Vergabekammer Südbayern Beschluss, 27. März 2017 - Z3-3-3194-1-03-02/17

27.03.2017

Gericht

Vergabekammer Südbayern

Tenor

1.Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

2.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegner.

3.Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 Euro festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.

4.Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegner war notwendig.   

Gründe

I.

Die Antragsgegner haben mit europaweiter Bekanntmachung im Supplement zur Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften vom 29.12.2016 die gemeinsame Lieferung von fünf baugleichen Hubrettungsfahrzeugen DLAK 23/12 im Wege eines offenen Verfahrens als Lieferauftrag ausgeschrieben. Nach Ziffer II.1.6 der Bekanntmachung erfolgt keine Aufteilung in Lose. Die feuerwehrtechnische Beladung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschaffungsverfahrens. Nebenangebote wurden nicht zugelassen (Ziffer II.2.10 der Bekanntmachung).

Unter Ziffer II.2.7 der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass die Laufzeit 11 Monate betrage.

In Ziffer II.2.14 der Bekanntmachung wird zu Ziffer II.2.7 ausgeführt, dass für vier Auftraggeber der Lieferzeitpunkt spätestens der März 2018, für einen Auftraggeber der Lieferzeitpunkt frühestens der Januar 2019 sei. Wie aus der Leistungsbeschreibung hervorgeht, ist das Fahrgestell mit Aufbau für die Antragsgegnerin zu 5) frühestens im Januar 2019 und spätestens im März 2019 zu liefern. Die Fahrzeuge der anderen 4 Antragsgegner sind spätestens im März 2018 zu liefern. Die Bieter haben in das Leistungsverzeichnis für jedes Fahrzeug den Liefertermin einzutragen.

Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Wie aus Ziffer 8 der Bewerbungsbedingungen hervorgeht werden beim Wertungskriterium Preis die Gesamtkosten über alle Fahrzeuge berücksichtigt. In der Vormerkung der Leistungsbeschreibung wird darauf hingewiesen, dass der in der Leistungsbeschreibung ausgewiesene Kaufpreis sämtliche Kosten einschließlich aller Nebenkosten berücksichtigt. Der Auftragnehmer schuldet zu diesem Kaufpreis ein vollständig montiertes, betriebsfertiges und voll funktionsfähiges Fahrzeug.

Als Kontaktstelle wurde in der Bekanntmachung die K..GmbH genannt.

Nach Ziffer IV.2.2 der Bekanntmachung war der Schlusstermin für den Eingang der Angebote der 07.02.2017, 09.00 Uhr.

Nachdem der Antragstellerin die Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt wurden, rügte diese durch ihren Bevollmächtigten mit je zwei Schreiben vom 16.01.2017 und 23.01.2017 gegenüber der K..GmbH verschiedene Vergabeverstöße, u. a. ihrer Ansicht nach unzulässige Abweichungen von den Vorgaben der VOL/B, diskriminierende Vorgaben, die sie nicht einhalten könne, die Ausdehnung des Referenzzeitraums auf 5 Jahre, mangelnde Hinweise, wann Referenzen als vergleichbar angesehen würden, die ihrer Ansicht nach unzulässige Vorgabe, einen reinen Preisentscheidung durchzuführen und die unterbliebene Losaufteilung in drei Lose Fahrgestell, Aufbau und Beladung.

Mit Schreiben vom 30.01.2017 wurde teilweise den Rügen der Antragstellerin abgeholfen und diesbezüglich auf den mitgesandten Katalog von Bieterfragen und Antworten verwiesen. An einigen der beanstandeten Leistungsanforderungen u. a. unter Pos. 1.2.4 Rettungskorb sowie der Notwendigkeit einer Fire-CAN Schnittstelle wie in den Pos. 1.2.6 und 1.2.12 der Leistungsanforderung beschrieben, haben die Antragsgegner festgehalten. Die weiteren Rügen mit Schreiben vom 16.01.2017 und 23.01.2017 wurden zudem zurückgewiesen.

Wie aus dem beigefügten Katalog von Bieterfragen und Antworten noch hervorging wurde die Angebotsfrist bis zum 20.02.2017, 09:15 Uhr, verlängert.

Mit Schreiben vom 31.01.2017 wurde die Antragstellerin über weitere Änderungen der Vergabeunterlagen informiert. Es wurde ausgeführt, dass es in Bezug auf die Position 1.1.4 „Fahrerhaus für Truppbesatzung 1:2 - Rückwand“ es bei der Forderung nach einem Fahrerhaus mit mind. 180 mm ausgestellter Rückwand über die gesamte Breite bleibe. In Bezug auf Pos. 1.2.5 wurde klargestellt, dass ein „im Korb“ fest verbauter Werfer angeboten werden könne.

Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.01.2017 gegenüber den Antragsgegner/innen u. a. nochmals unmittelbare und mittelbare Vorgaben bestimmter Produkte, die Gesamtvergabe ohne Losbildung und die geforderten Referenzen über vergleichbare Aufträge aus den letzten 5 Jahren.

Weil die vorangegangenen Rügen die Antragsgegner teilweise nicht zur Änderung ihrer Rechtsauffassung bewegte, beantragte die Antragstellerin am 07.02.2016,

– die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens,

– Verstöße gegen Vergabevorschriften festzustellen,

– geeignete Maßnahmen zur Beseitigung der festgestellten Vergabeverstöße anzuordnen,

– der Antragsgegner die Kosten des Verfahrens aufzugeben und für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für notwendig zu erklären.

Die Antragstellerin teilte mit, dass Sie sich mit einem Angebot an dem vorliegenden Vergabeverfahren beteiligen möchte, aber infolge der gerügten Leistungsanforderungen der Antragsgegner sich daran gehindert sehe.

Zwar bestehe ein Bestimmungsrecht der Antragsgegner, aber eine unmittelbare oder mittelbare Vorgabe bestimmter Produkte dürfe nur ausnahmsweise erfolgen. Nach der aktuellen Rechtsprechung seien die vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit der Auftraggeber nur gewahrt,

– sofern die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt sei;

– vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare, objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden seien;

– solche Gründe tatsächlich vorhanden seien

– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiere.

Vorliegend werde zumindest die Antragstellerin diskriminiert.

Gefordert worden sei in Pos. 1.14 ein Fahrerhaus mit mind. 180 mm ausgestellter Rückwand über die gesamte Breite, dass genügend Platz für die mitzuführenden Gegenstände vorhanden sei. Dies stelle eine diskriminierende Forderung dar.

In Pos. 1.2.4 Rettungskorb seien rettungskorbbodennahe oder hängende Aufnahmen für Krankentragen gefordert worden. Weiter heißt es in dieser Position: Bei hängenden Konstruktionen muss ein Einfahren in Rettungsfenstern nach Musterbauordnung (Öffnung 90 cm breit, 120 cm hoch) möglich sein.

Die rettungskorbbodennahe Aufnahme habe nur die Firma R… Bei der Antragstellerin werde die Trage in der Multifunktionssäule am Korb oben eingesteckt. Bei der hängenden Variante gebe es 2 Möglichkeiten, einmal die Trage unter den Korb zu hängen. Dies scheide jedoch durch die Vorgabe der Normfenster aus, da die 120 cm Höhe nicht eingehalten werden können.

Die zweite Variante sei der Rescue Loader der Antragstellerin. In dieser Position sei aber gefordert worden, dass dieses Rettungsgerät auf der Drehleiter mitgeführt werden müsse, was bei der Antragstellerin aber nicht möglich sei, da die Trage in der Multifunktionssäule am Korb eingesteckt werde.

In Pos. 1.2.5 (Löschtechnische - und Rettungseinrichtungen) wurde u. a. gefordert:

„Monitor (Werfer) …..- Abnehmbar, mit Lagerung im Geräteraum. Der Monitor muss auch in Fahrstellung am Korb bleiben können.“

Die Antragstellerin habe zwei verschiedene Varianten beim elektrischen Wasserwerfer. Entweder fest eingebaut im Rettungskorb, dann sei er aber - wie gefordert - nicht abnehmbar oder einsteckbar in die Multifunktionssäule, diese müsse aber für den Fahrbetrieb abgenommen werden - entgegen der Anforderung.

In Pos. 1.2.6 (Fremdeinspeisung / Stromversorgung) wurde gefordert:

„Einbau inkl. Lieferung eines Ladegeräts 24V/12V für die Batterie des Stromerzeugers, inkl. Temperaturüberwachung.

Steckverbindung über genormte Fire-CAN-Schnittstelle. Am Stromerzeuger, mit Spiralkabel“.

Das von der Antragstellerin angebotene System sei nicht Fire-CAN kompatibel. Die Antragstellerin könne stattdessen die Fern-Start-Stopp Schnittstelle anbieten. Hierbei seien jedoch keine Zustandsdaten wie Tankfüllstand, Generator EIN/AUS etc. visualisierbar.

In Pos. 1.2.12 (Halterungen und Lagerungen) sei gefordert worden:

„Lieferung Stromerzeuger mit einer Leistung von min. 13 kVA nach DIN 14685, Isolationsüberwachung, Stromerzeuger mit Elektrostarter, …….fernstarttauglich mit Fire-CAN-Schnittstelle…“.

Dagegen benötige die Antragstellerin einen Stromerzeuger mit Fern-Start-Stopp Schnittstelle.

Zudem sei das von der Antragstellerin angebotene System nicht Fire-CAN kompatibel. Die Antragstellerin könne stattdessen die Fern-Start-Stopp Schnittstelle anbieten. Hierbei seien jedoch keine Zustandsdaten wie Tankfüllstand, Generator EIN/AUS etc. visualisierbar?

Die oben genannten Forderungen seien diskriminierend.

Zudem sei der Lieferzeitpunkt unklar. Unter Ziffer II.2.7 der Bekanntmachung heiße es insoweit: Für vier Auftraggeber sei der Lieferzeitpunkt spätestens März 2018, für einen Auftraggeber frühestens Januar 2019.

Zudem wurde gerügt, dass gemäß Ziffer III.1.3 der Bekanntmachung hinsichtlich der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit Referenzen über früher ausgeführte mit dem Auftragsgegenstand vergleichbare Aufträge aus den letzten 5 Jahren gefordert worden seien.

Es wurde vorgetragen, dass der Referenzzeitraum nicht auf 5 Jahre auszudehnen sei. Vorliegend hätten die Auftraggeber auch aufgrund seines Beurteilungsspielraums zumindest mitteilen müssen, wann es sich um vergleichbare Aufträge handle. Sie müsse jedenfalls bei einer gewissen Komplexität des Auftragsgegenstandes konkrete Vorgaben für die Vergleichbarkeit der Referenzen formulieren. Was vorliegend nicht erfolgt sei.

Auch seien die Vergabeunterlagen nicht barrierefrei verfügbar.

Da es sich um eine sog. Sammelausschreibung von fünf baugleichen Fahrzeugen handle, stelle sich die Frage, ob es sich um 5 unabhängig voneinander durchgeführte Vergabeverfahren handle. Zudem stelle sich die Frage, wer die Vergabeentscheidung treffe, jeder Auftraggeber für sich oder die Gemeinschaft der Auftraggeber.

Ferner wurde vorgetragen, dass Nr. 5.2 der Vertragsbedingungen unzulässig sei. In dieser Bedingung sei gefordert worden, dass der Auftragnehmer vor einer beabsichtigten Übertragung von Leistungen an Unterauftragnehmer Art und Umfang der betreffenden Leistung sowie Name, Anschrift und Berufsgenossenschaft des hierfür vorgesehenen Unterauftragnehmers schriftlich bekannt zu geben habe. Zudem habe der Auftragnehmer die schriftliche Zustimmung gemäß § 4 Nr. 4 VOL/B einzuholen, wenn er beabsichtige Leistungen zu übertragen, auf die sein Betrieb eingerichtet sei. Dies gehe aber aus § 4 Nr. 4 VOL/B nicht hervor.

Auch dürfe in den Vertragsbedingungen unter 9.4 nicht § 13 Nr. 2 Abs. 1 S. 3 VOL/B ausgeschlossen werden. Danach gelte Folgendes: „Liegt ein nicht wesentlicher Mangel vor, so kann der Auftraggeber die Abnahme verweigern, wenn der Auftragnehmer seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels ausdrücklich anerkennt.“

In den Vertragsbedingungen unter 10 - Mängelhaftung - dürfe § 14 VOL/B nicht ausgeschlossen werden.

Zudem hat die Antragstellerin vorgetragen, dass die Antragsgegner in den Angeboten durchgehend Angaben von den Bietern verlangt haben. Die Angebote seien, da sie unterschiedliche Angaben ermöglichten, auch inhaltlich unterschiedlich. Die Antragsgegner hätten deshalb neben dem Preis auch ein nicht zu gering gewichtetes Qualitätskriterium für die Wertung festlegen müssen. Des Weiteren hätten sie nur ein Hauptangebot zulassen dürfen. Da Bieter mehrere Hauptangebote abgeben könnten, die die aufgestellten Anforderungen genügten, entspreche dies der „Ausgangslage wie bei einem Hauptangebot und zugelassenen Nebenangeboten.“ Das Verfahren sei letztlich eine funktionale Ausschreibung. Vorliegend seien vielfache Hauptangebote mit unterschiedlichen Teilen bzw. Aggregaten möglich, solange die vorgeschriebene Funktionalität gegeben sei. Richtigerweise hätten Nebenangebote mit Mindestanforderungen zugelassen werden müssen und weitere Zuschlagskriterien neben dem Preis aufgestellt werden müssen.

Weiter führte die Antragstellerin aus, dass die Antragsgegner vorliegend gegen das Gebot der losweisen Vergabe verstoßen hätten. Es habe eine Vergabe in drei Losen erfolgen müssen (Los 1 Fahrgestell, Los 2 Aufbau und Los 3 Beladung). Die Voraussetzungen für eine einheitliche Gesamtvergabe seien nicht gegeben, da weder wirtschaftliche oder technische Gründe vorlägen. Es müssten die Fachempfehlungen des Deutschen Feuerwehrverbandes e.V. zur Ausschreibung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeuge den Antragsgegner bekannt gewesen sein, indem die Losbildung thematisiert worden sei. Unter Vorlage von Ausschreibungsunterlagen anderer Kommunen könne plausibel dargelegt werden, dass eine losweise Ausschreibung gängige Praxis sei. Zudem sei es Sache der Antragsgegner/innen als Zuwendungsempfängerin gewesen, etwaige Unklarheiten durch Beiziehung externen Sachverstandes oder durch Nachfrage der Bewilligungsbehörde von Zuschüssen zu klären.

Die Vergabekammer informierte die Antragsgegner über den Nachprüfungsantrag mit Schreiben vom 07.02.2017. Diese legten die Vergabeunterlagen und einen USB-Stick mit Dateien zur Dokumentation vor.

Daraufhin zeigte mit Schreiben vom 08.02.2017 der Bevollmächtigte der Antragsgegner seine Mandatierung an.

Mit Antragserwiderung vom 20.02.2017 beantragten die Antragsgegner:

I.

Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der zu zweckentsprechenden Rechtsverteidigung angefallenen Aufwendungen der Antragsgegner zu tragen.

III.

Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegner war notwendig.

Es lägen keine diskriminierenden Leistungsvorgaben vor. Es seien den Rügen, soweit vertretbar, abgeholfen worden. An bestimmten Leistungsvorgaben sei jedoch aufgrund sachlicher Erwägungen festgehalten worden.

In Bezug auf Position 1.2.4 die Antragstellerin in ihrem Schreiben vom 16.01.2017 klargestellt, dass sie die Anforderungen im letzten Absatz dieser Leistungsposition mittels ihres „Rescue Loaders“ grundsätzlich erfüllen könne. Sie könne jedoch die Forderung, dass dieses Rettungsgerät auf dem Fahrzeug mitgeführt werden müsse, nicht erfüllen. Warum dies nicht möglich sei, habe die Antragstellerin nicht begründet.

Aus sachlichen Gründen könne auf diese Anforderung nicht verzichtet werden. In einem Einsatzfall, in dem eine Person über die Drehleiter auf einer Krankentrage bei kritischen Örtlichkeiten, z.B. bei zurückgesetzten Dachgauben, wo die Rettung mit der oben auf der Korbseite angebrachten Krankentragehaltungen nicht möglich sei, gerettet werden müsse, müsse der Einsatz des Rettungsmittels ohne zeitliche Verzögerung möglich sein. Dazu sei es notwendig, dass der Rescue Loader auf dem Drehleiterfahrzeug selbst verlastet ist. Es sei bereits kritisch zu sehen, dass in einem solchen Einsatzfall zunächst auch noch der Korb abmontiert und der Rescue Loader an die Drehleiter angebracht werden müsse. Weitere potentielle Zeitverzögerungen durch einen gesonderten Antransport des Rescue Loaders seien nicht hinnehmbar. Hinzu komme, dass es den zuständigen Feuerwehren nicht zumutbar sei, für den Transport des Rescue Loaders gesonderte Transportfahrzeuge vorzuhalten und einzusetzen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Notwendigkeit des Einsatzes des Rescue Loaders sich in der Regel erst vor Ort ergebe. Deshalb sei die Forderung das Rettungssystem auf der Drehleiter vollständig mitzuführen, sachlich gerechtfertigt. Es bestünde ansonsten die Notwendigkeit der Verladung des Rescue Loaders in einem Rollcontainer und des gesonderten Transports zum Einsatzort, was dazu führen könne, dass der Rescue Loader nicht zeitgleich mit der Drehleiter vor Ort und damit nicht rechtzeitig einsatzbereit sei. Dies könne zu einer konkreten Gefährdung von Leib und Leben der zu rettenden Personen führen, insbesondere wenn eine Rettung über das Treppenhaus nicht mehr möglich sei.

In Bezug auf die Position 1.2.6 und Position 1.2.12 habe die Antragstellerin in ihren Rügeschreiben die Zulassung einer „Fern-Start-Stopp-Schnittstelle“ anstelle der geforderten „Fire-Can-Schnittstelle“ gefordert, wobei sie selbst darauf hingewiesen habe, dass die Fern-Start-Stopp-Schnittstelle keine Zustandsdaten wie Tankfüllstand, Generator EIN/Aus etc. visualisieren könne. Auf die geforderte Schnittstelle könne nicht verzichtet werden. Sie sei erforderlich, um die Überwachung der Geräte (Stromerzeuger) vom Hauptbedienstand aus sicherzustellen. Außerdem sei die Fire-Can-Schnittstelle erforderlich, um zu einem späteren Zeitpunkt zusätzliche neue Geräte über diese Schnittstelle zu bedienen sein müssen. Die veraltete Technik einer Start-Stopp-Schnittstelle beinhalte keine vergleichbaren Überwachungsfunktionen. Dies seien sachliche Gründe für das Verlangen dieser Schnittstelle. Damit sei keine unmittelbare oder mittelbare produktspezifische Ausschreibung verbunden. Insoweit wurde darauf hingewiesen, dass die Fire-Can-Schnittstelle seit der Interschutz 2010 als einheitlicher Standard gelte und diese auch von der Antragstellerin bei Löschfahrzeugen eingesetzt werde. Es könne nicht zu Lasten der Antragsgegner gehen, wenn die Antragstellerin bei ihren Drehleiterfahrzeugen nach wie vor eine veraltete Schnittstellentechnik verwende und anbiete.

Bei Position 1.2.5 hätten die Antragsgegner der Rüge der Antragstellerin abgeholfen. Es sei klargestellt worden, dass ein fest verbauter Werfer angeboten werden könne, wie die Antragstellerin im Schreiben vom 16.01.2017 (S. 5 oben) gefordert habe. Hierzu sei lediglich ergänzend klargestellt worden, dass dieser „im Korb“ fest verbaut sein müsse. Diese Anforderung dürfte von der Antragstellerin erfüllt werden.

Unter Position 1.1.4 sei in Bezug auf das Fahrerhaus ein „mittellanges Fahrerhaus oder ausgestellte Rückwand, so dass hinter den Sitzen mindestens 180 mm Platz zum Verlasten von Ausrüstungsgegenständen (Ordnerablage, Handsprechfunkgeräte, Helmablage, Einsatzjahren, …) zur Verfügung steht“ gefordert worden. Es sei ausdrücklich zugestanden worden, dass die Anforderung auch über ein Standardführerhaus mit zurückgestellter Rückwand erfüllt werden könne.

Der Lieferzeitpunkt sei nicht unklar. Im Leistungsverzeichnis sei der späteste Lieferzeitpunkt für alle fünf Gemeinden klar geregelt.

Auch seien die Vorgaben zu den Referenzen nicht zu beanstanden. Die Vorgaben zu den Referenzen entsprechen insbesondere § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Klarstellung, unter welchen Voraussetzungen von vergleichbaren Aufträgen auszugehen sei, bestehe nicht. Die Frage der Vergleichbarkeit einer Referenz sei eine Frage der materiellen Eignungsprüfung. Auf den Beschluss des OLG München von 12.11.2012 - Verg 23/12 werde verwiesen. Es sei im Übrigen aus Sicht der Antragsgegner nicht zweifelhaft, dass die Antragstellerin über zahlreiche vergleichbare Referenzen verfüge. Da davon auszugehen sei, dass die Antragstellerin dies nicht bestreiten würde, fehle ihr bezüglich dieser Rüge auch die Antragsbefugnis, da ihr insoweit ersichtlich kein Schaden drohe.

Hinsichtlich der barrierefreien Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen wurde ausgeführt, dass wie den Rügen und dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu entnehmen sei, die Vergabeunterlagen für sie verfügbar waren. Es fehle insoweit die Antragsbefugnis.

Die im Nachprüfungsantrag wörtlich zitierten Fragen zur Sammelausschreibung seien mit den Antworten auf die Bieterfragen vollständig beantwortet worden.

Vertragsbedingungen/Abweichungen zur VOL/B

Nach § 29 Abs. 2 VgV soll Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Regel in den Vertrag einbezogen werden. Gemäß Ziffer 2.1 der Vertragsbedingungen sei vorliegend die VOL/B in den Vertrag einbezogen worden. Soweit in den Vertragsbedingungen punktuell abweichende Regelungen zur VOL/B enthalten seien, sei dies vergaberechtlich nicht zu beanstanden, da die VgV - anders als § 8 EU VOB/A - kein Gebot enthalte, wonach die Allgemeinen Vertragsbedingungen grundsätzlich unverändert bleiben müssen. Es bestehe im pflichtgemäßen Ermessen des öffentlichen Auftraggebers, welche Vertragsbedingungen er zugrunde legen möchte.

Die Antragsgegner hätten in Ziffer 5.2 der Vertragsbedingungen entschieden - von § 4 Nr. 4 VOL/B abweichend - den Einsatz im Angebot nicht benannter Nachunternehmer bei der Auftragsausführung generell von einer schriftlichen Zustimmung abhängig zu machen. Damit solle nicht zuletzt dem Regelungsgehalt des § 36 Abs. 5 VgV Rechnung getragen werden, wonach der Auftraggeber bei Einsatz von Unterauftragnehmern zu überprüfen habe, ob Gründe für einen Ausschluss vorliegen. Die Regelung sei nicht zu beanstanden. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass die Antragstellerin beabsichtige, bei der Auftragsausführung Nachunternehmer einzusetzen. Auch insoweit sei keine Antragsbefugnis gegeben, jedenfalls sei ein hierdurch entstehender Schaden nicht dargetan.

Unter Ziffer 9.4 der Vertragsunterlagen hätten sich die Antragsgegner entsprechend der geltenden Gesetzeslage dafür entschieden, die bloße Anerkenntnis der Pflicht zur Beseitigung eines Mangels für die Begründung der Abnahmepflicht nicht ausreichen zu lassen. Denn dies würde bedeuten, dass die Abnahme und damit auch die Vergütung fällig würde, obwohl wesentliche Mängel noch nicht beseitigt seien.

Unter § 10.1 der Vertragsunterlagen hätten sich die Antragsgegner dafür entschieden, die Geltung von § 14 VOL/B auszuschließen und dafür auf die gesetzlichen Bestimmungen zu verweisen, da § 14 VOL/B für den Auftraggeber punktuell deutlich nachteilig sei. § 14 Ziffer 2 lit. b VOL/B enthalte eine Beschränkung der Schadensersatzhaftung des Auftragnehmers bei Mängeln der Leistung, die stark von der gesetzlichen Regelung abweiche und nicht gerechtfertigt sei. Die Ansprüche auf Minderung, Rücktritt, Schadensersatz und Ersatz vergeblicher Aufwendungen seien zusätzlich zur fristbewehrten Aufforderung zur Nacherfüllung von einer Ablehnungsandrohung abhängig, die gesetzliche Regelung sehe das nicht vor.

Hinsichtlich des Preises als einzigem Zuschlagskriterium wurde vorgetragen, dass keine Verpflichtung der Antragsgegner bestünde, neben dem Preis qualitative Kriterien vorzusehen. Dass unterschiedliche Bieter hier unterschiedliche Ausführungen angeben, liege in der Natur der Sache und dass die Feuerwehrfahrzeuge von unterschiedlichen Anbietern in der Detailausführung Unterschiede aufweisen, sei selbstverständlich. Der Antragsgegner sei rechtlich nicht verpflichtet, diese Unterschiede anhand qualitativer Kriterien zu bewerten. Die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses müssten erfüllt werden, wie dies im Detail gelöst werde, sei für die Vergabeentscheidung nicht relevant. Die Angaben, die gefragt werden, seien rein informatorisch und dienten der Spezifizierung der Vertragspflichten.

Mit ihrer Forderung nach zusätzlich qualitativen Kriterien, handle die Antragstellerin im Übrigen entgegen ihren eigenen Interessen, wie unter Ziffer 1 dargelegt, weise z.B. ihre Lösung zur Rettung von Personen über die Drehleiter bei kritischen Örtlichkeiten erhebliche Nachteile gegenüber einer möglichen rettungskorbbodennahen Aufnahme auf, weil eine unmittelbare notärztliche Versorgung nicht möglich und mit der notwendigen Demontage des Korbs ein erheblicher Zeitverlust verbunden sei, was bei einer qualitativen Bewertung nicht unberücksichtigt werden könnte. Es erscheine deshalb äußerst fraglich, dass der Antragstellerin durch den Preis als einzigem Kriterium ein Nachteil bzw. ein Schaden drohe.

In Bezug auf die fehlende Losvergabe wurde darauf hingewiesen, dass vorliegend nur das Fahrgestell und der Aufbau als Gesamtauftrag ausgeschrieben, nicht aber die Beladung. Dies stehe unter den gegebenen Umständen in Übereinstimmung mit § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB, wonach mehrere Fachlose zusammen vergeben werden dürften, wenn dies wirtschaftliche oder technische Gründe erfordern. Diese Gründe seien in einem entsprechenden Vermerk ausführlich dargestellt worden. Auch insoweit sei die Antragsbefugnis der Antragstellerin in Frage zu stellen, da nicht ersichtlich sei, dass ihr durch diese Vorgabe ein Schaden drohe. Jedenfalls habe sie dazu nichts vorgetragen. Durch die Möglichkeit der Auswahl des günstigsten Fahrgestells und einer entsprechend passgenauen Konfiguration ihres Aufbaus, dürften sich die Chancen der Antragstellerin auf Erhalt des Auftrags eher erhöhen als verschlechtern. Es werde darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin im vorausgegangenen aufgehobenen Vergabeverfahren die losweise Vergabe von Aufbau und Fahrgestell zum Gegenstand ihrer seinerzeit erhobenen Rügen gemacht habe.

Der ehrenamtliche Beisitzer hat mit Schreiben vom 22.02.2017 die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle eines Rücknahmebeschlusses auf den Vorsitzenden und den hauptamtlichen Beisitzer übertragen.

Daraufhin nahm die Antragstellerin mit Schreiben vom 24.02.2017 zu der Erwiderung der Antragsgegner Stellung und teilte zu Ziffer 1 in Bezug auf Pos. 1.2.4 mit, dass die Antragsgegner ihrer Rüge vom 16.01.2017 hätten aus sachlichen Gründen abhelfen müssen. Hinsichtlich der von der Antragstellerin vorgesehenen Lösung (Beschränkung auf „Standardlagerung in der Multifunktionssäule“) sei auch bei kritischen Örtlichkeiten ein gefahrloses Aufschieben der Krankentrage auf den Rettungskorb gewährleistet. Auch die rettungskorbbodennahe Aufnahme, die lediglich Firma R.. anbiete, bringe Nachteile mit sich, da auch mit der Tragenlagerung am Korbboden nicht alle Situationen abgedeckt werden könnten. Zusätzlich habe das System R.. noch das Problem, dass es mit der Korbreling am geöffneten Dachflächenfenster oben anstoße. Es treffe nicht zu, dass eine Beschränkung des Krankentragetransportes oben auf dem Rettungskorb bei bestimmten örtlichen Gegebenheiten nicht gefahrlos zu bewerkstelligen sei.

In Bezug auf Pos. 1.2.6 und Pos. 1.2.12 bei der eine „Fire-Can-Schnittstelle“ gefordert werde, handle es sich um eine produktbezogene unzulässige Forderung, da der Zusatz oder gleichwertig fehle. Auf die geforderte Fire-Can-Schnittstelle könne verzichtet werden. Eine Überwachung der Geräte sei nach nochmaliger technischer Prüfung auch mit der Fern-Start-Stopp-Schnittstelle, wie die Antragstellerin habe, möglich. Eine Visualisierung des Betriebszustandes EIN/AUS und eine Tankfüllstandsmeldung „Tank leer“ bzw. „Tank fast leer“ sei auf dem Display visualisierbar. Daher erfülle die Fern-Start-Stopp-Schnittstelle die wesentlichen Anforderungen und sei daher als gleichwertig zu bewerten. Hinreichende sachliche Gründe für das Verlangen einer Fire-Can-Schnittstelle seien nicht ersichtlich. Es handle sich hier gerade nicht um eine neutrale Technik.

In Bezug auf Ziffer 3. „Referenzen“ und Ziffer 4 „Barrierefreie Verfügbarkeit der Vergabeunterlagen“ wurde wiederholt, was bereits im Nachprüfungsantrag von der Antragstellerin vorgebracht worden ist.

Bezüglich Ziffer 5 zu Fragen zur Sammelausschreibung wurde ausgeführt, dass die im Nachprüfungsantrag zitierten Fragen zur Sammelausschreibung nur unvollständig beantwortet worden seien.

In Bezug auf Ziffer 6 „Vertragsbedingungen/ Abweichungen zur VOL/B“ führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin beabsichtige, unwesentliche Teilleistungen fremd zu vergeben, obwohl es sich um Leistungen handle, auf die ihr Betrieb eingerichtet sei. Nach der Regelung der Antragsgegner in Ziffer 5.2 der Vertragsbedingungen hätte die Antragstellerin als Auftragnehmer aber auch hierfür die schriftliche Zustimmung aller Antragsgegner einzuholen, solange es sich nur um Leistungen handle, auf die ihr Betrieb eingerichtet sei. Das bedeute, dass selbst, wenn es sich um unwesentliche Teilleistungen handle, für die nach VOL/B die Zustimmung nicht erforderlich sei, die Zustimmung vorliegend erforderlich sei und zwar nur deshalb, weil es sich um Leistungen handle, auf die ihr Betrieb eingerichtet sei.

Hier müsse die Antragstellerin sich auf Zustimmungseinholungsprozeduren und sich daraus ergebende Verzögerungen einstellen, die zu Mehraufwand und Mehrkosten führten. Das wiederum führe zu einer Verteuerung des Angebotes. Deshalb sei insoweit die Antragsbefugnis der Antragstellerin gegeben.

Bezüglich Ziffer 9.4 der Vertragsunterlagen wollten die Antragsgegner offensichtlich § 640 BGB anwenden, da sie auf die Geltung des § 640 BGB verweisen. Da es sich vorliegend um einen Kaufvertrag, allenfalls um einen Werkliefervertrag handle, sei § 640 BGB nicht anwendbar. Dies wurde näher erläutert.

Weiter wurde geäußert, dass die Antragsgegner die VOL/B hätten in den Vertrag einbeziehen müssen, was aber nur teilweise erfolgt sei. § 4 Nr. 4 VOL/B sei nicht in den Vertrag einbezogen worden.

Auch § 13 Nr. 2 Abs. 1 Satz 3 VOL/B sei nicht in den Vertrag einbezogen worden, denn Ziffer 9.4 der Vertragsunterlage bestimme insoweit, dass der Auftraggeber die Abnahme und Übernahme verweigern könne, wenn der Liefergegenstand mit wesentlichen Mängeln behaftet ist oder wesentliche Leistungen am Liefergegenstand fehlen.

Ferner sei § 14 VOL/B nicht in den Vertrag einbezogen worden, wie aus Ziffer 10.1. der Vertragsunterlage (Mängelhaftung) hervorgehe. Gemäß § 29 Abs. 2 VgV sei Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 05.08.2003 in der Regel in den Vertrag einzubeziehen. Dies gelte nicht, wie aus S. 2 des § 29 Abs. 2 VgV hervorgehe, für Vergaben von Aufträgen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Tätigen angeboten werden und deren Gegenstand eine Aufgabe sei, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann. Dies treffe vorliegend aber nicht zu.

Die Antragsgegner hätten die VOL/B unverändert einbeziehen müssen. Abweichungen seien nur gestattet, sofern die VOL/B selbst Abweichungen erlaube. Änderungen der VOL/B, die die Antragsgegner in der Vertragsunterlage unter Ziffer 5.2, 9.4, 10.1 vorgenommen haben, seien nicht gestattet. Durch die einseitige Streichung der angeblich für den Auftraggeber ungünstigen Bestimmungen und das gleichzeitige Beibehalten der für den Auftraggeber günstigen und für den Auftragnehmer ungünstigen Bestimmungen seien die Vertragsbedingungen nicht mehr ausgewogen, sondern seien für den Auftragnehmer äußerst einseitig belastend.

Ein solcher Vertragsschluss könne einem Auftragnehmer nicht zugemutet werden.

In § 8 Abs. 1 Nr. 3 der mittlerweile überholten VOL/A 2006 sei es ausdrücklich verboten, dem Auftragnehmer ungewöhnliche Wagnisse für Umstände oder Ereignisse aufzubürden, auf die er keinen Einfluss habe und deren Auswirkung auf die Preise und Fristen er nicht im voraus schätzen könne. Das OLG Jena habe im Beschluss vom 22.08.2011 - 9 Verg 2/11 dargelegt, dass dem Bieter trotz Streichung des Verbots im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A alter Fassung auch aktuell kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden dürfe. Dies ergebe sich zum einen aus dem Willkürverbot und zum anderen aus dem Gleichbehandlungsgebot nach § 97 Abs. 2 GWB.

Was dem Bieter noch zumutbar sei, sei eine jeweils zu prüfende Einzelfallfrage. Da aufgrund der Abweichungen von den Allgemeinen Vertragsbedingungen in deren Kernbestand eingegriffen worden sei, unterlägen sie einer Inhaltskontrolle nach dem AGB-Gesetz. Zahlreiche Vorschriften seien isoliert geprüft unwirksam. Nachdem zahlreiche Regelungen unwirksam seien bzw. im Widerspruch zur VOL/B ständen, sei die VOL/B nicht Vertragsbestandteil geworden. Auf die näheren Ausführungen wird verwiesen.

In Bezug auf den Preis als einziges Zuschlagskriterium wies die Antragstellerin darauf hin, dass sie im vorausgegangenen aufgehobenen Vergabeverfahren, die vorgesehenen qualitativen Zuschlagskriterien gerügt habe. Die Antragstellerin habe erwartet, dass die Antragsgegner nun vergaberechtskonforme qualitative Zuschlagskriterien verwende, statt lediglich den Preis als Zuschlagskriterium. Aus § 97 Abs. 3 GWB erwachse die Verpflichtung neben dem Preis qualitative Kriterien vorzusehen, weil in den Vergabeunterlagen die konkrete Ausführung des Fahrzeugs bzw. von Bestandteilen des Fahrzeugs abgefragt worden sei. Da Bieter unterschiedliche Ausführungen angeben könnten, führe dies dazu, dass sich die Angebote unterscheiden und diese Unterschiedlichkeit vorliegend nicht gewürdigt werden könne. Die Antragsgegner seien rechtlich verpflichtet, diese Unterschiede anhand qualitativer Kriterien zu bewerten, deshalb sei der Preis als einziges Kriterium zu beanstanden. Die von der Antragstellerin zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes mit Beschluss vom 07.01.2014 - X ZB 15/13 greife trotzdem.

In Bezug auf die fehlende Losvergabe wurde ausgeführt, dass es zwar richtig sei, wonach das Fahrgestell und der Aufbau als Gesamtauftrag ausgeschrieben worden seien. Dies stände aber nicht in Übereinstimmung mit § 97 Abs. 4 S. 2 GWB, wonach mehrere Fachlose zusammen vergeben werden dürfen, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Diese Gründe seien auch nicht in einem entsprechenden Vermerk, der der Vergabeakte beigefügt sei, ausführlich dargestellt.

Nachdem die Antragstellerin mit Schreiben vom 01.03.2017 Akteneinsicht beantragt hat, legte der Vorsitzende und der hauptamtliche Beisitzer am 02.03.2017 den Umfang der Akteneinsicht fest. Es wurde der Antragstellerin nur Einsicht in den Vergabevermerk einschließlich der Begründung der Gesamtvergabe.

Mit Schreiben vom 03.03.2017 nahm die Antragstellerin noch zur gewährten Akteneinsicht Stellung und rügte, dass die Antragsgegner keine Vereinbarung getroffen haben über die Durchführung der gemeinsamen Beschaffung, die Aufgabenverteilung während des Vergabeverfahrens, wie die Angebote durch wen geprüft und gewertet werden und was passiere, wenn die Antragsgegner in puncto Prüfung und Wertung der Angebote unterschiedlicher Auffassung seien.

Weiter wurde vorgebracht, dass durch die Antragsgegner nicht dokumentiert bzw. geprüft worden sei,

– ob sich aus der gebündelten Beschaffung der Antragsgegner eine unzulässige Nachfragebündelung ergebe;

– ob die von der Antragstellerin bereits gerügten Bestandteile der Leistungsbeschreibung sachlich gerechtfertigt seien;

– welche die Erwägungen die Antragsgegner hinsichtlich der reklamierten Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts vorgenommen haben;

– dass keine ordnungsgemäße Kostenschätzung pro DLAK des voraussichtlichen Gesamtauftragswertes gemacht worden sei, nur vermerkt worden sei, „ca. … € netto ohne Beladung“;

– dass keine ausreichenden Angaben zu der Kostenschätzung für die lose Beladung gemacht worden sei, sondern lediglich vermerkt worden sei, dass der Auftragswert unter … € brutto und unter 20% des Gesamtauftragswertes liege;

– dass keine ausreichenden Angaben zur Kostenschätzung für den Gesamtauftragswert der Fahrzeuge gemacht worden seien und vermerkt worden sei, dass der geschätzte Wert je Fahrzeug bei rund … € brutto liege;

– warum die Leistungen nicht in der Menge aufgeteilt und getrennt nach Art und Fachgebiet vergeben werden.

Unter keinem Gesichtspunkt genüge der Vergabevermerk den Anforderungen. Dazu gehörten auch neben dem Datum die Unterschrift des Verfassers, damit sich der verantwortliche Entscheidungsträger ermitteln lasse. Zudem berufe sich Punkt 3.6 des Vermerks lediglich auf die Aussagen des Ingenieurbüros, eine Entscheidungsfindung der Vergabestelle sei nicht ersichtlich. Weiter wurde gerügt, dass die Begründung der Gesamtvergabe von Fahrgestell und Aufbau weder unterschrieben noch datiert worden sei. Auch komme der Vergabevermerk nicht von den Antragsgegnern. Die Auftraggeber hätten mit Ausnahme der Bevollmächtigung des Planungsbüros keine ihnen obliegenden Entscheidungen getroffen.

Die Vergabekammer hat mit Schreiben vom 06.03.2017 die Beteiligten zur mündlichen Verhandlung am 13.03.2017 um 10.00 Uhr geladen.

Mit Schreiben vom 09.03.2017 nahmen die Antragsgegner noch zu dem Schriftsätzen der Antragstellerin vom 24.02.2017 und 01.03.2017 Stellung. Auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen.

Die mündliche Verhandlung fand am 13.03.2017 in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert.

Die Antragstellerin teilte mit, dass die Gründe für die Anforderungen vorab nicht abgebildet worden seien und hat unter anderem darauf hingewiesen, dass der angebotene Rettungskorb zur Rettung gekippt werden könne, dies nicht nur im Notbetrieb, sondern auch im manuellen Betrieb. Hinsichtlich der geforderten Fire-Can-Schnittstelle in Pos. 1.2.6 und Pos. 1.2.12 teilte die Antragstellerin mit, dass es ihr zwar grundsätzlich rechtlich möglich sei, die geforderte Schnittstelle anzubieten, sie diese aber bei der Drehleiter aus technischen Gründen nicht anbiete. Sie habe eine eigene Schnittstelle. Die Antragsgegner haben dazu ausgeführt, dass einige ihrer vorhandenen Fahrzeuge / und Ausrüstungsgegenstände die geforderte Schnittstelle hätten. Dies habe den Vorteil, dass der Stromerzeuger und Generator problemlos ausgetauscht werden könne.

Bezüglich der Zusammenfassung der Fachlose Fahrgestell und Aufbau hat der Vertreter der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass der in den Vergabeunterlagen befindliche Vermerk nicht unterzeichnet sei und kein Billigungsvermerk der Kommunen etc. vorhanden sei.

Die Antragsgegner-/innen haben auf die zahlreichen Schnittstellen zwischen Fahrgestell und Aufbau hingewiesen. Es seien jeweils Anpassungen sowohl am Fahrgestell als auch auf Aufbau erforderlich. Die Antragstellerin teilte mit, dass ihre Aufbauten mit allen Fahrgestellen kompatibel gemacht werden können.

Die Antragstellerin hat geäußert, dass sie die Rügepunkte hinsichtlich der Referenzen und der Barrierefreiheit der Unterlagen nicht weiter verfolge.

Die Antragstellerin haben ihre Anträge vom 07.02.2017 und die Antragsgegner haben ihre Anträge vom 20.02.2017 aufrechterhalten.

Die Frist bis zur Entscheidung der Vergabekammer ist bis zum 13.04.2017 verlängert worden (§ 167 Abs. 1 S. 2 GWB). Auf das Protokoll vom 13.03.2017 wird verwiesen.

Mit Schreiben vom 20.03.2017 übermittelten die Bevollmächtigten der Antragsgegner Erklärungen, wonach die Antragsgegner von dem in der Vergabeakte enthaltenen Vermerk zur Gesamtvergabe vor Bekanntmachung des Vergabeverfahrens Kenntnis genommen und der Gesamtvergabe auf der Grundlage dieses Vermerks zugestimmt haben.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin äußerte sich noch mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 20.03.2017, der möglicherweise auf die Nachfristsetzung in der mündlichen Verhandlung vom 13.03.2017 im Verfahren Z3-3-3194-1-04-02/17 zurückgeht und sich auch auf dieses Verfahren beziehen soll.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert.

Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i.V.m. §§ 1 und 2 BayNpV.

Gegenstand der Vergabe ist ein Lieferauftrag i. S. d. § 103 Abs. 2 GWB. Die Antragsgegner sind allesamt Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgebliche Schwellenwert in Höhe von 209.000 Euro für den Gesamtauftrag erheblich.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 - 109 GWB liegt nicht vor.

1. Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

1.1 Antragsbefugnis Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es ein Interesse am Auftrag hat, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

Der Antragsbefugnis der Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 2 GWB steht nicht entgegen, dass sie kein Angebot eingereicht hat. Wer - wie die Antragstellerin - geltend macht, durch rechtsverletzende Bestimmungen in den Vergabeunterlagen an der Einreichung eines chancenreichen Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt zu sein, muss zur Begründung des Auftragsinteresses kein Angebot abgeben, sondern dokumentiert dieses Interesse - wie im Streitfall - durch seine vorprozessuale Rüge (§ 160 Abs. 3 GWB) und den anschließenden Nachprüfungsantrag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2013 - Verg 35/12; OLG München, Beschluss vom 13.03.2017 - Verg 15/16). Leidet die Ausschreibung an einem gewichtigen Vergaberechtsverstoß, kann vom Antragsteller nicht verlangt werden, ein Angebot auszuarbeiten (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2008, VII-Verg 19/08; OLG Frankfurt/Main, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.05.2007, 11 Verg 12/06; OLG Jena, OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.06.2007, 9 Verg 3/07).

1.2 Rügeobliegenheit

Die Antragstellerin hat ihrer Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 S.1 Nr.1 bis 3 GWB genügt. Ihre Rügeschreiben vom 16.01.2017 und 23.01.2017 gingen allesamt vor dem Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Angebotsabgabe beim Auftraggeber ein.

2. Begründetheit des Nachprüfungsantrags

Der Nachprüfungsantrag ist nicht begründet. Da die Antragstellerin nach ihrem eigenen Vortrag weder die rechtskonform gestellten Anforderungen in der Position 1.2.4 Rettungskorb noch die rechtskonform gestellte Anforderung nach der Fire-CAN-Schnittstelle in den Positionen 1.2.6 und 1.2.12 erfüllen kann und daher von vorneherein gehindert ist, ein wertungsfähiges Angebot abzugeben, kann sie auch durch die weiteren gerügten Punkte nicht in ihren Rechten verletzt sein. Dies gilt insbesondere für die auch rechtlich zweifelhafte Unterlassung der Fachlosaufteilung zwischen Fahrgestell und Aufbau.

2.1 Die Vorgaben unter Ziffer 1.2.4 führen nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin, obwohl sie faktisch dazu führen, dass nur ein Aufbau der Firma R.. im vorliegenden Verfahren angeboten werden kann.

Die wettbewerbsbeschränkenden Vorgaben sind durch das Leistungsbestimmungsrecht der Vergabestelle gerechtfertigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist der öffentliche Auftraggeber bei der Beschaffungsentscheidung für ein bestimmtes Produkt, eine Herkunft, ein Verfahren oder dergleichen im rechtlichen Ansatz ungebunden und weitgehend frei. Nach welchen sachbezogenen Kriterien die Beschaffungsentscheidung auszurichten ist, ist ihm auch in einem Nachprüfungsverfahren nicht vorzuschreiben. Dem Auftraggeber steht hierbei ein - letztlich in der Privatautonomie wurzelndes - Beurteilungsermessen zu, dessen Ausübung im Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (OLG Düsseldorf, B. v. 03.03.2010 - Az.: VII-Verg 46/09; B. v. 17.02.2010 - Az.: VII-Verg 42/09).

Im hier strittigen Vergabenachprüfungsverfahren haben damit grundsätzlich weder die Antragstellerin, noch die Vergabekammer Südbayern das Recht, festzulegen, welche Anforderungen der Auftraggeber an die Beschaffenheit des Rettungskorb seines zu beschaffenden Feuerwehrfahrzeugs stellt. Hintergrund dafür ist, dass das Vergaberecht nicht regelt, was der öffentliche Auftraggeber beschafft, sondern nur die Art und Weise der Beschaffung. Die danach im jeweiligen Fall vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsgegenstands ist von den Vergabenachprüfungsinstanzen im Ausgangspunkt nicht zu kontrollieren (OLG München, Beschluss vom 28.7.2008 - Verg 10/08; Beschluss vom 9.9.2010 - Verg 10/10; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.2.2010 - VII-Verg 42/09; Beschluss vom 3.3.2010 - VII-Verg 46/09; Beschluss vom 27.6.2012 - VII-Verg 7/12).

Allerdings ist die Definitionsmacht des öffentlichen Auftraggebers hinsichtlich des Beschaffungsgegenstandes nicht schrankenlos (OLG Düsseldorf, B. v. 22.05.2013 - Az.: VII-Verg 16/12; B. v. 01.08.2012 - Az.: VII-Verg 105/11; B. v. 25.04.2012 - Az.: VII-Verg 7/12; OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 - Az.: 15 Verg 5/13; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 - Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 - Az.: 2 Verg 4/12; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 - Az.: VK 2 - 33/14; 2. VK Sachsen-Anhalt, B. v. 19.10.2012 - Az.: 2 VK LSA 17/12). Der Bestimmungsfreiheit des Auftraggebers beim Beschaffungsgegenstand sind im Interesse der von der Richtlinie 2004/18/EG (nunmehr Richtlinie 2014/24/EU) angestrebten Öffnung des Beschaffungswesens der öffentlichen Hand für den Wettbewerb, aber auch der effektiven Durchsetzung der Warenverkehrsfreiheit wegen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.5.2012 - C-368/10) durch das Vergaberecht Grenzen gesetzt.

Sie wird begrenzt durch die Verpflichtung, den vergaberechtlichen Grundsätzen des Wettbewerbs, der Transparenz und der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (OLG Karlsruhe, B. v. 15.11.2013 - Az.: 15 Verg 5/13; B. v. 21.07.2010 - Az.: 15 Verg 6/10; OLG Naumburg, B. v. 14.03.2013 - Az.: 2 Verg 8/12; B. v. 20.09.2012 - Az.: 2 Verg 4/12). Darüber hinaus sind die Vorgaben des § 31 Abs. 6 VgV zu beachten, der vorschreibt, dass, soweit dies nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, der Auftraggeber in technischen Anforderungen (in einem weit zu verstehenden Sinn) nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren verweisen darf, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder Produkte ausgeschlossen oder begünstigt werden.

Wie das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung vom 12.02.2014, VII-Verg 29-13 ausführte, sind die dem Auftraggeber gesetzten vergaberechtlichen Grenzen der Bestimmungsfreiheit des § 8 Abs. 7 EG VOL/A eingehalten, wenn

– die Bestimmung durch den Auftragsgegenstand sachlich gerechtfertigt ist,

– vom Auftraggeber dafür nachvollziehbare objektive und auftragsbezogene Gründe angegeben worden sind und die Bestimmung folglich willkürfrei getroffen worden ist,

– solche Gründe tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sind

– und die Bestimmung andere Wirtschaftsteilnehmer nicht diskriminiert.

Bewegt sich die Bestimmung in diesen Grenzen, gilt der Grundsatz der Wettbewerbsoffenheit der Beschaffung nicht mehr uneingeschränkt (OLG Düsseldorf, B. v. 12.02.2014 - Az.: VII-Verg 29/13; B. v. 22.05.2013 - Az.: VII-Verg 16/12; OLG Karlsruhe, B. v. 04.12.2013 - Az.: 15 Verg 9/13; B. v. 15.11.2013 - Az.: 15 Verg 5/13; VK Baden-Württemberg, B. v. 24.06.2013 - Az.: 1 VK 15/13; 2. VK Bund, B. v. 09.05.2014 - Az.: VK 2 - 33/14).

An den vom OLG Düsseldorf aufgestellten Grundsätzen ist im Grundsatz auch die streitgegenständliche Vergabe zu messen.

Zu beachten ist allerdings, dass nunmehr Art. 18 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU verbietet, ein Vergabeverfahren mit der Absicht zu konzipieren, es vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie auszunehmen oder den Wettbewerb künstlich einzuschränken. Eine künstliche Einschränkung des Wettbewerbs gilt danach als gegeben, wenn das Vergabeverfahren mit der Absicht konzipiert wurde, bestimmte Wirtschaftsteilnehmer auf unzulässige Weise zu bevorzugen oder zu benachteiligen.

Zudem lässt Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV die Wahl einer Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb wegen nicht vorhandenem Wettbewerb aus technischen Gründen nur dann zu, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

Es spricht viel dafür die Anforderungen des Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV auch dann heranzuziehen sind, wenn zwar (pro forma) ein offenes Verfahren durchgeführt wird, durch die Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung aber nur ein Bieter ein ausschreibungskonformes Angebot abgeben kann.

Dies kann im vorliegenden Verfahren aber offen bleiben, weil keine Anhaltspunkte für eine künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter bestehen und die Antragsgegner eine vertretbare Erkundung des - äußerst überschaubaren - Marktes der regelmäßig in Deutschland anbietenden Drehleiterhersteller vorgenommen haben, indem sie sich Drehleitern der Antragstellerin und der Firma R.. vorführen haben lassen.

Zudem hat der Rettungskorb der Firma R.. nach der vertretbaren Einschätzung der Antragsgegner, die hier über einen erheblichen Einschätzungsspielraum verfügen, Vorteile gegenüber dem Rettungskorb der Antragstellerin, die dazu führen, dass dieser aus Sicht der Antragsgegner keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung i.S.d. Art. 32 Abs. 2 lit. b) der Richtlinie 2014/24/EU / § 14 Abs. 6 VgV darstellen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es bei der Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen und deren Aufbau um Leistungen geht, die dem Schutz von hochrangigen Rechtsgütern dienen, so dass hier auch relativ geringfügige Vorteile eines Produkts drastische Einschränkungen des Wettbewerbs rechtfertigen können. Dies mag bei anderen Beschaffungen u.U. anders zu beurteilen sein.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die als Regelfall anzusehende Aufnahme und Lagerung von Krankentragen auf dem Rettungskorb gem. Pos. 1.2.5 grundsätzlich von allen Bietern zu erfüllen ist und auch von allen potentiellen Bietern serienmäßig angeboten wird. Diese herkömmliche Rettung über eine Aufnahme auf dem Rettungskorb stößt nach der nicht zu beanstandenden Beurteilung der Antragsgegner insbesondere bei in Ihrer Bewegung eingeschränkten oder adipösen Personen und kritischen Örtlichkeiten an ihre Grenzen. Die Annahme der Antragsgegner, dass bei kritischen Örtlichkeiten ein gefahrloses Aufschieben der Krankentrage auf die Reling des Rettungskorbes und damit eine gefahrlose Übernahme der zu transportierenden Personen nicht immer gewährleistet ist, ist nicht zu beanstanden, auch wenn der Antragstellerin zuzugeben ist, dass dies auch mit ihrem Rettungskorb durch eine gut geschulte Mannschaft in vielen Fällen möglich sein wird. Beim Versuch des Einfahrens mit dem Rettungskorb der Antragstellerin in ein Dachflächenfenster in einer Dachneigung muss der Korb in manuellem Betrieb in vielen Fällen in erhebliche Schräglage gebracht werden. In einer solchen Schräglage ist es jedenfalls schwieriger als bei einer rettungskorbbodennahen oder hängenden Lage einen Adipositas-Patienten oder eine sonstige erheblich verletzte Person ohne Gefährdung und Beeinträchtigung des Patienten bzw. der Feuerwehrdienstleistenden vom Inneren des Gebäudes nach oben zu schieben. Er besteht gegenüber anderen Systemen eine erhöhte Gefahr, dass ein Patient bei engen Platzverhältnissen mit seinen Beinen zwischen Trage und Fensteroberkante eingeklemmt wird. Es scheint in der Praxis üblich zu sein, dass das Monitoring (EKG) oder auch das Beatmungsgerät bei intubierten Patienten zwischen oder auf den Beinen des Patienten gelagert wird. Ebenso kann es erforderlich sein, dass der Patient aufgrund seiner Verletzungen auf der Krankentrage zusätzlich in einer Vakuummatratze und/oder auf einem Spineboard gelagert werden muss. Ein Schrägstellung des Korbes bzw. schräge Lagerung der Trage ist außerdem bei Herzinfarktpatienten ausgeschlossen, weil bei solchen unbedingt vermieden werden muss, dass sich unkontrolliert Blut im Körper verteilt.

In diesen Einsatzsituationen haben die Antragsgegner in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass diese bei einer Schräglagerung der Trage zur Aufnahme auf dem Rettungskorb nicht beherrscht werden können. Deshalb durften sie im Rahmen ihres Leistungsbestimmungsrechts eine horizontale Aufnahme der Trage in Pos. 1.2.4 vorgeben. Aufgrund der in Rede stehenden äußerst gewichtigen Rechtsgüter bei der Rettung von Menschen aus Gefahrsituationen ist eine derartige Leistungsbestimmung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil Einsätze bei denen die Unterschiede zwischen den Rettungskörben der Antragstellerin und der Fa. R.. relevant werden bei den Feuerwehren der Antragsgegner sehr selten sein werden. Hier muss bereits die abstrakte Möglichkeit einer besseren Rettung von Menschen aus kritischen Örtlichkeiten für eine zulässige Leistungsbestimmung ausreichen.

Für eine horizontale Aufnahme der Trage gibt es auf dem Markt derzeit zwei Lösungen. Die eine Lösung ist die rettungskorbbodennahe Aufnahme und Lagerung der Fa. R… Die andere Möglichkeit ist die hängende Aufnahme, wie sie die Antragstellerin über ihren „Rescue Loader“ gewährleisten kann.

Soweit die Antragstellerin durch die Vorgabe in Pos. 1.2.4, dass „das Rettungsgerät auf dieser Drehleiter vollständig mitzuführen ist“, daran gehindert ist, ihren Rescue Loader anzubieten, mit dem sie die Anforderungen der Pos. 1.2.4 ansonsten erfüllen könnte, wird sie dadurch nicht in ihren Rechten verletzt.

Die Antragsgegner haben aus sachlich gerechtfertigten Gründen dargelegt, warum sie auf diese Anforderung nicht verzichten wollen. Sie haben nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass in einem Einsatzfall, in dem eine Person über die Drehleiter auf einer Krankentrage bei kritischen Örtlichkeiten gerettet werden muss, der Einsatz des Rettungsmittels - im Fall der Antragstellerin des „Rescue Loaders“ - ohne zeitliche Verzögerung möglich sein muss. Dazu ist es notwendig, dass der „Rescue Loader“ auf dem Drehleiterfahrzeug selbst verlastet ist und damit unmittelbar zur Verfügung steht. Es ist bereits ein Nachteil, dass in einem solchen Einsatzfall zunächst noch der Korb abmontiert und der „Rescue Loader“ an die Drehleiter angebracht werden muss. Weitere potentielle Zeitverzögerungen durch einen gesonderten Antransport des „Rescue Loader“ sind im Sinne einer effektiven Personenrettung nicht hinnehmbar. Hinzu kommt, dass die Antragsgegner dann für den Transport des „Rescue Loader“ gesonderte Transportfahrzeuge vorhalten und einsetzen müssten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Notwendigkeit des Einsatzes des „Rescue Loaders“ in der Regel erst vor Ort ergibt, so dass dieser, wenn er nicht auf dem Leiterfahrzeug verlastet ist, stets vorsorglich mit einem gesonderten Transportfahrzeug vor Ort gebracht werden müsste, unabhängig davon, ob der Einsatz erforderlich ist oder nicht.

Die Vorgabe, dass „das Rettungsgerät auf dieser Drehleiter vollständig mitzuführen ist“ in Pos. 1.2.4 ist daher sachlich gerechtfertigt, selbst wenn sie dazu führt, dass im streitgegenständlichen Vergabeverfahren nur noch die Fa. R.. für den Aufbau ein Angebot abgeben kann, das der Leistungsbeschreibung entspricht.

2.2 Auch die Forderung nach der sog. Fire-CAN-Schnittstelle in den Pos. 1.2.6 und 1.2.12 verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten. Die Leistungsbestimmung der Antragsgegner ist auch insoweit durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Die Antragsgegner sind nicht verpflichtet, sich auf die Zulassung einer „Fern-Start-Stopp-Schnittstelle“ anstelle der geforderten „Fire-CAN-Schnittstelle“ einzulassen.

Dies ist schon deshalb so, weil die Fire-CAN-Schnittstelle seit 2010 als einheitlicher Standard gilt und der Antragstellerin auch zur Verfügung steht, was sich schon daraus ergibt, dass sie diese bei ihren Löschfahrzeugen einsetzt. Bereits das Interesse eine standardisierte Schnittstelle anstatt einer herstellerspezifischen - wie der Fern-Start-Stopp-Schnittstelle der Antragstellerin - zu beschaffen, stellt einen sachlichen Grund für die Technologiewahl der Antragsgegner dar. Im Übrigen haben in der mündlichen Verhandlung die anwesenden Vertreter der Feuerwehren der Antragsgegner erklärt, dass bei ihnen sowohl Fahrzeuge als auch Ausrüstungsgegenstände mit einer Fire-CAN-Schnittstelle vorhanden sind, so dass auch die Herstellung der Kompatibilität zu den entsprechenden Ausrüstungsgegenständen einen sachlichen Grund für die Technologiewahl der Antragsgegner darstellt. Die Fire-Can-Schnittstelle ermöglicht, zu einem späteren Zeitpunkt zusätzliche neue Geräte über diese Schnittstelle zu bedienen.

Aus diesem Grund kommt es nicht mehr entscheidend darauf, ob über die Fern-Start-Stopp-Schnittstelle Zustandsdaten wie Tankfüllstand, Generator EIN/Aus etc. in gleichem Umfang visualisiert werden können, wie mit der Fire-CAN-Schnittstelle. Unabhängig davon, betrifft diese Visualisierung nur einen Teil der Vorteile der Fire-CAN-Schnittstelle. Bei Informationen wie „Tank leer“ oder „Tank fast leer“ kann der Maschinist bei Einschalten des Systems noch nicht erkennen, ob der Tankinhalt für den Einsatz noch reicht. Hier ist eine korrekte Anzeige des aktuellen Tankfüllstandes erforderlich. Auch ermöglicht die Fire-CAN-Schnittstelle eine akustische Warnung bei 10% Füllstand des Tanks.

Die Tatsache, dass die Antragstellerin bei ihren Drehleiterfahrzeugen bisher die Fire-CAN-Schnittstelle nicht verwendet und anbietet, führt daher nicht dazu, dass die Antragsgegner diese in der Leistungsbeschreibung nicht fordern dürften.

2.3 Die wettbewerbsbeschränkende Leistungsbestimmung verletzt die Antragstellerin auch nicht deshalb in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB, weil in den Vergabeunterlagen die Dokumentation der Leistungsbestimmung weitgehend fehlt. Lediglich die sachlichen Gründe dafür, dass neben der Aufnahme von Krankentragen auf der Reling des Rettungskorbes (Pos. 1.2.5) die Forderung nach einer rettungskorbbodennahen Aufnahme oder einer Aufnahme über eine hängende Konstruktion gefordert wird, ist in der Pos. 1.2.4 kurz erläutert. Dort ist klargestellt, dass diese Anforderung der Gewährleistung der Rettung stark übergewichtiger, in ihrer Bewegung eingeschränkter oder verletzter Personen auch an kritischen Örtlichkeiten, wie Bauwerksvorsprüngen, Dachneigungen etc. dient.

Allerdings haben die Antragsgegner im Rahmen der ausgetauschten Schriftsätze im Nachprüfungsverfahren ihre Leistungsbestimmungen mit sachlichen Gründen untermauern können. Sie haben sich - wie sich aus der mündlichen Verhandlung ergab - auch im Vorfeld mit den Vor- und Nachteilen der verschiedenen Systeme auseinandergesetzt indem sie sich beispielsweise die unterschiedlichen Systeme vorführen haben lassen.

Die zunächst fehlenden Teile der Dokumentation der Leistungsbestimmung konnten im Nachprüfungsverfahren nachgeschoben werden. Nach der Rechtsprechung des BGH (B. v. 08.02.2011 - Az. X ZB 4/10) kann der Auftraggeber im Nachprüfungsverfahren nicht kategorisch mit allen Aspekten und Argumenten präkludiert werden, die nicht im Vergabevermerk zeitnah niedergelegt worden sind. In Anlehnung an § 114 Satz 2 VwGO können unter Umständen die für eine bestimmte Entscheidung maßgeblichen Erwägungen bzw. deren Dokumentation auch noch im Verlaufe der Nachprüfungsverfahrens bis zur letzten mündlichen Verhandlung nachgeholt werden können (OLG Düsseldorf B. v. 08.09.2011 - Az.: VII-Verg 48/11, OLG Düsseldorf B. v. 23.03.2011 - Az.: VII-Verg 63/10, siehe auch Vergabekammer Südbayern B. v. 08.10.2013 - Az.: Z3-3-3194-1-26-08/13).

Es erscheint nicht sachgerecht, eine inhaltlich vertretbare Entscheidung nur deshalb aufzuheben, weil es insoweit an einer nachvollziehbaren Dokumentation fehlt, wenn die Vergabestelle nach einer etwaigen Rückversetzung oder Aufhebung des Vergabefahrens dieselbe Entscheidung auf der Basis einer ausreichenden Dokumentation erneut treffen könnte.

Die Dokumentation ist kein Selbstzweck. Ein Bieter kann sich nur dann auf eine fehlende oder unzureichende Dokumentation stützen, wenn sich die diesbezüglichen Mängel auf seine Rechtsstellung im Vergabeverfahren nachteilig ausgewirkt haben (OLG München B. v. 02.11.2012 - Verg 26/12; B. v. 13.6.2006 - Verg 6/06). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

2.4 Da die Antragstellerin aufgrund der Leistungsbestimmung der Antragsgegner im vorliegenden Vergabeverfahren von vorneherein kein wertbares Angebot abgeben kann, spielen die weiteren gerügten keine entscheidungserhebliche Rolle.

Die Vergabekammer Südbayern weist aber darauf hin, dass sie erhebliche Bedenken im Hinblick auf die unterbliebene Fachlosbildung zwischen Fahrgestell und Aufbau hat.

Zwar haben die Antragsgegner insoweit eine umfangreiche Begründung über die ihrer Ansicht nach vorliegenden technischen Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB zum Absehen von einer Losvergabe vorgelegt. Angesichts dessen, dass bisher die Fachlosbildung bei der Beschaffung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr jedoch der absolute Regelfall war (so auch die Fachempfehlung Nr. 5 vom 06. Juni 2012 zur Ausschreibung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen des Deutschen Feuerwehrverbands, deren Nachfolgeregelung noch nicht existiert) und die Verwaltungspraxis und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Unterlassen der Fachlosbildung einen schweren Vergabeverstoß sieht (siehe VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 - Au 3 K 15.1070), sind an die Darlegung der technischen Gründe hohe Anforderungen zu stellen. Die von den Antragsgegnern dargestellte beiderseitige Schnittstellenproblematik zwischen Fahrgestell und Aufbau besteht sicherlich, ist bei der Beschaffung von Drehleitern durch die geringe Zahl der potentiellen Marktteilnehmer aber deutlich gemildert. Der relativ kleine Markt bringt darüber hinaus die Gefahr, dass bei einem Absehen von der Fachlosbildung bei gleichzeitiger - ggf. zulässiger - Vorgabe von Alleinstellungsmerkmalen eines Marktteilnehmers der Wettbewerb vollständig ausgeschaltet wird.

Vor diesem Hintergrund könnte es für die Auftraggeber auch zumutbar sein, die Schnittstellenproblematik durch sukzessive Ausschreibung von Fahrgestell und Aufbau zu entschärfen.

Die Frage muss im vorliegenden Verfahren aber nicht entschieden werden.

Im vorliegenden Verfahren muss auch nicht entschieden werden, ob die Abweichungen in den Vertragsbedingungen von der VOL/B mit § 29 Abs. 2 VgV vereinbar sind.

Ebenso kann offen bleiben, ob im vorliegenden Fall der Preis als einziges Zuschlagskriterium vorgegeben werden konnte, obwohl durch die Eintragungsmöglichkeiten von unterschiedlichen Werten in der Leistungsbeschreibung u.U. qualitativ unterschiedliche Angebote abgeben werden können. Ähnlich wie bei Nebenangeboten (vgl. dazu das obiter dictum des BGH im Beschluss vom 10.05.2016 - X ZR 66/15) spricht viel dafür, dass auch Hauptangebote, die sich qualitativ erheblich unterscheiden können, nur dann nach dem Preis als einzigem Zuschlagskriterium gewertet werden dürfen, wenn durch eine entsprechende Festlegung von Mindestanforderungen sichergestellt ist, dass die Angebote qualitativ soweit vergleichbar sind, dass der Zuschlag auf das Angebot mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis erteilt werden kann. Es ist mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar, wenn wesentlich ungleiche Angebote willkürlich gleich, nämlich nach dem einzigen Kriterium des niedrigsten Preises, das keine Qualitätsunterschiede abbilden kann, gewertet würden.

Relevante Unklarheiten bzgl. des Lieferzeitraums bestehen im vorliegenden Verfahren nicht.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S.1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin, die mit ihrem Nachprüfungsantrag nicht durchdringen konnte.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann. Die Gebühr beträgt im vorliegenden Vergabenachprüfungsverfahren …,00 Euro.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegner beruht auf § 182 Abs. 4 GWB. Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S.1 und 4 GWB i.V. m. Art. 80 Abs. 2 S.3, Abs. 3 S.2 BayVwVfG angesehen.

Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB nicht erwartet werden kann. Zur Durchsetzung ihrer Rechte waren die Antragsgegner hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Hierüber hinaus war die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters seitens der Antragsgegner notwendig, um die erforderliche „Waffengleichheit“ gegenüber der anwaltlich vertretenen Antragstellerin herzustellen.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Vergabekammer Südbayern Beschluss, 27. März 2017 - Z3-3-3194-1-03-02/17

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Vergabekammer Südbayern Beschluss, 27. März 2017 - Z3-3-3194-1-03-02/17 zitiert 20 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 114


Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 97 Grundsätze der Vergabe


(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt. (2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 107 Allgemeine Ausnahmen


(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen 1. zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,2. für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem u

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 640 Abnahme


(1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden. (2) Als abge

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 160 Einleitung, Antrag


(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein. (2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 dur

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 182 Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer


(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 99 Öffentliche Auftraggeber


Öffentliche Auftraggeber sind 1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewe

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 98 Auftraggeber


Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 106 Schwellenwerte


(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreit

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 103 Öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen und Wettbewerbe


(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 156 Vergabekammern


(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechn

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 155 Grundsatz


Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 14 Wahl der Verfahrensart


(1) Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen erfolgt nach § 119 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren, im Verhandlungsverfahren, im wettbewerblichen Dialog oder in der Innovationspartnerschaft.

Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - GWB | § 167 Beschleunigung


(1) Die Vergabekammer trifft und begründet ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten kann der Vorsitzende im Ausnahmefall die Frist durch

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 31 Leistungsbeschreibung


(1) Der öffentliche Auftraggeber fasst die Leistungsbeschreibung (§ 121 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) in einer Weise, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt und die Öffnung des nationalen Beschaffu

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 46 Technische und berufliche Leistungsfähigkeit


(1) Der öffentliche Auftraggeber kann im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Bewerber oder Bieter über die erforderlichen personellen und technische

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 29 Vergabeunterlagen


(1) Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie bestehen in der Regel aus1.dem Anschreiben, insbesondere der Aufforderung zur

Vergabeverordnung - VgV 2016 | § 36 Unteraufträge


(1) Der öffentliche Auftraggeber kann Unternehmen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen auffordern, bei Angebotsabgabe die Teile des Auftrags, die sie im Wege der Unterauftragsvergabe an Dritte zu vergeben beabsichtigen, sowie, fal

Referenzen - Urteile

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Vergabekammer Südbayern Beschluss, 27. März 2017 - Z3-3-3194-1-03-02/17 zitiert oder wird zitiert von 7 Urteil(en).

Vergabekammer Südbayern Beschluss, 27. März 2017 - Z3-3-3194-1-03-02/17 zitiert 7 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 4/10 vom 19. Juli 2011 in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr II GKG § 50 Abs. 2; GWB § 101b Abs. 1 Nr. 2, § 107 Abs. 2; VgV § 3 a) Wi

Bundesgerichtshof Beschluss, 07. Jan. 2014 - X ZB 15/13

bei uns veröffentlicht am 07.01.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZB 15/13 vom 7. Januar 2014 in dem Vergabenachprüfungsverfahren Nachschlagewerk: ja BGHZ: ja BGHR: ja Stadtbahnprogramm Gera GWB § 97 Abs. 2, 5; VOB/A § 8 EG Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, § 16 EG Ab

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 23. Feb. 2016 - Au 3 K 15.1070

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Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg Aktenzeichen: Au 3 K 15.1070 Im Namen des Volkes Urteil verkündet am 23. Februar 2016 3. Kammer Sachgebiets-Nr. 411 ... als stellvertretendeUrkundsbeamtin der

Oberlandesgericht München Beschluss, 13. März 2017 - Verg 15/16

bei uns veröffentlicht am 13.03.2017

Tenor I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 08.12.2016, Az. 21.VK - 3194 - 37/16 aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffun

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Mai 2016 - X ZR 66/15

bei uns veröffentlicht am 10.05.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS X ZR 66/15 vom 10. Mai 2016 in dem Rechtsstreit Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: ja Industriebrache VOB/A (2012) § 16 Abs. 6 Nr. 3 Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, beda

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 21. Juni 2013 - 2 Verg 8/12

bei uns veröffentlicht am 21.06.2013

Tenor Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Rügeverfahrens zu tragen. Gründe A.

Oberlandesgericht Naumburg Beschluss, 20. Sept. 2012 - 2 Verg 4/12

bei uns veröffentlicht am 20.09.2012

Tenor Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner

Referenzen

(1) Der öffentliche Auftraggeber kann im Hinblick auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit der Bewerber oder Bieter Anforderungen stellen, die sicherstellen, dass die Bewerber oder Bieter über die erforderlichen personellen und technischen Mittel sowie ausreichende Erfahrungen verfügen, um den Auftrag in angemessener Qualität ausführen zu können. Bei Lieferaufträgen, für die Verlege- oder Installationsarbeiten erforderlich sind, sowie bei Dienstleistungsaufträgen darf die berufliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen auch anhand ihrer Fachkunde, Effizienz, Erfahrung und Verlässlichkeit beurteilt werden.

(2) Der öffentliche Auftraggeber kann die berufliche Leistungsfähigkeit eines Bewerbers oder Bieters verneinen, wenn er festgestellt hat, dass dieser Interessen hat, die mit der Ausführung des öffentlichen Auftrags im Widerspruch stehen und sie nachteilig beeinflussen könnten.

(3) Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers oder Bieters kann der öffentliche Auftraggeber je nach Art, Verwendungszweck und Menge oder Umfang der zu erbringenden Liefer- oder Dienstleistungen ausschließlich die Vorlage von einer oder mehreren der folgenden Unterlagen verlangen:

1.
geeignete Referenzen über früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge in Form einer Liste der in den letzten höchstens drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer- oder Dienstleistungen mit Angabe des Werts, des Liefer- beziehungsweise Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers; soweit erforderlich, um einen ausreichenden Wettbewerb sicherzustellen, kann der öffentliche Auftraggeber darauf hinweisen, dass er auch einschlägige Liefer- oder Dienstleistungen berücksichtigen wird, die mehr als drei Jahre zurückliegen,
2.
Angabe der technischen Fachkräfte oder der technischen Stellen, die im Zusammenhang mit der Leistungserbringung eingesetzt werden sollen, unabhängig davon, ob diese dem Unternehmen angehören oder nicht, und zwar insbesondere derjenigen, die mit der Qualitätskontrolle beauftragt sind,
3.
Beschreibung der technischen Ausrüstung, der Maßnahmen zur Qualitätssicherung und der Untersuchungs- und Forschungsmöglichkeiten des Unternehmens,
4.
Angabe des Lieferkettenmanagement- und Lieferkettenüberwachungssystems, das dem Unternehmen zur Vertragserfüllung zur Verfügung steht,
5.
bei komplexer Art der zu erbringenden Leistung oder bei solchen Leistungen, die ausnahmsweise einem besonderen Zweck dienen sollen, eine Kontrolle, die vom öffentlichen Auftraggeber oder in dessen Namen von einer zuständigen amtlichen Stelle im Niederlassungsstaat des Unternehmens durchgeführt wird; diese Kontrolle betrifft die Produktionskapazität beziehungsweise die technische Leistungsfähigkeit und erforderlichenfalls die Untersuchungs- und Forschungsmöglichkeiten des Unternehmens sowie die von diesem für die Qualitätskontrolle getroffenen Vorkehrungen,
6.
Studien- und Ausbildungsnachweise sowie Bescheinigungen über die Erlaubnis zur Berufsausübung für die Inhaberin, den Inhaber oder die Führungskräfte des Unternehmens, sofern diese Nachweise nicht als Zuschlagskriterium bewertet werden,
7.
Angabe der Umweltmanagementmaßnahmen, die das Unternehmen während der Auftragsausführung anwendet,
8.
Erklärung, aus der die durchschnittliche jährliche Beschäftigtenzahl des Unternehmens und die Zahl seiner Führungskräfte in den letzten drei Jahren ersichtlich ist,
9.
Erklärung, aus der ersichtlich ist, über welche Ausstattung, welche Geräte und welche technische Ausrüstung das Unternehmen für die Ausführung des Auftrags verfügt,
10.
Angabe, welche Teile des Auftrags das Unternehmen unter Umständen als Unteraufträge zu vergeben beabsichtigt,
11.
bei Lieferleistungen:
a)
Muster, Beschreibungen oder Fotografien der zu liefernden Güter, wobei die Echtheit auf Verlangen des öffentlichen Auftraggebers nachzuweisen ist, oder
b)
Bescheinigungen, die von als zuständig anerkannten Instituten oder amtlichen Stellen für Qualitätskontrolle ausgestellt wurden, mit denen bestätigt wird, dass die durch entsprechende Bezugnahmen genau bezeichneten Güter bestimmten technischen Anforderungen oder Normen entsprechen.

(1) Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie bestehen in der Regel aus

1.
dem Anschreiben, insbesondere der Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen oder Angeboten oder Begleitschreiben für die Abgabe der angeforderten Unterlagen,
2.
der Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens (Bewerbungsbedingungen), einschließlich der Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien, sofern nicht bereits in der Auftragsbekanntmachung genannt, und
3.
den Vertragsunterlagen, die aus der Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen bestehen.

(2) Der Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2003 (BAnz. Nr. 178a) ist in der Regel in den Vertrag einzubeziehen. Dies gilt nicht für die Vergabe von Aufträgen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Tätigen angeboten werden und deren Gegenstand eine Aufgabe ist, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann.

(1) Der öffentliche Auftraggeber kann Unternehmen in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen auffordern, bei Angebotsabgabe die Teile des Auftrags, die sie im Wege der Unterauftragsvergabe an Dritte zu vergeben beabsichtigen, sowie, falls zumutbar, die vorgesehenen Unterauftragnehmer zu benennen. Vor Zuschlagserteilung kann der öffentliche Auftraggeber von den Bietern, deren Angebote in die engere Wahl kommen, verlangen, die Unterauftragnehmer zu benennen und nachzuweisen, dass ihnen die erforderlichen Mittel dieser Unterauftragnehmer zur Verfügung stehen. Wenn ein Bewerber oder Bieter die Vergabe eines Teils des Auftrags an einen Dritten im Wege der Unterauftragsvergabe beabsichtigt und sich zugleich im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit gemäß den §§ 45 und 46 auf die Kapazitäten dieses Dritten beruft, ist auch § 47 anzuwenden.

(2) Die Haftung des Hauptauftragnehmers gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber bleibt von Absatz 1 unberührt.

(3) Bei der Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, die in einer Einrichtung des öffentlichen Auftraggebers unter dessen direkter Aufsicht zu erbringen sind, schreibt der öffentliche Auftraggeber in den Vertragsbedingungen vor, dass der Auftragnehmer spätestens bei Beginn der Auftragsausführung die Namen, die Kontaktdaten und die gesetzlichen Vertreter seiner Unterauftragnehmer mitteilt und dass jede im Rahmen der Auftragsausführung eintretende Änderung auf der Ebene der Unterauftragnehmer mitzuteilen ist. Der öffentliche Auftraggeber kann die Mitteilungspflichten nach Satz 1 auch als Vertragsbedingungen bei der Vergabe anderer Dienstleistungsaufträge oder bei der Vergabe von Lieferaufträgen vorsehen. Des Weiteren können die Mitteilungspflichten auch auf Lieferanten, die an Dienstleistungsaufträgen beteiligt sind, sowie auf weitere Stufen in der Kette der Unterauftragnehmer ausgeweitet werden.

(4) Für Unterauftragnehmer aller Stufen gilt § 128 Absatz 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen.

(5) Der öffentliche Auftraggeber überprüft vor der Erteilung des Zuschlags, ob Gründe für den Ausschluss des Unterauftragnehmers vorliegen. Bei Vorliegen zwingender Ausschlussgründe verlangt der öffentliche Auftraggeber die Ersetzung des Unterauftragnehmers. Bei Vorliegen fakultativer Ausschlussgründe kann der öffentliche Auftraggeber verlangen, dass dieser ersetzt wird. Der öffentliche Auftraggeber kann dem Bewerber oder Bieter dafür eine Frist setzen.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Der Besteller ist verpflichtet, das vertragsmäßig hergestellte Werk abzunehmen, sofern nicht nach der Beschaffenheit des Werkes die Abnahme ausgeschlossen ist. Wegen unwesentlicher Mängel kann die Abnahme nicht verweigert werden.

(2) Als abgenommen gilt ein Werk auch, wenn der Unternehmer dem Besteller nach Fertigstellung des Werks eine angemessene Frist zur Abnahme gesetzt hat und der Besteller die Abnahme nicht innerhalb dieser Frist unter Angabe mindestens eines Mangels verweigert hat. Ist der Besteller ein Verbraucher, so treten die Rechtsfolgen des Satzes 1 nur dann ein, wenn der Unternehmer den Besteller zusammen mit der Aufforderung zur Abnahme auf die Folgen einer nicht erklärten oder ohne Angabe von Mängeln verweigerten Abnahme hingewiesen hat; der Hinweis muss in Textform erfolgen.

(3) Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk gemäß Absatz 1 Satz 1 ab, obschon er den Mangel kennt, so stehen ihm die in § 634 Nr. 1 bis 3 bezeichneten Rechte nur zu, wenn er sich seine Rechte wegen des Mangels bei der Abnahme vorbehält.

(1) Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie bestehen in der Regel aus

1.
dem Anschreiben, insbesondere der Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen oder Angeboten oder Begleitschreiben für die Abgabe der angeforderten Unterlagen,
2.
der Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens (Bewerbungsbedingungen), einschließlich der Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien, sofern nicht bereits in der Auftragsbekanntmachung genannt, und
3.
den Vertragsunterlagen, die aus der Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen bestehen.

(2) Der Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2003 (BAnz. Nr. 178a) ist in der Regel in den Vertrag einzubeziehen. Dies gilt nicht für die Vergabe von Aufträgen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Tätigen angeboten werden und deren Gegenstand eine Aufgabe ist, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 15/13
vom
7. Januar 2014
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
Stadtbahnprogramm Gera
GWB § 97 Abs. 2, 5; VOB/A § 8 EG Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, § 16 EG Abs. 2, 6 ff.; SektVO § 8
Abs. 1, § 29
a) Ist in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen
fallenden Vergabeverfahren der Preis alleiniges Zuschlagskriterium, dürfen
Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden.
b) Die für Nebenangebote vorzugebenden Mindestanforderungen brauchen im Allgemeinen
nicht alle Details der Ausführung zu erfassen, sondern dürfen Spielraum für eine hinreichend
große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen und
sich darauf beschränken, den Bietern, abgesehen von technischen Spezifikationen, in allgemeinerer
Form den Standard und die wesentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine Alternativausführung
aufweisen muss.
c) Die vergaberechtskonforme Wertung von Nebenangeboten, die den vorgegebenen Mindestanforderungen
genügen, ist durch Festlegung aussagekräftiger, auf den jeweiligen
Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnittener Zuschlagskriterien
zu gewährleisten, die es ermöglichen, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und
ihren technisch-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen
hinaus nachvollziehbar und überprüfbar mit dem für die Hauptangebote nach dem
Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen.
VOB/A § 16 EG Abs. 2; SektVO § 20 Abs. 1, 2
Im offenen Verfahren ist die Vergabestelle nicht an die einmal bejahte Eignung eines Bieters
gebunden; verneint sie dessen Eignung nachträglich, insbesondere erst, nachdem dieser einen
Nachprüfungsantrag gestellt hat, kann dies lediglich Anlass geben, besonders kritisch zu prüfen
, ob die Entscheidung die im Interesse eines verantwortungsvollen Einsatzes öffentlicher
Mittel gebotene Korrektur einer Fehleinschätzung darstellt oder von sachfremden Erwägungen
getragen ist.
BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ZB 15/13 - Thüringer OLG
Vergabekammer beim Thüringer
Landesverwaltungsamt
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Januar 2014 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, den Richter Gröning, die Richterin
Schuster, den Richter Dr. Deichfuß und die Richterin Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Ist in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren der Preis das alleinige Zuschlagskriterium, dürfen Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden.

Gründe:


1
I. Das vorliegende Nachprüfungsverfahren bezieht sich auf den Umbau einer in Betrieb befindlichen Straßenbahntrasse unter eingleisigem Fahrbetrieb des Straßenbahnverkehrs in einem bestimmten örtlichen Bereich der Stadt Gera ("Stadtbahnprogramm Gera") und dort auf die von der Antragsgegnerin (Vergabestelle ) unionsweit im offenen Verfahren ausgeschriebene Vergabe des Loses 2 (Straßen- und Tiefbauarbeiten).
2
1. Die von der Vergabestelle veröffentlichte Vergabebekanntmachung war nach dem Gliederungsschema des Anhangs II der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 842/2011 der Kommission vom 19. August 2011 zur Einführung von Standardformularen für die Veröffentlichung von Vergabebekanntmachungen auf dem Gebiet der öffentlichen Aufträge und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1564/2005 (ABl. Nr. L 222 vom 27. August 2011, S. 1) gefertigt. Im Abschnitt III (rechtliche, wirtschaftliche und technische Angaben) hieß es unter dem Gliederungspunkt III 1.4, dass besondere Bedingungen für die Ausführung des Auftrags gelten sollten, und zwar: "- durchschnittlicher Jahresumsatz der letzten fünf Jahre mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich (Jahr mindestens 2,5 Mio. EUR netto) - Gesamtumsatz ... - Nachweis mit Angebotsabgabe."
3
Nach den Angaben in dem sich unmittelbar anschließenden, den Teilnahmebedingungen gewidmeten Abschnitt III 2 war die Eignung durch das Präqualifikationsverzeichnis oder durch Eigenangaben gemäß dem zu den Vergabeunterlagen gehörenden Formblatt 124 nachzuweisen.
4
Zu den Vergabeunterlagen gehörte auch die nach Formblatt 211 EU des Vergabehandbuchs des Bundes (VHB 2008 - Stand August 2012) gestaltete Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. In diesem Vordruck ist unter dem die Nebenangebote betreffenden Gliederungspunkt vorgesehen, dass der Auftraggeber durch Ankreuzen einer der vorformulierten Varianten erklärt, ob und inwieweit Nebenangebote zugelassen sind. Im Streitfall konnten danach Nebenangebote für die gesamte Leistung in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben werden. In dem im Formblatt 211 EU unmittelbar folgenden Gliederungspunkt "Angebotswertung" kann der Auftraggeber die Wertungskriterien festlegen, und zwar durch Ankreuzen einer der beiden Rubriken "Mehrere Wertungskriterien gemäß Formblatt Wertungskriterien" oder "Wertungskriterium Preis (Nebenangebote nicht zugelassen)". Im Streitfall war Letzteres angekreuzt. In Anbetracht der daraus resultierenden Widersprüchlichkeit der Vergabeunterlagen bekräftigte die Vergabestelle gegenüber den Bietern, dass Nebenangebote abgegeben werden könnten und der Preis das alleinige Wertungskriterium sein solle.
5
An der Ausschreibung beteiligten sich vier Unternehmen, die auch alle Nebenangebote abgaben. Die Antragstellerin reichte mit ihrem Angebot mit Blick auf die unter III 1.4 der Bekanntmachung geforderten Umsatznachweise eine Referenzliste mit Angaben zu Bauvorhaben, Vergabestellen, Jahreszahlen und Nettoauftragssummen ein. Die Vergabestelle gelangte nach Prüfung dieser Unterlagen zu der Einschätzung, dass die Antragstellerin ungeeignet sei, weil sie in den Jahren 2008 bis 2012 nicht die in der Vergabebekanntmachung unter III 1.4 vorausgesetzten Umsätze erreicht hatte. Später vermerkte die Vergabestelle in den Vergabeakten: "Nach weiteren Recherchen auf der Internetseite der Antragstellerin und Durchsicht der insgesamt vorhandenen Unterlagen kann jedoch eingeschätzt werden, dass die Antragstellerin in der Lage sein könnte, diese geforderten Leistungen zu erbringen. Insbesondere aufgrund des geführten Gesprächs am 28. Februar 2013 wurde durch den Geschäftsführer ausführlich dargelegt, warum die Antragstellerin geeignet ist, diese Leistungen auszuführen. Unter Abwägung aller Fakten wird entschieden, die Antragstellerin trotz Unterschreitung der explizit geforderten Referenzobjekte in die Wertung einzubeziehen. Ein Ausschluss wäre für die Bieterfirma unangemessen hart."
6
Von den Hauptangeboten war dasjenige der Antragstellerin das preislich günstigste vor dem der Beigeladenen. Die Vergabestelle bewertete jedoch ein Nebenangebot der Beigeladenen als das günstigste Angebot und informierte darüber, dass darauf der Zuschlag erteilt werden solle. Die Antragstellerin machte daraufhin geltend, Nebenangebote dürften nicht gewertet werden, und hat, nachdem die Vergabestelle der Rüge nicht abhalf, Vergabenachprüfung beantragt. Zeitlich danach entschied die Vergabestelle, die Antragstellerin "wegen Unterschreitung der explizit geforderten Referenzobjekte nicht in die Wertung einzubeziehen."
7
2. Die Vergabekammer hat ausgesprochen, dass die Antragstellerin im Vergabeverfahren in ihren Rechten aus § 97 Abs. 7 GWB verletzt und die Vergabestelle verpflichtet sei, das Vergabeverfahren unter Beachtung ihrer Rechtsauffassung mit der Wertung beginnend zu wiederholen.
8
Die dagegen eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin erscheint dem vorlegenden Vergabesenat unbegründet. Er geht davon aus, dass die Abgabe von Nebenangeboten im Streitfall zwar zugelassen war, vertritt aber - wie das OLG Düsseldorf (VergabeR 2012, 185) - die Auffassung, Art. 24 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Vergabekoordinierungsrichtlinie - VKR) gestatte die Zulassung von Nebenangeboten nur, wenn der Zuschlag auf das - anhand einer Mehrzahl von Wertungskriterien zu ermittelnde - wirtschaftlichste Angebot erteilt werden solle, hingegen nicht, wenn, wie hier, alleiniges Zuschlagskriterium der Preis sei. So zu entscheiden hat sich der Vergabesenat durch eine Entscheidung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts gehindert gesehen (Beschluss vom 15. April 2011 - 1 Verg 10/10, VergabeR 2011, 586) und die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof vorgelegt.
9
II. Die Vorlage ist zulässig.
10
Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB liegen nach ständiger Rechtsprechung vor, wenn das vorlegende Oberlandesgericht seiner Entscheidung als tragende Begründung einen Rechtssatz zugrunde legen will, der sich mit einem die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts tragenden Rechtssatz nicht in Einklang bringen lässt (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2011 - X ZB 4/10, BGHZ 188, 200 - S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr). So verhält es sich hier, weil die vom vorlegenden Vergabesenat erwogene Entscheidung mit der dem Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 15. April 2011 zugrunde liegenden Rechtsauffassung nicht zu vereinbaren wäre.
11
III. Die Divergenzfrage ist dahin zu entscheiden (§ 124 Abs. 2 Satz 3 GWB), dass Nebenangebote grundsätzlich nicht zugelassen und gewertet werden dürfen, wenn in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren der Preis als alleiniges Zuschlagskriterium vorgesehen ist.
12
1. Zutreffend hat der Vergabesenat angenommen, dass im Streitfall die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen war. Soweit in dem Formblatt 211 EU die angekreuzte Variante des Preises als alleiniges Wertungskriterium den Klammerzusatz "Nebenangebote nicht zugelassen" aufwies, handelt es sich bei diesem Zusatz ersichtlich nicht um eine angebotsbezogene, für die Bieter bestimmte Erklärung, sondern um einen an die Verwender dieses Vordrucks gerichteten rechtlichen Hinweis oder eine Empfehlung, dass nicht gleichzeitig die Unterbreitung von Nebenangeboten zugelassen werden sollte, wenn sie den Preis als alleiniges Wertungskriterium bestimmen. Die Vergabestelle, die sich nach den Feststellungen der Vergabekammer darüber bewusst hinweggesetzt hat, hätte diesen Zusatz jedenfalls streichen oder einen entsprechend angepassten Vordruck verwenden müssen, um Irritationen bei den Adressaten der Vergabeunterlagen zu vermeiden. Sie hat ihren abweichenden Willen, nach dem Preis zu werten und Nebenangebote gleichwohl zuzulassen, gegenüber den Bietern aber nachträglich bekräftigt.
13
2. Der Vergabesenat hat auch zu Recht angenommen, dass die Antragstellerin mit ihrer auf die Zulassung von Nebenangeboten zielenden Rüge - anders als mit ihrer die Mindestbedingungen für Nebenangebote betreffenden Beanstandung - nicht nach § 107 Abs. 3 Nrn. 2 oder 3 GWB präkludiert ist. Er meint mit Recht auch, dass das Angebot der Antragstellerin nicht wegen Änderungen an den Vergabeunterlagen auszuschließen ist. Auf die diese Punkte behandelnden Ausführungen im Vorlagebeschluss (II 1 und 2 a der Gründe) wird Bezug genommen.
14
3. Es wäre vergaberechtswidrig, im Streitfall auf ein zugelassenes Nebenangebot den Zuschlag zu erteilen. Ist in einem in den Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen fallenden Vergabeverfahren, wie hier, der Preis das alleinige Zuschlagskriterium (vorstehend III 1), dürfen Nebenangebote bereits nach dem Inhalt des anzuwendenden nationalen Vergaberechts, unabhängig von sich aus den vergaberechtlichen Richtlinien des Unionsrechts ergebenden Schranken, nicht zugelassen werden. Ist dies, wie hier, doch geschehen, dürfen diese Nebenangebote jedenfalls nicht gewertet werden.
15
a) Nebenangebote sind in den Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A 2012 und in der Verordnung über die Vergabe von Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (Sektorenverordnung - SektVO) über die Angebotswertung (§ 16 EG Abs. 6 bis 10 VOB/A; § 29 SektVO) nicht Gegenstand besonderer Regelungen und auch nicht besonders erwähnt. Soweit § 16 EG Abs. 9 VOB/A 2012 bestimmt, Angebote nach § 13 EG Abs. 2 VOB/A 2012 seien wie Hauptangebote zu werten, wird damit lediglich klargestellt, dass Angebote mit (gleichwertigen) abweichenden technischen Spezifikationen im Sinne von § 7 EG Abs. 3 VOB/A 2012 der Sache nach Haupt- und gerade keine Nebenangebote darstellen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 23. März 2011 - X ZR 92/09, VergabeR 2011, 709 - Ortbetonschacht).
16
Darüber hinaus ist in § 8 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b VOB/A 2012 (§ 16a Abs. 3 VOB/A 2009) und in § 8 Abs. 1 Satz 2 SektVO lediglich bestimmt, dass die öffentlichen Auftraggeber, wenn sie die Einreichung von Nebenangeboten zugelassen haben, in den Vergabeunterlagen Mindestanforderungen festlegen müssen, denen diese Nebenangebote zu genügen haben, um gewertet werden zu können. Mit diesen Regelungen sind unionsrechtliche Vorgaben umgesetzt worden (vgl. Art. 19 Abs. 2 der Richtlinie 93/37/EWG des Rates über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, ABl. Nr. L 199 vom 9. August 1993; Art. 24 Abs. 3 VKR; Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste - Sektorenverordnung [SKR], ABl. Nr. L 134 vom 30. April 2004, S. 1).
17
b) Verlangt das anzuwendende Recht, für Nebenangebote (lediglich) Mindestanforderungen vorzugeben, ohne Regelungen darüber zu treffen, wie Nebenangebote im Verhältnis zu der als Hauptangebot vorgesehenen Ausführung ("Amtsvorschlag") zu werten sind, ist eine wettbewerbskonforme Wertung der Nebenangebote nicht gewährleistet, wenn für den Zuschlag allein der Preis maßgeblich sein soll. Ist beispielsweise ein den Mindestanforderungen genügendes Nebenangebot zwar geringfügig billiger als das günstigste Hauptangebot , bleibt es aber überproportional hinter dessen Qualität zurück und erweist es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung deshalb gerade nicht als das günstigste Angebot, müsste es mangels geeigneter Zuschlagskriterien, mit denen diese Diskrepanz in der Wertung erfasst werden kann, dennoch den Zuschlag erhalten , wenn nur der Preis berücksichtigt werden darf (vgl. auch OLG Düsseldorf, VergabeR 2012, 185, 191). Eine solche Wertungspraxis wäre unvereinbar mit dem vergaberechtlichen Wettbewerbsprinzip (§ 97 Abs. 2 GWB) und mit dem mit diesem in engem Zusammenhang stehenden, aus § 97 Abs. 5 GWB folgenden Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.
18
c) Dieser Mangel kann durch ungeschriebene Wertungskriterien regelmäßig nicht behoben werden. Soweit in der Rechtsprechung der Vergabesenate verlangt wird, dass zuschlagsfähige Nebenangebote über die Erfüllung der Mindestanforderungen hinaus mit dem Amtsvorschlag gleichwertig sein müssen (vgl. Schleswig-Holsteinisches OLG, VergabeR 2011, 586, 591; OLG München, Beschluss vom 9. September 2010 - Verg 16/10; Brandenburgisches Oberlandesgericht , VergabeR 2009, 222; 2012, 124; OLG Frankfurt am Main, VergabeR 2012, 884, 894; vgl. auch Kues/Kirch, NZBau 2011, 335 ff.; Dittmann in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, VOB/A § 16 Rn. 293 ff.; vgl. auch Vavra in: Ziekow/ Völlink, Vergaberecht, 2. Aufl., § 16 VOB/A Rn. 62; zur Problematik insgesamt beispielsweise Bauer in: Heiermann/Riedl/Rusam, Handkomm. zur VOB, 13. Aufl., § 16 EG VOB/A Rn. 183f ff.), mögen solche ungeschriebenen Gleichwertigkeitsprüfungen , die ersichtlich auch die Vergabestelle im Streitfall vorgenommen hat, zwar im Einzelfall durchaus geeignet sein, den Wert von Nebenangeboten im Verhältnis zu den abgegebenen Hauptangeboten zu beurteilen. Bei der gebotenen generalisierenden Betrachtung genügt eine Gleichwertigkeitsprüfung , für die es keine benannten Bezugspunkte gibt, weil der Preis das einzige Zuschlagskriterium sein soll, jedoch nicht den Anforderungen an transparente Wertungskriterien, da für die Bieter bei Angebotsabgabe nicht mehr mit angemessenem Sicherheitsgrad voraussehbar ist, welche Varianten die Vergabestelle bei der Wertung noch als gleichwertig anerkennen wird und welche nicht mehr. Zudem droht eine Gleichwertigkeitsprüfung mit den Mindestanforderungen in Konflikt zu geraten, deren Erfüllung in der Regel ohne Aussagekraft für die Berücksichtigungsfähigkeit des Nebenangebots wäre. Dies kann auch nicht dadurch vermieden werden, dass die Vergabestelle, wie im Streitfall geschehen , die Gleichwertigkeit als Mindestanforderung definiert. Denn bestimmte oder bestimmbare konkrete Anforderungen an die anzubietende Leistung werden damit nicht formuliert.
19
d) Daraus die Konsequenz zu ziehen, dass Mindestanforderungen so konkret definiert werden müssen, dass die Vergleichbarkeit mit dem Qualitätsstandard und den sonstigen Ausführungsmerkmalen des Amtsvorschlags gewährleistet ist, wäre weder mit Sinn und Zweck der Zulassung von Nebenange- boten vereinbar, noch ist es nach dem Schutzzweck des Gebots der Vorgabe von Mindestanforderungen erforderlich.
20
aa) Die Zulassung von Nebenangeboten soll das unternehmerische Potenzial der für die Deckung des Vergabebedarfs geeigneten Bieter dadurch erschließen , dass der Auftraggeber Alternativlösungen vorgeschlagen bekommt, die er selbst nicht hätte ausarbeiten können, weil seine Mitarbeiter naturgemäß nicht in allen Bereichen über so weitreichende Fachkunde wie die Bieter verfügen (BGH, Urteil vom 30. August 2011 - X ZR 55/10, VergabeR 2012, 26 - Regenentlastung ). Die Bedeutung der Zulassung von Nebenangeboten für die Gewinnung innovativer Lösungen hebt auch die kurz vor der Verabschiedung stehende, an die Stelle der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG tretende Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die öffentliche Auftragsvergabe hervor (vgl. Dokument PE-CONS 74/13 - 2011/0438 (COD), Erwägungsgrund 17a).
21
bb) Das Gebot, für Nebenangebote Mindestanforderungen festzulegen, dient der Transparenz, die die Beachtung des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Bieter gewährleisten soll (EuGH, Urteil vom 16. Oktober 2003 - C-421/01, VergabeR 2004, 50 Rn. 29 - Traunfellner). Öffentliche Auftraggeber sollen sich von vornherein auf bestimmte Vorgaben für Nebenangebote festlegen müssen, damit erschwert ist, Nebenangebote mit der vorgeschobenen Begründung zurückzuweisen, sie seien gegenüber Ausführungen nach dem Amtsvorschlag (Hauptangebot) minderwertig oder wichen davon unannehmbar ab.
22
cc) Je mehr diesem letzteren Regelungsziel durch die Anhebung der Mindestanforderungen Rechnung getragen wird, desto mehr bleiben die mit der Zulassung von Nebenangeboten verfolgten Zwecke unberücksichtigt. Die öffentlichen Auftraggeber müssten die zulässigen Alternativen weitgehend gedanklich -planerisch vorwegnehmen, und Nebenangebote könnten nur in dem dadurch vorgegebenen Rahmen ausgearbeitet werden. Dieser würde aber häu- fig hinter den Möglichkeiten der regelmäßig fachlich besser instruierten Anbieterseite zurückbleiben, so dass deren Potenzial zum Teil ungenutzt bliebe (vgl. BGH, VergabeR 2012, 26 Rn. 19 - Regenentlastung). Dies wäre im Zweifel nicht nur zum wirtschaftlichen Schaden des Auftraggebers, sondern verfehlte auch gleichermaßen das Ziel, den Bietern die Möglichkeit zu geben, sich durch Nutzung ihres kreativen Potentials und eine dem Auftraggeber hierdurch eröffnete günstigere Alternative zu einem Zuschlag auf ein Hauptangebot einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen. Im Interesse eines möglichst lebhaften Vergabewettbewerbs wäre es deshalb unzweckmäßig, wenn die Mindestanforderungen für Nebenangebote den Vergabegegenstand in allen seinen Aspekten und Details beschrieben (vgl. auch OLG Koblenz, NZBau 2011, 58 f.).
23
dd) Wie eingehend und detailliert die an Nebenangebote gestellten Anforderungen in den Vergabeunterlagen beschrieben sein müssen, lässt sich in Anbetracht der Anwendungsbreite der Bestimmung und der Vielfältigkeit der auszuschreibenden Leistungen nicht allgemein festlegen, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung und der jeweiligen Gesamtumstände, insbesondere der Komplexität des einzelnen Vergabegegenstands , bestimmen. Generell sind Mindestanforderungen zweckmäßig, die Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite in der Ausarbeitung von Alternativvorschlägen lassen. Erforderlich, aber im Interesse des Transparenzgebots auch ausreichend ist, dass den Bietern - neben technische Diversität zulassenden technischen Spezifikationen - als Mindestanforderungen in allgemeinerer Form der Standard und die wesentlichen Merkmale deutlich gemacht werden, die eine Alternativausführung aus Sicht der Vergabestelle aufweisen muss. Dadurch wird, soweit möglich, vermieden, dass den Bietern Aufwand aus der Erarbeitung von Alternativvorschlägen erwächst, die von vornherein keine Aussicht auf Berücksichtigung haben. Zugleich werden die Auftraggeber gebunden und daran gehindert, Nebenangebote zurückweisen zu können, die den Mindestanforderungen genügen, auf die sie sich festgelegt haben.
24
e) Die dem Ziel der Erschließung des wettbewerblichen Potentials entsprechende und damit vergaberechtskonforme Wertung von Nebenangeboten, die den vorgegebenen Mindestanforderungen genügen, ist durch Festlegung aussagekräftiger, auf den jeweiligen Auftragsgegenstand und den mit ihm zu deckenden Bedarf zugeschnittener Zuschlagskriterien zu gewährleisten. Sie müssen ermöglichen, das Qualitätsniveau von Nebenangeboten und ihren technischen-funktionellen und sonstigen sachlichen Wert über die Mindestanforderungen hinaus nachvollziehbar und überprüfbar mit dem für die Hauptangebote nach dem Amtsvorschlag vorausgesetzten Standard zu vergleichen, so dass das wirtschaftlichste Angebot auf dieser Basis ermittelt und dabei gegebenenfalls auch eingeschätzt werden kann, ob ein preislich günstigeres Nebenangebot mit einem solchen Abstand hinter der Qualität eines dem Amtsvorschlag entsprechenden Hauptangebots zurückbleibt, dass es nicht als das wirtschaftlichste Angebot bewertet werden kann.
25
4. Die Einholung einer Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist im Streitfall nicht erforderlich. Die Anwendung des nationalen Rechts steht offenkundig nicht in Widerspruch zu den vergaberechtlichen Bestimmungen und Vorgaben des Unionsrechts.
26
Soweit der Senat in einem früheren Fall zum Ausdruck gebracht hat, dass er ohne die dort übereinstimmend erklärte Erledigung des Nachprüfungsverfahrens in der Hauptsache die Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Auslegung von Art. 24 Abs. 1 VKR eingeholt hätte (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2013 - X ZB 8/11, VergabeR 2013, 547), beruhte dies auf den besonderen Umständen jenes Falles. Gegenstand des Vergabeverfahrens war dort mit der Abholung und Zustellung von auf eine bestimmte Art und Weise bereitgestellten (vorsortierten) Briefsendungen eine in massen- hafter Wiederkehr zu erbringende homogene Dienstleistung. Als alleiniges Wertungskriterium dafür den Preis heranzuziehen, war vergaberechtlich ebenso sachgerecht, wie das Interesse der Vergabestelle anerkennenswert, gleichwohl Varianten angeboten zu bekommen, die sich nach den Umständen im Übrigen vom Hauptangebot nur in der modifizierten Vorsortierung der abzuholenden Sendungen unterscheiden konnten. Die Zulassung von Varianten hätte dort zwar (auch) die Notwendigkeit mit sich gebracht, die Preiswürdigkeit von Nebenangeboten zu vergleichen und zu bewerten, die die vorgegebenen Mindestbedingungen (vgl. Art. 24 Abs. 3 VKR, § 8 EG Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b VOB/A) auf unterschiedliche Weise erfüllten. Infolge der Homogenität der nachgefragten Leistung und nach den Umständen erschien eine unverfälschte Wertung von Haupt- und Nebenangeboten nach dem Preis aber nicht von vornherein ausgeschlossen. Für die Entscheidung des dortigen Falls in der Hauptsache wäre es danach darauf angekommen, ob das Unionsrecht (Art. 24 Abs. 1 VKR) - etwa wie das nationale Recht durch das Institut der teleologischen Reduktion - eine Auslegung des nationalen Rechts erlaubt hätte, nach der Nebenangebote in einer solchen Konstellation zugelassen werden können, obwohl der Preis das einzige Zuschlagskriterium sein soll.
27
Der Streitfall ist damit nicht vergleichbar, und eine entsprechende Auslegung des nationalen Vergaberechts kommt mithin - wie ausgeführt - nicht in Betracht. Das ausgeschriebene Los umfasst zahlreiche Gewerke (Bauteilgruppen ), namentlich den Gleisunterbau, Mastgründungen, Bahnstromanlagen, Haltestellen , Straßenbau, Gehwege, Parkmöglichkeiten, Lichtsignalanlagen, Markierungen und Beschilderungen, GVB-Koordinierungstrassen, Stützwände, Beleuchtung sowie diverse Versorgungsleitungen. Nebenangebote waren nach den Vergabeunterlagen zudem nur für die gesamte Leistung, nicht aber nur für eingegrenzte Bereiche zugelassen.
28
5. Im Streitfall ist es nach den vom Vergabesenat getroffenen Feststellungen zur Herstellung eines regulären Vergabewettbewerbs ausreichend, dass die vergaberechtswidrig zugelassenen Nebenangebote nicht gewertet werden. Eine Verzerrung des Wettbewerbs bei Wertung allein der Hauptangebote ist nicht zu besorgen, weil - anders als in dem vom Senat am 23. Januar 2013 entschiedenen Fall (BGH, VergabeR 2013, 547) - nicht geltend gemacht ist, dass ein Hauptangebot anders kalkuliert worden wäre, wenn Nebenangebote nicht zugelassen gewesen wären.
29
IV. Der Senat macht von der in § 124 Abs. 2 Satz 3 GWB eröffneten Möglichkeit Gebrauch, sich auf die Entscheidung der Divergenzfrage zu beschränken , weil es nach dem Sach- und Streitstand zweckmäßig ist, dem Vergabesenat die Entscheidung in der Hauptsache zu übertragen.
30
1. Die Annahme der Vergabekammer und des Vergabesenats, die Vergabestelle könne sich im Nachprüfungsverfahren nicht mehr auf fehlende Eignung der Antragstellerin berufen, nachdem sie die Eignung im Vergabeverfahren bejaht hat, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
31
Entgegen der Ansicht der Vergabekammer ist die Anforderung umsatzbezogener Angaben nicht deshalb unbeachtlich, weil sie in der Vergabebekanntmachung nicht unter dem richtigen, sondern einem benachbarten Gliederungspunkt gestellt ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage, welcher Erklärungswert dem Inhalt von Vergabeunterlagen zukommt, nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden und dabei auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abzustellen (BGH, Urteil vom 20. November 2012 - X ZR 108/10, VergabeR 2013, 208 Rn. 9 - Friedhofserweiterung; Urteil vom 15. Januar 2013 - X ZR 155/10, VergabeR 2013, 434 Rn. 9 - Parkhaussanierung ). Bei einer an diesen - auch für das Verständnis der Bekanntmachung nach § 12 EG Abs. 2 VOB/A geltenden - Grundsätzen orientierten Auslegung besteht kein Zweifel daran, dass die potenziellen Bieter den Angaben unter III 1.4 der Bekanntmachung entnehmen konnten, mit dem Angebot jährliche Nettoumsätze von mindestens 2,5 Mio. € mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich in den letzten fünf Jahren nachweisen zu sollen, auch wenn diese Rubrik an sich der Information über Bedingungen oder Vorschriften gilt, die bei der Auftragsausführung zu beachten sein sollen.
32
2. Die Vergabestelle war entgegen der Ansicht der Vergabekammer und des Vergabesenats nicht daran gebunden, dass sie die Eignung der Antragstellerin in einem früheren Stadium des im offenen Verfahren durchgeführten Vergabewettbewerbs bejaht hat.
33
a) Aus der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen lässt sich nicht herleiten, dass der Auftraggeber im offenen Verfahren an seine erste Beurteilung der Eignung eines Bieters gebunden wäre. Die Regelung in § 16 EG Abs. 2 Nr. 2 VOB/A gilt nur für das nicht offene und das Verhandlungsverfahren sowie den wettbewerblichen Dialog. Dort dürfen im Rahmen der Angebotswertung nur noch solche die Eignung betreffenden Umstände berücksichtigt werden , die nach Aufforderung zur Angebotsabgabe Zweifel an der Eignung des Bieters begründen. Der Grund für diese Regelung ist darin zu sehen, dass der Auftraggeber bei diesen Vergabearten die Eignung der Bewerber prüft, bevor er sie in den Wettbewerb einbezieht (vgl. § 6 EG Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 VOB/A für das nicht offene Verfahren). Dadurch wird ein Vertrauenstatbestand für die Bieter dahin begründet, dass sie nicht damit rechnen müssen, der ihnen durch die Erstellung der Angebote und Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand könnte dadurch nachträglich nutzlos werden, dass der Auftraggeber die Eignung auf gleichbleibender tatsächlicher Grundlage abweichend beurteilt (vgl. zum Vertrauensschutz der Bieter BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 99/96, BGHZ 139, 280, 283). Eine entsprechende Regelung für den Schutz des Vertrauens der Bieter auf den Bestand der Beurteilung ihrer Eig- nung durch die Vergabestelle im offenen Verfahren ist in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen nicht vorgesehen. Dafür besteht auch kein Bedürfnis , weil die Bieter den mit der Erstellung des Angebots verbundenen Aufwand zumindest im Wesentlichen bereits vor der Eignungsprüfung durch die Vergabestelle erbracht haben.
34
b) Eine Bindung ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen über die Prüfung und Wertung der Angebote in § 16 EG VOB/A (§§ 20, 27 ff. SektVO). Diese erfolgt zwar schrittweise (Prüfung auf Ausschlussgründe und der Eignung der Bieter, Aussonderung unangemessen hoher oder niedriger Angebote, Auswahl des günstigsten Angebots aus den in die engere Wahl gelangten Offerten ). Damit soll aber vor allem einer Vermischung der Prüfungsgegenstände vorgebeugt werden (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2008 - X ZR 129/06, VergabeR 2008, 641 Rn. 13 - Sporthallenbau). Mit dieser sachlogischen Ordnungsprinzipien folgenden Aufgliederung wird der Wertungsprozess aber nicht in rechtlich unabhängige Abschnitte aufgeteilt, deren Durchlaufen dem betreffenden Bieter jeweils eine Rechtsposition verschaffte, die einer nachträglichen abweichenden Beurteilung eines vorangegangenen Abschnitts entgegenstünde. Für die Prüfung der Eignung gilt insoweit keine Ausnahme. Dass die Vergabestelle sie einmal bejaht hat, steht einer späteren abweichenden Einschätzung im offenen Verfahren nicht von vornherein entgegen. Revidiert eine Vergabestelle ihre Beurteilung der Eignung eines Bieters zu dessen Nachteil, insbesondere nachdem dieser einen Nachprüfungsantrag gestellt hat, kann das lediglich Anlass geben, besonders kritisch zu prüfen, ob diese Entscheidung die im Interesse eines verantwortungsvollen Einsatzes öffentlicher Mittel gebotene Korrektur einer Fehleinschätzung darstellt oder von sachfremden Erwägungen getragen sein könnte.
35
Abweichendes ergibt sich nicht aus § 19 EG Abs. 1 VOB/A. Danach sollen Bieter, deren Angebote nach § 16 EG Abs. 1 VOB/A ausgeschlossen wur- den oder die nicht in die engere Wahl kommen, unverzüglich unterrichtet werden. Daraus folgt nicht, dass nicht informierte Wettbewerbsteilnehmer darauf vertrauen dürfen, ein formgültiges Angebot abgegeben zu haben und jedenfalls auch für die Auftragsausführung geeignet zu sein.
36
V. Danach bedarf die im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens ausgesprochene Verneinung der Eignung der Antragstellerin durch die Vergabestelle einer Überprüfung in der Sache, die zweckmäßigerweise dem Vergabesenat zu übertragen ist (§ 124 Abs. 2 Satz 3 GWB). Dafür weist der Senat auf Folgendes hin.
37
1. Die Vergabebekanntmachung enthält Anforderungen an den Nachweis der Eignung nicht nur unter dem Gliederungspunkt III 1.4, sondern auch in den dafür an sich vorgesehenen Rubriken unter III 2 In der Gesamtschau ergibt sich folgendes Bild: Die Vergabestelle wollte einerseits eine Auftragsvergabe davon abhängig machen, dass der betreffende Bieter in den letzten 5 Jahren mit komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich Jahresumsätze von 2.500.000 € erzielt hat (III 1.4 der Bekanntmachung). Andererseits hat sie für den Nachweis der Eignung unter anderem auf das zu den Vergabeunterlagen gehörende Formblatt 124 verwiesen (unter III 2 der Bekanntmachung ). Dieses ist hinsichtlich der Umsatzangaben den Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen angepasst und verlangt die Angabe des Umsatzes in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren, soweit dieser Bauleistungen und andere Leistungen betrifft, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind (vgl. § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a VOB/A).
38
Aus diesen Angaben konnten die Adressaten der Vergabeunterlagen insgesamt entnehmen (§§ 133, 157 BGB analog), dass die Vergabestelle die unter III 1.4 angeführten komplexen Tief- und Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich als mit der zu vergebenden Leistung vergleichbare Leistungen im Sinne von § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a VOB/A verstanden wissen wollte und voraussetzte, dass damit ein jährlicher Umsatz von 2.500.000 € erzielt worden ist. Hinsichtlich des Auskunftszeitraums und der Gesamtumsätze waren die Angaben in der Bekanntmachung zu III 1.4 und III 2 widersprüchlich. Dass eine Vergabestelle weitergehende Eignungsnachweise verlangen kann (vgl. z.B. Art. 48 Abs. 2 Buchst. a Nr. i) VKR), verleiht den unter III 1.4 gestellten Anforderungen keinen einseitigen Vorrang, sondern der Widerspruch ist im gegenwärtigen Verfahrensstadium dahin aufzulösen, dass die unter III 1.4 gestellten Anforderungen in dem Umfang gelten, in dem sie dem Formblatt 124 nicht widersprechen. Danach hätte die Antragstellerin Umsätze mit komplexen Tiefund Leitungsbauarbeiten im innerstädtischen Bereich von 2.500.000 € in den letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahren nachweisen müssen.
39
2. Für die Frage, ob die nachträgliche Verneinung der Eignung sachfremd motiviert sein könnte, kann die ursprüngliche Beurteilung der Eignung von Aufschluss sein. Nach den dazu bisher getroffenen Feststellungen erscheint die jetzige Position der Vergabestelle jedenfalls nicht ohne Weiteres als vorgeschoben. Die Vergabestelle war zunächst zu dem Ergebnis gelangt, dass die Antragstellerin zwischen 2008 und 2012 nicht die vorgegebenen Jahresumsätze von 2.500.000 € erzielt hat und deshalb nicht geeignet war. Offenbar hat die Vergabestelle später an die Höhe der vorausgesetzten Jahresumsätze Konzessionen gemacht. Dies kann, muss aber nicht stets vergaberechtswidrig sein. Die Regelung in § 6 EG Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a VOB/A beruht ersichtlich auf der Prämisse, dass die in der Vergangenheit erzielten Umsätze aussagekräftig für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit eines Bieters hinsichtlich des zur Vergabe anstehenden Auftrags sind. Die Bestimmung dient somit dem Schutz der Auftraggeberseite und soll der Vergeudung öffentlicher Mittel vorbeugen. Eine Vergabestelle kann zwar nachträglich zu der Einschätzung gelangen, dass die ihr anvertrauten öffentlichen Interessen auch bei Vergabe des Auftrags an ein Unternehmen gewahrt bleiben, das die insoweit zunächst für notwendig erach- teten Umsätze nicht erzielt hat. Dies muss aber plausible Gründe haben. Außerdem ist aus Wettbewerbsgründen zu bedenken, ob sich der Kreis der Teilnehmer nicht anders zusammengesetzt hätte, wenn die jetzt als ausreichend erachteten Umsätze von vornherein vorgegeben worden wären.
40
Die Vergabestelle hat zwar nach dem oben mitgeteilten Vermerk in den Vergabeakten angegeben, die Eignung der Antragstellerin "unter Abwägung aller Fakten" bejaht zu haben, sie hat in diesem Zusammenhang aber als einzigen substanziellen Gesichtspunkt angeführt, dass ein Ausschluss für die Antragstellerin unangemessen hart wäre. Diese Erwägung steht außerhalb des einer Vergabestelle bei der Eignungsprüfung zustehenden Beurteilungsspielraums. Die Prüfung der Eignung soll im Vorfeld der Auftragsvergabe das Risiko minimieren, dass der Einsatz öffentlicher Mittel seinen Zweck verfehlt, weil ein Unternehmen beauftragt wird, das mit der Erbringung der zugesagten Leistung überfordert ist, und in der Folge Zeit verloren geht und Mehrkosten entstehen. Dabei entscheidend auf Belange der Bieterseite abzustellen, ist vom Zweck des Entscheidungsspielraums der Vergabestelle nicht mehr gedeckt. Ob hier ein Fehlgebrauch des Beurteilungsspielraums vorlag oder der entsprechende Vermerk in den Vergabeakten die Erwägungen der Vergabestelle nur missverständlich wiedergibt, kann beim gegebenen Sach- und Streitstand nicht abschließend beurteilt werden, weil die Vergabekammer und der Vergabesenat dazu, von ihrer Rechtsauffassung her folgerichtig, keine Feststellungen getroffen haben.
41
3. Die Vergabestelle wird die Prüfung der Eignung der Antragstellerin nunmehr unter Anpassung an die Prämisse, dass lediglich die letzten drei abgeschlossenen Geschäftsjahre berücksichtigt werden dürfen (oben V 1), und unter Berücksichtigung des vorstehend Ausgeführten im laufenden Nachprüfungsverfahren zu wiederholen und das Ergebnis vorzutragen haben.
Meier-Beck Gröning Schuster
Deichfuß Kober-Dehm
Vorinstanz:
OLG Jena, Entscheidung vom 16.09.2013 - 9 Verg 3/13 -

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die Vergabekammer trifft und begründet ihre Entscheidung schriftlich innerhalb einer Frist von fünf Wochen ab Eingang des Antrags. Bei besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten kann der Vorsitzende im Ausnahmefall die Frist durch Mitteilung an die Beteiligten um den erforderlichen Zeitraum verlängern. Dieser Zeitraum soll nicht länger als zwei Wochen dauern. Er begründet diese Verfügung schriftlich.

(2) Die Beteiligten haben an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken, wie es einem auf Förderung und raschen Abschluss des Verfahrens bedachten Vorgehen entspricht. Den Beteiligten können Fristen gesetzt werden, nach deren Ablauf weiterer Vortrag unbeachtet bleiben kann.

Unbeschadet der Prüfungsmöglichkeiten von Aufsichtsbehörden unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge und von Konzessionen der Nachprüfung durch die Vergabekammern.

(1) Die Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Vergabe von Konzessionen nehmen die Vergabekammern des Bundes für die dem Bund zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen, die Vergabekammern der Länder für die diesen zuzurechnenden öffentlichen Aufträge und Konzessionen wahr.

(2) Rechte aus § 97 Absatz 6 sowie sonstige Ansprüche gegen Auftraggeber, die auf die Vornahme oder das Unterlassen einer Handlung in einem Vergabeverfahren gerichtet sind, können nur vor den Vergabekammern und dem Beschwerdegericht geltend gemacht werden.

(3) Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und die Befugnisse der Kartellbehörden zur Verfolgung von Verstößen insbesondere gegen die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge sind entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und Unternehmen über die Beschaffung von Leistungen, die die Lieferung von Waren, die Ausführung von Bauleistungen oder die Erbringung von Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

(2) Lieferaufträge sind Verträge zur Beschaffung von Waren, die insbesondere Kauf oder Ratenkauf oder Leasing, Mietverhältnisse oder Pachtverhältnisse mit oder ohne Kaufoption betreffen. Die Verträge können auch Nebenleistungen umfassen.

(3) Bauaufträge sind Verträge über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung

1.
von Bauleistungen im Zusammenhang mit einer der Tätigkeiten, die in Anhang II der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 65) und Anhang I der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Vergabe von Aufträgen durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/17/EG (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 243) genannt sind, oder
2.
eines Bauwerkes für den öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll.
Ein Bauauftrag liegt auch vor, wenn ein Dritter eine Bauleistung gemäß den vom öffentlichen Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber genannten Erfordernissen erbringt, die Bauleistung dem Auftraggeber unmittelbar wirtschaftlich zugutekommt und dieser einen entscheidenden Einfluss auf Art und Planung der Bauleistung hat.

(4) Als Dienstleistungsaufträge gelten die Verträge über die Erbringung von Leistungen, die nicht unter die Absätze 2 und 3 fallen.

(5) Rahmenvereinbarungen sind Vereinbarungen zwischen einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern oder Sektorenauftraggebern und einem oder mehreren Unternehmen, die dazu dienen, die Bedingungen für die öffentlichen Aufträge, die während eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, festzulegen, insbesondere in Bezug auf den Preis. Für die Vergabe von Rahmenvereinbarungen gelten, soweit nichts anderes bestimmt ist, dieselben Vorschriften wie für die Vergabe entsprechender öffentlicher Aufträge.

(6) Wettbewerbe sind Auslobungsverfahren, die dem Auftraggeber aufgrund vergleichender Beurteilung durch ein Preisgericht mit oder ohne Verteilung von Preisen zu einem Plan oder einer Planung verhelfen sollen.

Auftraggeber im Sinne dieses Teils sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99, Sektorenauftraggeber im Sinne des § 100 und Konzessionsgeber im Sinne des § 101.

Öffentliche Auftraggeber sind

1.
Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2.
andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a)
sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b)
ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c)
mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3.
Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4.
natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.

(1) Dieser Teil gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sowie die Ausrichtung von Wettbewerben, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die jeweils festgelegten Schwellenwerte erreicht oder überschreitet. § 114 Absatz 2 bleibt unberührt.

(2) Der jeweilige Schwellenwert ergibt sich

1.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von öffentlichen Auftraggebern vergeben werden, aus Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU in der jeweils geltenden Fassung; der sich hieraus für zentrale Regierungsbehörden ergebende Schwellenwert ist von allen obersten Bundesbehörden sowie allen oberen Bundesbehörden und vergleichbaren Bundeseinrichtungen anzuwenden,
2.
für öffentliche Aufträge und Wettbewerbe, die von Sektorenauftraggebern zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben werden, aus Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU in der jeweils geltenden Fassung,
3.
für verteidigungs- oder sicherheitsspezifische öffentliche Aufträge aus Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit und zur Änderung der Richtlinien 2004/17/EG und 2004/18/EG (ABl. L 216 vom 20.8.2009, S. 76) in der jeweils geltenden Fassung,
4.
für Konzessionen aus Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die Konzessionsvergabe (ABl. L 94 vom 28.3.2014, S. 1) in der jeweils geltenden Fassung.

(3) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gibt die geltenden Schwellenwerte unverzüglich, nachdem sie im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht worden sind, im Bundesanzeiger bekannt.

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen

1.
zu Schiedsgerichts- und Schlichtungsdienstleistungen,
2.
für den Erwerb, die Miete oder die Pacht von Grundstücken, vorhandenen Gebäuden oder anderem unbeweglichem Vermögen sowie Rechten daran, ungeachtet ihrer Finanzierung,
3.
zu Arbeitsverträgen,
4.
zu Dienstleistungen des Katastrophenschutzes, des Zivilschutzes und der Gefahrenabwehr, die von gemeinnützigen Organisationen oder Vereinigungen erbracht werden und die unter die Referenznummern des Common Procurement Vocabulary 75250000-3, 75251000-0, 75251100-1, 75251110-4, 75251120-7, 75252000-7, 75222000-8, 98113100-9 und 85143000-3 mit Ausnahme des Einsatzes von Krankenwagen zur Patientenbeförderung fallen; gemeinnützige Organisationen oder Vereinigungen im Sinne dieser Nummer sind insbesondere die Hilfsorganisationen, die nach Bundes- oder Landesrecht als Zivil- und Katastrophenschutzorganisationen anerkannt sind.

(2) Dieser Teil ist ferner nicht auf öffentliche Aufträge und Konzessionen anzuwenden,

1.
bei denen die Anwendung dieses Teils den Auftraggeber dazu zwingen würde, im Zusammenhang mit dem Vergabeverfahren oder der Auftragsausführung Auskünfte zu erteilen, deren Preisgabe seiner Ansicht nach wesentlichen Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union widerspricht, oder
2.
die dem Anwendungsbereich des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegen.
Wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union können insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession verteidigungsindustrielle Schlüsseltechnologien betrifft. Ferner können im Fall des Satzes 1 Nummer 1 wesentliche Sicherheitsinteressen im Sinne des Artikels 346 Absatz 1 Buchstabe a des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union insbesondere berührt sein, wenn der öffentliche Auftrag oder die Konzession
1.
sicherheitsindustrielle Schlüsseltechnologien betreffen oder
2.
Leistungen betreffen, die
a)
für den Grenzschutz, die Bekämpfung des Terrorismus oder der organisierten Kriminalität oder für verdeckte Tätigkeiten der Polizei oder der Sicherheitskräfte bestimmt sind, oder
b)
Verschlüsselung betreffen
und soweit ein besonders hohes Maß an Vertraulichkeit erforderlich ist.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer Nordbayern vom 08.12.2016, Az. 21.VK - 3194 - 37/16 aufgehoben.

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren „Neubau Verwaltungsgebäude, Tragwerksplanung", EU-Bekanntmachung vom 05.09.2016, Az. 2016 / S 175-314574 in den Stand vor der Aufforderung zum verg 15/16 - Seite 2 Teilnahmewettbewerb zurückzuversetzen und bei erneuter Durchführung des Teilnahmewettbewerbs die Rechtsauffassung des Vergabesenats zu berücksichtigen.

II. Die Antragsgegnehn hat die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer und des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 GWB und der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung angefallenen Kosten der Antragstellerin zu tragen.

Die Hinzuziehung eines anwaftlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für das Verfahren vor der Vergabekammer wird für notwendig erklärt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin, die im Bereich Strom-, Erdgas-, Trinkwasser- und Wärmeversorgung tätig ist, beabsichtigt die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes für ihre Mitarbeiter. Die Planungsleistungen für die Tragwerksplanung schrieb die Antragsgegnerin im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Die Bekanntmachung wurde im Supplement zum EU-Amtsblatt am 05.09.2016 veröffentlicht. Schlusstermin zur Abgabe eines Teilnahmeantrags war der 06.10.2016,10.00 Uhr.

Die Bekanntmachung enthielt u.a. folgende Angaben:

„… 1.1): Bezeichnung des Auftrags:

Leistungen der Tragwerksplanung gemäß § 49 HOAI Lph 1 - 6 für Neubau Verwaltungsgebäude. …

II. 1.4) Kurze Beschreibung

Die R. plant den Neubau eines Verwaltungsgebäudes am Standort Regensburg … Gegenstand dieses Vergabeverfahrens ist die stufenweise Beauftragung der Leistungen für die Tragwerksplanung § 49 HOAI, LPH 1 - 6 in Verbindung mit der Anlage 14 für Leistungsphasen 1 - 6. Als Energieversorgungsunternehmen der Region ist es Ziel den Neubau des eigenen Verwaltungsgebäudes in höchstem Maß auf die Werte Energieeffizienz und CÖ2 - Reduktion auszurichten. Die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und nicht zuletzt der Objektplanung müssen daher lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Sie bilden eine Einheit ohne Schnittstellen. …

11.2.5) Zuschlagskriterien

Der Preis ist nicht das einzige Zuschlagskriterium; alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt. …

II. 2.9) Angabe zur Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe bzw. Teilnahme aufgefordert werden verg 15/16 - Seite 3 Geplante Mindestzahl: 3 Höchstzahl 5 Objektive Kriterien für die Auswahl der begrenzten Zahl von Bewerbern:

Es werden 3-5 Bewerber anhand der nachfolgenden Kriterien ausgewählt, welche zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden:

1. Vergleichbarkeit der eingereichten Referenzen;

2. Zufriedenheit der Referenzauftraggeber;

3. Vergleichbarkeit der eingereichten persönlichen Referenzen des vorgesehen Projektleiters sowie des Stellvertreters;

4. Personelle Kapazität des Bewerbers;

5. Umsatzzahlen des Bewerbers (generell und mit vergleichbaren Leistungen). … IL 2.14) zusätzliche Angaben:

Bewerberanfragen, die nach dem 28.09.2016 12.00 Uhr eingehen werden nicht mehr beantwortet. …

II 1.1.3) Technische und berufliche Leistungsfähigkeit Auflistung und kurze Beschreibung der Eignungskriterien:

1. Darstellung von mindestens 2 Referenzen des Bewerbers als Planer für Tragwerksplanung vergleichbarer Vorhaben aus den Jahren 2010 - 2016 mit Angabe zur Größe des Bauvorhabens in m2 BGF. Vergleichbar sind dabei: Tragwerksplanungsleistungen für ein Büro oder Verwaltungsgebäude. Dabei sind folgende Angaben zu den Referenzen zu machen: - kurze Beschreibung des Referenzprojekts: Name und Adresse des Referenzauftraggebers sowie Benennung eines Ansprechpartners mit Telefonnummer beim Referenzauftraggeber…

IV 1.1) Verfahrensart Verhandlungsverfahren mit vorherigem Aufruf zum Wettbewerb."

Mit e-mail vom 15.09.2016 teilte die Antragstellerin, ein Architekturbüro, mit, dass sie sich am Vergabeverfahren für die Leistungen der Tragwerksplanung beteiligen möchte. Sie stellte mehrere Fragen, vertrat aber auch den Standpunkt, dass die Anforderung „Referenzen für Büro- oder Verwaltungsgebäude“ kein objektives Eignungskriterium sei und beantragte die ersatzlose Streichung (Anlage A 2). Die Vergabestelle beantwortete die Fragen am 18.09.2016; eine Änderung der Bekanntmachung wurde abgelehnt. (Anlage A 3). Mit Schreiben vom 23.09.2016 rügte die Antragstellerin nochmals die Referenzanforderungen. Diese seien nicht verhältnismäßig. In der Tragwerksplanung sei aus technischer Sicht nicht auf die Art der Nutzung, sondern auf das statische System abzustellen (Anlage A 4). Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.09.2016 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass nach nochmaliger inhaltlicher Prüfung daran festgehalten werde, dass ein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften nicht vorliege (Anlage A 5).

Die Antragstellerin ergänzte und vertiefte ihren Standpunkt mit Schreiben vom 28.09.2016 {Anlage A 1). Die Bekanntmachung widerspreche den Regelungen des GWB zur Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren nach § 97 Abs. 6 GWB, verletze die Grundsätze des Wettbewerbs und des Diskriminierungsverbots sowie das der Verhältnismäßigkeit nach § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB. Die ausgeschriebene Leistung unterfalle nicht der SektVO, sondern der VgV. Es werde gegen die Bestimmungen des § 122 Abs. 4 GWB verstoßen. Als Maßstab für die Vergleichbarkeit von nachzuweisenden Referenzen sei die Erbringung einer Tragwerksplanerleistungen derselben Nutzungsart unerheblich. Ob es sich um Büro oder Verwaltungsgebäude oder andere Funktionsbauten gehe, sei für den Schwierigkeitsgrad und das Maß der planerischen Komplexität unerheblich. Die Antragsgegnerin wies auch diese Rüge mit Schreiben vom 30.9.2016 zurück.

Einen Teilnahmeantrag hat die Antragstellerin nicht eingereicht.

Am 04.10.2016 stellte die Antragstellerin bei der Vergabekammer einen Nachprüfungsantrag unter Bezugnahme auf ihre bisherigen Schreiben, insbesondere auf das Rügevorbringen vom 28.09.2016.

Die Antragsgegnerin beantragte vor der Vergabekammer die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags. Der Antragstellerin fehle die Antragsbefugnis, nachdem sie trotz geeigneter, auf ihrer Homepage aufgelisteter Referenzen keinen Teilnahmeantrag abgegeben habe. Auch inhaltlich sei die Ausschreibung nicht zu beanstanden. Der Neubau eines Verwaltungsgebäudes zähle zur Sektorentätigkeit der Antragsgegnerin. Die Mindestanforderung von zwei Referenzen für Tragwerksplanung für Büro oder Verwaltungsgebäude sei eine objektive und sachgerechte Eignungsanforderung, da derartige Gebäude im Hinblick auf die Tragwerksplanung andere Anforderungen hätten als etwa ein Wohnhaus.

Nachdem die Vergabekammer darauf hingewiesen hat, dass sie von dem Schwellenwert von 418.000,00 € für Sektorenauftraggeber ausgehe, machte die Antragsgegnerin geltend, dass nach einer aktualisierten Kostenschätzung die Kosten für die Tragwerksplanung voraussichtlich bei 385.380,00 € liegen würden.

Mit Schreiben vom 15.11.2016 rügte die Antragstellerin erstmals, die Antragsgegnerin habe es unterlassen, sämtliche Vergabeunterlagen bereits zum Zeitpunkt der Bekanntmachung abrufbar zur Verfügung zu stellen. Mit Schriftsatz vom 06.12.2016 machte die Antragstellerin, erstmals anwaltlich vertreten, zudem geltend, dass alle für den Bau erforderlichen Dienstleistungsaufträge zu addieren seien, womit der Schwellenwert von 418.000,00 € deutlich überschritten werde. § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO, wonach nur gleichartige Planungsleistungen addiert werden müssten, sei europarechtswidrig. Die Vergabeverstöße hätten die Antragstellerin daran gehindert, einen Teilnahmeantrag einzureichen. Antragsbefugnis und Rechtsschutzbedürfnis seien deshalb zu bejahen. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die Kriterien zur Beschränkung der Bewerber seien nicht objektiv oder hinreichend genug verg 15/16 . Seite 5 bestimmt und ermöglichten eine willkürliche Auswahl. Außerdem wolle die Antragsgegnerin eine Begrenzung der Bewerber anhand der Vergleichbarkeit der Referenzen, es gebe aber kein Mehr an Vergleichbarkeit. Die Frist für Bewerberanfragen sei unangemessen kurz. Die Antragsgegnerin verstoße gegen Datenschutzrecht, indem sie die Benennung von Ansprechpartnern für Referenzobjekte verlange. Zudem fehle es an einer ausreichenden Dokumentation sowohl bezüglich des Vergabevermerks als auch der Berechnung des geschätzten Auftragswerts. Die Antragsgegnerin habe keine Vorgaben hinsichtlich Inhalt, Form und Einreichung einer Europäischen Eigenerklärung gemacht. Schließlich vermische die Antragsgegnerin unzulässig Eignungs- und Zuschlagskriterien.

Mit Beschluss vom 08.12.2016 verwarf die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung als unzulässig, da der Auftragswert den Schwellenwert nicht erreiche. Maßgeblich sei der Schwellenwert der SektVO. Die Kostenschätzung der Antragsgegnerin für eine Gesamtvergütung der Tragwerksplanung mit 385.380,00 € sei nicht zu beanstanden. Die Vergabekammer bewerte den vorliegenden Fall wie das nach altem Vergaberecht vergleichbare Verhältnis des § 3 Abs. 3 VOF 2006 zu Art. 9 Abs. 5 Richtlinie 2004/18/EG. Die VOF Regelung, die sogar von „derselben freiberuflichen Leistung“ spreche, sei europarechtskonform, weil die Schwellenwertberechnung bei Dienstleistungen im Gegensatz zu Bauleistungen nicht objektbezogen, sondern auftragsbezogen erfolge. Eine Vorlagepflicht der Vergabekammer nach Art. 267 AEUV bestehe ohnehin nicht, da Beschlüsse der Vergabekammern mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde angegriffen werden könnten.

Gegen den Beschluss der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortige Beschwerde vom 22.12.2016. Sie meint, der Schwellenwert sei überschritten, da alle für den Bau erforderlichen Dienstleistungsaufträge zu addieren seien. Jede andere Sichtweise sei europarechtswidrig. Gegebenenfalls müsse eine Vorlage an den EuGH erfolgen. Abgesehen davon müsste auch für Aufträge knapp unterhalb der Schwellenwerte das Nachprüfungsverfahren zulässig sein, insbesondere bei grenzüberschreitendem Interesse. Die Antragstellerin sei antragsbefugt und auch mit keiner ihrer Rügen präkludiert. Sie sei erst nach Prüfung der Unterlagen durch die Verfahrensbevollmächtigten über weitere Vergabeverstöße informiert worden. Davor seien die Verstöße für die Antragstellerin nicht erkennbar gewesen. Sämtliche Rügen seien auch inhaltlich begründet. Insbesondere seien die Referenzanforderungen unverhältnismäßig. Für Tragwerksplanung seien nur die Projektgröße oder statische Systeme von Bedeutung, die Nutzung z.B. als Bürogebäude sei kein objektives Kriterium für die Eignung des Statikers. Dies sei auch in § 75 Abs. 5 VgV nunmehr ausdrücklich geregelt. Die festgelegten Kriterien würden keine sachgerechte Auswahlentscheidung ermöglichen. Ferner liege ein Vergabeverstoß darin, dass die Angebotsunterlagen erst nach Veröffentlichung der EU-Bekanntmachung erstellt worden seien. Im Übrigen wiederholt sie ihre bereits erstinstanzlich vorgetragenen Argumente.

Die Antragstellerin beantragt,

1. die Entscheidung der Vergabekammer Nordbayern gemäß § 178 S. 1 GWB aufzuheben

2. die Vergabekammer Nordbayern gemäß § 178 S. 2 Var. 2 GWB zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden

3. hilfsweise gemäß § 178 S. 2 Var. 1 GWB in der Sache selbst zu entscheiden und geeignete Maßnahmen im Sinne des § 168 Abs. 1 GWB zu treffen, um die Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffene Interessen zu verhindern;

4. hilfsweise andere geeignete Maßnahmen anzuordnen, um die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens herzustellen

5. äußerst hilfsweise, der Antragsgegnerin aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Vergabeverfahren „Neubau Verwaltungsgebäude, Tragwerksplanung“ EU- Bekanntmachung vom 10. September 2016, Aktenzeichen 216/S. 175 - 314574, in den Stand vor Aufforderung zum Teilnahmewettbewerb zurückzuversetzen und rechtmäßige Eignungskriterien und deren Nachweise unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Vergabesenats abzufragen

6. gemäß § 178 S. 3 GWB festzustellen, dass die Antragstellerin durch die Antragsgegnerin in ihren Rechten verletzt ist

7. der Antragstellerin weitergehende Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren

8. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin aufzuerlegen

9. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

  • 1.Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.

  • 2.Der Antrag auf weitergehende Einsicht in die Vergabeakte wird zurückgewiesen.

  • 3.Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 S. 2 GWB einschließlich der zweckentsprechenden Rechtsverfolgungskosten der Beschwerdegegnerin.

Die Antragsgegnerin meint, die Vergabekammer habe zutreffend festgestellt, dass der maßgebliche Schwellenwert nicht überschritten sei. Gemäß § 2 Abs. 7 S. 2 SektVO erfolge keine Addition der Planungsleistungen. Objektplanung und Tragwerksplanung seien keine gleichartigen Leistungen. Ein Anlass für eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof bestehe nicht. Da die Antragstellerin keinen Teilnahmeantrag eingereicht habe, sei sie schon nicht verg 15/I6 _ Seite 7 antragsbefugt. Denklogisch könne die Antragstelierin durch die angeblichen weiteren, erst im Schriftsatz vom 06.12.2016 benannten, ihr vorher nicht aufgefallenen Verstöße gar nicht betroffen sein. Mit sämtlichen Rügen aus dem Schriftsatz vom 06.12.2016 sei die Antragstellerin präkludiert, da die angeblichen Verstöße anhand der Bekanntmachung erkennbar gewesen seien. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin sei es nach § 41 Abs. 1 SektVO auch nicht notwendig, die vollständigen Unterlagen für die Angebotsphase schon mit den Bewerbungsunterlagen für den Teilnahmewettbewerb zur Verfügung zu stellen. In einem zweistufigen Verhandlungsverfahren sei dies systemwidrig. Die Kriterien zur Beschränkung der Zahl der Bewerber seien vergaberechtskonform. Ein Verstoß gegen § 46 SektVO liege nicht vor. Die Auswahlkriterien dienten dazu, die geeignetsten unter den geeigneten Bewerbern auszuwählen. Das Prozedere bezüglich der Bewerberanfragen genüge vergaberechtlichen Vorgaben. Die Referenzanforderungen seien ebenfalls zulässig. Für die Angabe von Kontaktdaten der Ansprechpartner beim Referenzauftraggeber bestehe ein berechtigtes Interesse. Eine fehlerhafte Dokumentation sei nicht feststellbar. Den Anforderungen im Zusammenhang mit der Europäischen Eigenerklärung sei die Antragsgegnerin offenkundig nachgekommen. Die Rechtsprechung dazu, dass Eignungs- und Zuschlagskriterien nicht vermischt werden dürfen, sei vorliegend nicht einschlägig. Zuschlagskriterien seien neben dem Preis noch Reaktionszeitenkonzept und Personaleinsatzkonzept. Diese Zuschlagskriterien hätten sich nicht in der Bekanntmachung, sondern erst in der Aufforderung zur Angebotsabgabe gefunden. Die Angebotsunterlagen seien erst nach der streitgegenständlichen Bekanntmachung erstellt worden.

Der Senat hat mit Beschluss vom 05.01.2017 (Bl. 49 ff d.A.) die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin bis zur Entscheidung in der Hauptsache verlängert.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2017 hat die Antragstellerin erklärt, es begründe einen ganz erheblichen personellen und wirtschaftlichen Aufwand, Bewerbungsunterlagen für eine derartige Bewerbung zu erstellen. Sie habe sich keine vernünftige Chance ausgerechnet, da anhand der Referenzen die Auswahl der Bewerber erfolgen solle. Die Antragsgegnerin hat ausgeführt, es sei nur erforderlich gewesen, einige Formblätter auszufüllen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere nach § 172 GWB form- und fristgerecht eingelegt, und entsprechend den nachfolgenden Ausführungen auch begründet.

1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig.

1.1. Nach § 186 Abs. 2 GWB findet das GWB in der neuen Fassung gemäß Art. 1 VergaberechtsmodernisierungsG vom 17.02.2016 (BGBl I S. 203) Anwendung, da das streitgegenständliche Vergabeverfahren erst nach dem 18.06.2016 begonnen wurde.

1.2. Der Rechtsweg zu den Nachprüfungsinstanzen (Vergabekammer und -senat) ist eröffnet. Der nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB, Art. 15 RiLi 2014/25/EU maßgebliche Schwellenwert von 418.000,00 Euro ist überschritten.

1.2.1. Die Antragsgegnerin ist im Bereich Strom-, Erdgas-, Trinkwasser- und Wärmeversorgung tätig und daher Sektorenauftraggeberin nach § 102 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 GWB, § 100 Abs. 1 Nr. 2 b), Abs. 3 Nr. 1 GWB. Die Stadt Regensburg hält unstreitig 64,52% der Gesellschaftsanteile der Antragsgegnerin.

1.2.2. Es handelt sich um einen Auftrag, der im Sinne von § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB „zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit vergeben“ wird. Ob - wie vorliegend - die Errichtung eines Verwaltungsgebäudes für die eigenen Mitarbeiter durch einen Sektorenauftraggeber noch als Auftrag „zum Zweck der Ausübung einer Sektorentätigkeit“ anzusehen ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Während etwa in der Literatur die Ansicht vertreten wird, der Bau eines Verwaltungsgebäudes diene nur noch mittelbar der Sektorentätigkeit und sei daher vom Anwendungsbereich des § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB nicht mehr umfasst (so etwa Dietrich in Greb / Müller, Sektorenvergaberecht, 2. Aufl., § 136 Rz. 15), hält die Rechtsprechung die Sektorenrichtlinie für anwendbar (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.05.2008, Verg 19/08, juris Tz. 1 und 13; ebenso VK Sachsen Beschluss vom 09.12.2014, 1/SVK /032-14, juris Tz. 124, auch „äußerlich neutrale“ „Hilfsgeschäfte“ seien als Sektorentätigkeit anzusehen).

Der Senat schließt sich der letzteren Ansicht an. Für eine weite Auslegung spricht insbesondere die Klarheit und Praktikabilität der Anwendung. Eine Differenzierung danach, welche Aufträge noch „unmittelbar“ der Sektorentätigkeit dienen und welche nur noch als mittelbare Förderung der Sektorentätigkeit zu werten sind, führt in der Praxis zu kaum lösbaren Abgrenzungsproblemen. So kann ein Energieversorgungsunternehmen ohne eine Verwaltungsabteilung seine Leistungen ebenso wenig erbringen wie ohne Techniker. Eine Differenzierung danach, ob in einem geplanten Verwaltungsgebäude Abteilungen arbeiten, die unmittelbar für den Sektorenbereich tätig sind oder auch andere rein verwaltende Abteilungen (so Dietrich, a.a.O., Rz. 15) ist praktisch kaum durchführbar. Es stellt sich etwa die Frage, ob eine EDV-Abteilung dem reinen Verwaltungsbereich zuzurechnen wäre oder schon zur Sektorentätigkeit gehört. Zudem müssten bei einem für verschiedene Abteilungen vorgesehenen Gebäude für die Frage, ob der verg 15/16 - Seite 9 Schwellenwert erreicht ist, die geschätzten Gesamtkosten prozentual verteilt werden, was in der Praxis kaum möglich sein dürfte. Auch lassen weder der Wortlaut des § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB noch die Gesetzesbegründung erkennen, dass ausschließlich Aufträge umfasst sein sollen, die rein unmittelbar der Sektorentätigkeit dienen und nur für eine solche denkbar sind. Die Gesetzesbegründung spricht vielmehr für eine umfassende Auslegung. Danach sind die Vorschriften der SektVO einzuhalten bei der „Vergabe öffentlicher Aufträge zum Zwecke einer Sektorentätigkeit, bzw. die einer Sektorentätigkeit dient“ (BT-Drs. 18/7318, S. 208 zu § 1 SekVO). Betrachtet man die europarechtlichen Vorgaben, so ist nach Art. 1 Abs. 2 der RiLi 2014/25/EU maßgeblich, dass die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen für einen der in Art. 8 bis 14 genannten Zwecke „bestimmt“ sind. Auch mit der Entscheidung des EuGH vom 16.06.2005, C 426-03 und C03 (juris) steht die vom Senat vertretene Auslegung in Einklang. Dass der Sektorenauftraggeber die Vergabe der Dienstleistung „in Ausübung einer solchen Tätigkeit“ plant (juris Tz. 37), kann auch bei einem Verwaltungsgebäude für die eigenen Mitarbeiter angenommen werden.

1.2.3. Der Schwellenwert von 418.000,00 Euro ist überschritten. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer sind jedenfalls im vorliegenden Fall nachfolgend aufgelistete Planungsleistungen zu addieren und nicht nur die Kosten der Tragwerksplanung zu berücksichtigen.

1.2.3.1. Gemäß § 2 Abs. 7 SektVO ist der geschätzte Gesamtwert aller Lose zu berücksichtigen, wenn das beabsichtigte Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung einer Leistung zu einem Auftrag führen kann, der in mehreren Losen vergeben wird. Allerdings gilt dies nach § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO bei Planungsleistungen nur für Lose über „gleichartige“ Leistungen. Gemäß § 2 Abs. 7 Satz 3 SektVO gilt die Verordnung für die Vergabe jedes Loses, wenn der geschätzte Gesamtwert den maßgeblichen Schwellenwert überschreitet.

Fraglich ist, nach welchen Kriterien die „Gleichartigkeit“ der Planungsleistungen zu beurteilen ist. Die bislang wohl herrschende Ansicht nimmt für die freiberuflichen Planungsleistungen die unterschiedlichen Leistungsbilder der HOAI als Indiz. Danach stellen die Planungsleistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung unterschiedliche Leistungsbilder dar und werden mithin als verschiedenartige und somit nicht zu addierende Planungsleistungen i.S. des § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO angesehen (Greb in Greb / Müller, Verg 15/16 - Seite 10Sektorenvergaberecht, 2. Aufl, § 2 Rz. 23; Matuschak, NZBau 2016, S. 613, 619 - zum gleichen Problem bei § 3 Abs. 7 VgV; Stolz, VergabeR 2016, S. 351, 352 f). Für diese Auslegung spricht der Wortlaut, der auf die „Gleichartigkeit“ und nicht auf eine wirtschaftliche oder technische Funktion der Planungsleistung abstellt. Ferner lässt sich hierfür die Entstehungsgeschichte dieser Norm anführen. In einem Referentenentwurf zur VgV (bei der sich im Rahmen des § 3 Abs. 7 VGV die gleiche Problematik stellt) war vorgesehen, dass sämtliche Leistungen, „die in funktionalem Zusammenhang stehen“, zu addieren seien. Demgegenüber wurde dann im endgültigen Entwurf die jetzige Regelung vorgesehen, um, wie sich aus mündlichen Äußerungen in den Plenarprotokollen ergibt, die bisherige mittelstandsfreundliche Lösung fortzuschreiben (s. zur Entstehungsgeschichte die Ausführungen bei Matuschak, NZBau 2016, S. 613, 615 und Stolz, VergabeR 2016, S. 351, 352). Zudem wäre der Anwendungsbereich des § 2 Abs. 7 Satz 2 GWB bei einer funktionalen Betrachtungsweise gering (darauf verweist Matuschak, a.a.O, S. 616). Objekt- und Tragwerksplanung sowie die Planung der technischen Gebäudeausrüstung werden häufig einem einheitlichen Bauvorhaben dienen und in wirtschaftlich und technisch engem Zusammenhang stehen. Mithin würde bei einer funktionalen Betrachtungsweise auch die Ausschreibungspflicht jedenfalls für die Planungsleistungen deutlich ausgeweitet, selbst wenn die Schwellenwerte für die eigentlichen Bauleistungen möglicherweise noch nicht erreicht wären. Damit verbunden wäre ein erheblicher Mehraufwand für die Auftraggeber gerade bei kleineren Bauvorhaben (darauf verweisen Matuschak, a.a.O, S. 616 und Stolz, a.a.O., S. 352 f).

Allerdings bestehen erhebliche Bedenken, ob diese Auslegung des § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO mit den europarechtlichen Vorgaben in Einklang steht. Art. 16 Abs. 8 der RiLi 2014/25/EU regelt, der geschätzte Gesamtwert aller Lose sei zu berücksichtigen, wenn ein Bauvorhaben oder die vorgesehene Erbringung von Dienstleistungen zu Aufträgen führen könne, die in mehreren Losen vergeben würden. Wenn der kummulierte Wert der Lose den in Art. 15 genannten Schwellenwert übersteige, gelte die Richtlinie für die Vergabe jedes Loses. Eine Einschränkung wie in § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO, dass nur gleichartige Planungsleistungen zu addieren sind, findet sich in der RiLi 2014/25/EU nicht. Auf die „Gleichartigkeit“ wird nur in Art. 16 Abs. 9 RiLi 2014/25/EU, soweit die Aufträge den Erwerb von Waren betreffen, abgestellt.

Auch die Entscheidung des EuGH vom 15.03.2012, C-574/10 (juris), spricht für eine funktionale Betrachtungsweise. Im dortigen Fall waren Architektendienstleistungen, die von einem einzigen Auftraggeber vergeben wurden und ein Gesamtsanierungsprojekt für ein und dasselbe öffentliche verg 15/16 - Seite 11 Gebäude betrafen, aus haushaltsrechtlichen Gründen in verschiedene Abschnitte aufgeteilt. Nach Ansicht des EuGH (juris Tz. 41 ff) ist für die Frage, ob es sich um einen Dienstleistungsauftrag handelt, der nur in getrennte Lose (oder Abschnitte) aufgeteilt, aber für die Berechnung des Schwellenwerts als ein Auftrag zu behandeln ist, eine funktionelle Betrachtung maßgeblich. Es sei der einheitliche Charakter in Bezug auf die wirtschaftliche und technische Funktion zu prüfen. Dass in dem vom EuGH entschiedenen Fall der Gegenstand der Arbeiten in den verschiedenen Abschnitten des Bauvorhabens wechsele und z.B. das Tragwerk des Gebäudes, das Dach oder die Beleuchtung betreffe, bedeute nicht, dass sich dadurch der Inhalt und die Natur der Architektenleistungen, die in diesen Abschnitten erbracht wurden, ändere (juris Tz. 44). Die Leistungen wiesen nach Ansicht des EuGH in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und funktionelle Kontinuität auf, die durch die Aufteilung dieser Leistungen in verschiedene Abschnitte nicht als durchbrochen angesehen werden könnten (juris Tz. 45).

Schließlich hat die Europäische Kommission bereits ein (inzwischen allerdings eingestelltes) Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD eingeleitet (s. dazu Anlagen BF 5 und BF 6 - Sanierung Schwimmbad Stadt E. in Niedersachsen). Im dortigen Fall waren die Objektplanung, Tragwerksplanung und Planung der technischen Gebäudeausrüstung für die Sanierung eines öffentlichen Freibads nicht öffentlich ausgeschrieben worden, obwohl der Gesamtwert der Kosten für diese Planungsleistungen über dem maßgeblichen Schwellenwert lag. Zur Begründung wurde darauf verwiesen, aufgrund der unterschiedlichen Leistungsbilder nach der HOAI handele es sich um sachlich verschiedene Aufträge, die nicht zu addieren seien, auch wenn sie sich auf ein einheitliches Bauvorhaben bezögen. Die Kommission teilte diese Ansicht nicht. Sie sah die Voraussetzungen einer funktionellen Kontinuität und inneren Kohärenz in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht als erfüllt an, da sich alle Planungsaufträge auf das einheitliche Bauvorhaben der Sanierung des örtlichen Freibads bezogen hätten und jeweils typische Architektenleistungen zu erbringen gewesen seien.

Es erscheint nicht ausgeschlossen, § 2 Abs. 7 Satz 2 SektVO dahingehend auszulegen, dass es für die „Gleichartigkeit“ auch auf die wirtschaftliche und technische Funktion der Planungsleistungen ankommt. Denn in der amtlichen Begründung (BT-Drs. 18/7318, S. 210) ist zur inhaltlich identischen Regelung in § 3 Abs. 7 Satz 2 VgV ausgeführt: „Satz 2 stellt deklaratorisch fest, dass nur die Werte solcher Planungsleistungen zusammenzurechnen sind, die gleichartig sind. Bei der Bewertung, ob Planungsleistungen gleichartig sind, ist die wirtschaftliche oder technische Funktion der Leistung zu berücksichtigen“.

1.2.3.2. Ob aus obigen Erwägungen in jedem Fall die Leistungen der Objektplanung, der Tragwerksplanung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung für ein einheitliches Bauvorhaben als gleichartige Leistungen anzusehen und für die Schwellenwertberechnung zu addieren sind, bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Jedenfalls im streitgegenständlichen Fall ist eine Addition vorzunehmen. Hier spricht schon die von der Antragsgegnerin selbst formulierte Bekanntmachung dafür, die Planungsleistungen als Einheit zu betrachten und zu bewerten Die Bekanntmachung führt aus: „Die Planungsdisziplinen der Tragwerksplanung, der technischen Ausrüstung, der thermischen Bauphysik und nicht zuletzt der Objektplanung müssen daher lückenlos aufeinander abgestimmt und optimiert werden. Sie bilden eine Einheit ohne Schnittstellen.“ Mithin hat die Auftraggeberin vorliegend selbst dokumentiert, dass sie von einer funktionalen, wirtschaftlichen und technischen Einheit dieser Planungsleistungen ausgeht. Für den Senat besteht kein Anlass, dies anders zu beurteilen. Die genannten Dienstleistungen weisen damit in wirtschaftlicher und technischer Hinsicht eine innere Kohärenz und funktionale Kontinuität auf, die durch die Aufteilung der Leistungen in verschiedene Abschnitte nicht als durchbrochen angesehen werden kann. Im Übrigen hielt die Antragsgegnerin die Tragwerksplanungsleistungen ursprünglich selbst für ausschreibungspflichtig, wie die Bekanntmachung zeigt.

1.2.3.3. Ausweislich des Vergabevermerks betragen die geschätzten Kosten für Objektplanung, technische Ausrüstung und Tragwerksplanung mehr als drei Millionen Euro und liegen daher erheblich über dem Schwellenwert von 418.000,00 Euro.

1.2.3.4. Einer Vorlage an den EuGH nach Art. 267 AEUV bedarf es vorliegend nicht. Jedenfalls die Auslegung und Anwendung im konkreten Fall durch den Senat steht ersichtlich mit Art. 16 RiLi 2014/25/EU und der Rechtsprechung des EuGH in Einklang.

1.2.4. Die Antragstellerin ist nach § 160 Abs. 2 GWB bezüglich der wesentlichen gerügten Verstöße antragsbefugt. Die Antragsbefugnis fehlt allerdings hinsichtlich des angeblichen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.

1.2.4.1. Das nach § 160 Abs. 2 Satz 1 1. Hs. GWB erforderliche Interesse an dem Auftrag hat die Antragstellerin hinreichend dargelegt. Wer - wie die Antragstellern - geltend macht, durch rechtsverletzende Bestimmungen in den Vergabeunterlagen an der Einreichung eines chancenreichen Angebots gehindert oder erheblich beeinträchtigt zu sein, muss zur Begründung des Auftragsinteresses kein Angebot abgeben, sondern dokumentiert dieses Interesse durch seine vorprozessuale Rüge und den anschließenden Nachprüfungsantrag (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.01.2013, VII Verg 35/12, juris Tz. 19). Vorliegend hat die Antragstellerin schon in der ersten e-mail vom 15.09.2016 ihr Interesse am Auftrag bekundet, zugleich jedoch vergaberechtliche Bedenken gegen die von der Antragsgegnerin festgelegten Referenzanforderungen geltend gemacht. Sie hat ihren Standpunkt in den folgenden Schreiben wiederholt (vgl. Schreiben vom 28.09.2016, in dem nochmals ausdrücklich auf das Interesse an dem Auftrag hingewiesen wird). Eine Pflicht, trotz der geltend gemachten unzulässigen Vergabebedingungen dennoch ein Angebot abzugeben, besteht im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten nicht (vgl. auch OLG Düsseldorf, a.a.O, Tz. 19; Weyand, ibR-online Kommentar Vergaberecht, § 107 GWB Rz. 79 f; Möllenkamp, a.a.O., § 160 Rz. 65). Dabei ist nicht maßgeblich, ob der Aufwand für die Abgabe eines Teilnahmeantrags vorliegend ganz erheblich gewesen wäre - wie die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2017 behauptet hat -, oder eher gering, wie die Antragsgegnerin geltend gemacht hat. Jedenfalls wäre es eine nicht unerhebliche zeitliche und finanzielle Investition gewesen, deren Nutzen angesichts der strittigen Referenzvorgaben sehr fraglich war. Der Antragsbefugnis steht nicht entgegen, dass die Antragstellerin unstreitig über Referenzen für Tragwerksplanungen bei Verwaltungsgebäuden im maßgeblichen Zeitraum verfügt. Denn die Antragsgegnerin wollte ausweislich der Bekanntmachung von allen geeigneten Bewerben nur drei bis fünf zur Angebotsabgabe auffordern und diese Auswahl gerade anhand der beanstandeten Referenzen für Büro- und Verwaltungsgebäude vornehmen. Ersichtlich kam es damit für eine aussichtsreiche Teilnahme nicht nur darauf an, überhaupt Referenzen vorweisen zu können, sondern auch auf die Details der Referenzen und deren Qualität. Dass sich ein Unternehmen, das bereits die Forderung nach bestimmten Referenzen als sachfremd betrachtet, nicht an einem Wettbewerb beteiligt, in dem gerade diese Referenzen über die Auswahl der Teilnehmer entscheidet, sondern unmittelbar ein Nachprüfungsverfahren einleitet, ist nachvollziehbar und stellt die Antragsbefugnis nicht in Frage.

1.2.4.2. Die Prüfung der Antragsbefugnis umfasst des Weiteren die Geltendmachung einer Verletzung in eigenen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und die Darlegung eines durch die Rechtsverletzung bereits entstandenen oder noch drohenden Schadens. Dabei ist die Antragsbefugnis für jeden einzelnen geltend gemachten Vergaberechtsverstoßes getrennt zu prüfen und festzustellen (Möllenkamp in Kulartz / Kus / Portz / Prieß, GWB-Vergaberecht, 4. Aufl, § 160 Rz. 28). Hierfür genügt im Rahmen der Zulässigkeit eine in sich schlüssige und nachvollziehbare Darlegung der Möglichkeit einer Beeinträchtigung der eigenen Chancen auf den Zuschlag zu verlangen (OLG Naumburg, NZBau 2001, S. 579, 580; OLG Schleswig, Beschluss vom 30.06.2005, 6 Verg 5/05, juris Tz. 22 ff). Ob die Rüge sachlich gerechtfertigt ist, ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen. Vorliegend hat die Antragstellerin jedenfalls schlüssig dargetan, in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein, da nicht sämtliche Angebotsunterlagen rechtzeitig zur Verfügung standen, die Zahl der auszuwählenden Bieter unzulässig beschränkt werde, die Referenzanforderungen unverhältnismäßig seien, die Frist für Bewerberanfragen zu kurz sei, die Antragsgegnerin keine Anforderungen hinsichtlich der Europäischen Eigenerklärung stelle, Eignungsund Zuschlagskriterien vermische und keine ausreichende Dokumentation vorgenommen habe. Bezüglich dieser schlüssig dargelegten Verstöße ist auch eine ausreichende Darlegung eines drohenden Schadens zu bejahen. Insoweit genügt es, dass durch die gerügten Verstöße die Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (Möllenkamp, a.a.O, § 160 Rz. 86 m.w.N). Dies ist für die dargelegten Rügen zu bejahen.

Hingegen fehlt es bereits an der schlüssigen Behauptung einer Rechtsverletzung, soweit die Antragstellerin Verstöße gegen das Datenschutzrecht rügt. Datenschutzrechtliche Normen gehören nicht zu den Bestimmungen des Vergabeverfahrens i.S. des § 97 Abs. 6 GWB. Lediglich ergänzend ist zu bemerken, dass ein sachliches, im Vergaberecht (national und europarechtlich) allgemein anerkanntes Interesse des öffentlichen Auftraggebers an der Benennung eines Ansprechpartners für Referenzobjekte besteht, da andernfalls die behaupteten Referenzen und damit die Eignung des Bieters nicht überprüfbar wären. Dass sich daraus für die Bieter die Notwendigkeit ergibt, bei den Auftraggebern ihrer Referenzprojekte um die Einwilligung in die Weitergabe von Kontaktdaten nachzusuchen, macht die Anforderung nicht unzulässig.

1.2.5. Die Antragstellerin hat bezüglich der von ihr erst im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Rüge der zu kurzen Frist für Bewerberanfragen gegen ihre verg 15/16 -Seite 15Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB verstoßen; insoweit ist ihr Nachprüfungsantrag unzulässig. Im Übrigen ist ein Verstoß gegen die Rügeobliegenheiten nach § 160 Abs. 3 GWB nicht feststellbar.

1.2.5.1. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB ist der Nachprüfungsantrag unzulässig, wenn Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Erkennbar ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn sich die zugrundliegenden Tatsachen aus der Bekanntmachung ergeben und von einem durchschnittlichen Bieter als Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden können (Hofmann in Müller-Wrede, GWB, Vergaberecht, § 160 Rz. 69). Dabei kommt eine Rügepräklusion nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht. Der Verstoß muss so deutlich zutage treten, dass er einem durchschnittlichen Bieter bei der Vorbereitung seiner Bewerbung bei Anwendung der üblichen Sorgfalt ins Auge fallen muss. Bisweilen werden in der Rechtsprechung zusätzlich individuelle Kenntnisse des Bieters ebenfalls berücksichtigt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 03.08.2011, Verg 16/11 juris Tz. 43 f).

1.2.5.2. Vorliegend hat die Antragstellerin vor Ablauf der Frist für den Teilnahmeantrag nur die als unverhältnismäßig angesehenen Referenzanforderungen gerügt.

Die Rügen, dass die Antragsgegnerin die Zahl der Bewerber vergäbe rechtswidrig beschränke, dass sie Eignungs- und Zuschlagskriterien unzulässig vermische und unzulässigerweise keine Anforderungen in Bezug auf die Europäische Eigenerklärung stelle, erfordern vertiefte Kenntnisse des Vergaberechts. Auch wenn zulasten der Antragstellerin berücksichtigt würde, dass sie ersichtlich über nicht unerhebliche Kenntnisse des Vergaberechts verfügt, kann insoweit nicht von einem für sie erkennbaren Verstoß ausgegangenen werden. Die Rüge erst im Nachprüfungsverfahren ist mithin nicht gemäß § 160 Abs. 3 GWB präkludiert. Gleiches gilt für den Vorwurf, dass die Dokumentation nicht genüge.

Im Ergebnis genauso beurteilt der Senat die Rüge der nicht rechtzeitigen verg 15/16 -Seite 16Zurverfügungstellung und verspäteten Erstellung der vollständigen Angebotsunterlagen. Es stellt eine Neuerung im Vergaberecht dar, dass die vollständigen Angebotsunterlagen bereits mit der Bekanntmachung Interessenten zur Verfügung gestellt werden sollen. Insoweit sind vertiefte Rechtskenntnisse erforderlich, um die Problematik, dies könne nach neuem Vergaberecht unzulässig sein, zu erkennen (vgl. dazu unten Ziff. 2.1). Dass die Antragsgegnerin die Unterlagen erst nach der Bekanntmachung fertiggestellt hat, wurde erst im Beschwerdeverfahren mitgeteilt und war schon aus diesem Grund vorab für die Antragstellerin nicht erkennbar.

Anders zu beurteilen ist allerdings die angeblich zu kurze Frist für Bewerberanfragen. Es kann einem Bieter nicht verborgen bleiben, wenn ihm aus seiner Sicht unzumutbar kurze Fristen gesetzt werden. Dieser von der Antragstellerin behauptete Verstoß hätte daher von der Antragstellerin schon vor Ablauf der Frist für die Abgabe eines Teilnahmeantrags zu rügen. Nur ergänzend sei darauf verwiesen, dass der Senat schon im Hinblick auf den im Vergabe verfahren geltenden Beschleunigungsgrundsatz eine Rechtsverletzung insoweit auch nicht zu erkennen vermag.

2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet. Der Antragsgegnerin ist es nicht gelungen, im Nachprüfungsverfahren überzeugend zu begründen, weswegen sie eine Auswahl der Bewerber anhand von Referenzen für Büro- und Verwaltungsgebäude vornehmen will. Darüber hinaus begegnet das Verfahren noch weiteren, nachfolgend aufgezeigten Bedenken, denen bei erneuter Durchführung des Teilnahmewettbewerbs Rechnung getragen werden sollte.

2.1. Unstreitig standen die Unterlagen für die Angebotsphase nicht schon mit der streitgegenständlichen Bekanntmachung den Interessenten zur Verfügung. Wie die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren eingeräumt hat, wurden die Angebotsunterlagen tatsächlich sogar erst später erstellt. Dass eine frühere Erstellung nicht möglich gewesen wäre, trägt die Antragsgegnerin nicht vor.

Darin liegt eine Verletzung von § 41 Abs. 1 SektVO. Nach dieser Vorschrift hat der Auftraggeber bereits in der Auftragsbekanntmachung oder Aufforderung zur Interessensbestätigung eine elektronische Adresse anzugeben, unter der die Vergabeunterlagen uneingeschränkt und vollständig abgerufen werden können. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin sind damit auch im zweistufigen Vergabeverfahren, also insbesondere im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, bereits mit der Auftragsbekanntmachung die Vergabeunterlagen allen interessierten Unternehmen zur Verfügung zu stellen, jedenfalls soweit diese Unterlagen bei Auftragsbekanntmachung in einer finalisierten Form vorliegen können (Honekamp in Greb / Müller, Sektorenvergaberecht, 2. Aufl, § 41 Rz. 27 f). Dies ergibt sich zudem aus der amtlichen Begründung zu § 41 SektVO (BT-Drs. 18/7318, S. 234 f). Danach gehören zu den Vergabeunterlagen „sämtliche Unterlagen, die von Auftraggebern erstellt werden oder auf die sie sich beziehen, um Teile des Vergabeverfahrens zu definieren. Sie umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um interessierten Unternehmen eine Entscheidung über die Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen“ … „Vollständig abrufbar sind die Vergabeunterlagen dann, wenn über die Internetadresse in der Bekanntmachung sämtliche Vergabeunterlagen und nicht nur Teile derselben abgerufen werden können“. Auch Art. 73 der RiLi 2014/25/EU differenziert nicht nach ein- und zweistufigem Verfahren und schreibt vor, dass der Auftraggeber mit der Auftragsbekanntmachung oder der Aufforderung zur Interessenbestätigung einen Zugang zu den Vergabeunterlagen anzubieten habe.

Im Übrigen erscheint naheliegend, dass ein Interessent die Entscheidung, ob er einen Teilnahmeantrag einreicht, nicht zuletzt davon abhängig macht, nach welchen Kriterien im weiteren Verlauf des Verfahrens der Zuschlag erteilt werden soll. Dem genügt ersichtlich Ziff. II 2.5 der streitgegenständlichen Bekanntmachung nicht. Danach ist der Preis nicht das einzige Zuschlagskriterium, alle Kriterien seien aber nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt. Diese wurden nicht zur Verfügung gestellt, sie waren noch nicht einmal von der Vergabestelle zum Zeitpunkt der Bekanntmachung festgelegt worden.

2.2. Auch bezüglich der Beschränkung bzw. Auswahl der Bewerber ist das Verfahren nicht frei von Fehlern. Zwar ist nach § 45 Abs. 3 SektVO grundsätzlich zulässig, die Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen, zu begrenzen. Im Grundsatz ist ferner nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin mindestens drei und höchstens fünf Bewerber hierzu auffordern möchte (vgl. Honekamp/Weyand in Greb / Müller, Sektorenvergaberecht, 2. Aufl, § 45 Rz. 20). Erforderlich ist jedoch zum einen, dass die in § 45 Abs. 3 SektVO genannten sachlichen Voraussetzungen für eine Beschränkung vorliegen, was tunlichst auch dokumentiert werden sollte, zum anderen müssen im Hinblick auf das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot, § 119 Abs. 4 GWB, eindeutige und objektive, mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehende Auswahlkriterien benannt und deren Gewichtung und Bewertung bekanntgegeben werden (Weyand, a.a.O, Rz. 19; Knauff in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, § 119 Rz. 36).

Diesen Anforderungen ist die Antragsgegnerin nicht gerecht geworden. Denn in Ziff. II 2.9) der Bekanntmachung werden zwar objektive Kriterien für die Auswahl angeführt. Jedoch bleibt völlig im Unklaren, wie diese Kriterien bewertet und im Verhältnis zueinander gewichtet werden sollen, insbesondere ob sie gleichrangig nebeneinander stehen oder für die Antragsgegnerin von unterschiedlicher Bedeutung sind (so die Erklärung der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2017). Auch wenn grundsätzlich dem Auftraggeber im Rahmen des § 45 Abs. 3 SektVO ein Ermessenspielraum zuzubilligen ist, genügt die Antragsgegnerin vorliegend dem Transparenzgebot des § 119 Abs. 4 GWB nicht. Eine Überprüfung der von der Antragsgegnerin zu treffenden Auswahlentscheidung wäre dem Senat nicht einmal ansatzweise möglich. Hierfür besteht aber nicht zuletzt deshalb ein gesteigertes Bedürfnis, da die Auftraggeberin nur einen sehr kleinen Kreis von Bewerbern zur Angebotsabgabe auffordern will.

Zur Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegnerin wolle rechtswidrig ein „Mehr an Eignung“ berücksichtigen, wird auf den nachfolgenden Abschnitt 2.5. werwiesen.

2.3. Auch die Rüge der Antragstellerin in Bezug auf die geforderten Referenzen für Büro-und Verwaltungsgebäude ist begründet. Gemäß § 46 Abs. 1 SektVO hat der Auftraggeber die Unternehmen anhand objektiver Kriterien auszuwählen. Damit kommt dem Auftraggeber ein im Vergleich zum sonstigen Vergaberecht grundsätzlich größerer Spielraum zu (Weyand in Greb / Müller, Sektorenvergaberecht, 2. Aufl, § 46 Rz. 2). Indessen haben die vom Auftraggeber gestellten Eignungsanforderungen dennoch den Vorgaben des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB zu entsprechen (vgl. auch § 142 GWB), müssen daher mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und in einem angemessenen Verhältnis zu ihm stehen. Letztlich sind nur solche Eignungsanforderungen zulässig, die zur Sicherstellung einer einwandfreien Ausführung des zu vergebenden Auftrags geeignet und erforderlich sind (Weyand, a.a.O., § 46 Rz.12; Opitz in Kularzt/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 4. Aufl., § 142 GWB, Rn. 7 ff).

In Ziff. III 1.3) der Bekanntmachung fordert die Antragsgegnerin mindestens zwei Referenzen des Bewerbers als Planer für Tragwerksplanung vergleichbarer Vorhaben aus den Jahren 2010 bis 2016 mit Angabe zur Größe des Bauvorhabens in qm BGF. Vergleichbar seien dabei „Tragewerksplanungsleistungen für ein Büro oder Verwaltungsgebäude“. Zwar ist der Antragsgegnerin zuzugeben, dass ihr bei den Referenzanforderungen ein Ermessenspielraum zusteht und Referenzen in ersichtlich sehr weitgehendem Ausmaß akzeptiert werden sollen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerän vermag der Senat aber dennoch nicht zu erkennen, dass diese verg 15/16 . Seite 19 Referenzanforderungen in einem angemessenen Verhältnis zum Auftragsgegenstand stehen und zur Sicherstellung einer einwandfreien Ausführung der Tragwerksplanung geeignet und erforderlich wären.

Wie sich aus Anlage 14.2 „Objektliste Tragwerksplanung“ zu §§ 51, 52 HOAI ergibt, kommt es für die Einstufung der Tragwerksplanung in Honorarzonen - und damit für eine abstrakte Einschätzung der Schwierigkeit der Planung - nicht auf die konkrete Nutzung des Gebäudes an. Eine Differenzierung nach Wohn- oder Verwaltungs- bzw. Bürogebäude lässt sich dieser Anlage in keiner Weise entnehmen. Maßgeblich sind dagegen beispielsweise die Frage der Gründung, der Deckenkonstruktion oder der Notwendigkeit von Stützwänden. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin ist diese Einstufung nach Anlage 14.2 HOAI nicht völlig irrelevant. Denn die Antragsgegnerin beschreibt die zu erbringende Leistung etwa unter Ziff. II 2.4) der Bekanntmachung als „Leistungen der Tragwerksplanung gem. § 49 HOAI, Lph. 1 bis 6“. Im Übrigen lässt sich aus der Anlage 14.2 HOAI zumindest ein Indiz ableiten, nach welchen spezifischen Kriterien die Schwierigkeit und damit letztlich auch die Vergleichbarkeit einer Tragwerksplanung beurteilt werden kann.

