein passives Verhalten oder bloßer Ungehorsam genügen nicht. Durch das Verriegeln der Türen hat der Angekl. eine aktive Tätigkeit in diesem Sinne entfaltet, die bestimmt und geeignet war, die Polizeibeamten an einer Verkehrskontrolle zu hindern.
Das Verriegeln der Türen stellt sich auch als Ausübung von Gewalt i.S. des § 113 StGB dar..
Der Begriff der Gewalt wird im Strafgesetzbuch nicht einheitlich gebraucht; sein Inhalt ist deshalb nach Struktur und Ziel des jeweiligen Tatbestandes gesondert zu ermitteln. § 113I Alt. 1 StGB verlangt als Gewalt weder einen tätlichen Angriff (Alt. 2) im Sinne einer unmittelbar auf den Körper des Beamten zielenden feindseligen Einwirkung, noch eine durch ein aggressives Verhalten gekennzeichnete Gewalttätigkeit i.S. von Abs. 2 Nr. 2 dieser Vorschrift; auch die zu § 240I StGB entwickelten Kriterien sind nicht übertragbar. Gewalt i.S. des § 113I StGB ist vielmehr eine durch tätiges Handeln unmittelbar oder mittelbar gegen die Person des Vollstreckungsbeamten gerichtete Kraftäußerung, für die bei einer gegen Sachen gerichteten Einwirkung erforderlich ist, daß sie von dem Beamten körperlich empfunden wird und er seine Amtshandlung nicht ausführen kann, ohne seinerseits eine nicht ganz unerhebliche Kraft aufwenden zu müssen.
Diese Voraussetzungen liegen vor, wenn der Täter durch das Verschließen von Türen den Austritt oder Eintritt des Amtsträgers verhindert und damit die Amtshandlung zumindest erschwert. Dem steht das Verriegeln eines Kraftfahrzeugs zur Verhinderung einer Verkehrskontrolle gleich. Dem Polizeibeamten wird hierdurch ein körperlich wirkendes Hindernis bereitet, durch das ihm die Ausführung der Diensthandlung ganz oder jedenfalls ohne erheblichen Kraftaufwand unmöglich gemacht wird. Insoweit besteht zwischen dem Ein- und dem Aussperren eines Vollstreckungsbeamten kein Unterschied, da sich dieser auch im letzteren Fall der physischen Zwangswirkung nur dadurch entziehen kann, daß er von der Amtshandlung absieht. Ein solches Verlangen wäre aber mit dem Zweck des § 113 StGB unvereinbar, den in Gesetz, Rechtsverordnung, Urteil, Gerichtsbeschluß oder Verfügung zum Ausdruck gebrachten Staatswillen und die zu seiner Ausführung berufenen Organe zu schützen.
Der Angekl. hat den Polizeibeamten bei ihrer Diensthandlung Widerstand geleistet. Voraussetzung hierfür ist, daß sich der Täter einer bereits begonnenen oder unmittelbar bevorstehenden, aber noch nicht beendeten Vollstreckungshandlung widersetzt. Dies war vorliegend der Fall, da die Polizeibeamten den Angekl. zur Durchführung der Verkehrskontrolle nach § 36V StVO schon vor der Verriegelung der Fahrzeugtüren zum Anhalten und Aussteigen aufgefordert hatten und bereits das Haltegebot den Beginn der Amts- und Vollstreckungshandlung darstellte, zu deren Zweck die Anweisung erteilt wurde.
Es bedarf daher vorliegend keiner Entscheidung, ob und unter welchen Umständen eine lediglich zur Verhinderung und Erschwerung einer - noch nicht begonnenen - zukünftigen Amtshandlung vorgenommene Tätigkeit als “vorweggenommene” Widerstandsleistung tatbestandsmäßig i.S. des § 113I StGB ist und inwieweit dies auch für das Verriegeln eines Kraftfahrzeugs in Erwartung späterer Diensthandlungen der Polizeibeamten gilt. Ebenso kann dahinstehen, ob § 113I StGB unanwendbar ist, wenn der Täter in solchen Fällen unmittelbar nach der Aufforderung des Polizeibeamten, das Fahrzeug zu öffnen und auszusteigen, die bereits zuvor vorgenommene Handlung wieder rückgängig macht, da hier der Angekl. das Fahrzeug erst nach diesen Anweisungen und in bewußtem Widerspruch zu ihrem Inhalt verriegelt hat.
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(1) Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - 2.
der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder - 3.
die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.
(3) Die Tat ist nicht nach dieser Vorschrift strafbar, wenn die Diensthandlung nicht rechtmäßig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig.
(4) Nimmt der Täter bei Begehung der Tat irrig an, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, und konnte er den Irrtum vermeiden, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder bei geringer Schuld von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen. Konnte der Täter den Irrtum nicht vermeiden und war ihm nach den ihm bekannten Umständen auch nicht zuzumuten, sich mit Rechtsbehelfen gegen die vermeintlich rechtswidrige Diensthandlung zu wehren, so ist die Tat nicht nach dieser Vorschrift strafbar; war ihm dies zuzumuten, so kann das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildern (§ 49 Abs. 2) oder von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen.