Hineinverschmelzung einer Gesellschaft aus der Schweiz nach Deutschland

published on 17/06/2014 17:39
Hineinverschmelzung einer Gesellschaft aus der Schweiz nach Deutschland
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Zwischenverschmelzung über Österreich - Gesellschaftsrecht - Umwandlungsrecht - Insolvenzrecht - Europarecht - Wirtschaftsrecht - Rechtsanwalt Dirk Streifler - Berlin Mitte

Immer wieder begegnet einem in der Praxis der grenzüberschreitenden Verschmelzungen der Mandantenwunsch eine in der Schweiz befindliche Gesellschaft nach Deutschland zu verschmelzen. Zwar steht seit der Sevic-Rechtsprechung fest, dass die in § 1 I UmwG niedergelegte Regelung, dass Verschmelzungen nur zwischen innerstaatlichen Gesellschaften möglich sind, gegen die in Art.49, 54 AEUV niedergelegte Niederlassungsfreiheit verstößt, jedoch gehört die Schweiz weder zur EU noch zum EWR, sodass die dort aufgestellten Grundsätze keine Anwendung finden.
Demgemäß ist im Rahmen von Sachverhalten mit der Schweiz der Wortlaut des § 1 I UmwG zu beachten, sodass eine grenzüberschreitende,direkte Hineinverschmelzung nach Deutschland de lege lata nicht möglich ist. Eine direkte Hineinverschmelzung nach Deutschland ist zwar nicht zu erreichen, jedoch sollte insbesondere im Zusammenhang mit der Schweiz der Weg einer Zwischenverschmelzung in Betracht gezogen werden, um zum finalen Ziel zu gelangen.
In diesem Zusammenhang sind insbesondere in der EU bzw. im EWR befindliche Tochtergesellschaften ins Auge zu fassen, welche den Einstiegspunkt für nach Deutschland angestrebte Exportverschmelzung bilden können.
Auf diese Art und Weise besteht die Möglichkeit eine schweizerische Gesellschaft nach Österreich zu verschmelzen. Die in Österreich für Verschmelzungen maßgeblichen §§ 219 ff. öAktG / §§ 96 ff. öGmbHG treffen eine dem deutschen UmwG entsprechende Beschränkung auf inländische Verschmelzungen nicht, sodass auf Basis der Vereinigungstheorie eine Verschmelzung aus der Schweiz nach Österreich möglich ist, da auch das schweizerische IPRG in Art.163 b grenzüberschreitende Fusionen zulässt. Jenes hat zur Folge , dass die ursprünglich in der Schweiz ansässige Gesellschaft  als nunmehr nach Österreich verschmolzene Gesellschaft in den Genuss der europäischen Regularien kommt, sodass bei Begehren einer Verschmelzung einer schweizerischen Gesellschaft nach Deutschland der indirekte Weg, wie z.B. über Österreich erwogen werden sollte.

Das mag auf den ersten Blick sehr umständlich klingen, jedoch ähneln sich das österreichische und das deutsche Recht transnationale Verschmelzungen betreffend in einem hohen Maße. Durch diese Tatsache entsteht ein sehr geringer Aufwand, was nachfolgende Darstellung zeigt.

Zwar stellt die Schweiz aus deutschem Blickwinkel weiterhin einen problematischen Fall dar, sofern es um transnationale Verschmelzungen geht, jedoch ist solch eine Konstellation nicht unlösbar, da, wie nachfolgende Ausführungen zeigen, sich etwaige Hürden überwinden lassen, sofern man bereit ist einen Umweg über eine Zwischenverschmelzung  zu beschreiten.

Inhalt:

1.                   Allgemeines

2.                   Verschmelzungsplan

3.                   Verschmelzungsbericht

4.                   Verschmelzungsprüfung

5.                   Aufstellung der Schlussbilanz

6.                   Sicherung von Gläubigerforderungen

7.                   Erteilung und Vorlage der Rechtmäßigkeitsbescheinigung

8.                   Löschung der übertragenden Gesellschaft


1. Allgemeines

Um eine Übersicht über die zu erfüllenden Anforderungen im Rahmen einer transnationalen Verschmelzung von Österreich nach Deutschland einer nach Österreich hineinverschmolzenen schweizerischen Gesellschaft zu gewinnen, sollte zunächst Klarheit über die hierfür relevanten Rechtsquellen beider Länder herrschen.

Die wichtigsten deutschen Normen im Rahmen von grenzüberschreitenden Umwandlungen sind:

  • §§ 122a-122k UmwG (Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie) 

Maßgebliche Regelungen aus österreichischer Sicht im Rahmen von grenzüberschreitenden Verschmelzungen sind:

  • §§ 219 ff. öAktG / §§ 96 ff. öGmbHG (nationales Sachrecht)
  • Art.1 öGesRÄG (Umsetzung der Verschmelzungsrichtlinie)

Nach Art.1 Nr.1Verschmelzungsrichtlinie(Richtlinie 2005/56/EG) findet die Richtlinie auf die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften Anwendung, welche sich in dem Gebiet der Mitgliedstaaten befinden, sodass eine bereits verschmolzene österreichische Gesellschaft und eine in Deutschland bestehende Gesellschaft, mit welcher die österreichische Gesellschaft verschmolzen werden soll, unter den Anwendungsbereich der Verschmelzungsrichtlinie fallen.

Nach Art.4 I lit.b der Verschmelzungsrichtlinie gilt für jede beteiligte Gesellschaft das Gesellschaftsrecht ihres Sitzstaates, sprich für die österreichische Gesellschaft österreichisches Recht, für die deutsche Gesellschaft hingegen deutsches Recht (Vereinigungstheorie).

Verschmelzungsfähige Rechtsträger im Sinne der Verschmelzungsrichtlinie sind in Österreich die GmbH, die AG und SE mit österreichischem Sitz, wohingegen aus deutscher Sicht die GmbH, die AG, die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und die SE mit deutschem Sitz hierunter fallen.

Die im Rahmen von grenzüberschreitenden Verschmelzungen geltende Vereinigungstheorie fordert, dass jede Rechtsordnung der an einer länderübergreifenden Verschmelzung beteiligten Gesellschaften Berücksichtigung finden muss, wobei sich bei divergierenden Voraussetzungen grundsätzlich die strengste Vorschrift durchsetzt (Grundsatz des ärgeren Rechts).


2. Verschmelzungsplan

Sowohl das deutsche als auch das österreichische Recht stellen als Anforderung an eine grenzüberschreitende Verschmelzung zunächst das Aufstellen eines Verschmelzungsplanes, § 5 EU-VerschG, § 122 c I UmwG. Solch ein Verschmelzungsplan steht dem für innerstaatliche Verschmelzungen erforderlichen Verschmelzungsvertrag nach § 220 öAktG, § 4 UmwG gleich.

Die Beschlusskompetenz über den Verschmelzungsplan haben die Gesellschafter im Rahmen einer GmbH inne, wohingegen bei Aktiengesellschaften der Vorstand entscheidet.
Die Anforderungen an den Inhalt des Verschmelzungsplanes sind in § 122c UmwG, § 4 EU-VerschG geregelt, wobei die Vorschriften sich größtenteils in ihren Anforderungen decken.
Inhalt des Planes muss demnach u.a. nach § 122c II Nr.4 UmwG der zu erwartende Effekt auf die Beschäftigung sein, wobei § 5 II 4 EU-VerschG darüber hinausgehend fordert, dass die Auswirkungen auf die in den beteiligten Gesellschaften beschäftigten Arbeitnehmer, auf die Beschäftigungsbedingungen und die Beschäftigungslage erörtert werden.
Insofern divergiert der Wortlaut des österreichischen Gesetzes ausnahmsweise vom deutschen, sodass jenes bei der Erstellung des Verschmelzungsplanes Berücksichtigung finden muss.

Nach österreichischem Recht ist nach § 5 V EU-VerschG die notarielle Beurkundung des Verschmelzungsplanes notwendig, wobei das österreichische Recht die Beurkundung des Verschmelzungsplanes durch einen deutschen Notar als der österreichischen notariellen Beurkundung gleichwertig erachtet und damit auch eine in Deutschland vorgenommen Beurkundung dem Erfordernis des § 5 V EU-VerschG genügt. Im umgekehrten Fall gilt Entsprechendes, sodass es keine Rolle im Rahmen der Verschmelzung spielt, ob der Verschmelzungsplan in Österreich oder in Deutschland einem Notar vorgelegt wird, sodass insoweit beliebige Flexibilität herrscht.


3. Verschmelzungsbericht

Weiterer zentraler Schritt im Rahmen einer transnationalen Verschmelzung ist die Erstellung eines Verschmelzungsberichtes durch die Geschäftsführer beziehungsweise Vorstände nach § 6 I EU-VerschG iVm § 220a öAktG, § 122 e iVm § 8 UmwG.
Dabei genügt es sowohl den deutschen als auch österreichischen Anforderungen, sofern ein gemeinsamer Verschmelzungsbericht beider Gesellschaften vorliegt.
Nach § 6 I 2 EU-VerschG, § 122e S.2 UmwG ist der Verschmelzungsbericht dem Betriebsrat beziehungsweise den Arbeitnehmern der beteiligten Gesellschaft einen Monat vor der Beschlussfassung über die Verschmelzung zuzustellen bzw. zugänglich zu machen.


4. Verschmelzungsprüfung

Nach deutschem Recht ist ausweislich § 122 f S.1 Hs.1 iVm 9 III, 8 III Var.2 UmwG ein Verschmelzungsprüfer entbehrlich, sofern sämtliche Gesellschaftsanteile der übertragenden Gesellschaft durch die übernehmende Gesellschaft gehalten werden, wohingegen im österreichischen Recht jenes nur für Aktiengesellschaften in § 232 I öAktG geregelt ist.
Trotz der auf den ersten Blick divergierenden Rechtslage kann die Frage, ob eine Verschmelzungsprüfung durchzuführen ist mittels einer Verzichtserklärung im gemeinsamen Verschmelzungsplan Beantwortung finden.


5. Aufstellung der Schlussbilanz

Nach deutschem Recht darf die Schlussbilanz nach § 17 II 4 UmwG frühestens acht Monate vor Verschmelzungsanmeldung aufgestellt werden, wohingegen das österreichische Recht gem. § 220 III öAktG eine Höchstgrenze von neun Monaten hierfür vorsieht.
Gemäß dem Grundsatz, dass sich das ärgere Recht durchsetzt gilt es die Achtmonatsfrist einzuhalten.


6. Sicherung von Gläubigerforderungen

Nach § 13 EU-VerschG ist es im Rahmen von Verschmelzungen aus Österreich zwingend, bevor eine Rechtmäßigkeitsbescheinigung erstellt werden kann, dass die Gläubiger ihre Ansprüche sicherstellen können.
Jedoch kann ein Nachweis bzw. die Erklärung über die Sicherstellung der Gläubigeransprüche i.S.d. § 14 I 9 EU-VerschG dem österreichischen Firmenbuchgericht nachgereicht werden, sodass der Beweis der Gläubigersicherstellung keine Anmeldungsvoraussetzung ist.


7. Erteilung und Vorlage der Rechtmäßigkeitsbescheinigung

Nachdem das österreichische Gericht nach vorheriger Anmeldung die Voraussetzungen für die Verschmelzung einer Gesellschaft aus Österreich nach Deutschland geprüft hat und zu einem positiven Ergebnis kommt hat es hierüber gem. § 14 III EU-VerschG eine Rechtmäßigkeitsbescheinigung zu erstellen, welche im Rahmen der Anmeldung beim Registergericht des Zuzugsstaates, sprich der übernehmenden deutschen Gesellschaft, spätestens sechs Monate nach ihrer Ausstellung vorgelegt werden muss, § 122k III UmwG.
Mit Eintragung in das deutsche Register ist die grenzüberschreitende Verschmelzung gem. §§ 122a II, 20 UmwG vollzogen.


8. Löschung der übertragenden Gesellschaft

Im Anschluss hieran muss ein Antrag an das österreichische Firmenbuch gem. § 14 V S.1 EU-VerschG auf Löschung der übertragenden Gesellschaft gestellt werden.

 

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Annotations

(1) Die Vertretungsorgane der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger schließen einen Verschmelzungsvertrag. § 311b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt für ihn nicht.

(2) Soll der Vertrag nach einem der nach § 13 erforderlichen Beschlüsse geschlossen werden, so ist vor diesem Beschluß ein schriftlicher Entwurf des Vertrags aufzustellen.

(1) Die Vertretungsorgane jedes der an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger haben einen ausführlichen schriftlichen Bericht (Verschmelzungsbericht) zu erstatten, in dem Folgendes rechtlich und wirtschaftlich erläutert und begründet wird:

1.
die Verschmelzung,
2.
der Verschmelzungsvertrag oder sein Entwurf im Einzelnen, insbesondere
a)
das Umtauschverhältnis der Anteile einschließlich der zu seiner Ermittlung gewählten Bewertungsmethoden oder die Angaben über die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger sowie
b)
die Höhe einer anzubietenden Barabfindung einschließlich der zu ihrer Ermittlung gewählten Bewertungsmethoden.
Der Verschmelzungsbericht kann von den Vertretungsorganen auch gemeinsam erstattet werden. Auf besondere Schwierigkeiten bei der Bewertung der Rechtsträger sowie auf die Folgen für die Beteiligung der Anteilsinhaber ist hinzuweisen. Ist ein an der Verschmelzung beteiligter Rechtsträger ein verbundenes Unternehmen im Sinne des § 15 des Aktiengesetzes, so sind in dem Bericht auch Angaben über alle für die Verschmelzung wesentlichen Angelegenheiten der anderen verbundenen Unternehmen zu machen. Auskunftspflichten der Vertretungsorgane erstrecken sich auch auf diese Angelegenheiten.

(2) In den Bericht brauchen Tatsachen nicht aufgenommen zu werden, deren Bekanntwerden geeignet ist, einem der beteiligten Rechtsträger oder einem verbundenen Unternehmen einen nicht unerheblichen Nachteil zuzufügen. In diesem Falle sind in dem Bericht die Gründe, aus denen die Tatsachen nicht aufgenommen worden sind, darzulegen.

(3) Der Bericht ist nicht erforderlich, wenn alle Anteilsinhaber des beteiligten Rechtsträgers auf seine Erstattung verzichten. Die Verzichtserklärungen sind notariell zu beurkunden. Der Bericht ist ferner nicht erforderlich

1.
für den übertragenden und den übernehmenden Rechtsträger, wenn
a)
sich alle Anteile des übertragenden Rechtsträgers in der Hand des übernehmenden Rechtsträgers befinden oder
b)
sich alle Anteile des übertragenden und des übernehmenden Rechtsträgers in der Hand desselben Rechtsträgers befinden, sowie
2.
für denjenigen an der Verschmelzung beteiligten Rechtsträger, der nur einen Anteilsinhaber hat.