Zu berücksichtigen ist ferner der Grundgedanke des § 75 Abs. 5 Satz 3 VgV: Danach ist es für die Vergleichbarkeit der Referenzobjekte bei Planungsleistungen von Ingenieuren oder Architekten in der Regel unerheblich, ob der Bewerber bereits Objekte derselben Nutzungsart geplant oder realisiert hat. Zutreffend verweist die Antragsgegnerin darauf, dass § 75 Abs. 5 Satz 3 VgV vorliegend keine Anwendung findet. Dennoch ist der Hintergrund der Regelung ersichtlich, ein gewisses Problembewusstsein bei den Auftraggebern zu wecken. Es soll verhindert werden, dass ohne nähere Überlegung oder Sachbezug stets auf das scheinbar einfache und offensichtliche Kriterium der Nutzungsart abgestellt wird, obwohl dieses in vielen Fällen für die Vergleichbarkeit einer Planungsleistung ohne Belang ist. Jedenfalls diese Zielsetzung hat über den unmittelbaren Anwendungsbereich des § 75 Abs. 5 VgV hinaus Bedeutung.

Die näheren Ausführungen der Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren, weshalb im vorliegenden Fall gerade Büro- und Verwaltungsgebäude angemessene Referenzobjekte für die streitgegenständliche Tragwerksplanung sein sollen, überzeugen nicht. Abgesehen davon sollten bei einem Verfahren mit einem derart eingeschränkten Kreis von Bewerbern, die man zur Angebotsabgabe auffordern will, die sachlichen Erwägungen für die geforderten Referenzen (und die damit einhergehenden Kriterien zur Bewerberauswahl) vorab im Vergabe vermerk ihren Niederschlag finden.

Die Antragsgegnerin verweist auf die Stützenstellung bei Büro- und Verwaltungsgebäuden, die sich durch sämtliche Stockwerke ziehe und bei typischerweise großen Räumen und einem maximalen Bedarf an Tiefgaragenstellplätzen spezielle Auswirkungen habe. Auch gebe es unterschiedliche planerische Anforderungen wegen unterschiedlicher Raumgrößen in Büro- und 15/16 -Seite 20Verwaltungsgebäuden einerseits und Wohngebäuden andererseits. Jedoch verfügt nicht jedes Büro- und Verwaltungsgebäude über Großraumbüros oder generell große Räume, ebenso wie umgekehrt in Ballungszentren auch bei großen Wohngebäuden ein maximaler Bedarf an Tiefgaragenstellenplätzen besteht.

Soweit die Antragsgegnerin ausführt, Doppelhohlböden würden typischerweise nur in Büro- und Verwaltungsgebäuden gebaut und hätten erhebliche Bedeutung für die Tragwerksplanung, kann dies als zutreffend unterstellt werden. Das gleiche gilt für den Vortrag, eine Betonkerntemperierung für Kühlung oder Heizung stelle besondere Anforderungen an die Tragwerksplanung, finde aber fast ausschließlich in Büro- und Verwaltungsgebäuden Verwendung. Auch dies kann als zutreffend unterstellt werden Jedoch ist aus der Bekanntmachung nicht ersichtlich, dass für das zu planende Verwaltungsgebäude gerade Doppelhohlböden oder eine Betonkerntemperierung vorgesehen wären. Wenn die Antragsgegnerin - wie in der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2017 (Protokoll S. 3, Bl. 73 d.A.) vorgetragen - Wert darauf legt, dass ein Bewerber bereits Gebäude mit Doppelhohlböden und / oder Betonkerntemperierung geplant hat, weil sie eine derartige Ausführung zumindest ernsthaft in Erwägung zieht, kann und muss sie ihre Referenzanforderungen entsprechend fassen.

2.4. Soweit die Antragstellerin Fehler im Zusammenhang mit der Europäischen Eigenerklärung rügt, ist zu bemerken, dass aktuell keine zwingende Vorgabe ersichtlich ist, wonach ein Sektorenauftraggeber ein Angebot bzw. einen Teilnahmeantrag nur bei Vorlage einer Europäischen Eigenerklärung werten dürfte. Dass die Eignung - je nach den gewählten Kriterien - durch Teilnahme an einem Präqualifikationssystem erbracht werden könnte, folgt allerdings aus § 142 GWB i.V.m. § 122 Abs. 3 GWB, wobei Sektorenauftraggeber nur gehalten sind, objektive Auswahlkriterien festzulegen und nicht an den Katalog des § 122 Abs. 2 GWB gebunden sind.

2.5. Nicht begründet ist die Rüge der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe unzulässig Eignungs- und Zuschlagskriterien vermischt. Insoweit behauptet die Antragstellern, die Antragsgegnerin wolle persönliche Referenzen und Qualifikationen der Projektleiter auf der Ebene der Eignung und des Zuschlags berücksichtigen. Dies ist insofern unzutreffend, als die Antragsgegnerin dazu - unwidersprochen - vorgetragen hat, Zuschlagskriterien seien Preis, Reaktionszeitenkonzept und Personaleinsatzkonzept. Aus Ziff. IE 2.5) der Bekanntmachung ist ferner erkennbar, dass jedenfalls ein, wenn auch nicht das einzige, Zuschlagskriterium der Preis sein solle.

Soweit der Vortrag der Antragstellerin darauf abzielt, die Antragsgegnerin berücksichtige bei der Auswahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden, ein Mehr an Eignung, liegt darin kein Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften. Die verg 15/16 - Seite 21 Beschränkung der Zahl der Bewerber, die zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollen, ist nach § 45 Abs. 3 SektVO zulässig (s. schon oben Ziff. 2.2). Jedenfalls bei dieser Auswahl kann zulässigerweise ein „Mehr an Eignung“ berücksichtigt werden, so dass bestimmten Eignungskriterien eine Doppelfunktion als Ausschluss- und Auswahlkriterium zukommt (Weyand in Greb / Müller, Sektorenvergaberecht, 2. Aufl, § 45 Rz. 19; so auch amtliche Begründung zur gleichen Frage bei § 51 VgV BT-Drs. 87/16, S. 204).

3. Von der beantragten gesonderten Tenorierung einer Rechtsverletzung der Antragstellerin wird abgesehen, da ein praktisches Bedürfnis hierfür nicht erkennbar ist. Es ergibt sich unmittelbar aus dem Erfolg des Nachprüfungsantrags, dass die Antragstellerin bei der Durchführung des Vergabeverfahrens in ihren Rechten verletzt worden ist und dass die Antragsgegnerin bei Fortbestand ihrer Beschaffungsabsicht den Teilnahmewettbewerb unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu wiederholen hat.

4. Die Kostenentscheidung folgt bezüglich der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus § 175 Abs. 2 GWB i.V.m. § 78 Satz 1 GWB, hinsichtlich der Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer aus § 182 Abs. 3 Satz 1, Satz 5, Abs. 4 Satz 1 GWB.

(1) Die Vergabekammer leitet ein Nachprüfungsverfahren nur auf Antrag ein.

(2) Antragsbefugt ist jedes Unternehmen, das ein Interesse an dem öffentlichen Auftrag oder der Konzession hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Absatz 6 durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. Dabei ist darzulegen, dass dem Unternehmen durch die behauptete Verletzung der Vergabevorschriften ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

(3) Der Antrag ist unzulässig, soweit

1.
der Antragsteller den geltend gemachten Verstoß gegen Vergabevorschriften vor Einreichen des Nachprüfungsantrags erkannt und gegenüber dem Auftraggeber nicht innerhalb einer Frist von zehn Kalendertagen gerügt hat; der Ablauf der Frist nach § 134 Absatz 2 bleibt unberührt,
2.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Bekanntmachung erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der in der Bekanntmachung benannten Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
3.
Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden,
4.
mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind.
Satz 1 gilt nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrags nach § 135 Absatz 1 Nummer 2. § 134 Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt.

Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner leitete am 17.07.2012 ein Offenes Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für Leistungserbringer i.S. von § 11 RettDG LSA 2006, jeweils verbunden mit der gleichzeitigen Vergabe von Einzelaufträgen für Rettungsdienstleistungen, auf der Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2009 - durch Absendung einer EU-weiten Vergabebekanntmachung ein. Der Auftrag wurde in neun Regionallose aufgeteilt.

2

Die Antragstellerin zu 1), ein gewerblich tätiges Unternehmen im Bereich des Krankentransports und eine Gesellschaft des ...- Konzerns (künftig: die Antragstellerin), forderte die Vergabeunterlagen an und beabsichtigte nach eigenen Angaben, ein Angebot für alle Lose abzugeben. Sie rügte vor Angebotsabgabe die Bewerbungs- und Ausschreibungsbedingungen unter verschiedenen Aspekten als vergaberechtswidrig und hat, nachdem der Antragsgegner ihren Rügen nicht abgeholfen hatte, eine vergaberechtliche Nachprüfung mit dem Ziel beantragt, dass dem Antragsgegner die Erteilung eines Zuschlags auf ein Angebot auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen untersagt werden möge. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag, der im Verlaufe des Verfahrens erweitert worden ist, nach mündlicher Verhandlung vom 04.10.2012 durch ihren Beschluss vom 19.10.2012 als teilweise unzulässig, überwiegend unbegründet zurückgewiesen.

3

Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der erkennende Senat nach mündlicher Verhandlung vom 15.02.2013 mit seinem Beschluss vom 14.03.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Die Ausfertigung dieser Entscheidung ist der Antragstellerin am 20.03.2013 zugestellt worden.

4

Mit Schriftsatz vom 22.03.2013, der beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax am selben Tage eingegangen ist, hat die Antragstellerin eine Anhörungsrüge erhoben.

5

Die Antragstellerin beanstandet, dass der Senat auf seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren (Az.: 1 VK LSA 5/11 Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Gz.: 2 Verg 10/11 Oberlandesgericht Naumburg) zurückgegriffen hat (BA S. 19), weil der Senat zuvor nicht auf die Absicht der Verwertung dieser Erkenntnisse hingewiesen habe. Hilfsweise hat sie die Einsicht in die vollständigen Akten des vorgenannten Verfahrens beantragt. Die Antragstellerin meint, dass nicht ersichtlich sei, worauf der Senat seine Feststellungen gestützt habe, dass der Antragsgegner bei der Festlegung der Standorte der Rettungswachen ein Verfahren zur Messung von Hilfsfristen habe vermeiden wollen (BA S. 19 f.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege auch vor, soweit der Senat Einschätzungen zum Markt für Rettungsdienstleistungen vorgenommen habe. Die Bewertungen der Marktentwicklung seien unvollständig. Insbesondere sei der Senat fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Antragstellerin „neu“ im Markt auftrete. Bezogen auf den Binnenmarkt im EU-Raum sei die getroffene Marktanalyse insgesamt unzutreffend. Auch in Deutschland entwickle sich inzwischen ein Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes. Der Senat habe diese Feststellungen im Übrigen nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen dürfen.

6

Im Übrigen meint die Antragstellerin, dass die Entscheidungsgründe in sich widersprüchlich seien, soweit in ihnen teilweise auf den Inhalt des Vergabevermerks abgestellt werde – so auf Ziffer 6 (zur Losaufteilung), Ziffer 10.3 (zur Festlegung der Standorte der Rettungswachen) und Ziffer 11 (Zuschlagskriterien), obwohl der Vergabevermerk insgesamt zu Recht als rechtlich unerheblich bewertet worden sei (BA S. 29). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer sei – entgegen der Auffassung des Senats – nicht notwendig gewesen. Soweit der Senat von einer Dringlichkeit des Abschlusses des Beschaffungsvorganges ausgegangen sei, sei dies unter Berücksichtigung der Aussetzung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner nicht nachvollziehbar.

7

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen durch Schriftsatz vom 27.03.2013 ergänzt.

8

Der Antragsgegner beantragt, die Anhörungsrüge der Antragstellerin zurückzuweisen. Er verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft sein Vorbringen im Nachprüfungsverfahren.

B.

9

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

10

Der Senat hat mit seiner Entscheidung vom 14.03.2013 das rechtliche Gehör der Antragstellerin nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Eine Fortführung des Beschwerdeverfahrens ist aufgrund der Rüge der Antragstellerin nicht geboten.

11

I. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist nach §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 71a Abs. 1 GWB statthaft, weil gegen die Entscheidung des Senats ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist und die Antragstellerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt. Die Rüge ist fristgerecht (§ 71a Abs. 2 S. 1 GWB) und in der vorgeschriebenen Form (§ 71a Abs. 2 S. 4 und 5 GWB) eingelegt worden.

12

II. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist unbegründet.

13

1. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör zu allen entscheidungserheblichen Aspekten der Rechtssache ist objektiv nicht gegeben.

14

a) Der Senat hat seine Entscheidung, dass die Beibehaltung der ursprünglichen Standorte der Rettungswachen innerhalb der – gegenüber vorherigen Festlegungen auch unverändert gebliebenen – Rettungswachenbezirke sachlich gerechtfertigt sei, auf offensichtliche, d.h. für jedermann erkennbare tatsächliche Umstände gestützt, die Gegenstand der wechselseitigen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten gewesen sind. Dies betraf insbesondere den Rettungsdienstbereichsplan vom 01.07.2009, der Gegenstand der Vergabeunterlagen gewesen ist. Bereits das Erstellungsdatum zeigt, dass der der aktuellen Ausschreibung für eine Leistungserbringung ab 01.01.2013 zugrunde liegende Zuschnitt der Bezirke der Rettungswachen zuvor bereits seit mehreren Jahren bestanden hatte. Die Standorte der Rettungswachen befanden sich ausweislich dieses Planes bereits vor der Ausschreibung in den jeweiligen Umkreisen, die nunmehr in der aktuellen Ausschreibung auch als Standortbereiche der neuen Rettungswachen vorgegeben worden sind. Beide Beteiligte, d.h. auch die Antragstellerin, sind im Beschwerdeverfahren übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in seinen Vergabeunterlagen die bisherigen Standortverhältnisse fortgeschrieben und lediglich durch die Eröffnung eines „Standortumkreises“ – aus Sicht der Antragstellerin unzureichend – erweiterte Zugangsmöglichkeiten für neue Bewerber geschaffen hatte. Der Senat hat schließlich im Rahmen der umfangreichen Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung (ca. 50 Minuten Einführungsvortrag des Vorsitzenden, ca. 80 Minuten Stellungnahmen der beiden Beteiligten und Rechtsgespräch) alle entscheidungserheblichen Aspekte angesprochen, darunter auch den Aspekt der sachlichen Rechtfertigung der Festlegung der Standortbereiche, und seine vorläufige Bewertung und deren tatsächliche Grundlagen dargestellt. Eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin, sich zu dieser Streitfrage angemessen zu äußern, ist unter diesen Umständen auszuschließen.

15

Soweit der Senat in den Gründen der gerügten Entscheidung ergänzend seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren erwähnt hat, ist dies jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen, wie sich auch aus den Formulierungen des Beschlusses selbst ergibt. Im Übrigen ist der Senat davon ausgegangen, dass der Antragstellerin das vorangegangene Nachprüfungsverfahren bekannt gewesen ist. Ob diese Annahme zutreffend gewesen ist, kann hier offen bleiben. Die Vergabekammer hatte auf das Verfahren 2 VK LSA 5/11 Bezug genommen, weil es ein letztlich gescheitertes Verfahren zur Vergabe der hier streitgegenständlichen Aufträge zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin selbst hat sich auf die Entscheidung des Senats im Nachprüfungsverfahren 2 Verg 10/11 bezogen und u.a. ausgeführt, dass diese Entscheidung Auslöser für die Änderung des Landesrettungsdienstgesetzes durch den Landtag im Jahre 2012 gewesen sei. Der Senatsvorsitzende hat in seiner Ladungsverfügung vom 22.11.2012 ebenfalls auf das vorangegangene Nachprüfungsverfahren hingewiesen.

16

b) Der Senat hat seine Feststellung, dass die Beibehaltung der Rettungswachenbezirke und der Standortbereiche der einzelnen Rettungswachen u.a. auch dem Zweck dienen sollte, den Aufwand der Ausschreibung gering zu halten und aufwendige Prüfverfahren zu vermeiden, dem nachvollziehbaren und von der Antragstellerin nicht erheblich bestrittenen Vorbringen des Antragsgegners entnommen. Schon in der ersten Rügeantwort des Antragsgegners vom 31.07.2012 an die Antragstellerin (dort auf S. 4) heißt es, dass der Antragsgegner darauf bedacht gewesen sei, die Einhaltung der gesetzlichen Notfristen zu gewährleisten und dass ihm dies „auf gesicherter Tatsachenkenntnis … nur möglich (sei), wenn auch die zukünftigen Rettungswachen in diesem Umfeld gelegen … (seien). … Er (der Antragsgegner) würde weder seinem Sicherstellungsauftrag gerecht werden noch ließe sich so ein effektives Auswahlverfahren durchführen, da der Auftraggeber bei freier Standortwahl durch die Bieter bei jedem Standort prüfen müsste, ob das Versorgungsziel und die Sicherstellung des Rettungsdienst(es) mit dem angebotenen Standort gewährleistet werden … (könne)“. Dieses Vorbringen hat der Antragsgegner im Verlaufe des Verfahrens vor der Vergabekammer und insbesondere auch in seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und vertieft. Auf den pauschalen Vorwurf der Antragstellerin, dass der Rettungsdienstbereichsplan 2009 ggf. nicht geeignet gewesen sei, die Hilfsfristen zu wahren, hat der Antragsgegner auf die in den Jahren 2009 bis 2012 gesammelten Erfahrungen verwiesen. Der Senat hat lediglich zur Klarstellung – und ohne dass es hierauf entscheidungserheblich angekommen wäre – die in Betracht kommenden Prüfungsverfahren, die der Antragsgegner gemeint hat, beispielhaft benannt. Die Antragstellerin hat jedenfalls ausreichend Gelegenheit gehabt, zu dem Teilaspekt der Vermeidung aufwendiger Prüfungsverfahren Stellung zu nehmen.

17

c) Gleiches trifft auf die Einschätzung der Marktsituation durch den Senat und insbesondere auf die Feststellung zu, dass es derzeit in Sachsen-Anhalt keinen eigenständigen Anbietermarkt für (isoliert ausgeschriebene) Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gibt. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht, dass es einen spezifischen Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gebe und dass daher die isolierte Vergabe dieser Teilleistungen geboten gewesen sei. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie sich für ein solches Fachlos interessiert habe. Die Antragstellerin hat sich vielmehr im Wesentlichen gegen die Zusammenlegung von Leistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes zu jeweils einem Regionallos gewandt und auf die Vielzahl der privaten Interessenten im (isolierten) Bereich des qualifizierten Krankentransportes verwiesen. Die Ausführungen des Senats in den Gründen der Entscheidung vom 14.03.2013 folgen spiegelbildlich dieser Gewichtung im Beschwerdevorbringen der Antragstellerin. Im Rahmen der mündlichen Erörterung der Rechtssache hat der Senat jedoch seine Markteinschätzung insgesamt offen gelegt, ohne dass die Antragstellerin dieser Darstellung, die im Wesentlichen mit den Ausführungen im Beschluss übereingestimmt hat, widersprochen hätte. Danach hat ein weiterer Sachaufklärungsbedarf für die Frage, ob Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes als gesondertes Fachlos auszuschreiben gewesen wären, nicht bestanden. Denn auch im Beschwerdeverfahren gilt, dass das Beschwerdegericht sich bei seinen Untersuchungen grundsätzlich auf das beschränken kann, was die Verfahrensbeteiligten vorbringen. Soweit die Antragstellerin in ihrer Anhörungsrüge auf neuere Marktentwicklungen und insbesondere auf eine Ausschreibung in der Grenzregion in Aachen verweist, wäre dieses Vorbringen im Übrigen nicht geeignet gewesen, hieraus auf die Vergaberechtswidrigkeit der vom Antragsgegner im Juli 2012 vorgenommenen Beurteilung zu schließen.

18

Hinsichtlich der Zusammenfassung der beiden anderen Leistungsbereiche hat der Senat zugunsten der Antragstellerin (trotz seiner Bedenken) als wahr unterstellt, dass eine Fachlosaufteilung in Betracht gekommen wäre, hat sodann aber festgestellt, dass hier fachliche und wirtschaftliche Gründe die Zusammenfassung erforderten. Für die Frage der Rechtfertigung der Gesamtlosvergabe aller Rettungsdienstleistungen im Rahmen eines Gebietsloses hat der Aspekt der Bewertung der Marktverhältnisse keine Bedeutung erlangt.

19

2. Soweit die Antragstellerin auf vermeintliche Widersprüche in der Argumentation des Senats verweist, folgt ihr der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Rügeverfahren nicht.

20

a) Die Feststellung des Senats, dass der Vergabevermerk unter dem 20.07.2012 nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A entspricht, mit der entsprechende Erkenntnisse der Vergabekammer lediglich bestätigt worden sind, steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Senat in anderen Zusammenhängen von einer jeweils ausreichenden Dokumentation bestimmter Einzelmaßnahmen ausgegangen ist. Bestandteile der Dokumentation des Vergabeverfahrens sind auch die Vergabeunterlagen oder der Schriftverkehr zwischen Vergabestelle und Bewerbern. Eine Dokumentation in Form eines Vermerks ist nur in wenigen Einzelfällen vorgeschrieben. Die Formunwirksamkeit des finalen Vergabevermerks hebt die Formwirksamkeit der vorangegangenen Dokumentation nicht auf. Für die vorliegende Entscheidung im Rügeverfahren ist jedoch maßgeblich, dass die Antragstellerin insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör schon nicht beanstandet hat; die Antragstellerin hatte vielmehr Gelegenheit, zu dieser Auffassung des Senats Stellung zu nehmen, weil der Senat hierauf in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich – jedoch unter Kennzeichnung als vorläufige Ansicht – eingegangen ist und weil der Senat damit lediglich aufgegriffen hat, was bereits die Vergabekammer ausgeführt hatte.

21

b) Mit ihrem weiteren Vorbringen in der Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen inhaltliche Aspekte der Senatsentscheidung, ohne eine Gehörsverletzung geltend zu machen. Es ist nicht Sinn des Rügeverfahrens, eine andere Überprüfung als der Kontrolle der Gewährung rechtlichen Gehörs zu eröffnen.

22

3. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Rügeführerin daran fest, dass die Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für erforderlich ansehen durfte. Daran vermag auch der Verweis auf die spätere Aussetzung des Vergabeverfahrens nichts zu ändern, die ggf. bereits auf anwaltliches Anraten erfolgte.

23

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB sowie auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung eines Kostenwerts war entbehrlich, weil die Gerichtsgebühren als Pauschalgebühr ausgestaltet sind und für die Verfahrensbevollmächtigten weitere Gebühren nicht entstanden sind.


Tenor

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner für den Fall des Fortbestehens der Vergabeabsicht aufgegeben wird, ein Vergabeverfahren nach § 3a VOB/A unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.

Die Beigeladene hat die Hälfte der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; der Antragsgegner ist von der Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils der Gerichtskosten befreit. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.285.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner beabsichtigte die Errichtung des Neubaus eines Verwaltungsgebäudes für ein Finanzamt in der Innenstadt von H.  . Er schrieb den vorgenannten Bauauftrag EU-weit im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage der Vergabeordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) - Ausgabe 2009 - zur Vergabe aus. Der Auftrag umfasste die Planung und die Errichtung des Gebäudes nebst integrierter Kantine mit Speisesaal mit einer Hauptnutzungsfläche von ca. 8.000 qm sowie von 250 Parkplätzen und die Finanzierung der Gesamtkosten des Vorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs über einen Zeitraum von 25 Jahren. Das Bauvorhaben sollte auf einem bzw. auf mehreren im Eigentum des Auftragnehmers stehenden Grundstücken realisiert werden, wobei nach Zahlung der letzten von 300 gleichbleibenden monatlichen Raten das Eigentum auf den Auftraggeber übergehen sollte. Hinsichtlich der Parkplätze war vom Antragsgegner freigestellt worden, dass nur „die geforderte Anzahl der nach DIN geforderten Behindertenparkplätze und 10 Parkplätze für Anlieferungen“ direkt am oder im Gebäude zu schaffen sei und die anderen Parkplätze auch „in einer fußläufigen Entfernung von max. 500 m“ liegen dürften. Alternativ zur Übereignung der Parkplätze könne auch ein dauerhaftes, dinglich gesichertes Nutzungsrecht angeboten werden. Optional sei die Wartung, Inspektion und Instandsetzung der Baulichkeit nach DIN 31051 während der 25-jährigen Finanzierungsphase anzubieten. Alternativangebote seien zugelassen, jedoch sei der Umbau und die Sanierung von Bestandsgebäuden nicht zulässig. Der Bruttoauftragswert wurde vom Antragsgegner auf ca. 25,7 Mio. Euro geschätzt.

2

Hinsichtlich des vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstücks enthielt die Vergabebekanntmachung folgende Vorgaben:

3

„Das Grundstück muss für die Umsetzung des Raumbedarfsplanes einschließlich erforderlicher Parkplätze geeignet sein. Von der Vergabestelle wird davon ausgegangen, dass hierzu ungefähr eine Mindestgröße von 3.000 qm bei Lückenbebauung, ansonsten von 4.300 qm benötigt wird.

4

Das Grundstück muss im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt - A-Zentrum - „ der Stadt H. liegen - der Plan, der die Fördergebietsgrenzen ausweist, wird von der unter A.1. benannten Stelle als Formblatt F zu den Unterlagen des Teilnahmeantrages auf Anforderung versandt -.“

5

Als Teilnahmebedingungen im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.2.2) der Vergabebekanntmachung) waren u.a. aufgeführt:

6

„… 1. Nachweis des Eigentums an einem bebauungsfähigen Grundstück im „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) … Nachweisführung durch Grundbuchauszug.

7

Alternativ: Nachweis der rechtlich sicheren Möglichkeit zum sofortigen Eigentumserwerb eines derartigen Grundstücks nach Zuschlagserteilung, gesichert durch Bindung des derzeitigen Eigentümers bis mindestens 6 Monate nach beabsichtigter Zuschlagserteilung; Nachweisführung durch notarielles Kaufangebot des derzeitigen Eigentümers oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Eigentumserwerbs ergibt; Grundbuchauszug.

8

2. Nachweis, dass die Übertragung des Eigentums an Grund und Boden auf … frei von Rechten Dritter, die die Nutzung bzw. Verwertung des Grundstücks nicht nur unerheblich beeinträchtigen können, erfolgen kann; Nachweisführung bei im Grundbuch eingetragenen Belastungen durch Erklärung des Rechteinhabers, zu sonstigen Rechten durch Eigenerklärung des Bieters,

9

3. Nachweis der gesicherten verkehrstechnischen Erschließung des Grundstücks durch Lageplan des Grundstücks, bei Hinterliegergrundstücken ist dingliche Sicherung des Zugangs zum öffentlichen Verkehrsraum nachzuweisen,

10

4. Bei derzeit bebauten Grundstücken: Nachweis, dass nach Zuschlagerteilung unmittelbar mit dem Abbruch begonnen werden kann.

11

Bei vorhandenen Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, ist hierzu eine Abbruchgenehmigung oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Abbruchs des Denkmals ergibt und eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen beizufügen.

12

Bei sonstigen Gebäuden ist eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen, hinreichend.“

13

Die Vergabebekanntmachung wurde auf elektronischem Wege über das Internetportal des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Union, dort über das Portal für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge (SIMAP), erstellt und am 26.01.2012 übermittelt. Die Veröffentlichung erfolgte am 31.01.2012. Die Unterlagen des Teilnahmeantrags mussten bei dem als Vergabestelle fungierenden Eigenbetrieb des Antragsgegners bzw. bei einer externen Beraterin des Antragsgegners angefordert werden und wurden sodann in schriftlicher Form versandt. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde der 08.03.2012, 12:00 Uhr bestimmt.

14

Die Antragstellerin forderte am 08.02.2012 per eMail die Übersendung der Bewerbungsunterlagen an. Die Bewerbungsunterlagen enthielten das Formblatt F, dem die Begrenzung des Fördergebietes Innenstadt (A-Zentrum) zu entnehmen war. Sie wiederholten in der „Musteraufstellung für die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen zum Teilnahmeantrag“ unter Registerblattnummer 2 die vorzitierten Teilnahmebedingungen. Insgesamt ließen sich 24 Unternehmen und Einrichtungen die Bewerbungsunterlagen übersenden.

15

Mit Schreiben vom 01.03.2012 erhob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner eine Verfahrensrüge. Sie bekundete großes Interesse an einer Teilnahme am Vergabeverfahren und führte weiter aus:

16

„Nach Prüfung der Unterlagen sichert das Verfahren keinen ordentlichen Wettbewerb. Dies aus folgenden Gründen:

17

Das vom Bewerber mit zu liefernde Grundstück muss sich nach den Ausschreibungsbedingungen im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. befinden. In diesem Gebiet gibt es keine „freien“ Grundstücke, die für Wettbewerber ein Angebot zulassen.

18

Das sich im genannten Gebiet befindende Grundstück „S. “ steht im Eigentum der Firma P. in H. . Es ist für Wettbewerber nicht im Zugriff.

19

Ein weiteres Grundstück befindet sich im Eigentum der W.  , die auf dem Grundstück eigene Planungen verwirklichen will.

20

Das letzte mögliche Grundstück innerhalb des eingeschränkten Bereiches ist das „B.“ . Hierbei handelt es sich um 13 Einzelflächen, die teilweise im Eigentum von Erbengemeinschaften stehen. Hier ist innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist praktisch keinerlei Grundstückssicherung möglich.

21

Damit ist ein Wettbewerb nicht mehr gegeben und nicht mehr möglich.“

22

Sodann schlug die Antragstellerin vor:

23

„Durch eine minimale Erweiterung des möglichen Gebietes, insbesondere in östliche und/oder südliche Richtung stünden auch Wettbewerbern potenzielle Grundstücke zur Verfügung.

24

Wir beantragen deshalb eine Gebietsvergrößerung, damit tatsächlich ein Wettbewerb stattfinden kann, den das öffentliche Ausschreibungsverfahren ausdrücklich vorsieht.“

25

Das Schreiben endet mit der Bitte um kurzfristige Antwort bis spätestens 06.03.2012, um eine Teilnahme am Wettbewerb noch zu ermöglichen, und mit dem Satz:

26

„Bei einem ablehnenden Bescheid behalten wir uns vor, das Verfahren einer formellen Nachprüfung zu unterstellen.“

27

Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 06.03.2012 (Fax von 14:11 Uhr) zurück. In diesem Schreiben führte der Antragsgegner aus, dass für die Standortbestimmung im unmittelbaren Zentrum der Stadt H. die Ermöglichung einer größtmöglichen Bürgernähe und Erreichbarkeit und die Förderung der Entwicklung der Stadt als Oberzentrum in Sachsen-Anhalt maßgeblich gewesen seien. Die Bestimmung der Grenzen des Gebietes sei nach streng objektiven Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung dieser Ziele erfolgt. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass das Fördergebiet bereits mit Beschluss des Stadtrates der Stadt H. vom 24.11.2010 festgelegt worden sei. Mit der Ansiedlung des Finanzamtes als wichtige öffentliche Einrichtung werde ein Beitrag zur funktionalen Stärkung der Innenstadt von H. geleistet. Vorab durch den Antragsgegner durchgeführte Untersuchungen ließen auch nicht den Schluss zu, dass es innerhalb dieses Gebietes keine oder lediglich ein Grundstück gebe, welches zu Bebauungszwecken zur Verfügung stehe. Der Antragsgegner schloss mit dem Hinweis, dass die Rüge darüber hinaus auch aus näher benannten rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben könne.

28

Die Antragstellerin gab keine Bewerbung ab. Bei der Öffnung der Teilnahmeanträge lag lediglich der Teilnahmeantrag eines in H. ansässigen Hochbauunternehmens vor, welches Eigentümerin des zur ausgeschriebenen Bebauung geeigneten Grundstücks „S. “ in der Innenstadt der Stadt H. ist, die jetzige Beigeladene.

29

Mit Schriftsatz vom 13.03.2012 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass der Antragsgegner verpflichtet werden möge, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben und bei Fortbestehen der Vergabeabsicht unter Berücksichtigung eines erweiterten Fördergebietes und angemessener Fristen neu auszuschreiben. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass das Verfahren keinen ordnungsgemäßen Wettbewerb sichere. Das für die ausschreibungsgemäße Errichtung zulässige Baugebiet sei zu klein und die Frist zur Abgabe eines Angebots (meint: Teilnahmeantrags) sei zu kurz bemessen. Die Anforderung der Ausschreibung, wonach ein Bewerber innerhalb von sechs Wochen ein geeignetes Grundstück sichern und diese Sicherung belegen müsse, sei praktisch nicht umsetzbar, soweit der Bewerber nicht bereits Eigentümer eines entsprechenden Grundstücks innerhalb des zugelassenen Baugebiets sei.

30

Die Vergabekammer hat die einzige Bewerberin mit Beschluss vom 03.04.2012 zum Nachprüfungsverfahren beigeladenen und ihr mit Beschluss vom 12.04.2012 Akteneinsicht gewährt. Der Antragsgegner hat mit den eingereichten Vergabeakten lediglich einen undatierten, jedenfalls nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigten Vergabevermerk vorgelegt, aus dem sich zur Standortbegrenzung Folgendes findet:

31

(S. 3:) „Gegenständlich soll der Neubau auf einem vom Bieter zu beschaffenden Grundstück im Bereich der Innenstadt der Stadt H., definiert durch das mit Beschluss des Stadtrats der Stadt H. festgelegte Gebiet A-Zentrum Altstadt (aktive Stadt- und Ortsteilzentren) in der Stadt H. realisiert werden. Hierdurch soll die Integration des Finanzamts im Bereich der Stadt H. und die Förderung der Erhaltung und die Entwicklung dieser Bereiche eine größtmögliche Bürgernähe, die Anliegen der Stadt H. ist und auch im Landesinteresse liegt, erreicht werden.“

32

(S. 5 f.:) „Als Mindestbedingung wurde festgelegt, dass ein Nachweis über ein bebauungsfähiges Grundstück im geplanten Gebiet nachzuweisen ist. Die strikte Vorgabe einer Mindestgrundstücksfläche wurde abgelehnt, vielmehr sollen nur Zielvorstellungen aufgenommen werden. Um den Teilnehmerkreis nicht einzuengen, soll zudem der Nachweis auch dadurch geführt werden können, dass ein Grundstückserwerb nach Zuschlagserteilung gesichert ist.

33

Weitere Mindestbedingungen soll der Nachweis der Lastenfreiheit und der gesicherten Erschließung des Grundstücks sein. Bei Grundstücken, welche derzeit noch bebaut sind, wurde festgelegt, dass der Nachweis zu erbringen ist, dass nach Zuschlagserteilung sofort mit dem Abbruch begonnen werden kann. Ausgiebig erörtert wurde das Thema Denkmalschutz. Im Ergebnis der Diskussion bestand Übereinstimmung, dass bei denkmalgeschützten Objekten zur Vermeidung von Bauzeitverzögerungen bereits im Teilnahmewettbewerb gefordert werden muss, dass nachgewiesen wird, dass das Denkmal abgebrochen werden kann. Hintergrund hierfür sind die außerordentlich langen Antragszeiten für eine Abbruchgenehmigung für ein Denkmal. Liegt eine solche noch nicht vor, kann dies sonst dazu führen, dass bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens unklar ist, ob der Bieter tatsächlich leistungsfähig ist und damit Bewerber zum Verhandlungsverfahren zugelassen werden, denen die Umsetzung der Baumaßnahme im vorgegebenen Zeitrahmen ggf. nicht möglich ist. …“

34

Zur Bemessung der Bewerbungsfrist heißt es:

35

(S. 7:) „Es wurde eingeschätzt, dass ein Zeitraum von 6 Wochen zur Erarbeitung der Unterlagen des Teilnahmewettbewerbs notwendig aber auch hinreichend für die Bewerber ist. …“.

36

Der Vergabevermerk enthält auch eine Stellungnahme zur Rüge der Antragstellerin. Auch auf direkte Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 23.03.2012 nach einer zeitnahen Dokumentation des Entscheidungsprozesses bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs hat der Antragsgegner keine weiteren Unterlagen übersandt und darauf verwiesen, dass alle weiteren Akten lediglich Unterlagen der Ausschreibung und der vertraglichen Abwicklung des Beratervertrages enthielten.

37

Der Vorsitzende der Vergabekammer hat die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 2 GWB am 04.04.2012 bis zum 30.04.2012 verlängert. Mit ihrem Beschluss vom 27.04.2012 hat die Vergabekammer nach mündlicher Verhandlung dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und dem Antragsgegner aufgegeben, das Vergabeverfahren aufzuheben. Für den Fall des Fortbestehens der Beschaffungsabsicht habe er das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab Versendung der Vergabebekanntmachung zu wiederholen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Antragsgegner die Festlegung des Bereichs, in dem der Standort des Neubaus des Finanzamts liegen solle, in seinem Vergabevermerk nicht hinreichend begründet habe. Insbesondere sei dem Vergabevermerk nicht zu entnehmen, ob der Antragsgegner bei dieser Festlegung berücksichtigt habe, ob die mit der Beschränkung des Bereichs verbundenen Wettbewerbseinschränkungen ein Ausmaß erreichten, bei dem ein Wettbewerb nicht mehr zustande kommen könne. Der Antragsgegner sei in entsprechender Anwendung des § 6a Abs. 4 VOB/A verpflichtet gewesen, bereits bei Vorbereitung des Vergabeverfahrens zweifelsfrei und belastbar zu dokumentieren, dass zumindest drei Objekte für potentielle Wettbewerber zur Verfügung stünden, die seinen Vorgaben entsprächen. Zudem sei die Bewerbungsfrist hinsichtlich des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zu knapp bemessen gewesen. Die Bewerber hätten bei einer Vielzahl von Objekten zu recherchieren, ob diese für eine Leistungserbringung in Frage kämen.

38

Gegen diese ihnen jeweils am 30.04.2012 zugestellte Entscheidung richten sich die mit Schriftsatz vom 10.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners und die mit Schriftsatz vom 11.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beigeladenen.

39

Beide Beteiligte sind der Meinung, dass die vom Antragsgegner vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsbedarfs nur der eingeschränkten Nachprüfung unterliege. Die nach der Rechtsprechung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf und - diesem folgend - verschiedener Vergabekammern in Nordrhein-Westfalen erforderlichen sach- und auftragsbezogenen Gründe für die Beschränkung des Standorts auf die Innenstadt der Stadt H. nach deren Festlegungen zum Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) lägen auch nach der Bewertung der Vergabekammer vor. Ein Auftraggeber könne und müsse nicht darüber hinaus auch Sorge dafür tragen, dass mindestens drei geeignete Bewerber existierten. Melde sich nur ein Bewerber, sei das Vergabeverfahren mit diesem Bewerber durchzuführen.

40

Hilfsweise verweisen sie darauf, dass mindestens drei Baugebiete in dem festgelegten Bereich existierten, welche die gestellten Anforderungen erfüllten, und nehmen Bezug auf die Antragserwiderung des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer, mit der er insgesamt 18 Grundstücke innerhalb des abgegrenzten Bereiches benannt hat, die s.E. für eine Verwendung zur Bewerbung in Betracht kämen. Soweit Zweifel an deren objektiver Eignung als Baugelände vorgelegen hätten, sei die Vergabekammer verpflichtet gewesen, Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Die Beschwerdeführer vertreten zudem die Ansicht, dass im Falle der Unaufklärbarkeit der Eignung der Grundstücke als Standort des Neubaus die Feststellungslast von der Antragstellerin zu tragen sei, weil diese das Vorliegen eines Rechtsverstoßes behauptet habe.

41

Beide Beteiligte wenden sich gegen die Feststellungen zur Bewerbungsfrist. Sie meinen, dass die Antragstellerin insoweit ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GWB nicht genügt habe und daher mit dieser Rüge präkludiert sei. Hilfsweise haben sie sich darauf berufen, dass die Frist angemessen gewesen sei, da sie mit 42 Kalendertagen über der Mindestfrist des § 10a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A von 37 KT gelegen habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, eine ausreichend lange Zeit für den Vollzug des Eigentumserwerbs einzuräumen, weil es rechtlich nicht geboten sei, jedem Bewerber ausreichend Zeit zur Schaffung der Eignung zur Auftragserfüllung einzuräumen. Außerdem seien auch geringere Nachweise zugelassen worden.

42

Der Antragsgegner hat darüber hinaus beanstandet, dass die Vergabekammer seine Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer nicht berücksichtigt habe.

43

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Beschwerdeschriften sowie - ergänzend - der Schriftsätze des Antragsgegners vom 28.06.2012, vom 04.07.2012 nebst umfangreichen Anlagen und vom 18.07.2012 sowie auf den Inhalt der Schriftsätze der Beigeladenen vom 05.07.2012 und vom 06.08.2012 Bezug genommen.

44

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,

45

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 27.04.2012 aufzuheben und

46

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

47

Die Antragsstellerin beantragt,

48

die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen jeweils zurückzuweisen.

49

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft u.a. die Ansicht, dass die Bewerbungsfrist nicht angemessen gewesen sei.

50

Der Senat hat der Antragstellerin zunächst mit Beschluss vom 25.06.2012 Einsicht in die Vergabeakte durch Übersendung von Kopien gewährt und zugleich darauf hingewiesen, dass aus den bislang überreichten Vergabeunterlagen eine zeitnahe, fortlaufende Dokumentation des Entscheidungsprozesses für die konkrete Gestaltung der Ausschreibung vor Absendung der Vergabebekanntmachung nicht ersichtlich sei. Darauf hin sind vom Antragsgegner unmittelbar vor dem zunächst anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2012 umfangreiche Unterlagen nachgereicht worden. Hierin hat der Senat der Antragstellerin mit Beschluss vom 27.07.2012 und der Beigeladenen mit Beschluss vom 07.08.2012 jeweils Einsicht gewährt.

51

Der Senat hat am 29.08.2012 zur Sache mündlich verhandelt; wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tage Bezug genommen.

B.

52

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen sind jeweils zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht eingereicht worden. Sie haben jedoch im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

53

Die Vergabekammer ist zu Recht von der Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Zwar ergibt sich aus der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Dokumentation, deren Verwertung durch den Senat zulässig ist, eine hinreichende Rechtfertigung für die vorgenommene Beschränkung des in Betracht kommenden Baugebiets. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge, dass angesichts der konkreten Bewerbungsbedingungen die für die Einreichung des Teilnahmeantrags zur Verfügung gestellte Bewerbungsfrist unangemessen kurz gewesen sei, ist aber begründet.

54

I. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich aller drei Rügen zu Recht als zulässig angesehen.

55

1. Die Antragstellerin ist insgesamt antragsbefugt i.S. von § 107 Abs. 2 GWB, auch wenn sie keinen Teilnahmeantrag eingereicht hat.

56

a) Sie hat ihr Interesse am Auftrag dadurch gezeigt, dass sie nicht nur die Bewerbungsunterlagen abgefordert, sondern sich innerhalb der Bewerbungsfrist auch schriftlich mit einer Verfahrensrüge an den Antragsgegner gewandt hat. Im Schreiben vom 01.03.2012 hat sie ihr Interesse an einer Teilnahme am Wettbewerb ausdrücklich bekundet. Sie hat sich zudem ein zur Bebauung geeignetes Grundstück in H. gesichert, welches jedoch außerhalb des räumlich vorgegebenen Bereichs belegen ist. Nicht zuletzt manifestiert sich ihr Interesse am Auftrag in der Durchführung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel einer Änderung der Bewerbungsbedingungen.

57

b) Die Antragstellerin behauptet bereits vollzogene, nicht etwa nur drohende Vergaberechtsverstöße des Antragsgegners durch die Begrenzung des Standortbereichs des Neubaus, die unzureichende Dokumentation der Entscheidungsprozesse sowie durch die Festlegung einer unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die beiden letztgenannten Rügen beziehen sich auf Verstöße gegen § 20 Abs. 1 VOB/A bzw. § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 VOB/A. Die Rüge der Standortauswahl betrifft die Entscheidung über den Beschaffungsgegenstand. Eine solche Entscheidung ist, worauf die Beschwerdeführer zu Recht verwiesen haben, dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert, so dass es aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich im Belieben des Auftraggebers steht, die Bauleistung frei nach seinen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser - ihren autonomen Zwecken entsprechenden - Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen, der nach den Maßgaben des Vergaberechts zu organisieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06. 2012, VII-Verg 7/12 „Fertigspritze“ - in juris ab Tz. 23 m.w.N.; OLG München, Beschluss v. 09.09.2010, Verg 10/10 „Gestühl Hörsaal“; aber auch Thüringer OLG, Beschluss v. 26.06. 2006, 9 Verg 2/06 „Anna-Amalia-Bibliothek“, VergabeR 2007, 220 - in juris Tz. 22). Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens - das Wettbewerbsprinzip, der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowie der Transparenzgrundsatz - können jedoch durch eine dem Vergabeverfahren vorgelagerte Entscheidung des Auftraggebers gleichwohl verletzt sein, wenn die Entscheidung auf das Vergabeverfahren ausstrahlt und in ihm fortwirkt. Während ein Teil der vergaberechtlichen Rechtsprechung hiervon schon dann ausgeht, wenn für die zu beschaffende Leistung mehrere Lösungsvarianten in Betracht kommen und der Auftraggeber versäumt hat, sich zunächst einen Marktüberblick zu verschaffen und sodann zu begründen, warum eine andere als die von ihm letztlich gewählte Lösung nicht in Betracht kommt (so Thüringer OLG, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss v. 22.05. 2008, 13 Verg 1/08 „Farbdoppler-Ultraschallsystem“), erachten andere Spruchkörper grundsätzlich eine Markterforschung oder Markterkundung nicht für notwendig (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; zuvor bereits Beschlüsse v. 17.02.2010, VII-Verg 42/09 „ISM-Funk“; v. 03.03. 2010, VII-Verg 46/09 „Kleinlysimeter“; v. 15.06.2010, VII-Verg 10/10 „unterbrechungsfreie Stromversorgung“). Das bedeutet jedoch nicht, dass nach der zuletzt genannten Ansicht das Bestimmungsrecht grenzenlos ist und gar keiner Nachprüfung unterliegt. Die gewählten Anforderungen müssen vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung der Auswahlentscheidung muss nachvollziehbar sein. Durch das Erfordernis der sachlichen Auftragsbezogenheit soll im Sinne einer Negativabgrenzung sichergestellt werden, dass der Auswahl- und Beschaffungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nicht sachfremde, willkürliche oder diskriminierende Erwägungen zugrunde liegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2010, a.a.O. - in juris Tz. 33). Die Antragstellerin macht hier gerade eine fehlende Auftrags- und Sachbezogenheit der Standortentscheidung und deren Auswirkung auf das Vergabeverfahren im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung und ggf. einer bewussten Bevorzugung der Beigeladenen geltend. Insoweit genügt eine schlüssige und angesichts des geringen Informationsstandes der Antragstellerin über die internen Entscheidungsprozesse beim Antragsgegner relativ wenig substantiierte Behauptung. Letztlich haben die Beschwerdeführer auch nicht in Abrede gestellt, dass eine Nachprüfung im Hinblick auf eine Willkürfreiheit der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und auf eine Nichtdiskriminierung eröffnet sei.

58

c) Die Antragstellerin hat auch einen bei ihr eingetretenen Schaden schlüssig behauptet, indem sie geltend gemacht hat, dass sie gerade wegen der beiden genannten Vergaberechtsverstöße an einer erfolgversprechenden Bewerbung gehindert worden sei. Mit anderen Worten: Hierdurch hätten sich ihre Auftragschancen nicht nur verschlechtert, sondern sie seien durch die gerügte Ausgestaltung der Ausschreibung gänzlich vereitelt worden.

59

Soweit die Beschwerdeführer vor allem im Verfahren vor der Vergabekammer eingewendet haben, dass der Antragstellerin kein Schaden entstanden sei, weil sie zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen ohnehin nicht geeignet sei, ist die Vergabekammer dem zu Recht nicht gefolgt. Eine Antragsbefugnis wäre zwar ausgeschlossen, wenn der Nichtbieter bzw. - wie hier - der Nichtbewerber objektiv nicht in der Lage wäre, ein aussichtsreiches Angebot abzugeben (vgl. zuletzt Brandenburg. OLG, Beschluss v. 03.11.2011, Verg W 4/11). Die Antragstellerin ist jedoch ein Bauunternehmen, welches sich bereits an der Umsetzung komplexer PPP-Projekte als (zentraler) privater Partner der öffentlichen Hand erfolgreich beteiligt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin die übrigen, von ihr nicht gerügten Bewerbungsbedingungen nicht erfüllen könnte. Dieser Argumentation der Vergabekammer sind die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegen getreten.

60

2. Die Antragstellerin hat hinsichtlich aller Beanstandungen ihren Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 GWB genügt.

61

a) Die Antragstellerin hat die unzureichende Dokumentation des Entscheidungsprozesses, der zur Bestimmung des Standortbereiches des Neubaus geführt hat, erst im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht. Eine Obliegenheit zur vorherigen Rüge gegenüber dem Antragsgegner wurde nicht begründet, weil die Antragstellerin vom Inhalt und Umfang der Dokumentation vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens keine Kenntnis hatte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GWB) und auch nicht aufgrund der Vergabebekanntmachung oder der Bewerbungsunterlagen haben konnte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB). Sie hat diese Kenntnis sukzessive durch die Ausführungen des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren sowie durch die Ausführungen der Vergabekammer in Vorbereitung sowie im Verlauf der mündlichen Verhandlung erlangt. Unmittelbar nach Kenntniserlangung hat die Antragstellerin diesen Vergaberechtsverstoß geltend gemacht.

62

b) Hinsichtlich der beiden ursprünglich im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren erhobenen Rügen, also zur Standortauswahl und zur Bewerbungsfrist, wurden keine Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB begründet. Der Vergabebekanntmachung waren zwar die Informationen über die Festlegung einer Beschränkung des Standortbereichs und über die Bestimmung der Bewerbungsfrist zu entnehmen. Die Einzelheiten der Abgrenzung ergaben sich erst aus den Unterlagen zum Teilnahmeantrag, insbesondere aus dem Inhalt des Formblatts F. Erst danach war für einen fachkundigen Bieter und ebenso für die Antragstellerin zu erkennen, ob in diesem Bereich eine ausreichende Anzahl von geeigneten Grundstücken existierte, deren Sicherung innerhalb der eingeräumten Bewerbungsfrist in Betracht kam. Dies zeigt sich auch in der konkreten Situation der Antragstellerin: Hätte die Begrenzung des Standortbereichs in Richtung Hauptbahnhof nicht am R. Platz geendet, sondern nur zwei weitere Straßenzüge in südlicher Richtung umfasst, so hätte das von der Antragstellerin bis zum 01.03.2012 gesicherte Grundstück innerhalb dieses Bereichs gelegen, so dass jedenfalls der Antragstellerin durch die Ausgestaltung der Ausschreibung der hier geltend gemachte Schaden nicht entstanden wäre.

63

c) Die Antragstellerin hat die absolute Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB gewahrt, indem sie beide ursprünglich im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Verfahrensrügen vor Ablauf der Bewerbungsfrist am 08.03.2012, 12:00 Uhr, mit Schreiben vom 01.03.2012 gegenüber dem Antragsgegner erhoben hat.

64

aa) Die Verfahrenbeteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend von einer Erkennbarkeit der vermeintlich wettbewerbswidrigen bzw. diskriminierenden Begrenzung des Standortbereichs sowie der Unangemessenheit der Bewerbungsfrist auf der Grundlage der Informationen aus den Bewerbungsunterlagen aus. Sowohl die Antragstellerin als auch ein fachkundiger Bieter waren bei sorgfältiger Prüfung der Bewerbungsbedingungen einerseits und der örtlichen Gegebenheiten im Standortbereich andererseits in der Lage zu erkennen, ob auf dieser Grundlage die Entscheidung über eine Bewerbung und die Fertigstellung und Abgabe eines aussichtsreichen Teilnahmeantrags generell möglich ist.

65

bb) Gleiches gilt für die weitere Feststellung der Vergabekammer, wonach die Antragstellerin vor Ablauf der Bewerbungsfrist mit Schreiben vom 01.03.2012 jedenfalls die Rüge der fehlerhaften Standortauswahl gegenüber dem Antragsgegner ordnungsgemäß erhoben hat.

66

cc) Der Senat legt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 - ebenso, wie schon die Vergabekammer, und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragsgegners und der Beigeladenen - dahin aus, dass es auch die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist enthält.

67

(1) Die gegenüber dem Auftraggeber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zu erhebende Rüge unterliegt keinen besonderen formellen Voraussetzungen. Die hier von der Antragstellerin gewählte Schriftform war hinreichend. Dem Schreiben war auch ohne Weiteres zu entnehmen, wer Absender und wer Adressat der darin enthaltenen Erklärungen war.

68

(2) Das Schreiben muss die Bezeichnung „Rüge“ bzw. einen Hinweis auf § 107 Abs. 3 GWB nicht enthalten. Die Rüge muss nur in inhaltlicher Hinsicht erkennen lassen, welchen konkreten Sachverhalt das Unternehmen für vergaberechtswidrig hält, zu dem es dem öffentlichen Auftraggeber vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit zu einer Selbstkorrektur geben möchte (vgl. nur Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 3. Aufl. 2011, § 107 Rn. 74 m.w.N.). Diese inhaltlichen Anforderungen erfüllt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 auch im Hinblick auf die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die Antragstellerin benennt den Vergaberechtsverstoß - die Nichteröffnung eines wirksamen Wettbewerbs - im Hinblick auf die besonderen Bewerbungsbedingungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bewerbers zur Beistellung des Baugrundstücks. Sie führt im Zusammenhang mit dem dritten von ihr ermittelten potenziellen Baugrundstück aus, dass hinsichtlich dieses Grundstücks die geforderte Eigentumssicherung praktisch nicht „… innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist …“ möglich sei. Dieser Hinweis enthält zwei alternative Aussagen: Entweder, nämlich bei Beibehaltung der gewählten Bewerbungsfrist, stehe dieses Grundstück potenziellen Bewerbern nicht zur Verfügung, weil eine Eigentumssicherung objektiv unmöglich sei, und hierin sei ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip zu sehen, dem durch Ausweitung des Standortbereichs begegnet werden könne. Oder aber das Grundstück komme bei Beibehaltung der gewählten Bereichsbegrenzung als Baugrundstück in Betracht, jedoch nur dann, wenn die Bewerbungsfrist verlängert werde. Indem die Antragstellerin das Grundstück nur unter Hinzutreten der Beibehaltung der i.E. zu kurzen Bewerbungsfrist als nicht berücksichtigungsfähig bewertet, eröffnet sie dem Auftraggeber objektiv die Möglichkeit, dieser Beanstandung des Vergabeverfahrens allein durch eine Verlängerung der Bewerbungsfrist zu begegnen. Diese Möglichkeit der Selbstkorrektur war für den Antragsgegner erkennbar. Darauf, ob er sie aufgrund des Schreibens der Antragstellerin tatsächlich erkannt hat, kommt es für die Frage der Konkretheit der Rüge nicht an.

69

(3) Allerdings haben die Beschwerdeführer zutreffend darauf verwiesen, dass sich der Vorschlag der Antragstellerin, wie dem Verfahrensmangel abzuhelfen sei, allein auf eine Erweiterung des möglichen Gebietes bezogen hat. Ein Unternehmen ist im Rahmen der Rügeerhebung jedoch nicht verpflichtet darzulegen, wie der Auftraggeber den vermeintlichen Verfahrensmangel beseitigen kann oder soll. Die Auswahl der Maßnahme zur (Wieder-) Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens obliegt in diesem Verfahrensstadium allein dem Auftraggeber. Der Vorschlag der Antragstellerin konnte demnach allenfalls eine unverbindliche Anregung darstellen und er ließ weiter erkennen, mit welcher Intension bzw. mit welcher Wunschvorstellung die Antragstellerin das Vergabeverfahren beanstandete. Der Vorschlag war hingegen nicht geeignet, den Inhalt der erhobenen Verfahrensrügen zu beschränken. Der Antragsgegner hätte bei Unklarheit nachfragen können, ob auch die Dauer der Bewerbungsfrist gerügt werden solle. Ohne eine solche Nachfrage musste er im Zweifel davon ausgehen, dass der Hinweis auf die „ausgeschriebene kurze Frist“, innerhalb derer die Besorgung der für den Teilnahmeantrag geforderten Nachweise „praktisch nicht möglich“ sei, eine gesonderte Verfahrensrüge darstellte.

70

(4) Die Antragstellerin hat am Ende des Schreibens hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie im Falle der Nichtabhilfe die Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens erwägen werde. Damit konnte dem Antragsgegner bewusst sein, dass hiermit Vergaberechtsverstöße geltend gemacht werden, deren Beseitigung verlangt wird, und dass es sich nicht etwa um eine bloße Nachfrage oder eine unverbindliche Anregung handeln sollte.

71

d) Schließlich ist hinsichtlich der beiden ursprünglich im Nachprüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen ein Verstoß der Antragsstellerin gegen ihre Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nicht feststellbar.

72

Die Antragstellerin hat schlüssig behauptet, dass sie unverzüglich nach Kenntnis von den beiden Vergabeverstößen seit dem 28.02.2012 bereits am 01.03.2012 das Rügeschreiben verfasst und abgesandt habe. Insbesondere hat sie sich zu Recht darauf berufen, dass es für die Kenntnis i.S. dieser Vorschrift nicht ausreichte, die Bewerbungsbedingungen im Detail zu kennen, sondern dass eine Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der Unmöglichkeit bzw. des Umfangs der Schwierigkeiten bei der Erfüllung der gestellten Anforderungen hinzutreten musste. Es ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerin für den Erwerb der letzt genannten Erkenntnisse etwa drei Wochen (vom Tag des Zugangs der Bewerbungsunterlagen am 08.02.2012 bis zum angegebenen Zeitpunkt der Kenntniserlangung am 28.02.2012) benötigte. Die Entschließung zur Rügeerhebung und die Abfassung des Rügeschreibens innerhalb von zwei Tagen erfüllen die Anforderungen an eine unverzügliche Reaktion. Für eine frühere als die von der Antragstellerin eingeräumte Kenntnis von den maßgeblichen tatsächlichen Umständen, auf die beide Rügen gestützt werden, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Insoweit hat der Auftraggeber, hier der Antragsgegner, im Nachprüfungsverfahren die Feststellungslast zu tragen (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 26.07.2012, 2 Verg 2/12 „Managementvertrag“).

73

3. Die Antragstellerin hat auch die Antragsfrist nach § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GWB gewahrt. Ihr ist das Antwortschreiben des Antragsgegners auf ihre Verfahrensrügen am 06.03.2012 per Fax zugegangen. Ihr Nachprüfungsantrag ist innerhalb der hierdurch in Gang gesetzten Frist von 15 Kalendertagen, nämlich am 13.03.2012, bei der Vergabekammer eingegangen.

74

II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet.

75

1. Allerdings entspricht die inzwischen vorliegende Dokumentation des Vergabeverfahrens den vergaberechtlichen Anforderungen.

76

a) Die Vergabekammer hat zu Recht darauf erkannt, dass der ihr vorgelegte undatierte Vergabevermerk den rechtlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1 VOB/A nicht genügt.

77

aa) Hinsichtlich des Entscheidungsprozesses, welcher zur Bestimmung und Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Verwaltungsgebäudes geführt hat, enthielten die der Vergabekammer vorgelegten Vergabeakten lediglich den undatierten Vergabevermerk. Dieser Vermerk ist jedenfalls erst zum Zeitpunkt der Abforderung der Vergabeakten fertig gestellt worden; das ergibt sich aus der darin enthaltenen inhaltlichen Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag der Antragstellerin. Dieser Vergabevermerk war schon im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erstellung unzureichend, ohne dass es insoweit auf seinen Inhalt ankommt.

78

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ist das Vergabeverfahren zeitnah so zu dokumentieren, dass u.a. die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden. Danach ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Gegenstände der Dokumentation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschehen zu erfassen. Um die Authentizität zu erhöhen und zugleich den Aufwand des Auftraggebers zu beschränken, ist hierfür keine Vermerkform gefordert, sondern lediglich Textform i.S. von § 126b BGB. Abweichend von der früheren Rechtslage soll also nicht mehr aus rückschauender Betrachtung ein zusammenfassender förmlicher Vermerk über den Verlauf des Vergabeverfahrens gefertigt werden, sondern es soll eine Vergabeakte geführt werden, in der Protokolle, Schriftverkehr bzw. Ausdrucke des eMail-Verkehrs u.ä. sowie erforderlichenfalls auch Einzelvermerke chronologisch abgelegt und verwahrt werden; zweckmäßig zur Erhöhung der Übersichtlichkeit der Dokumentation ist eine gewisse Gliederung und Strukturierung der Ablage.

79

Wie die Vergabekammer zu Recht ausgeführt hat, dient die Verpflichtung des Auftraggebers zur zeitnahen Dokumentation u.a. dazu, die Möglichkeit nachträglicher manipulativer Darstellungen auszuschließen, und besteht damit auch zum Schutze der an der Auftragserteilung interessierten Unternehmen, wie hier der Antragstellerin.

80

bb) Die Vergabekammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Entscheidungsprozess über die Festlegung des Standortbereichs zu den zu dokumentierenden Einzelentscheidungen gehörte.

81

Zwar ist die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes nicht im Katalog des § 20 Abs. 1 S. 2 VOB/A, der beispielhaft („insbesondere“) die zwingend dokumentationspflichtigen Daten aufzählt, aufgeführt. Zu dokumentieren sind jedoch alle Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers, die - quasi „Weichen stellend“ - das künftige Ergebnis des Vergabeverfahrens beeinflussen, wie sich aus § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ergibt. Der Schwerpunkt liegt typischerweise auf den Einzelentscheidungen im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote. Wie bereits der Katalog des Satz 2 der genannten Vorschrift zeigt, so z. Bsp. in Nr. 2 „Art und Umfang der Leistung“ bzw. in Nr. 10 „ggf. die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe des Auftrags verzichtet hat“, können aber auch Entscheidungen im Vorfeld eines Vergabeverfahrens zu dokumentieren sein. Im vorliegenden Fall musste sich dem Antragsgegner aufdrängen, dass schon die Festlegung, dass jeder Bewerber ein geeignetes Grundstück beizustellen hatte, zu einer erheblichen Reduzierung des Kreises der Bewerber um einen Bauauftrag führen musste, und dass sich diese objektiv wettbewerbsbeschränkende Wirkung noch verstärkte, je enger umgrenzt der zulässige Standortbereich für ein solches Grundstück ist. Die nachgereichte Dokumentation zeigt im Übrigen, dass dem Antragsgegner dieser Umstand durchaus bewusst war. Es entspricht der allgemeinen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass jedenfalls dann, wenn eine Beschaffungsentscheidung zu einer erheblichen Beschränkung des potenziellen Teilnehmerfeldes auf ein oder wenige Unternehmen führt, das Zustandekommen dieser Entscheidung und die Gründe für ihr Ergebnis zu dokumentieren sind.

82

b) Der Antragsgegner hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens umfangreiche weitere Unterlagen vorgelegt, die den äußeren Verlauf und die inhaltlichen Erwägungen des Entscheidungsprozesses abbilden. Diese Unterlagen sind im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen und führen hier im Rahmen ihrer tatsächlichen Würdigung zu der Feststellung, dass eine ausreichende Dokumentation vorgenommen worden ist.

83

aa) Die Zulässigkeit der Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen ergibt sich schon daraus, dass es sich nach den Feststellungen des Senats nicht etwa um nachträglich, d.h. nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigte Unterlagen handelt, sondern um Dokumente, die zeitnah zu den in ihnen dokumentierten Geschehnissen entstanden sind.

84

bb) Der Senat hat auch im Hinblick auf die späte Vorlage der entsprechenden Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine manipulative Darstellung, die im Rahmen der tatsächlichen Würdigung einer Verwertung der Unterlagen entgegen stehen könnten.

85

cc) Schließlich ist die Verwertung auch aus rechtlichen, insbesondere verfahrensrechtlichen Gründen nicht unzulässig. Zwar wäre der Antragsgegner nach § 110 Abs. 2 S. 4 GWB verpflichtet gewesen, die Vergabedokumentation auf Anforderung „der Vergabeakten“ durch die Vergabekammer vollständig, also auch einschließlich der jetzt nachgereichten Unterlagen, vorzulegen. Zu einer Vorsortierung nach den s.E. entscheidungserheblichen Bestandteilen einerseits und den nicht erheblichen Unterlagen andererseits war der Antragsgegner nicht berechtigt. Spätestens nach der erneuten ausdrücklichen Anfrage der Vergabekammer hätte für den Antragsgegner eine Veranlassung zur Vorlage bestanden. Eine weitere Verletzung der Mitwirkungspflichten des Antragsgegners ist auch darin zu sehen, dass der Antragsgegner die Unterlagen nicht im Rahmen seiner Beschwerdebegründung vorgelegt hat, obwohl sich die Vergabekammer bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf die unzureichende Dokumentation gestützt und der Antragsgegner diese Bewertung angegriffen hat. Die mehrfache Verletzung von Verfahrensobliegenheiten führt jedoch nicht zu einem Verwertungsverbot der Unterlagen, weil eine solche Sanktion im 4. Teil des GWB nicht vorgesehen ist, sondern lediglich zu einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens.

86

c) Aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen, welche den Verfahrensbeteiligten in den maßgeblichen Teilen auch zugänglich gemacht worden sind, ergibt sich sowohl ein klares Bild über den äußeren Ablauf der Entscheidungsfindung als auch über die Beweggründe für die einzelnen Zwischenentscheidungen bis hin zur Festlegung des Standortbereichs, wie er Gegenstand der Vergabebekanntmachung und der Bewerbungsunterlagen geworden ist.

87

2. Die Entscheidung des Antragsgegners, das in Betracht kommende Baugebiet auf den Bereich „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ zu beschränken, ist unter Einbeziehung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen hierzu in der Sache nicht zu beanstanden.

88

a) Der Senat hat die Entscheidung des Antragsgegners, den Neubau des Finanzamts auf einem vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstück zu errichten und den in Betracht kommenden Standortbereich räumlich zu begrenzen, nach den - aus Sicht des Auftraggebers - strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs geprüft entsprechend der vorzitierten Rechtsprechung des Thüringer Oberlandesgerichts und des Oberlandesgerichts Celle.

89

aa) Wie vorausgeführt, ist die Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Bauwerks ein Teilaspekt der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes. Diese Entscheidung ist dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert und wird daher vom Vergaberecht unmittelbar nicht erfasst. Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie sie in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB bzw. in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/A normiert sind, sind gleichwohl berührt, wenn die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands im Vergabeverfahren zu einer willkürlichen Beschränkung des Wettbewerbs bzw. offen oder verdeckt zu einer positiven oder negativen Diskriminierung von Unternehmen führt. Die Vergabesenate haben bisher den vergaberechtlichen Maßstab der Nachprüfung der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes durch den Auftraggeber divergierend beurteilt; es handelt sich insoweit nicht nur um eine unterschiedlich akzentuierte Beschreibung (so aber OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O. - in juris Tz. 23, 27). Dies zeigt sich insbesondere daran, ob und ggf. in welchem Ausmaß eine Markterkundung vor Festlegung des Beschaffungsgegenstandes geboten ist, ob eine Vertretbarkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers genügt oder stattdessen eine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses abweichender Lösungsvarianten zu fordern ist, und schließlich - hiervon abgeleitet -, in welchem Umfang Dokumentationspflichten bestehen.

90

bb) Der Senat neigt der (aktuellen) Auffassung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus den dort angeführten Gründen (vgl. Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O., Tz. 26) zu. Höhere Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs engen die Entscheidungsfreiheit bzw. die an anderen rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Beschaffungsgegenstand zu sehr ein und führen zu einer unangemessenen Verrechtlichung dieser Entscheidung. Es sind auch Konstellationen vorstellbar, in denen ein Ausschluss abweichender Ausführungsvarianten eines Auftrags nicht oder nicht mit einem zumutbaren Aufwand möglich erscheint. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beschaffung der öffentlichen Hand typischerweise eine dienende Funktion zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zukommt, so dass aus Sicht des Auftraggebers der Aufgabenerfüllung und nicht der Beschaffung Priorität einzuräumen ist, und dass die Organisation von Wettbewerb im Rahmen der Beschaffung nicht Selbstzweck ist, sondern ein Mittel zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln, welches seinen Zweck verfehlt, wenn zu hohe Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung der Beschaffung gestellt werden.

91

cc) Für die Entscheidung im vorliegenden Nachprüfungsverfahren kommt es jedoch nicht darauf an, welcher der beiden Auffassungen zu folgen ist, so dass auch eine Vorlage des Beschwerdeverfahrens an den Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB nicht in Betracht kommt. Denn führt auch die Prüfung an Hand der strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zum gleichen Ergebnis, dann ist diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. So liegt der Fall hier.

92

b) Der äußere Ablauf des Entscheidungsprozesses, der zu der endgültigen Festlegung des Baugebietes geführt hat, ist stringent und nachvollziehbar. Insbesondere hat der Antragsgegner auch eigenverantwortlich vorab geprüft, ob die beabsichtigte Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zu einer ungerechtfertigten Begrenzung des Wettbewerbs führt oder aber einen Wettbewerb ganz ausschließt. Auf jeder Stufe des fortschreitenden Entscheidungsprozesses ist ein hinreichender Auftrags- und Sachbezug feststellbar.

93

aa) Der Antragsgegner entschied am 15.09.2010, dass der seit längerem bestehende Beschaffungsbedarf für ein einheitliches, modernes Verwaltungsgebäude für die Unterbringung der beiden in H.  ansässigen Finanzbehörden durch Errichtung eines Neubaus in der Innenstadt von H. gedeckt werden solle. Der Beschluss wurde auf Vorschlag des Ministers der Finanzen vom 08.09.2010 vom Ausschuss für Finanzen des Landtags von Sachsen-Anhalt in seiner 100. Sitzung, dort unter TOP 12.1 „Beabsichtigte Unterbringung des künftigen Finanzamtes H. und des Landesrechenzentrums H.  “, getroffen. Eine nähere Eingrenzung des verwendeten Begriffs „Innenstadt“ erfolgte noch nicht.

94

Die Festlegung auf einen Neubau im Bereich der Innenstadt folgte den abstrakten Richtlinien der Landesentwicklung, die eine Stärkung der Oberzentren und damit auch der Stadt H. und innerhalb der Städte eine Profilierung der Innenstädte vorsehen. Die Festlegungen erfolgten, um eine ausreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde und eine Wertstabilität der nach Ablauf der Finanzierungsphase vom Auftraggeber zu erwerbenden Immobilie zu gewährleisten. Diese Erwägungen sind sach- und auftragsbezogen.

95

bb) Mit Schreiben vom 04.02.2011 richtete der Staatssekretär des Ministeriums der Finanzen eine Anfrage an die Oberbürgermeisterin der Stadt H.  mit der Bitte um Herbeiführung einer Willensbekundung des Stadtrates zu den Grenzen der „Innenstadt“, innerhalb derer der Neubau des Finanzamts erfolgen solle. Diese Anfrage erfolgte, um eine klare und eindeutige Definition des Begriffs „Innenstadt“ herbeizuführen und dabei die kommunalen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

96

Diese Vorgehensweise war sachgerecht, weil die Errichtung des neuen Gebäudes für eine Mittelbehörde in einer Stadt deren kommunale Belange insbesondere auch in städtebaulicher Hinsicht betrifft.

97

cc) Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. beantwortete die Anfrage mit Schreiben vom 17.02.2011 unter Verweis auf den Beschluss des Stadtrates vom 14.11.2010. Mit diesem Beschluss hatte der Stadtrat auf Vorlage vom 14.10.2010 und nach einer Ausschussberatung am 09.11.2010 ein ca. 1.180.000 qm großes Stadtgebiet als Fördergebiet im Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ unter der Bezeichnung „A-Zentrum Altstadt“ ausgewiesen. Die Abgrenzung erfolgte, wie sich den Gründen des Stadtratbeschlusses entnehmen lässt, zum Zwecke der Entwicklung der Einkaufsinnenstadt sowie zur Stärkung der oberzentralen Funktionen der City. Sie folgte inhaltlich der seit 1998 bestehenden Flächennutzungsplanung, deren Fortentwicklung im Zentrenkonzept aus dem Jahre 2004 und in dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahre 2007. Nach dem Inhalt des Stadtratbeschlusses vom 14.11.2010 sollten künftige Investitionen von der Stadt selbst nur noch dann gefördert werden, wenn sie zur Profilierung und Standortaufwertung der Innenstadt geeignet waren. Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. vertrat in ihrem Schreiben vom 17.02.2011 die Auffassung, dass angesichts der Aktualität des Beschlusses eine gesonderte Befassung des Stadtrates mit der Frage der Abgrenzung der Innenstadt für die Errichtung eines Finanzamtsgebäudes nicht nötig sei. Zudem teilte sie mit, dass sie den Stadtrat in der letzten Sitzung über die Anfrage des Ministeriums der Finanzen informiert habe und dass Einigkeit darüber bestanden habe, dass mit dem neuen Standort des Finanzamtes in der Innenstadt „eine gute Lösung gefunden“ worden sei. Dem weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses, insbesondere der am 28.02.2011 erfolgten Anhörung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr durch das Ministerium der Finanzen, ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner der vorgenannten Auffassung der Oberbürgermeisterin folgte und den Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 als eine hinreichend verbindliche Willensbekundung der Stadt zur Standortfrage ansah.

98

Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass der Antragsgegner von seiner ursprünglichen Vorstellung eines ausdrücklichen Stadtratsbeschlusses über die Eingrenzung des Standortbereichs für das Finanzamt Abstand genommen und den Beschluss vom 24.11.2010 als Definition des Innenstadtbereichs übernommen hat. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass der Stadtratsbeschluss einem anderen Zweck diente als der Mitwirkung an der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes für das vorliegende Vergabeverfahren. Es ging um eine Grundlage für den Einsatz von öffentlichen Haushaltsmitteln für die Förderung von privaten baulichen Investitionen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die Festlegung des Bereichs des Stadtzentrums, in dem eine Belebung durch Passanten angestrebt wird durch die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen und durch die Zentralisierung von Behörden und Einrichtungen mit Besucherverkehr, inhaltlich nach denselben Maßstäben und Erwägungen erfolgte, wie sie - fiktiv - im Rahmen einer gesonderten Entscheidung über den künftigen Standort des Finanzamtsgebäudes angestellt worden wären. Denn auch die Eröffnung einer solchen Behörde mit mehreren hundert Mitarbeitern und einem nicht unerheblichen Besucherverkehr ist geeignet, zu einer Belebung des umliegenden Gebietes beizutragen und u.U. durch einen attraktiven Baukörper eine städtebauliche Profilierung und Aufwertung zu erreichen. Der bereits vorliegende Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 enthielt eine strategische Festlegung, deren erneute Prüfung und Aktualisierung - gemessen an den vorangegangenen vergleichbaren Entscheidungen des Stadtrats aus den Jahren 2004 und 2007 - frühestens nach drei Jahren zu erwarten war. Der Rückgriff auf eine bereits vorliegende Entscheidung war zudem geeignet, dem Vorwurf einer Bevorzugung eines bestimmten Bewerbers um den auszuschreibenden Bauauftrag zu begegnen.

99

dd) Der Antragsgegner veranlasste im März und April 2011 eine Prüfung, ob die Festlegung des Baugebietes nach Maßgabe des Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2010 zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Wettbewerbs um den auszuschreibenden Bauauftrag führen konnte.

100

Wie sich aus dem Antwortschreiben der Oberbürgermeisterin der Stadt H. vom 30.03.2011 ergibt, richtete der Antragsgegner eine telefonische Anfrage an die Stadt, welche potentiellen Standorte für den Neubau des Finanzamts im Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) existierten. Die Stadt benannte drei mögliche Standorte, und zwar die Grundstücke am R. Platz (in der Antragserwiderung des Antragsgegners später unter Nr. 11 aufgeführt), im Bereich des „B.  “ (Nr. 7) sowie im Baugebiet „S.„ (Nr. 2).

101

Im April 2011 beauftragte der Antragsgegner eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, insbesondere auch zum Zwecke des haushaltsrechtlich erforderlichen Nachweises der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung von Dritten gegenüber einer Leistungserbringung mit eigenen Ressourcen. Diese Studie kommt zum Ergebnis, dass im Innenstadtbereich mehrere Grundstücke die aufgestellten Anforderungen an Flächengröße, Verkehrsanbindung u.ä. erfüllten. In der Studie werden hierfür die drei vorgenannten Grundstücke sowie das Grundstück hinter dem A. -Gebäude (Nr. 4) aufgeführt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile beschrieben.

102

Diese Maßnahmen zeigen, dass der Antragsgegner eine eigenverantwortliche Prüfung vorgenommen hat, ob die beabsichtigte Begrenzung des zugelassenen Baugebietes zu einem Ausschluss von Wettbewerb führen würde. Die von ihm getroffene Einschätzung, dass das Vorliegen von mindestens vier zur Bebauung objektiv geeigneten Grundstücken einen ausreichenden Wettbewerb ermöglicht, ist sachgerecht und nicht zu beanstanden.

103

ee) Die Antragstellerin hat zutreffend darauf verwiesen, dass im Rahmen der weiteren Vorbereitung des Vergabeverfahrens die Anforderungen an das Baugrundstück modifiziert worden sind. Diese Veränderungen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich die Anforderungen an die Größe und Bebaubarkeit des Grundstücks erhöht haben, sondern sie haben im Gegenteil eine Verringerung dieser Anforderungen bewirkt.

104

In der 2. Besprechung der Projektgruppe „Finanzamt H.“, der neben Vertretern des Antragsgegners - Ministerium der Finanzen und Eigenbetrieb - u.a. auch Mitarbeiter der Beraterin des Antragsgegners angehörten, wurde am 08.12.2011 aufgrund einer aktuellen technischen Bewertung der Hauptnutzungsfläche des Gebäudes entschieden, dass keine Grundstücksgröße zwingend vorzugeben sei, sondern lediglich eine Mindestgröße bei Lückenbebauung, die weit unterhalb der bisherigen Vorstellungen des Antragsgegners lag.

105

In der 4. Besprechung dieser Projektgruppe am 18.01.2012 wurde im Hinblick auf eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes der beabsichtigte Bekanntmachungstext hinsichtlich der Vorgaben zur Grundstücksgröße erneut geändert; nunmehr wurde eine Mindestgröße nicht mehr vorgegeben, sondern lediglich eine funktionale Eignung gefordert.

106

Diese Änderungen waren nicht nur sach- und auftragsbezogen, sondern auch geeignet, weiteren Unternehmen mit Zugriffsmöglichkeiten auf andere als die vorgenannten vier Grundstücke die Möglichkeit zur Teilnahme am Wettbewerb zu eröffnen.

107

c) Eine weiter gehende Markterkundung durch den Antragsgegner, etwa im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse an den in Betracht kommenden Grundstücken und auf die Möglichkeiten des Erwerbs dieser Grundstücke durch interessierte Unternehmen, war auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Jena und Celle nicht geboten.

108

aa) Die Vorgehensweise des Antragsgegners im Hinblick auf die Festlegung des Bereichs des künftigen Standorts des Finanzamts war geeignet und ausreichend, der Gefahr eines unzureichenden Wettbewerbs zu begegnen und eine Diskriminierung von Unternehmen zu vermeiden.

109

(1) Der Antragsgegner durfte sich zur Prüfung der Frage, ob eine Auftragsvergabe in einem Wettbewerb gewährleistet sein wird, auf eine Aufklärung der Frage beschränken, ob in dem von ihm begrenzten Bereich eine genügende Anzahl von Objekten vorhanden war, welche in Größe, Lage, Zuschnitt und Bebaubarkeit den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung (ca. 8.000 qm HNF sowie insgesamt 250 Parkplätze, z.T. auch in fußläufiger Entfernung vom Hauptobjekt) gerecht werden konnten. Denn für die Gewährleistung eines Wettbewerbs ist maßgeblich, ob der Auftraggeber mit mehreren Bewerbern rechnen kann und ob die interessierten Unternehmen mit Mitbewerbern rechnen müssen, so dass der erforderliche Anreiz besteht, ein wirtschaftliches Angebot zu unterbreiten. Insoweit hat der Auftraggeber eine Prognoseentscheidung zu treffen. Wie viele Unternehmen sich tatsächlich bewerben werden, ist für den Auftraggeber auch bei intensiver Markterkundung letztlich nicht vorherzusehen. Daher kann von einem öffentlichen Auftraggeber nur gefordert werden, dass er unter Berücksichtigung der von ihm beabsichtigten Bestimmung des Beschaffungsbedarfs den Eingang mehrerer Bewerbungen oder Angebote - je nach Verfahrensart - für möglich erachtet. Diese Frage hat der Antragsgegner hier geprüft und im Ergebnis seiner Ermittlungen festgestellt, dass mindestens vier Grundstücke grundsätzlich geeignet sind, die funktionalen Anforderungen der beabsichtigten Ausschreibung zu erfüllen. Es kann offen bleiben, ob sich diese Zahl durch die nachfolgenden Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen erhöht hat oder nicht. Sowohl aus Sicht des Antragsgegners als auch aus Sicht eines potenziellen Bewerbers war der Umstand, dass nach vorläufiger Bewertung mehrere objektiv geeignete Grundstücke zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen existieren, ausreichend, um wettbewerbliche Anreize zu generieren. Der Senat erachtet insoweit die Erwägungen der Vergabekammer, in Anwendung des Rechtsgedankens des § 6a Abs. 4 VOB/A und des Art. 44 Abs. 3 UA 2 S. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie) auf mindestens drei Objekte abzustellen, für sachgerecht. Dem steht, anders als die Beschwerdeführer meinen, jedenfalls die von ihnen zitierte Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-138/08 „Hochtief AG u. Linde-Kca-Dresden GmbH ./. KTKD“, VergabeR 2010, 196) nicht entgegen, weil der dortige Rechtssatz nicht einschlägig ist. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der öffentliche Auftraggeber, die Selbstverwaltung der Hauptstadt Budapest, einen Bauauftrag, wie hier, im zweistufigen Verfahren - Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb - ausgeschrieben und der Wettbewerb nur, aber immerhin im Teilnahmewettbewerb stattgefunden hatte. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs war lediglich ein Bewerber verblieben. Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich aus dem Wettbewerbsprinzip kein Anspruch des im Teilnahmewettbewerb unterlegenen Bewerbers auf eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ergebe, wenn zumindest in der ersten Verfahrensstufe, dem Teilnahmewettbewerb, ein ausreichender Wettbewerb organisiert worden sei. Der Entscheidung lässt sich damit keine Einschränkung des Grundgedanken der vorgenannten Regelungen entnehmen. Die Antragstellerin hat hier hinsichtlich der Grundstücke Nr. 2, 4, 7 und 11, welche der Antragsgegner in seine Überlegungen einbezogen hatte, sowie hinsichtlich des Grundstücks Nr. 18 deren objektive Eignung nach den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung nicht in Frage gestellt, sondern selbst eingeräumt.

110

Soweit die Antragstellerin behauptet hat, dass die Grundstücke Nr. 2, Nr. 4, Nr. 11 und Nr. 18 von den jeweiligen Eigentümern nicht veräußert würden, und sich ein u.U. möglicher Eigentumserwerb des Grundstücks Nr. 7 jedenfalls langwierig und schwierig gestalte, vermag dies die hieraus gezogene Schlussfolgerung, dass ein Wettbewerb ausgeschlossen sei, nicht zu rechtfertigen. Der Antragsgegner durfte davon ausgehen, dass ein Grundstückseigentümer an der wirtschaftlichen Verwertung seines Grundeigentums ein Eigeninteresse hat. Im Übrigen ist, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, darauf zu verweisen, dass sich diese allgemeine Erwartung auch bestätigt hat. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 2, die Beigeladene, hat sich beworben. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 4 ist, wie inzwischen feststeht, ein Unternehmen, das eine wirtschaftliche Verwertung des Grundeigentums als Baufläche für ein Bürogebäude beabsichtigte, z. Zt. jedoch kein konkretes Projekt verfolgt. Auch die Eigentümerin der Grundstücke Nr. 11 und Nr. 18 ist ein gewerblich agierendes Unternehmen, welches sich grundsätzlich einer wirtschaftlichen Verwertung ihres Eigentums nicht verschließen dürfte. Der Antragsgegner musste - unabhängig davon, ob ihm das überhaupt möglich gewesen wäre, was er selbst bestreitet - weder die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken noch die Bewerbungs- oder Verkaufsbereitschaft der Eigentümer erkunden. Er musste auch nicht etwa - und darauf zielt die Rüge der Antragstellerin maßgeblich - sicherstellen, dass der Antragstellerin der Zugriff auf eines der vier Grundstücke tatsächlich offen stand. Ein an der Auftragserteilung interessiertes Unternehmen hat vergaberechtlich keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine seinem aktuellen Leistungsvermögen oder seinen Erwartungen entsprechende Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes vornimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.10.2009, VII-Verg 25/09 „Latexfreiheit“; Beschluss v. 14.04.2010, VII-Verg 60/09 „Brandmeldeanlage“, VergabeR 2011, 78). Um die Zugriffsmöglichkeit jedes Interessenten am Bauauftrag zu gewährleisten, hätte der Antragsgegner ein geeignetes Baugrundstück selbst erwerben und dem Auftragnehmer zur Verfügung stellen müssen. Hierin hätte jedoch ein anderer als der vom Antragsgegner gewählte Beschaffungsgegenstand gelegen. Dem Antragsgegner kam es gerade darauf an, weder mit der Grundstücksauswahl noch mit dessen Beschaffung noch mit der Finanzierung des Grunderwerbs belastet zu sein. Die Forderung nach einer Beistellung des Grundstücks eröffnete den Interessenten zudem u.U. mehr Freiheiten bei der Planung des Bauvorhabens.

111

(2) Die hier von der Antragstellerin beanstandete Festlegung des Antragsgegners verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot.

112

Allerdings wäre es mit dem Diskriminierungsverbot des § 97 GWB grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn eine Ausschreibung von Anfang an so angelegt wäre, dass objektiv nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 24.06.2010, 1 Verg 4/10 „Postdienstleistungen“). Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht feststellbar. Wie vorausgeführt, existierten aus der maßgeblichen ex ante-Sicht des Antragsgegners mindestens vier Grundstücke, die als Baugrund objektiv in Betracht kommen konnten. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Antragsgegner bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass mit der Beigeladenen ein Unternehmen existierte, welches Eigentümerin eines der geeigneten Grundstücke war und bereits seit vielen Jahren auf eine wirtschaftliche Verwertung wartete. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner durch die Festlegung des in Betracht kommenden Baugebiets bewusst eine Bedingung geschaffen hat, die es jedem anderen Unternehmen außer der Beigeladenen unmöglich gemacht hätte, sich zu bewerben, bestehen ebenfalls nicht. Es sind weder rechtliche noch tatsächliche Umstände ersichtlich, die generell einer Sicherung des künftigen Erwerbs von Grundeigentum im Bereich des Fördergebietes „Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. durch einen ggf. nicht ortsansässigen Interessenten entgegenstehen.

113

bb) Eine weitere Markt- oder Gebietserkundung war auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Jena und Celle erforderlich.

114

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen beider Vergabesenate jeweils zu einer produkt-, technik- oder technologiespezifischen Bedarfsbestimmung ergangen sind, d.h. zu einer Festlegung des Auftraggebers im Zusammenhang damit, ob eine geforderte Funktionalität des Beschaffungsgegenstandes objektiv nur durch eine einzige technische Lösungsvariante erreichbar war oder nicht. Im vorliegenden Fall, in dem es um eine räumliche Begrenzung des Leistungsortes geht, war ein Teil der mit der Beschaffung verbundenen Zielstellungen nicht mehr zu erreichen durch eine Ausweitung des in Betracht kommenden Baugebietes. Zwar mag eine hinreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde auch noch in einem erweiterten Innenstadtbereich zu gewährleisten sein, es steht jedoch für den Senat außer Zweifel, dass eine Belebung der Innenstadt (A-Zentrum) nicht erreicht werden kann durch einen Neubau außerhalb des so bestimmten Innenstadtbereichs. Auch im Hinblick auf die Wertstabilität ist einem Grundstück inmitten eines Bereichs, der langfristig als Stadtzentrum entwickelt werden soll, gegenüber einem Grundstück außerhalb dieses Bereichs ein eindeutiger Vorteil beizumessen. Fehlt es aber danach an der Voraussetzung, dass die sich alternativ gegenüber stehenden Lösungsmöglichkeiten jeweils in gleicher Weise geeignet sind, den definierten Beschaffungszweck zu erfüllen, so kommt es auf eine weiter gehende Begründung des Ausschlusses der nicht gleichwertigen Alternative, hier also der Ausweitung des Baugebietes, nicht an.

115

3. Das Vergabeverfahren des Antragsgegners leidet jedoch an einem anderen, bereits mit der Vergabebekanntmachung verursachten Mangel; die vom Antragsgegner bestimmte Bewerbungsfrist ist angesichts der konkreten Teilnahmebedingungen unangemessen kurz. Aus diesem Grunde ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet.

116

a) Allerdings hat der Antragsgegner die in § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 VOB/A vorgeschriebene Mindestfrist für die Bewerbung überschritten. Da der Antragsgegner die Vergabebekanntmachung den Anforderungen des § 10a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 VOB/A entsprechend elektronisch erstellt und übermittelt hat, musste die Bewerbungsfrist hier mindestens 30 Kalendertage betragen. Der Antragsgegner bestimmte eine Bewerbungsfrist von knapp 42 Kalendertagen - der 08.03.2012 stand lediglich bis 12:00 Uhr zur Verfügung.

117

b) Die Bewerbungsfrist in einem Teilnahmewettbewerb darf sich jedoch nicht nur an der Wahrung der Mindestfrist orientieren, sondern sie muss jeweils einzelfallbezogen angemessen sein, um einem fachkundigen Unternehmen eine ordnungsgemäße und aussichtsreiche Bewerbung zu ermöglichen. Dabei sind das Anforderungsprofil der Bewerbungsbedingungen im Vergleich zum Regelfall einer solchen Ausschreibung und sonstige besondere Umstände, z. Bsp. die Notwendigkeit des Ausgleichs des zeitlichen und Wissensvorsprungs eines teilnahmeinteressierten Projektanten (vgl. § 6a Abs. 9 VOB/A), zu berücksichtigen (vgl. Rechten in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2010, § 10a Rn. 32). Nach diesen Maßstäben war hier die Frist von knapp 42 Kalendertagen erheblich zu kurz.

118

aa) Für die Bemessung der Bewerbungsfrist ist der Umfang der innerhalb dieser Frist vom Interessenten zu erledigenden Aufgaben zu berücksichtigen.

119

(1) Die vorliegende Ausschreibung wich vom Regelfall einer VOB/A-Ausschreibung schon dadurch erheblich ab, dass es um ein Großbauvorhaben ging mit entsprechend angepassten strengeren Anforderungen an den Nachweis der Eignung als Bauunternehmen. Hinzu kam die Komplexität des Beschaffungsgegenstandes, die sich darin zeigte, dass sie nicht nur die Bauleistung eines Gewerks betraf, sondern die vollständige Errichtung eines Gebäudes sowie die vollständigen Planungsleistungen, wodurch im Rahmen des Nachweises der Fachkunde höhere Anforderungen zu erfüllen waren. Der Auftrag umfasste zudem die Finanzierung des Bauvorhabens über einen langfristigen Zeitraum von 25 Jahren, die nicht zu den Kernkompetenzen eines Bauunternehmens gehört und häufig auch die Einbindung eines Finanzierungspartners erfordert.

120

(2) Die maßgebliche Besonderheit der vorliegenden Ausschreibung bestand darin, dass der Auftragnehmer das zu bebauende Grundstück zu stellen hatte. Eine solche Gestaltung einer Ausschreibung nach der VOB/A ist zulässig, aber atypisch. Auf die Notwendigkeit der Grundstücksbeschaffung muss auch ein fachkundiger und ansonsten leistungsfähiger Bieter nicht eingestellt sein. Insbesondere kann nicht vorausgesetzt werden, dass es ausreichend Bauunternehmen gibt, die ein den sehr speziellen Anforderungen der vorliegenden Ausschreibung entsprechendes Grundstück bereithalten. Die Beschwerdeführer verkennen in ihren Beschwerdebegründungen, dass es sich bei der Anforderung der Grundstücksbeistellung nicht um eine allgemein übliche, auftragsunabhängig vorzuhaltende Eignungsvoraussetzung einer Bauausschreibung handelt. Aus dieser Vorgabe des Antragsgegners resultiert, dass ein potenzieller Bewerber außerhalb seiner Kernkompetenz geeignete Grundstücke finden, deren Eigentümer ermitteln und kontaktieren und die Erwerbsmöglichkeiten erkunden muss. Erst danach kann seine weitere Planung beginnen, insbesondere die Abschätzung, mit welchem Kostenaufwand für eine aussichtsreiche Bewerbung um den Gesamtauftrag zu rechnen ist und ob für ihn eine Teilnahme an der Ausschreibung wirtschaftlich anstrebenswert ist. Die vorgenannte Anforderung führt mithin, insbesondere für einen nicht ortskundigen Interessenten, an den sich die EU-weite Ausschreibung auch wendet, regelmäßig zu einem erhöhten Zeitbedarf in der Bewerbungsphase.

121

(3) Für die Bemessung einer angemessenen Bewerbungsfrist war weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner nach den von ihm selbst vorgegebenen Bewerbungsbedingungen bereits im Teilnahmewettbewerb eine hinreichend sichere Erkenntnis darüber gewinnen wollte, dass jeder Bewerber unverzüglich nach Zuschlagserteilung zur Ausführung der Leistungen in der Lage sein wird. Daher sahen die Bewerbungsbedingungen vor, dass jeder Bewerber, soweit er nicht bereits Eigentümer einer geeigneten Immobilie ist, innerhalb der Bewerbungsfrist die Sicherung des künftigen Eigentumserwerbs, insbesondere durch Vorlage eines notariell beurkundeten Verkaufsangebots des Eigentümers einschließlich Eigentumsnachweises, zu belegen hat. Hieraus folgt, dass der Bewerber nicht nur mit dem Eigentümer Kontakt aufgenommen, sondern diesen - erforderlichenfalls auch unter Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist - zu einer endgültigen Entscheidung über die Veräußerung bewegt und eine entsprechende notarielle Beurkundung erfolgreich veranlasst haben musste. Auch diese erhöhten Anforderungen müssen sich in der Fristbemessung niederschlagen.

122

(4) Schließlich war innerhalb der Bewerbungsfrist auch nachzuweisen, dass nach Zuschlagserteilung unmittelbar mit dem Abbruch von Bestandsgebäuden und -baulichkeiten auf dem Baugrund, die im Innenstadtbereich einer Großstadt typischerweise zu erwarten waren, begonnen werden kann. Dieser Nachweis setzte zumindest eine Eigenerklärung des Bewerbers voraus, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist Nutzungsrechte Dritter einem Abbruch nicht entgegen stehen. Mit anderen Worten: Ein Bewerber hatte, um eine solche Eigenerklärung seriös abgeben zu können, innerhalb der Bewerbungsfrist eine Aufhebung aller bestehenden Nutzungsrechte - dinglich oder schuldrechtlich - zu erreichen. Auch insoweit handelt es sich um eine Forderung des Antragsgegners, deren Erfüllung außerhalb der Kernkompetenzen der mit der Ausschreibung angesprochenen Unternehmenskreise lag.

123

bb) Bei der Bemessung der hier festzulegenden Bewerbungsfrist war zur Vermeidung einer unzulässigen Beschränkung des Wettbewerbs vom Zeitaufwand eines nicht ortskundigen Unternehmens auszugehen. Insbesondere kann aus dem - geringen - Zeitbedarf der Beigeladenen kein allgemeiner Maßstab abgeleitet werden, weil die Beigeladene ein ortsansässiges Unternehmen mit einem eigenen, sehr gut geeigneten Baugrundstück für die ausgeschriebene Leistung ist und auch aus der ex ante-Sicht des Antragsgegners nicht damit zu rechnen war, dass weitere Unternehmen mit einem vergleichbaren Vorlauf existierten.

124

cc) Unter Berücksichtigung der genannten Einzelumstände erachtet der Senat hier eine Bewerbungsfrist von mindestens 90 Kalendertagen (d.h. von drei Monaten) als erforderlich, um einen fairen Wettbewerb erwarten zu dürfen. Die stattdessen bestimmte Frist von knapp 42 Kalendertagen war danach jedenfalls unangemessen, weil sie nicht einmal die Hälfte der vorgenannten Frist erreichte.

125

c) Der festgestellte Vergaberechtsverstoß hat sich auch auf die Wettbewerbsstellung der Antragstellerin ausgewirkt. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Antragstellerin bei Festlegung einer angemessenen Bewerbungsfrist die Einreichung eines Teilnahmeantrages möglich gewesen wäre.

126

4. Die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens kann im Rahmen einer Fortführung des bereits eingeleiteten Verfahrens nicht hergestellt werden. Der Vergabeverstoß betrifft eine in der Vergabebekanntmachung getroffene Regelung, deren Korrektur nur durch eine Zurückversetzung des Verfahrens vor den Stand der Absendung der Vergabebekanntmachung erfolgen kann. Insoweit war die Verpflichtung zur Aufhebung der laufenden Ausschreibung, welche die Vergabekammer angeordnet hatte, zu bestätigen. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner auch zutreffend verpflichtet, bei Fortbestehen seiner Vergabeabsicht ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Der Senat hat in seinem Beschlussausspruch klar gestellt, dass bei der Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nunmehr die Rechtsauffassung des erkennenden Senats Beachtung zu finden hat.

127

III. Die Vergabekammer ist bei ihrer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner keine Kostenbefreiung genießt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

128

1. Für die Frage der Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer enthält die Vorschrift des § 128 GWB keine eigene Regelung; in Abs. 1 wird auf „das Verwaltungskostengesetz“ verwiesen. Diese Verweisung in § 128 Abs. 1 GWB bezieht sich zwar nach ihrem Wortlaut auf das Bundesverwaltungskostengesetz; für ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt, welches sich nach den Verfahrensvorschriften des Landes richtet, ist auch das VwKostG LSA anzuwenden (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 17.09.2002, 1 Verg 8/02).

129

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG LSA sind Amtshandlungen zwar grundsätzlich gebührenfrei, wenn eine Landesbehörde für deren Vornahme Veranlassung gegeben hat; diese Bestimmung gilt jedoch nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwKostG LSA nicht bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe. Diese Ausschlussregelung erfasst auch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, welches in kostenrechtlicher Hinsicht einem Widerspruchsverfahren vergleichbar ist (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.).

130

IV. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB und orientiert sich an §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Antragsgegner ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.

131

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei mangels vorliegender Angebote den vom Auftraggeber geschätzten Bruttoauftragswert zugrunde. Der Antragsgegner hat diesen Wert mit Schreiben vom 24.04.2012 gegenüber der Vergabekammer mit 25,7 Mio. € angegeben und hierbei zutreffend neben dem Wert der reinen Bauplanungs- und Bauarbeitsleistungen auch den Wert der Finanzierungsleistungen über eine Laufzeit von 25 Jahren und den Wert der Grundstücksbeistellung berücksichtigt. Diese Schätzung macht sich der Senat zu Eigen.


Tenor

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin zu 1) gegen den Beschluss des Senats vom 14. März 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin zu 1) hat die gerichtlichen Kosten des Rügeverfahrens zu tragen.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner leitete am 17.07.2012 ein Offenes Verfahren zur Erteilung von Genehmigungen für Leistungserbringer i.S. von § 11 RettDG LSA 2006, jeweils verbunden mit der gleichzeitigen Vergabe von Einzelaufträgen für Rettungsdienstleistungen, auf der Grundlage der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) - Ausgabe 2009 - durch Absendung einer EU-weiten Vergabebekanntmachung ein. Der Auftrag wurde in neun Regionallose aufgeteilt.

2

Die Antragstellerin zu 1), ein gewerblich tätiges Unternehmen im Bereich des Krankentransports und eine Gesellschaft des ...- Konzerns (künftig: die Antragstellerin), forderte die Vergabeunterlagen an und beabsichtigte nach eigenen Angaben, ein Angebot für alle Lose abzugeben. Sie rügte vor Angebotsabgabe die Bewerbungs- und Ausschreibungsbedingungen unter verschiedenen Aspekten als vergaberechtswidrig und hat, nachdem der Antragsgegner ihren Rügen nicht abgeholfen hatte, eine vergaberechtliche Nachprüfung mit dem Ziel beantragt, dass dem Antragsgegner die Erteilung eines Zuschlags auf ein Angebot auf der Grundlage der bisherigen Vergabeunterlagen untersagt werden möge. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag, der im Verlaufe des Verfahrens erweitert worden ist, nach mündlicher Verhandlung vom 04.10.2012 durch ihren Beschluss vom 19.10.2012 als teilweise unzulässig, überwiegend unbegründet zurückgewiesen.

3

Die hiergegen form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat der erkennende Senat nach mündlicher Verhandlung vom 15.02.2013 mit seinem Beschluss vom 14.03.2013 als unbegründet zurückgewiesen. Die Ausfertigung dieser Entscheidung ist der Antragstellerin am 20.03.2013 zugestellt worden.

4

Mit Schriftsatz vom 22.03.2013, der beim Oberlandesgericht Naumburg vorab per Fax am selben Tage eingegangen ist, hat die Antragstellerin eine Anhörungsrüge erhoben.

5

Die Antragstellerin beanstandet, dass der Senat auf seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren (Az.: 1 VK LSA 5/11 Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt, Gz.: 2 Verg 10/11 Oberlandesgericht Naumburg) zurückgegriffen hat (BA S. 19), weil der Senat zuvor nicht auf die Absicht der Verwertung dieser Erkenntnisse hingewiesen habe. Hilfsweise hat sie die Einsicht in die vollständigen Akten des vorgenannten Verfahrens beantragt. Die Antragstellerin meint, dass nicht ersichtlich sei, worauf der Senat seine Feststellungen gestützt habe, dass der Antragsgegner bei der Festlegung der Standorte der Rettungswachen ein Verfahren zur Messung von Hilfsfristen habe vermeiden wollen (BA S. 19 f.). Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liege auch vor, soweit der Senat Einschätzungen zum Markt für Rettungsdienstleistungen vorgenommen habe. Die Bewertungen der Marktentwicklung seien unvollständig. Insbesondere sei der Senat fehlerhaft davon ausgegangen, dass die Antragstellerin „neu“ im Markt auftrete. Bezogen auf den Binnenmarkt im EU-Raum sei die getroffene Marktanalyse insgesamt unzutreffend. Auch in Deutschland entwickle sich inzwischen ein Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes. Der Senat habe diese Feststellungen im Übrigen nicht ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens treffen dürfen.

6

Im Übrigen meint die Antragstellerin, dass die Entscheidungsgründe in sich widersprüchlich seien, soweit in ihnen teilweise auf den Inhalt des Vergabevermerks abgestellt werde – so auf Ziffer 6 (zur Losaufteilung), Ziffer 10.3 (zur Festlegung der Standorte der Rettungswachen) und Ziffer 11 (Zuschlagskriterien), obwohl der Vergabevermerk insgesamt zu Recht als rechtlich unerheblich bewertet worden sei (BA S. 29). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Verfahren vor der Vergabekammer sei – entgegen der Auffassung des Senats – nicht notwendig gewesen. Soweit der Senat von einer Dringlichkeit des Abschlusses des Beschaffungsvorganges ausgegangen sei, sei dies unter Berücksichtigung der Aussetzung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner nicht nachvollziehbar.

7

Die Antragstellerin hat ihr Vorbringen durch Schriftsatz vom 27.03.2013 ergänzt.

8

Der Antragsgegner beantragt, die Anhörungsrüge der Antragstellerin zurückzuweisen. Er verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft sein Vorbringen im Nachprüfungsverfahren.

B.

9

Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig; sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

10

Der Senat hat mit seiner Entscheidung vom 14.03.2013 das rechtliche Gehör der Antragstellerin nicht in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Eine Fortführung des Beschwerdeverfahrens ist aufgrund der Rüge der Antragstellerin nicht geboten.

11

I. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist zulässig. Sie ist nach §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 71a Abs. 1 GWB statthaft, weil gegen die Entscheidung des Senats ein Rechtsmittel nicht eröffnet ist und die Antragstellerin die Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör rügt. Die Rüge ist fristgerecht (§ 71a Abs. 2 S. 1 GWB) und in der vorgeschriebenen Form (§ 71a Abs. 2 S. 4 und 5 GWB) eingelegt worden.

12

II. Die Anhörungsrüge der Antragstellerin ist unbegründet.

13

1. Eine Verletzung des Anspruchs der Antragstellerin auf rechtliches Gehör zu allen entscheidungserheblichen Aspekten der Rechtssache ist objektiv nicht gegeben.

14

a) Der Senat hat seine Entscheidung, dass die Beibehaltung der ursprünglichen Standorte der Rettungswachen innerhalb der – gegenüber vorherigen Festlegungen auch unverändert gebliebenen – Rettungswachenbezirke sachlich gerechtfertigt sei, auf offensichtliche, d.h. für jedermann erkennbare tatsächliche Umstände gestützt, die Gegenstand der wechselseitigen Ausführungen der Verfahrensbeteiligten gewesen sind. Dies betraf insbesondere den Rettungsdienstbereichsplan vom 01.07.2009, der Gegenstand der Vergabeunterlagen gewesen ist. Bereits das Erstellungsdatum zeigt, dass der der aktuellen Ausschreibung für eine Leistungserbringung ab 01.01.2013 zugrunde liegende Zuschnitt der Bezirke der Rettungswachen zuvor bereits seit mehreren Jahren bestanden hatte. Die Standorte der Rettungswachen befanden sich ausweislich dieses Planes bereits vor der Ausschreibung in den jeweiligen Umkreisen, die nunmehr in der aktuellen Ausschreibung auch als Standortbereiche der neuen Rettungswachen vorgegeben worden sind. Beide Beteiligte, d.h. auch die Antragstellerin, sind im Beschwerdeverfahren übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in seinen Vergabeunterlagen die bisherigen Standortverhältnisse fortgeschrieben und lediglich durch die Eröffnung eines „Standortumkreises“ – aus Sicht der Antragstellerin unzureichend – erweiterte Zugangsmöglichkeiten für neue Bewerber geschaffen hatte. Der Senat hat schließlich im Rahmen der umfangreichen Erörterung der Sach- und Rechtslage in der mündlichen Verhandlung (ca. 50 Minuten Einführungsvortrag des Vorsitzenden, ca. 80 Minuten Stellungnahmen der beiden Beteiligten und Rechtsgespräch) alle entscheidungserheblichen Aspekte angesprochen, darunter auch den Aspekt der sachlichen Rechtfertigung der Festlegung der Standortbereiche, und seine vorläufige Bewertung und deren tatsächliche Grundlagen dargestellt. Eine Verletzung des Rechts der Antragstellerin, sich zu dieser Streitfrage angemessen zu äußern, ist unter diesen Umständen auszuschließen.

15

Soweit der Senat in den Gründen der gerügten Entscheidung ergänzend seine Erkenntnisse aus einem früheren Nachprüfungsverfahren erwähnt hat, ist dies jedenfalls nicht entscheidungserheblich gewesen, wie sich auch aus den Formulierungen des Beschlusses selbst ergibt. Im Übrigen ist der Senat davon ausgegangen, dass der Antragstellerin das vorangegangene Nachprüfungsverfahren bekannt gewesen ist. Ob diese Annahme zutreffend gewesen ist, kann hier offen bleiben. Die Vergabekammer hatte auf das Verfahren 2 VK LSA 5/11 Bezug genommen, weil es ein letztlich gescheitertes Verfahren zur Vergabe der hier streitgegenständlichen Aufträge zum Gegenstand hatte. Die Antragstellerin selbst hat sich auf die Entscheidung des Senats im Nachprüfungsverfahren 2 Verg 10/11 bezogen und u.a. ausgeführt, dass diese Entscheidung Auslöser für die Änderung des Landesrettungsdienstgesetzes durch den Landtag im Jahre 2012 gewesen sei. Der Senatsvorsitzende hat in seiner Ladungsverfügung vom 22.11.2012 ebenfalls auf das vorangegangene Nachprüfungsverfahren hingewiesen.

16

b) Der Senat hat seine Feststellung, dass die Beibehaltung der Rettungswachenbezirke und der Standortbereiche der einzelnen Rettungswachen u.a. auch dem Zweck dienen sollte, den Aufwand der Ausschreibung gering zu halten und aufwendige Prüfverfahren zu vermeiden, dem nachvollziehbaren und von der Antragstellerin nicht erheblich bestrittenen Vorbringen des Antragsgegners entnommen. Schon in der ersten Rügeantwort des Antragsgegners vom 31.07.2012 an die Antragstellerin (dort auf S. 4) heißt es, dass der Antragsgegner darauf bedacht gewesen sei, die Einhaltung der gesetzlichen Notfristen zu gewährleisten und dass ihm dies „auf gesicherter Tatsachenkenntnis … nur möglich (sei), wenn auch die zukünftigen Rettungswachen in diesem Umfeld gelegen … (seien). … Er (der Antragsgegner) würde weder seinem Sicherstellungsauftrag gerecht werden noch ließe sich so ein effektives Auswahlverfahren durchführen, da der Auftraggeber bei freier Standortwahl durch die Bieter bei jedem Standort prüfen müsste, ob das Versorgungsziel und die Sicherstellung des Rettungsdienst(es) mit dem angebotenen Standort gewährleistet werden … (könne)“. Dieses Vorbringen hat der Antragsgegner im Verlaufe des Verfahrens vor der Vergabekammer und insbesondere auch in seiner Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wiederholt und vertieft. Auf den pauschalen Vorwurf der Antragstellerin, dass der Rettungsdienstbereichsplan 2009 ggf. nicht geeignet gewesen sei, die Hilfsfristen zu wahren, hat der Antragsgegner auf die in den Jahren 2009 bis 2012 gesammelten Erfahrungen verwiesen. Der Senat hat lediglich zur Klarstellung – und ohne dass es hierauf entscheidungserheblich angekommen wäre – die in Betracht kommenden Prüfungsverfahren, die der Antragsgegner gemeint hat, beispielhaft benannt. Die Antragstellerin hat jedenfalls ausreichend Gelegenheit gehabt, zu dem Teilaspekt der Vermeidung aufwendiger Prüfungsverfahren Stellung zu nehmen.

17

c) Gleiches trifft auf die Einschätzung der Marktsituation durch den Senat und insbesondere auf die Feststellung zu, dass es derzeit in Sachsen-Anhalt keinen eigenständigen Anbietermarkt für (isoliert ausgeschriebene) Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gibt. Die Antragstellerin hat im Nachprüfungsverfahren bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht geltend gemacht, dass es einen spezifischen Anbietermarkt für Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes gebe und dass daher die isolierte Vergabe dieser Teilleistungen geboten gewesen sei. Sie hat auch nicht behauptet, dass sie sich für ein solches Fachlos interessiert habe. Die Antragstellerin hat sich vielmehr im Wesentlichen gegen die Zusammenlegung von Leistungen der Notfallrettung und des qualifizierten Krankentransportes zu jeweils einem Regionallos gewandt und auf die Vielzahl der privaten Interessenten im (isolierten) Bereich des qualifizierten Krankentransportes verwiesen. Die Ausführungen des Senats in den Gründen der Entscheidung vom 14.03.2013 folgen spiegelbildlich dieser Gewichtung im Beschwerdevorbringen der Antragstellerin. Im Rahmen der mündlichen Erörterung der Rechtssache hat der Senat jedoch seine Markteinschätzung insgesamt offen gelegt, ohne dass die Antragstellerin dieser Darstellung, die im Wesentlichen mit den Ausführungen im Beschluss übereingestimmt hat, widersprochen hätte. Danach hat ein weiterer Sachaufklärungsbedarf für die Frage, ob Leistungen des erweiterten Rettungsdienstes als gesondertes Fachlos auszuschreiben gewesen wären, nicht bestanden. Denn auch im Beschwerdeverfahren gilt, dass das Beschwerdegericht sich bei seinen Untersuchungen grundsätzlich auf das beschränken kann, was die Verfahrensbeteiligten vorbringen. Soweit die Antragstellerin in ihrer Anhörungsrüge auf neuere Marktentwicklungen und insbesondere auf eine Ausschreibung in der Grenzregion in Aachen verweist, wäre dieses Vorbringen im Übrigen nicht geeignet gewesen, hieraus auf die Vergaberechtswidrigkeit der vom Antragsgegner im Juli 2012 vorgenommenen Beurteilung zu schließen.

18

Hinsichtlich der Zusammenfassung der beiden anderen Leistungsbereiche hat der Senat zugunsten der Antragstellerin (trotz seiner Bedenken) als wahr unterstellt, dass eine Fachlosaufteilung in Betracht gekommen wäre, hat sodann aber festgestellt, dass hier fachliche und wirtschaftliche Gründe die Zusammenfassung erforderten. Für die Frage der Rechtfertigung der Gesamtlosvergabe aller Rettungsdienstleistungen im Rahmen eines Gebietsloses hat der Aspekt der Bewertung der Marktverhältnisse keine Bedeutung erlangt.

19

2. Soweit die Antragstellerin auf vermeintliche Widersprüche in der Argumentation des Senats verweist, folgt ihr der Senat auch unter Berücksichtigung des Vorbringens im Rügeverfahren nicht.

20

a) Die Feststellung des Senats, dass der Vergabevermerk unter dem 20.07.2012 nicht den Anforderungen des § 20 VOL/A entspricht, mit der entsprechende Erkenntnisse der Vergabekammer lediglich bestätigt worden sind, steht nicht im Widerspruch dazu, dass der Senat in anderen Zusammenhängen von einer jeweils ausreichenden Dokumentation bestimmter Einzelmaßnahmen ausgegangen ist. Bestandteile der Dokumentation des Vergabeverfahrens sind auch die Vergabeunterlagen oder der Schriftverkehr zwischen Vergabestelle und Bewerbern. Eine Dokumentation in Form eines Vermerks ist nur in wenigen Einzelfällen vorgeschrieben. Die Formunwirksamkeit des finalen Vergabevermerks hebt die Formwirksamkeit der vorangegangenen Dokumentation nicht auf. Für die vorliegende Entscheidung im Rügeverfahren ist jedoch maßgeblich, dass die Antragstellerin insoweit eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör schon nicht beanstandet hat; die Antragstellerin hatte vielmehr Gelegenheit, zu dieser Auffassung des Senats Stellung zu nehmen, weil der Senat hierauf in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich – jedoch unter Kennzeichnung als vorläufige Ansicht – eingegangen ist und weil der Senat damit lediglich aufgegriffen hat, was bereits die Vergabekammer ausgeführt hatte.

21

b) Mit ihrem weiteren Vorbringen in der Anhörungsrüge wendet sich die Antragstellerin gegen inhaltliche Aspekte der Senatsentscheidung, ohne eine Gehörsverletzung geltend zu machen. Es ist nicht Sinn des Rügeverfahrens, eine andere Überprüfung als der Kontrolle der Gewährung rechtlichen Gehörs zu eröffnen.

22

3. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Rügeführerin daran fest, dass die Antragsgegnerin die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für erforderlich ansehen durfte. Daran vermag auch der Verweis auf die spätere Aussetzung des Vergabeverfahrens nichts zu ändern, die ggf. bereits auf anwaltliches Anraten erfolgte.

23

III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB sowie auf § 97 Abs. 1 ZPO analog. Die Festsetzung eines Kostenwerts war entbehrlich, weil die Gerichtsgebühren als Pauschalgebühr ausgestaltet sind und für die Verfahrensbevollmächtigten weitere Gebühren nicht entstanden sind.


Tenor

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt des Landes Sachsen-Anhalt vom 27. April 2012 werden mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Antragsgegner für den Fall des Fortbestehens der Vergabeabsicht aufgegeben wird, ein Vergabeverfahren nach § 3a VOB/A unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats durchzuführen.

Die Beigeladene hat die Hälfte der gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; der Antragsgegner ist von der Zahlung des auf ihn entfallenden Anteils der Gerichtskosten befreit. Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die außergerichtlichen Auslagen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren nicht statt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.285.000,00 € festgesetzt.

Gründe

A.

1

Der Antragsgegner beabsichtigte die Errichtung des Neubaus eines Verwaltungsgebäudes für ein Finanzamt in der Innenstadt von H.  . Er schrieb den vorgenannten Bauauftrag EU-weit im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb auf der Grundlage der Vergabeordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) - Ausgabe 2009 - zur Vergabe aus. Der Auftrag umfasste die Planung und die Errichtung des Gebäudes nebst integrierter Kantine mit Speisesaal mit einer Hauptnutzungsfläche von ca. 8.000 qm sowie von 250 Parkplätzen und die Finanzierung der Gesamtkosten des Vorhabens einschließlich des Grundstückserwerbs über einen Zeitraum von 25 Jahren. Das Bauvorhaben sollte auf einem bzw. auf mehreren im Eigentum des Auftragnehmers stehenden Grundstücken realisiert werden, wobei nach Zahlung der letzten von 300 gleichbleibenden monatlichen Raten das Eigentum auf den Auftraggeber übergehen sollte. Hinsichtlich der Parkplätze war vom Antragsgegner freigestellt worden, dass nur „die geforderte Anzahl der nach DIN geforderten Behindertenparkplätze und 10 Parkplätze für Anlieferungen“ direkt am oder im Gebäude zu schaffen sei und die anderen Parkplätze auch „in einer fußläufigen Entfernung von max. 500 m“ liegen dürften. Alternativ zur Übereignung der Parkplätze könne auch ein dauerhaftes, dinglich gesichertes Nutzungsrecht angeboten werden. Optional sei die Wartung, Inspektion und Instandsetzung der Baulichkeit nach DIN 31051 während der 25-jährigen Finanzierungsphase anzubieten. Alternativangebote seien zugelassen, jedoch sei der Umbau und die Sanierung von Bestandsgebäuden nicht zulässig. Der Bruttoauftragswert wurde vom Antragsgegner auf ca. 25,7 Mio. Euro geschätzt.

2

Hinsichtlich des vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstücks enthielt die Vergabebekanntmachung folgende Vorgaben:

3

„Das Grundstück muss für die Umsetzung des Raumbedarfsplanes einschließlich erforderlicher Parkplätze geeignet sein. Von der Vergabestelle wird davon ausgegangen, dass hierzu ungefähr eine Mindestgröße von 3.000 qm bei Lückenbebauung, ansonsten von 4.300 qm benötigt wird.

4

Das Grundstück muss im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt - A-Zentrum - „ der Stadt H. liegen - der Plan, der die Fördergebietsgrenzen ausweist, wird von der unter A.1. benannten Stelle als Formblatt F zu den Unterlagen des Teilnahmeantrages auf Anforderung versandt -.“

5

Als Teilnahmebedingungen im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit (Abschnitt III.2.2) der Vergabebekanntmachung) waren u.a. aufgeführt:

6

„… 1. Nachweis des Eigentums an einem bebauungsfähigen Grundstück im „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) … Nachweisführung durch Grundbuchauszug.

7

Alternativ: Nachweis der rechtlich sicheren Möglichkeit zum sofortigen Eigentumserwerb eines derartigen Grundstücks nach Zuschlagserteilung, gesichert durch Bindung des derzeitigen Eigentümers bis mindestens 6 Monate nach beabsichtigter Zuschlagserteilung; Nachweisführung durch notarielles Kaufangebot des derzeitigen Eigentümers oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Eigentumserwerbs ergibt; Grundbuchauszug.

8

2. Nachweis, dass die Übertragung des Eigentums an Grund und Boden auf … frei von Rechten Dritter, die die Nutzung bzw. Verwertung des Grundstücks nicht nur unerheblich beeinträchtigen können, erfolgen kann; Nachweisführung bei im Grundbuch eingetragenen Belastungen durch Erklärung des Rechteinhabers, zu sonstigen Rechten durch Eigenerklärung des Bieters,

9

3. Nachweis der gesicherten verkehrstechnischen Erschließung des Grundstücks durch Lageplan des Grundstücks, bei Hinterliegergrundstücken ist dingliche Sicherung des Zugangs zum öffentlichen Verkehrsraum nachzuweisen,

10

4. Bei derzeit bebauten Grundstücken: Nachweis, dass nach Zuschlagerteilung unmittelbar mit dem Abbruch begonnen werden kann.

11

Bei vorhandenen Gebäuden, die unter Denkmalschutz stehen, ist hierzu eine Abbruchgenehmigung oder vergleichbare Unterlagen, aus denen sich die rechtlich sichere Möglichkeit des Abbruchs des Denkmals ergibt und eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen beizufügen.

12

Bei sonstigen Gebäuden ist eine Versicherung des Bewerbers, dass Nutzungsrechte Dritter dem Abbruch nicht entgegenstehen, hinreichend.“

13

Die Vergabebekanntmachung wurde auf elektronischem Wege über das Internetportal des Amtes für Veröffentlichungen der Europäischen Union, dort über das Portal für die Veröffentlichung von Bekanntmachungen öffentlicher Aufträge (SIMAP), erstellt und am 26.01.2012 übermittelt. Die Veröffentlichung erfolgte am 31.01.2012. Die Unterlagen des Teilnahmeantrags mussten bei dem als Vergabestelle fungierenden Eigenbetrieb des Antragsgegners bzw. bei einer externen Beraterin des Antragsgegners angefordert werden und wurden sodann in schriftlicher Form versandt. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde der 08.03.2012, 12:00 Uhr bestimmt.

14

Die Antragstellerin forderte am 08.02.2012 per eMail die Übersendung der Bewerbungsunterlagen an. Die Bewerbungsunterlagen enthielten das Formblatt F, dem die Begrenzung des Fördergebietes Innenstadt (A-Zentrum) zu entnehmen war. Sie wiederholten in der „Musteraufstellung für die Zusammenstellung der Bewerbungsunterlagen zum Teilnahmeantrag“ unter Registerblattnummer 2 die vorzitierten Teilnahmebedingungen. Insgesamt ließen sich 24 Unternehmen und Einrichtungen die Bewerbungsunterlagen übersenden.

15

Mit Schreiben vom 01.03.2012 erhob die Antragstellerin gegenüber dem Antragsgegner eine Verfahrensrüge. Sie bekundete großes Interesse an einer Teilnahme am Vergabeverfahren und führte weiter aus:

16

„Nach Prüfung der Unterlagen sichert das Verfahren keinen ordentlichen Wettbewerb. Dies aus folgenden Gründen:

17

Das vom Bewerber mit zu liefernde Grundstück muss sich nach den Ausschreibungsbedingungen im Bereich des „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. befinden. In diesem Gebiet gibt es keine „freien“ Grundstücke, die für Wettbewerber ein Angebot zulassen.

18

Das sich im genannten Gebiet befindende Grundstück „S. “ steht im Eigentum der Firma P. in H. . Es ist für Wettbewerber nicht im Zugriff.

19

Ein weiteres Grundstück befindet sich im Eigentum der W.  , die auf dem Grundstück eigene Planungen verwirklichen will.

20

Das letzte mögliche Grundstück innerhalb des eingeschränkten Bereiches ist das „B.“ . Hierbei handelt es sich um 13 Einzelflächen, die teilweise im Eigentum von Erbengemeinschaften stehen. Hier ist innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist praktisch keinerlei Grundstückssicherung möglich.

21

Damit ist ein Wettbewerb nicht mehr gegeben und nicht mehr möglich.“

22

Sodann schlug die Antragstellerin vor:

23

„Durch eine minimale Erweiterung des möglichen Gebietes, insbesondere in östliche und/oder südliche Richtung stünden auch Wettbewerbern potenzielle Grundstücke zur Verfügung.

24

Wir beantragen deshalb eine Gebietsvergrößerung, damit tatsächlich ein Wettbewerb stattfinden kann, den das öffentliche Ausschreibungsverfahren ausdrücklich vorsieht.“

25

Das Schreiben endet mit der Bitte um kurzfristige Antwort bis spätestens 06.03.2012, um eine Teilnahme am Wettbewerb noch zu ermöglichen, und mit dem Satz:

26

„Bei einem ablehnenden Bescheid behalten wir uns vor, das Verfahren einer formellen Nachprüfung zu unterstellen.“

27

Der Antragsgegner wies die Rüge mit Schreiben vom 06.03.2012 (Fax von 14:11 Uhr) zurück. In diesem Schreiben führte der Antragsgegner aus, dass für die Standortbestimmung im unmittelbaren Zentrum der Stadt H. die Ermöglichung einer größtmöglichen Bürgernähe und Erreichbarkeit und die Förderung der Entwicklung der Stadt als Oberzentrum in Sachsen-Anhalt maßgeblich gewesen seien. Die Bestimmung der Grenzen des Gebietes sei nach streng objektiven Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung dieser Ziele erfolgt. Das Schreiben enthielt den Hinweis, dass das Fördergebiet bereits mit Beschluss des Stadtrates der Stadt H. vom 24.11.2010 festgelegt worden sei. Mit der Ansiedlung des Finanzamtes als wichtige öffentliche Einrichtung werde ein Beitrag zur funktionalen Stärkung der Innenstadt von H. geleistet. Vorab durch den Antragsgegner durchgeführte Untersuchungen ließen auch nicht den Schluss zu, dass es innerhalb dieses Gebietes keine oder lediglich ein Grundstück gebe, welches zu Bebauungszwecken zur Verfügung stehe. Der Antragsgegner schloss mit dem Hinweis, dass die Rüge darüber hinaus auch aus näher benannten rechtlichen Gründen keinen Erfolg haben könne.

28

Die Antragstellerin gab keine Bewerbung ab. Bei der Öffnung der Teilnahmeanträge lag lediglich der Teilnahmeantrag eines in H. ansässigen Hochbauunternehmens vor, welches Eigentümerin des zur ausgeschriebenen Bebauung geeigneten Grundstücks „S. “ in der Innenstadt der Stadt H. ist, die jetzige Beigeladene.

29

Mit Schriftsatz vom 13.03.2012 hat die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens bei der Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt mit dem Ziel beantragt, dass der Antragsgegner verpflichtet werden möge, das Ausschreibungsverfahren aufzuheben und bei Fortbestehen der Vergabeabsicht unter Berücksichtigung eines erweiterten Fördergebietes und angemessener Fristen neu auszuschreiben. Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, dass das Verfahren keinen ordnungsgemäßen Wettbewerb sichere. Das für die ausschreibungsgemäße Errichtung zulässige Baugebiet sei zu klein und die Frist zur Abgabe eines Angebots (meint: Teilnahmeantrags) sei zu kurz bemessen. Die Anforderung der Ausschreibung, wonach ein Bewerber innerhalb von sechs Wochen ein geeignetes Grundstück sichern und diese Sicherung belegen müsse, sei praktisch nicht umsetzbar, soweit der Bewerber nicht bereits Eigentümer eines entsprechenden Grundstücks innerhalb des zugelassenen Baugebiets sei.

30

Die Vergabekammer hat die einzige Bewerberin mit Beschluss vom 03.04.2012 zum Nachprüfungsverfahren beigeladenen und ihr mit Beschluss vom 12.04.2012 Akteneinsicht gewährt. Der Antragsgegner hat mit den eingereichten Vergabeakten lediglich einen undatierten, jedenfalls nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigten Vergabevermerk vorgelegt, aus dem sich zur Standortbegrenzung Folgendes findet:

31

(S. 3:) „Gegenständlich soll der Neubau auf einem vom Bieter zu beschaffenden Grundstück im Bereich der Innenstadt der Stadt H., definiert durch das mit Beschluss des Stadtrats der Stadt H. festgelegte Gebiet A-Zentrum Altstadt (aktive Stadt- und Ortsteilzentren) in der Stadt H. realisiert werden. Hierdurch soll die Integration des Finanzamts im Bereich der Stadt H. und die Förderung der Erhaltung und die Entwicklung dieser Bereiche eine größtmögliche Bürgernähe, die Anliegen der Stadt H. ist und auch im Landesinteresse liegt, erreicht werden.“

32

(S. 5 f.:) „Als Mindestbedingung wurde festgelegt, dass ein Nachweis über ein bebauungsfähiges Grundstück im geplanten Gebiet nachzuweisen ist. Die strikte Vorgabe einer Mindestgrundstücksfläche wurde abgelehnt, vielmehr sollen nur Zielvorstellungen aufgenommen werden. Um den Teilnehmerkreis nicht einzuengen, soll zudem der Nachweis auch dadurch geführt werden können, dass ein Grundstückserwerb nach Zuschlagserteilung gesichert ist.

33

Weitere Mindestbedingungen soll der Nachweis der Lastenfreiheit und der gesicherten Erschließung des Grundstücks sein. Bei Grundstücken, welche derzeit noch bebaut sind, wurde festgelegt, dass der Nachweis zu erbringen ist, dass nach Zuschlagserteilung sofort mit dem Abbruch begonnen werden kann. Ausgiebig erörtert wurde das Thema Denkmalschutz. Im Ergebnis der Diskussion bestand Übereinstimmung, dass bei denkmalgeschützten Objekten zur Vermeidung von Bauzeitverzögerungen bereits im Teilnahmewettbewerb gefordert werden muss, dass nachgewiesen wird, dass das Denkmal abgebrochen werden kann. Hintergrund hierfür sind die außerordentlich langen Antragszeiten für eine Abbruchgenehmigung für ein Denkmal. Liegt eine solche noch nicht vor, kann dies sonst dazu führen, dass bis zum Abschluss des Vergabeverfahrens unklar ist, ob der Bieter tatsächlich leistungsfähig ist und damit Bewerber zum Verhandlungsverfahren zugelassen werden, denen die Umsetzung der Baumaßnahme im vorgegebenen Zeitrahmen ggf. nicht möglich ist. …“

34

Zur Bemessung der Bewerbungsfrist heißt es:

35

(S. 7:) „Es wurde eingeschätzt, dass ein Zeitraum von 6 Wochen zur Erarbeitung der Unterlagen des Teilnahmewettbewerbs notwendig aber auch hinreichend für die Bewerber ist. …“.

36

Der Vergabevermerk enthält auch eine Stellungnahme zur Rüge der Antragstellerin. Auch auf direkte Nachfrage des Vorsitzenden der Vergabekammer vom 23.03.2012 nach einer zeitnahen Dokumentation des Entscheidungsprozesses bei der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs hat der Antragsgegner keine weiteren Unterlagen übersandt und darauf verwiesen, dass alle weiteren Akten lediglich Unterlagen der Ausschreibung und der vertraglichen Abwicklung des Beratervertrages enthielten.

37

Der Vorsitzende der Vergabekammer hat die Entscheidungsfrist nach § 113 Abs. 2 GWB am 04.04.2012 bis zum 30.04.2012 verlängert. Mit ihrem Beschluss vom 27.04.2012 hat die Vergabekammer nach mündlicher Verhandlung dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin stattgegeben und dem Antragsgegner aufgegeben, das Vergabeverfahren aufzuheben. Für den Fall des Fortbestehens der Beschaffungsabsicht habe er das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ab Versendung der Vergabebekanntmachung zu wiederholen. Sie stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen darauf, dass der Antragsgegner die Festlegung des Bereichs, in dem der Standort des Neubaus des Finanzamts liegen solle, in seinem Vergabevermerk nicht hinreichend begründet habe. Insbesondere sei dem Vergabevermerk nicht zu entnehmen, ob der Antragsgegner bei dieser Festlegung berücksichtigt habe, ob die mit der Beschränkung des Bereichs verbundenen Wettbewerbseinschränkungen ein Ausmaß erreichten, bei dem ein Wettbewerb nicht mehr zustande kommen könne. Der Antragsgegner sei in entsprechender Anwendung des § 6a Abs. 4 VOB/A verpflichtet gewesen, bereits bei Vorbereitung des Vergabeverfahrens zweifelsfrei und belastbar zu dokumentieren, dass zumindest drei Objekte für potentielle Wettbewerber zur Verfügung stünden, die seinen Vorgaben entsprächen. Zudem sei die Bewerbungsfrist hinsichtlich des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zu knapp bemessen gewesen. Die Bewerber hätten bei einer Vielzahl von Objekten zu recherchieren, ob diese für eine Leistungserbringung in Frage kämen.

38

Gegen diese ihnen jeweils am 30.04.2012 zugestellte Entscheidung richten sich die mit Schriftsatz vom 10.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners und die mit Schriftsatz vom 11.05.2012 erhobene und am selben Tage vorab per Fax beim Oberlandesgericht Naumburg eingegangene sofortige Beschwerde der Beigeladenen.

39

Beide Beteiligte sind der Meinung, dass die vom Antragsgegner vorgenommene Bestimmung des Beschaffungsbedarfs nur der eingeschränkten Nachprüfung unterliege. Die nach der Rechtsprechung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf und - diesem folgend - verschiedener Vergabekammern in Nordrhein-Westfalen erforderlichen sach- und auftragsbezogenen Gründe für die Beschränkung des Standorts auf die Innenstadt der Stadt H. nach deren Festlegungen zum Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) lägen auch nach der Bewertung der Vergabekammer vor. Ein Auftraggeber könne und müsse nicht darüber hinaus auch Sorge dafür tragen, dass mindestens drei geeignete Bewerber existierten. Melde sich nur ein Bewerber, sei das Vergabeverfahren mit diesem Bewerber durchzuführen.

40

Hilfsweise verweisen sie darauf, dass mindestens drei Baugebiete in dem festgelegten Bereich existierten, welche die gestellten Anforderungen erfüllten, und nehmen Bezug auf die Antragserwiderung des Antragsgegners im Verfahren vor der Vergabekammer, mit der er insgesamt 18 Grundstücke innerhalb des abgegrenzten Bereiches benannt hat, die s.E. für eine Verwendung zur Bewerbung in Betracht kämen. Soweit Zweifel an deren objektiver Eignung als Baugelände vorgelegen hätten, sei die Vergabekammer verpflichtet gewesen, Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Die Beschwerdeführer vertreten zudem die Ansicht, dass im Falle der Unaufklärbarkeit der Eignung der Grundstücke als Standort des Neubaus die Feststellungslast von der Antragstellerin zu tragen sei, weil diese das Vorliegen eines Rechtsverstoßes behauptet habe.

41

Beide Beteiligte wenden sich gegen die Feststellungen zur Bewerbungsfrist. Sie meinen, dass die Antragstellerin insoweit ihrer Rügeobliegenheit nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 3 GWB nicht genügt habe und daher mit dieser Rüge präkludiert sei. Hilfsweise haben sie sich darauf berufen, dass die Frist angemessen gewesen sei, da sie mit 42 Kalendertagen über der Mindestfrist des § 10a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A von 37 KT gelegen habe. Es sei nicht erforderlich gewesen, eine ausreichend lange Zeit für den Vollzug des Eigentumserwerbs einzuräumen, weil es rechtlich nicht geboten sei, jedem Bewerber ausreichend Zeit zur Schaffung der Eignung zur Auftragserfüllung einzuräumen. Außerdem seien auch geringere Nachweise zugelassen worden.

42

Der Antragsgegner hat darüber hinaus beanstandet, dass die Vergabekammer seine Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer nicht berücksichtigt habe.

43

Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der genannten Beschwerdeschriften sowie - ergänzend - der Schriftsätze des Antragsgegners vom 28.06.2012, vom 04.07.2012 nebst umfangreichen Anlagen und vom 18.07.2012 sowie auf den Inhalt der Schriftsätze der Beigeladenen vom 05.07.2012 und vom 06.08.2012 Bezug genommen.

44

Der Antragsgegner und die Beigeladene beantragen übereinstimmend,

45

den Beschluss der 2. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 27.04.2012 aufzuheben und

46

den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen.

47

Die Antragsstellerin beantragt,

48

die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen jeweils zurückzuweisen.

49

Sie verteidigt im Wesentlichen die angefochtene Entscheidung und vertieft u.a. die Ansicht, dass die Bewerbungsfrist nicht angemessen gewesen sei.

50

Der Senat hat der Antragstellerin zunächst mit Beschluss vom 25.06.2012 Einsicht in die Vergabeakte durch Übersendung von Kopien gewährt und zugleich darauf hingewiesen, dass aus den bislang überreichten Vergabeunterlagen eine zeitnahe, fortlaufende Dokumentation des Entscheidungsprozesses für die konkrete Gestaltung der Ausschreibung vor Absendung der Vergabebekanntmachung nicht ersichtlich sei. Darauf hin sind vom Antragsgegner unmittelbar vor dem zunächst anberaumten Termin der mündlichen Verhandlung vom 11.07.2012 umfangreiche Unterlagen nachgereicht worden. Hierin hat der Senat der Antragstellerin mit Beschluss vom 27.07.2012 und der Beigeladenen mit Beschluss vom 07.08.2012 jeweils Einsicht gewährt.

51

Der Senat hat am 29.08.2012 zur Sache mündlich verhandelt; wegen des Inhalts der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom selben Tage Bezug genommen.

B.

52

Die sofortigen Beschwerden des Antragsgegners und der Beigeladenen sind jeweils zulässig, insbesondere sind sie form- und fristgerecht eingereicht worden. Sie haben jedoch im Ergebnis in der Sache keinen Erfolg.

53

Die Vergabekammer ist zu Recht von der Zulässigkeit und Begründetheit des Nachprüfungsantrages der Antragstellerin ausgegangen. Zwar ergibt sich aus der im Beschwerdeverfahren nachgereichten Dokumentation, deren Verwertung durch den Senat zulässig ist, eine hinreichende Rechtfertigung für die vorgenommene Beschränkung des in Betracht kommenden Baugebiets. Die von der Antragstellerin erhobene Rüge, dass angesichts der konkreten Bewerbungsbedingungen die für die Einreichung des Teilnahmeantrags zur Verfügung gestellte Bewerbungsfrist unangemessen kurz gewesen sei, ist aber begründet.

54

I. Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin hinsichtlich aller drei Rügen zu Recht als zulässig angesehen.

55

1. Die Antragstellerin ist insgesamt antragsbefugt i.S. von § 107 Abs. 2 GWB, auch wenn sie keinen Teilnahmeantrag eingereicht hat.

56

a) Sie hat ihr Interesse am Auftrag dadurch gezeigt, dass sie nicht nur die Bewerbungsunterlagen abgefordert, sondern sich innerhalb der Bewerbungsfrist auch schriftlich mit einer Verfahrensrüge an den Antragsgegner gewandt hat. Im Schreiben vom 01.03.2012 hat sie ihr Interesse an einer Teilnahme am Wettbewerb ausdrücklich bekundet. Sie hat sich zudem ein zur Bebauung geeignetes Grundstück in H. gesichert, welches jedoch außerhalb des räumlich vorgegebenen Bereichs belegen ist. Nicht zuletzt manifestiert sich ihr Interesse am Auftrag in der Durchführung des vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens mit dem Ziel einer Änderung der Bewerbungsbedingungen.

57

b) Die Antragstellerin behauptet bereits vollzogene, nicht etwa nur drohende Vergaberechtsverstöße des Antragsgegners durch die Begrenzung des Standortbereichs des Neubaus, die unzureichende Dokumentation der Entscheidungsprozesse sowie durch die Festlegung einer unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die beiden letztgenannten Rügen beziehen sich auf Verstöße gegen § 20 Abs. 1 VOB/A bzw. § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 VOB/A. Die Rüge der Standortauswahl betrifft die Entscheidung über den Beschaffungsgegenstand. Eine solche Entscheidung ist, worauf die Beschwerdeführer zu Recht verwiesen haben, dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert, so dass es aus vergaberechtlicher Sicht grundsätzlich im Belieben des Auftraggebers steht, die Bauleistung frei nach seinen Vorstellungen zu bestimmen und nur in dieser - ihren autonomen Zwecken entsprechenden - Gestalt dem Wettbewerb zu öffnen, der nach den Maßgaben des Vergaberechts zu organisieren ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06. 2012, VII-Verg 7/12 „Fertigspritze“ - in juris ab Tz. 23 m.w.N.; OLG München, Beschluss v. 09.09.2010, Verg 10/10 „Gestühl Hörsaal“; aber auch Thüringer OLG, Beschluss v. 26.06. 2006, 9 Verg 2/06 „Anna-Amalia-Bibliothek“, VergabeR 2007, 220 - in juris Tz. 22). Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens - das Wettbewerbsprinzip, der Grundsatz der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung sowie der Transparenzgrundsatz - können jedoch durch eine dem Vergabeverfahren vorgelagerte Entscheidung des Auftraggebers gleichwohl verletzt sein, wenn die Entscheidung auf das Vergabeverfahren ausstrahlt und in ihm fortwirkt. Während ein Teil der vergaberechtlichen Rechtsprechung hiervon schon dann ausgeht, wenn für die zu beschaffende Leistung mehrere Lösungsvarianten in Betracht kommen und der Auftraggeber versäumt hat, sich zunächst einen Marktüberblick zu verschaffen und sodann zu begründen, warum eine andere als die von ihm letztlich gewählte Lösung nicht in Betracht kommt (so Thüringer OLG, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss v. 22.05. 2008, 13 Verg 1/08 „Farbdoppler-Ultraschallsystem“), erachten andere Spruchkörper grundsätzlich eine Markterforschung oder Markterkundung nicht für notwendig (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.; zuvor bereits Beschlüsse v. 17.02.2010, VII-Verg 42/09 „ISM-Funk“; v. 03.03. 2010, VII-Verg 46/09 „Kleinlysimeter“; v. 15.06.2010, VII-Verg 10/10 „unterbrechungsfreie Stromversorgung“). Das bedeutet jedoch nicht, dass nach der zuletzt genannten Ansicht das Bestimmungsrecht grenzenlos ist und gar keiner Nachprüfung unterliegt. Die gewählten Anforderungen müssen vielmehr objektiv auftrags- und sachbezogen und die Begründung der Auswahlentscheidung muss nachvollziehbar sein. Durch das Erfordernis der sachlichen Auftragsbezogenheit soll im Sinne einer Negativabgrenzung sichergestellt werden, dass der Auswahl- und Beschaffungsentscheidung des öffentlichen Auftraggebers nicht sachfremde, willkürliche oder diskriminierende Erwägungen zugrunde liegen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 17.02.2010, a.a.O. - in juris Tz. 33). Die Antragstellerin macht hier gerade eine fehlende Auftrags- und Sachbezogenheit der Standortentscheidung und deren Auswirkung auf das Vergabeverfahren im Sinne einer Wettbewerbsbeschränkung und ggf. einer bewussten Bevorzugung der Beigeladenen geltend. Insoweit genügt eine schlüssige und angesichts des geringen Informationsstandes der Antragstellerin über die internen Entscheidungsprozesse beim Antragsgegner relativ wenig substantiierte Behauptung. Letztlich haben die Beschwerdeführer auch nicht in Abrede gestellt, dass eine Nachprüfung im Hinblick auf eine Willkürfreiheit der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs und auf eine Nichtdiskriminierung eröffnet sei.

58

c) Die Antragstellerin hat auch einen bei ihr eingetretenen Schaden schlüssig behauptet, indem sie geltend gemacht hat, dass sie gerade wegen der beiden genannten Vergaberechtsverstöße an einer erfolgversprechenden Bewerbung gehindert worden sei. Mit anderen Worten: Hierdurch hätten sich ihre Auftragschancen nicht nur verschlechtert, sondern sie seien durch die gerügte Ausgestaltung der Ausschreibung gänzlich vereitelt worden.

59

Soweit die Beschwerdeführer vor allem im Verfahren vor der Vergabekammer eingewendet haben, dass der Antragstellerin kein Schaden entstanden sei, weil sie zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistungen ohnehin nicht geeignet sei, ist die Vergabekammer dem zu Recht nicht gefolgt. Eine Antragsbefugnis wäre zwar ausgeschlossen, wenn der Nichtbieter bzw. - wie hier - der Nichtbewerber objektiv nicht in der Lage wäre, ein aussichtsreiches Angebot abzugeben (vgl. zuletzt Brandenburg. OLG, Beschluss v. 03.11.2011, Verg W 4/11). Die Antragstellerin ist jedoch ein Bauunternehmen, welches sich bereits an der Umsetzung komplexer PPP-Projekte als (zentraler) privater Partner der öffentlichen Hand erfolgreich beteiligt hat. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Antragstellerin die übrigen, von ihr nicht gerügten Bewerbungsbedingungen nicht erfüllen könnte. Dieser Argumentation der Vergabekammer sind die Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht mehr entgegen getreten.

60

2. Die Antragstellerin hat hinsichtlich aller Beanstandungen ihren Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 GWB genügt.

61

a) Die Antragstellerin hat die unzureichende Dokumentation des Entscheidungsprozesses, der zur Bestimmung des Standortbereiches des Neubaus geführt hat, erst im Verlauf des Nachprüfungsverfahrens geltend gemacht. Eine Obliegenheit zur vorherigen Rüge gegenüber dem Antragsgegner wurde nicht begründet, weil die Antragstellerin vom Inhalt und Umfang der Dokumentation vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens keine Kenntnis hatte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 GWB) und auch nicht aufgrund der Vergabebekanntmachung oder der Bewerbungsunterlagen haben konnte (§ 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB). Sie hat diese Kenntnis sukzessive durch die Ausführungen des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren sowie durch die Ausführungen der Vergabekammer in Vorbereitung sowie im Verlauf der mündlichen Verhandlung erlangt. Unmittelbar nach Kenntniserlangung hat die Antragstellerin diesen Vergaberechtsverstoß geltend gemacht.

62

b) Hinsichtlich der beiden ursprünglich im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren erhobenen Rügen, also zur Standortauswahl und zur Bewerbungsfrist, wurden keine Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GWB begründet. Der Vergabebekanntmachung waren zwar die Informationen über die Festlegung einer Beschränkung des Standortbereichs und über die Bestimmung der Bewerbungsfrist zu entnehmen. Die Einzelheiten der Abgrenzung ergaben sich erst aus den Unterlagen zum Teilnahmeantrag, insbesondere aus dem Inhalt des Formblatts F. Erst danach war für einen fachkundigen Bieter und ebenso für die Antragstellerin zu erkennen, ob in diesem Bereich eine ausreichende Anzahl von geeigneten Grundstücken existierte, deren Sicherung innerhalb der eingeräumten Bewerbungsfrist in Betracht kam. Dies zeigt sich auch in der konkreten Situation der Antragstellerin: Hätte die Begrenzung des Standortbereichs in Richtung Hauptbahnhof nicht am R. Platz geendet, sondern nur zwei weitere Straßenzüge in südlicher Richtung umfasst, so hätte das von der Antragstellerin bis zum 01.03.2012 gesicherte Grundstück innerhalb dieses Bereichs gelegen, so dass jedenfalls der Antragstellerin durch die Ausgestaltung der Ausschreibung der hier geltend gemachte Schaden nicht entstanden wäre.

63

c) Die Antragstellerin hat die absolute Frist des § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB gewahrt, indem sie beide ursprünglich im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Verfahrensrügen vor Ablauf der Bewerbungsfrist am 08.03.2012, 12:00 Uhr, mit Schreiben vom 01.03.2012 gegenüber dem Antragsgegner erhoben hat.

64

aa) Die Verfahrenbeteiligten gehen übereinstimmend und zutreffend von einer Erkennbarkeit der vermeintlich wettbewerbswidrigen bzw. diskriminierenden Begrenzung des Standortbereichs sowie der Unangemessenheit der Bewerbungsfrist auf der Grundlage der Informationen aus den Bewerbungsunterlagen aus. Sowohl die Antragstellerin als auch ein fachkundiger Bieter waren bei sorgfältiger Prüfung der Bewerbungsbedingungen einerseits und der örtlichen Gegebenheiten im Standortbereich andererseits in der Lage zu erkennen, ob auf dieser Grundlage die Entscheidung über eine Bewerbung und die Fertigstellung und Abgabe eines aussichtsreichen Teilnahmeantrags generell möglich ist.

65

bb) Gleiches gilt für die weitere Feststellung der Vergabekammer, wonach die Antragstellerin vor Ablauf der Bewerbungsfrist mit Schreiben vom 01.03.2012 jedenfalls die Rüge der fehlerhaften Standortauswahl gegenüber dem Antragsgegner ordnungsgemäß erhoben hat.

66

cc) Der Senat legt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 - ebenso, wie schon die Vergabekammer, und auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens des Antragsgegners und der Beigeladenen - dahin aus, dass es auch die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist enthält.

67

(1) Die gegenüber dem Auftraggeber vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens zu erhebende Rüge unterliegt keinen besonderen formellen Voraussetzungen. Die hier von der Antragstellerin gewählte Schriftform war hinreichend. Dem Schreiben war auch ohne Weiteres zu entnehmen, wer Absender und wer Adressat der darin enthaltenen Erklärungen war.

68

(2) Das Schreiben muss die Bezeichnung „Rüge“ bzw. einen Hinweis auf § 107 Abs. 3 GWB nicht enthalten. Die Rüge muss nur in inhaltlicher Hinsicht erkennen lassen, welchen konkreten Sachverhalt das Unternehmen für vergaberechtswidrig hält, zu dem es dem öffentlichen Auftraggeber vor Anrufung der Vergabekammer die Möglichkeit zu einer Selbstkorrektur geben möchte (vgl. nur Reidt in: Reidt/Stickler/Glahs, VergabeR, 3. Aufl. 2011, § 107 Rn. 74 m.w.N.). Diese inhaltlichen Anforderungen erfüllt das Schreiben der Antragstellerin vom 01.03.2012 auch im Hinblick auf die Rüge der unangemessen kurzen Bewerbungsfrist. Die Antragstellerin benennt den Vergaberechtsverstoß - die Nichteröffnung eines wirksamen Wettbewerbs - im Hinblick auf die besonderen Bewerbungsbedingungen im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Bewerbers zur Beistellung des Baugrundstücks. Sie führt im Zusammenhang mit dem dritten von ihr ermittelten potenziellen Baugrundstück aus, dass hinsichtlich dieses Grundstücks die geforderte Eigentumssicherung praktisch nicht „… innerhalb der ausgeschriebenen kurzen Frist …“ möglich sei. Dieser Hinweis enthält zwei alternative Aussagen: Entweder, nämlich bei Beibehaltung der gewählten Bewerbungsfrist, stehe dieses Grundstück potenziellen Bewerbern nicht zur Verfügung, weil eine Eigentumssicherung objektiv unmöglich sei, und hierin sei ein Verstoß gegen das Wettbewerbsprinzip zu sehen, dem durch Ausweitung des Standortbereichs begegnet werden könne. Oder aber das Grundstück komme bei Beibehaltung der gewählten Bereichsbegrenzung als Baugrundstück in Betracht, jedoch nur dann, wenn die Bewerbungsfrist verlängert werde. Indem die Antragstellerin das Grundstück nur unter Hinzutreten der Beibehaltung der i.E. zu kurzen Bewerbungsfrist als nicht berücksichtigungsfähig bewertet, eröffnet sie dem Auftraggeber objektiv die Möglichkeit, dieser Beanstandung des Vergabeverfahrens allein durch eine Verlängerung der Bewerbungsfrist zu begegnen. Diese Möglichkeit der Selbstkorrektur war für den Antragsgegner erkennbar. Darauf, ob er sie aufgrund des Schreibens der Antragstellerin tatsächlich erkannt hat, kommt es für die Frage der Konkretheit der Rüge nicht an.

69

(3) Allerdings haben die Beschwerdeführer zutreffend darauf verwiesen, dass sich der Vorschlag der Antragstellerin, wie dem Verfahrensmangel abzuhelfen sei, allein auf eine Erweiterung des möglichen Gebietes bezogen hat. Ein Unternehmen ist im Rahmen der Rügeerhebung jedoch nicht verpflichtet darzulegen, wie der Auftraggeber den vermeintlichen Verfahrensmangel beseitigen kann oder soll. Die Auswahl der Maßnahme zur (Wieder-) Herstellung der Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens obliegt in diesem Verfahrensstadium allein dem Auftraggeber. Der Vorschlag der Antragstellerin konnte demnach allenfalls eine unverbindliche Anregung darstellen und er ließ weiter erkennen, mit welcher Intension bzw. mit welcher Wunschvorstellung die Antragstellerin das Vergabeverfahren beanstandete. Der Vorschlag war hingegen nicht geeignet, den Inhalt der erhobenen Verfahrensrügen zu beschränken. Der Antragsgegner hätte bei Unklarheit nachfragen können, ob auch die Dauer der Bewerbungsfrist gerügt werden solle. Ohne eine solche Nachfrage musste er im Zweifel davon ausgehen, dass der Hinweis auf die „ausgeschriebene kurze Frist“, innerhalb derer die Besorgung der für den Teilnahmeantrag geforderten Nachweise „praktisch nicht möglich“ sei, eine gesonderte Verfahrensrüge darstellte.

70

(4) Die Antragstellerin hat am Ende des Schreibens hinreichend deutlich zu erkennen gegeben, dass sie im Falle der Nichtabhilfe die Einleitung eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens erwägen werde. Damit konnte dem Antragsgegner bewusst sein, dass hiermit Vergaberechtsverstöße geltend gemacht werden, deren Beseitigung verlangt wird, und dass es sich nicht etwa um eine bloße Nachfrage oder eine unverbindliche Anregung handeln sollte.

71

d) Schließlich ist hinsichtlich der beiden ursprünglich im Nachprüfungsverfahren erhobenen Beanstandungen ein Verstoß der Antragsstellerin gegen ihre Rügeobliegenheiten nach § 107 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB nicht feststellbar.

72

Die Antragstellerin hat schlüssig behauptet, dass sie unverzüglich nach Kenntnis von den beiden Vergabeverstößen seit dem 28.02.2012 bereits am 01.03.2012 das Rügeschreiben verfasst und abgesandt habe. Insbesondere hat sie sich zu Recht darauf berufen, dass es für die Kenntnis i.S. dieser Vorschrift nicht ausreichte, die Bewerbungsbedingungen im Detail zu kennen, sondern dass eine Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten und der Unmöglichkeit bzw. des Umfangs der Schwierigkeiten bei der Erfüllung der gestellten Anforderungen hinzutreten musste. Es ist nachvollziehbar, dass die Antragstellerin für den Erwerb der letzt genannten Erkenntnisse etwa drei Wochen (vom Tag des Zugangs der Bewerbungsunterlagen am 08.02.2012 bis zum angegebenen Zeitpunkt der Kenntniserlangung am 28.02.2012) benötigte. Die Entschließung zur Rügeerhebung und die Abfassung des Rügeschreibens innerhalb von zwei Tagen erfüllen die Anforderungen an eine unverzügliche Reaktion. Für eine frühere als die von der Antragstellerin eingeräumte Kenntnis von den maßgeblichen tatsächlichen Umständen, auf die beide Rügen gestützt werden, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich. Insoweit hat der Auftraggeber, hier der Antragsgegner, im Nachprüfungsverfahren die Feststellungslast zu tragen (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 26.07.2012, 2 Verg 2/12 „Managementvertrag“).

73

3. Die Antragstellerin hat auch die Antragsfrist nach § 107 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 GWB gewahrt. Ihr ist das Antwortschreiben des Antragsgegners auf ihre Verfahrensrügen am 06.03.2012 per Fax zugegangen. Ihr Nachprüfungsantrag ist innerhalb der hierdurch in Gang gesetzten Frist von 15 Kalendertagen, nämlich am 13.03.2012, bei der Vergabekammer eingegangen.

74

II. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet.

75

1. Allerdings entspricht die inzwischen vorliegende Dokumentation des Vergabeverfahrens den vergaberechtlichen Anforderungen.

76

a) Die Vergabekammer hat zu Recht darauf erkannt, dass der ihr vorgelegte undatierte Vergabevermerk den rechtlichen Anforderungen des § 20 Abs. 1 VOB/A nicht genügt.

77

aa) Hinsichtlich des Entscheidungsprozesses, welcher zur Bestimmung und Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Verwaltungsgebäudes geführt hat, enthielten die der Vergabekammer vorgelegten Vergabeakten lediglich den undatierten Vergabevermerk. Dieser Vermerk ist jedenfalls erst zum Zeitpunkt der Abforderung der Vergabeakten fertig gestellt worden; das ergibt sich aus der darin enthaltenen inhaltlichen Stellungnahme zum Nachprüfungsantrag der Antragstellerin. Dieser Vergabevermerk war schon im Hinblick auf den Zeitpunkt seiner Erstellung unzureichend, ohne dass es insoweit auf seinen Inhalt ankommt.

78

Nach § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ist das Vergabeverfahren zeitnah so zu dokumentieren, dass u.a. die einzelnen Stufen des Verfahrens, die einzelnen Maßnahmen sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen in Textform festgehalten werden. Danach ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, die Gegenstände der Dokumentation im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Geschehen zu erfassen. Um die Authentizität zu erhöhen und zugleich den Aufwand des Auftraggebers zu beschränken, ist hierfür keine Vermerkform gefordert, sondern lediglich Textform i.S. von § 126b BGB. Abweichend von der früheren Rechtslage soll also nicht mehr aus rückschauender Betrachtung ein zusammenfassender förmlicher Vermerk über den Verlauf des Vergabeverfahrens gefertigt werden, sondern es soll eine Vergabeakte geführt werden, in der Protokolle, Schriftverkehr bzw. Ausdrucke des eMail-Verkehrs u.ä. sowie erforderlichenfalls auch Einzelvermerke chronologisch abgelegt und verwahrt werden; zweckmäßig zur Erhöhung der Übersichtlichkeit der Dokumentation ist eine gewisse Gliederung und Strukturierung der Ablage.

79

Wie die Vergabekammer zu Recht ausgeführt hat, dient die Verpflichtung des Auftraggebers zur zeitnahen Dokumentation u.a. dazu, die Möglichkeit nachträglicher manipulativer Darstellungen auszuschließen, und besteht damit auch zum Schutze der an der Auftragserteilung interessierten Unternehmen, wie hier der Antragstellerin.

80

bb) Die Vergabekammer ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass der Entscheidungsprozess über die Festlegung des Standortbereichs zu den zu dokumentierenden Einzelentscheidungen gehörte.

81

Zwar ist die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes nicht im Katalog des § 20 Abs. 1 S. 2 VOB/A, der beispielhaft („insbesondere“) die zwingend dokumentationspflichtigen Daten aufzählt, aufgeführt. Zu dokumentieren sind jedoch alle Entscheidungen des öffentlichen Auftraggebers, die - quasi „Weichen stellend“ - das künftige Ergebnis des Vergabeverfahrens beeinflussen, wie sich aus § 20 Abs. 1 S. 1 VOB/A ergibt. Der Schwerpunkt liegt typischerweise auf den Einzelentscheidungen im Rahmen der Prüfung und Wertung der Angebote. Wie bereits der Katalog des Satz 2 der genannten Vorschrift zeigt, so z. Bsp. in Nr. 2 „Art und Umfang der Leistung“ bzw. in Nr. 10 „ggf. die Gründe, aus denen der Auftraggeber auf die Vergabe des Auftrags verzichtet hat“, können aber auch Entscheidungen im Vorfeld eines Vergabeverfahrens zu dokumentieren sein. Im vorliegenden Fall musste sich dem Antragsgegner aufdrängen, dass schon die Festlegung, dass jeder Bewerber ein geeignetes Grundstück beizustellen hatte, zu einer erheblichen Reduzierung des Kreises der Bewerber um einen Bauauftrag führen musste, und dass sich diese objektiv wettbewerbsbeschränkende Wirkung noch verstärkte, je enger umgrenzt der zulässige Standortbereich für ein solches Grundstück ist. Die nachgereichte Dokumentation zeigt im Übrigen, dass dem Antragsgegner dieser Umstand durchaus bewusst war. Es entspricht der allgemeinen Auffassung in Literatur und Rechtsprechung, dass jedenfalls dann, wenn eine Beschaffungsentscheidung zu einer erheblichen Beschränkung des potenziellen Teilnehmerfeldes auf ein oder wenige Unternehmen führt, das Zustandekommen dieser Entscheidung und die Gründe für ihr Ergebnis zu dokumentieren sind.

82

b) Der Antragsgegner hat im Verlauf des Beschwerdeverfahrens umfangreiche weitere Unterlagen vorgelegt, die den äußeren Verlauf und die inhaltlichen Erwägungen des Entscheidungsprozesses abbilden. Diese Unterlagen sind im Nachprüfungsverfahren zu berücksichtigen und führen hier im Rahmen ihrer tatsächlichen Würdigung zu der Feststellung, dass eine ausreichende Dokumentation vorgenommen worden ist.

83

aa) Die Zulässigkeit der Berücksichtigung der nachgereichten Unterlagen ergibt sich schon daraus, dass es sich nach den Feststellungen des Senats nicht etwa um nachträglich, d.h. nach Einleitung des Nachprüfungsverfahrens gefertigte Unterlagen handelt, sondern um Dokumente, die zeitnah zu den in ihnen dokumentierten Geschehnissen entstanden sind.

84

bb) Der Senat hat auch im Hinblick auf die späte Vorlage der entsprechenden Unterlagen keine Anhaltspunkte für eine manipulative Darstellung, die im Rahmen der tatsächlichen Würdigung einer Verwertung der Unterlagen entgegen stehen könnten.

85

cc) Schließlich ist die Verwertung auch aus rechtlichen, insbesondere verfahrensrechtlichen Gründen nicht unzulässig. Zwar wäre der Antragsgegner nach § 110 Abs. 2 S. 4 GWB verpflichtet gewesen, die Vergabedokumentation auf Anforderung „der Vergabeakten“ durch die Vergabekammer vollständig, also auch einschließlich der jetzt nachgereichten Unterlagen, vorzulegen. Zu einer Vorsortierung nach den s.E. entscheidungserheblichen Bestandteilen einerseits und den nicht erheblichen Unterlagen andererseits war der Antragsgegner nicht berechtigt. Spätestens nach der erneuten ausdrücklichen Anfrage der Vergabekammer hätte für den Antragsgegner eine Veranlassung zur Vorlage bestanden. Eine weitere Verletzung der Mitwirkungspflichten des Antragsgegners ist auch darin zu sehen, dass der Antragsgegner die Unterlagen nicht im Rahmen seiner Beschwerdebegründung vorgelegt hat, obwohl sich die Vergabekammer bei ihrer Entscheidung im Wesentlichen auf die unzureichende Dokumentation gestützt und der Antragsgegner diese Bewertung angegriffen hat. Die mehrfache Verletzung von Verfahrensobliegenheiten führt jedoch nicht zu einem Verwertungsverbot der Unterlagen, weil eine solche Sanktion im 4. Teil des GWB nicht vorgesehen ist, sondern lediglich zu einer erheblichen Verzögerung des Abschlusses des Nachprüfungsverfahrens.

86

c) Aus den nunmehr vorgelegten Unterlagen, welche den Verfahrensbeteiligten in den maßgeblichen Teilen auch zugänglich gemacht worden sind, ergibt sich sowohl ein klares Bild über den äußeren Ablauf der Entscheidungsfindung als auch über die Beweggründe für die einzelnen Zwischenentscheidungen bis hin zur Festlegung des Standortbereichs, wie er Gegenstand der Vergabebekanntmachung und der Bewerbungsunterlagen geworden ist.

87

2. Die Entscheidung des Antragsgegners, das in Betracht kommende Baugebiet auf den Bereich „Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum)“ zu beschränken, ist unter Einbeziehung der im Beschwerdeverfahren vorgelegten Unterlagen hierzu in der Sache nicht zu beanstanden.

88

a) Der Senat hat die Entscheidung des Antragsgegners, den Neubau des Finanzamts auf einem vom Auftragnehmer zu stellenden Grundstück zu errichten und den in Betracht kommenden Standortbereich räumlich zu begrenzen, nach den - aus Sicht des Auftraggebers - strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs geprüft entsprechend der vorzitierten Rechtsprechung des Thüringer Oberlandesgerichts und des Oberlandesgerichts Celle.

89

aa) Wie vorausgeführt, ist die Begrenzung des Standortbereichs des zu errichtenden Bauwerks ein Teilaspekt der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes. Diese Entscheidung ist dem Vergabeverfahren zeitlich und sachlich vorgelagert und wird daher vom Vergaberecht unmittelbar nicht erfasst. Die allgemeinen Grundsätze des Vergabeverfahrens, wie sie in § 97 Abs. 1 und Abs. 2 GWB bzw. in § 2 Abs. 1 und Abs. 2 VOB/A normiert sind, sind gleichwohl berührt, wenn die Bestimmung des Beschaffungsgegenstands im Vergabeverfahren zu einer willkürlichen Beschränkung des Wettbewerbs bzw. offen oder verdeckt zu einer positiven oder negativen Diskriminierung von Unternehmen führt. Die Vergabesenate haben bisher den vergaberechtlichen Maßstab der Nachprüfung der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes durch den Auftraggeber divergierend beurteilt; es handelt sich insoweit nicht nur um eine unterschiedlich akzentuierte Beschreibung (so aber OLG Düsseldorf, Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O. - in juris Tz. 23, 27). Dies zeigt sich insbesondere daran, ob und ggf. in welchem Ausmaß eine Markterkundung vor Festlegung des Beschaffungsgegenstandes geboten ist, ob eine Vertretbarkeit der Auswahlentscheidung des Auftraggebers genügt oder stattdessen eine sachliche Rechtfertigung des Ausschlusses abweichender Lösungsvarianten zu fordern ist, und schließlich - hiervon abgeleitet -, in welchem Umfang Dokumentationspflichten bestehen.

90

bb) Der Senat neigt der (aktuellen) Auffassung des Vergabesenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf aus den dort angeführten Gründen (vgl. Beschluss v. 27.06.2012, a.a.O., Tz. 26) zu. Höhere Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs engen die Entscheidungsfreiheit bzw. die an anderen rechtlichen Maßstäben ausgerichtete Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers über den Beschaffungsgegenstand zu sehr ein und führen zu einer unangemessenen Verrechtlichung dieser Entscheidung. Es sind auch Konstellationen vorstellbar, in denen ein Ausschluss abweichender Ausführungsvarianten eines Auftrags nicht oder nicht mit einem zumutbaren Aufwand möglich erscheint. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Beschaffung der öffentlichen Hand typischerweise eine dienende Funktion zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben zukommt, so dass aus Sicht des Auftraggebers der Aufgabenerfüllung und nicht der Beschaffung Priorität einzuräumen ist, und dass die Organisation von Wettbewerb im Rahmen der Beschaffung nicht Selbstzweck ist, sondern ein Mittel zur wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln, welches seinen Zweck verfehlt, wenn zu hohe Anforderungen an die Vorbereitung und Durchführung der Beschaffung gestellt werden.

91

cc) Für die Entscheidung im vorliegenden Nachprüfungsverfahren kommt es jedoch nicht darauf an, welcher der beiden Auffassungen zu folgen ist, so dass auch eine Vorlage des Beschwerdeverfahrens an den Bundesgerichtshof nach § 124 Abs. 2 GWB nicht in Betracht kommt. Denn führt auch die Prüfung an Hand der strengeren Anforderungen an die Rechtfertigung der Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zum gleichen Ergebnis, dann ist diese Rechtsfrage nicht entscheidungserheblich. So liegt der Fall hier.

92

b) Der äußere Ablauf des Entscheidungsprozesses, der zu der endgültigen Festlegung des Baugebietes geführt hat, ist stringent und nachvollziehbar. Insbesondere hat der Antragsgegner auch eigenverantwortlich vorab geprüft, ob die beabsichtigte Bestimmung des Beschaffungsbedarfs zu einer ungerechtfertigten Begrenzung des Wettbewerbs führt oder aber einen Wettbewerb ganz ausschließt. Auf jeder Stufe des fortschreitenden Entscheidungsprozesses ist ein hinreichender Auftrags- und Sachbezug feststellbar.

93

aa) Der Antragsgegner entschied am 15.09.2010, dass der seit längerem bestehende Beschaffungsbedarf für ein einheitliches, modernes Verwaltungsgebäude für die Unterbringung der beiden in H.  ansässigen Finanzbehörden durch Errichtung eines Neubaus in der Innenstadt von H. gedeckt werden solle. Der Beschluss wurde auf Vorschlag des Ministers der Finanzen vom 08.09.2010 vom Ausschuss für Finanzen des Landtags von Sachsen-Anhalt in seiner 100. Sitzung, dort unter TOP 12.1 „Beabsichtigte Unterbringung des künftigen Finanzamtes H. und des Landesrechenzentrums H.  “, getroffen. Eine nähere Eingrenzung des verwendeten Begriffs „Innenstadt“ erfolgte noch nicht.

94

Die Festlegung auf einen Neubau im Bereich der Innenstadt folgte den abstrakten Richtlinien der Landesentwicklung, die eine Stärkung der Oberzentren und damit auch der Stadt H. und innerhalb der Städte eine Profilierung der Innenstädte vorsehen. Die Festlegungen erfolgten, um eine ausreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde und eine Wertstabilität der nach Ablauf der Finanzierungsphase vom Auftraggeber zu erwerbenden Immobilie zu gewährleisten. Diese Erwägungen sind sach- und auftragsbezogen.

95

bb) Mit Schreiben vom 04.02.2011 richtete der Staatssekretär des Ministeriums der Finanzen eine Anfrage an die Oberbürgermeisterin der Stadt H.  mit der Bitte um Herbeiführung einer Willensbekundung des Stadtrates zu den Grenzen der „Innenstadt“, innerhalb derer der Neubau des Finanzamts erfolgen solle. Diese Anfrage erfolgte, um eine klare und eindeutige Definition des Begriffs „Innenstadt“ herbeizuführen und dabei die kommunalen Interessen angemessen zu berücksichtigen.

96

Diese Vorgehensweise war sachgerecht, weil die Errichtung des neuen Gebäudes für eine Mittelbehörde in einer Stadt deren kommunale Belange insbesondere auch in städtebaulicher Hinsicht betrifft.

97

cc) Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. beantwortete die Anfrage mit Schreiben vom 17.02.2011 unter Verweis auf den Beschluss des Stadtrates vom 14.11.2010. Mit diesem Beschluss hatte der Stadtrat auf Vorlage vom 14.10.2010 und nach einer Ausschussberatung am 09.11.2010 ein ca. 1.180.000 qm großes Stadtgebiet als Fördergebiet im Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“ unter der Bezeichnung „A-Zentrum Altstadt“ ausgewiesen. Die Abgrenzung erfolgte, wie sich den Gründen des Stadtratbeschlusses entnehmen lässt, zum Zwecke der Entwicklung der Einkaufsinnenstadt sowie zur Stärkung der oberzentralen Funktionen der City. Sie folgte inhaltlich der seit 1998 bestehenden Flächennutzungsplanung, deren Fortentwicklung im Zentrenkonzept aus dem Jahre 2004 und in dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept aus dem Jahre 2007. Nach dem Inhalt des Stadtratbeschlusses vom 14.11.2010 sollten künftige Investitionen von der Stadt selbst nur noch dann gefördert werden, wenn sie zur Profilierung und Standortaufwertung der Innenstadt geeignet waren. Die Oberbürgermeisterin der Stadt H. vertrat in ihrem Schreiben vom 17.02.2011 die Auffassung, dass angesichts der Aktualität des Beschlusses eine gesonderte Befassung des Stadtrates mit der Frage der Abgrenzung der Innenstadt für die Errichtung eines Finanzamtsgebäudes nicht nötig sei. Zudem teilte sie mit, dass sie den Stadtrat in der letzten Sitzung über die Anfrage des Ministeriums der Finanzen informiert habe und dass Einigkeit darüber bestanden habe, dass mit dem neuen Standort des Finanzamtes in der Innenstadt „eine gute Lösung gefunden“ worden sei. Dem weiteren Verlauf des Entscheidungsprozesses, insbesondere der am 28.02.2011 erfolgten Anhörung des Ministeriums für Landesentwicklung und Verkehr durch das Ministerium der Finanzen, ist zu entnehmen, dass der Antragsgegner der vorgenannten Auffassung der Oberbürgermeisterin folgte und den Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 als eine hinreichend verbindliche Willensbekundung der Stadt zur Standortfrage ansah.

98

Es begegnet keinen durchgreifenden Bedenken, dass der Antragsgegner von seiner ursprünglichen Vorstellung eines ausdrücklichen Stadtratsbeschlusses über die Eingrenzung des Standortbereichs für das Finanzamt Abstand genommen und den Beschluss vom 24.11.2010 als Definition des Innenstadtbereichs übernommen hat. Zwar verweist die Antragstellerin zutreffend darauf, dass der Stadtratsbeschluss einem anderen Zweck diente als der Mitwirkung an der Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes für das vorliegende Vergabeverfahren. Es ging um eine Grundlage für den Einsatz von öffentlichen Haushaltsmitteln für die Förderung von privaten baulichen Investitionen. Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die Festlegung des Bereichs des Stadtzentrums, in dem eine Belebung durch Passanten angestrebt wird durch die Ansiedlung von Einzelhandelseinrichtungen und durch die Zentralisierung von Behörden und Einrichtungen mit Besucherverkehr, inhaltlich nach denselben Maßstäben und Erwägungen erfolgte, wie sie - fiktiv - im Rahmen einer gesonderten Entscheidung über den künftigen Standort des Finanzamtsgebäudes angestellt worden wären. Denn auch die Eröffnung einer solchen Behörde mit mehreren hundert Mitarbeitern und einem nicht unerheblichen Besucherverkehr ist geeignet, zu einer Belebung des umliegenden Gebietes beizutragen und u.U. durch einen attraktiven Baukörper eine städtebauliche Profilierung und Aufwertung zu erreichen. Der bereits vorliegende Stadtratsbeschluss vom 24.11.2010 enthielt eine strategische Festlegung, deren erneute Prüfung und Aktualisierung - gemessen an den vorangegangenen vergleichbaren Entscheidungen des Stadtrats aus den Jahren 2004 und 2007 - frühestens nach drei Jahren zu erwarten war. Der Rückgriff auf eine bereits vorliegende Entscheidung war zudem geeignet, dem Vorwurf einer Bevorzugung eines bestimmten Bewerbers um den auszuschreibenden Bauauftrag zu begegnen.

99

dd) Der Antragsgegner veranlasste im März und April 2011 eine Prüfung, ob die Festlegung des Baugebietes nach Maßgabe des Stadtratsbeschlusses vom 24.11.2010 zu einer unangemessenen Beeinträchtigung des Wettbewerbs um den auszuschreibenden Bauauftrag führen konnte.

100

Wie sich aus dem Antwortschreiben der Oberbürgermeisterin der Stadt H. vom 30.03.2011 ergibt, richtete der Antragsgegner eine telefonische Anfrage an die Stadt, welche potentiellen Standorte für den Neubau des Finanzamts im Fördergebiet Innenstadt (A-Zentrum) existierten. Die Stadt benannte drei mögliche Standorte, und zwar die Grundstücke am R. Platz (in der Antragserwiderung des Antragsgegners später unter Nr. 11 aufgeführt), im Bereich des „B.  “ (Nr. 7) sowie im Baugebiet „S.„ (Nr. 2).

101

Im April 2011 beauftragte der Antragsgegner eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Erstellung einer Machbarkeitsstudie und Wirtschaftlichkeitsuntersuchung, insbesondere auch zum Zwecke des haushaltsrechtlich erforderlichen Nachweises der Wirtschaftlichkeit der Beschaffung von Dritten gegenüber einer Leistungserbringung mit eigenen Ressourcen. Diese Studie kommt zum Ergebnis, dass im Innenstadtbereich mehrere Grundstücke die aufgestellten Anforderungen an Flächengröße, Verkehrsanbindung u.ä. erfüllten. In der Studie werden hierfür die drei vorgenannten Grundstücke sowie das Grundstück hinter dem A. -Gebäude (Nr. 4) aufgeführt und hinsichtlich ihrer Vor- und Nachteile beschrieben.

102

Diese Maßnahmen zeigen, dass der Antragsgegner eine eigenverantwortliche Prüfung vorgenommen hat, ob die beabsichtigte Begrenzung des zugelassenen Baugebietes zu einem Ausschluss von Wettbewerb führen würde. Die von ihm getroffene Einschätzung, dass das Vorliegen von mindestens vier zur Bebauung objektiv geeigneten Grundstücken einen ausreichenden Wettbewerb ermöglicht, ist sachgerecht und nicht zu beanstanden.

103

ee) Die Antragstellerin hat zutreffend darauf verwiesen, dass im Rahmen der weiteren Vorbereitung des Vergabeverfahrens die Anforderungen an das Baugrundstück modifiziert worden sind. Diese Veränderungen haben jedoch nicht dazu geführt, dass sich die Anforderungen an die Größe und Bebaubarkeit des Grundstücks erhöht haben, sondern sie haben im Gegenteil eine Verringerung dieser Anforderungen bewirkt.

104

In der 2. Besprechung der Projektgruppe „Finanzamt H.“, der neben Vertretern des Antragsgegners - Ministerium der Finanzen und Eigenbetrieb - u.a. auch Mitarbeiter der Beraterin des Antragsgegners angehörten, wurde am 08.12.2011 aufgrund einer aktuellen technischen Bewertung der Hauptnutzungsfläche des Gebäudes entschieden, dass keine Grundstücksgröße zwingend vorzugeben sei, sondern lediglich eine Mindestgröße bei Lückenbebauung, die weit unterhalb der bisherigen Vorstellungen des Antragsgegners lag.

105

In der 4. Besprechung dieser Projektgruppe am 18.01.2012 wurde im Hinblick auf eine Stellungnahme des Landesrechnungshofes der beabsichtigte Bekanntmachungstext hinsichtlich der Vorgaben zur Grundstücksgröße erneut geändert; nunmehr wurde eine Mindestgröße nicht mehr vorgegeben, sondern lediglich eine funktionale Eignung gefordert.

106

Diese Änderungen waren nicht nur sach- und auftragsbezogen, sondern auch geeignet, weiteren Unternehmen mit Zugriffsmöglichkeiten auf andere als die vorgenannten vier Grundstücke die Möglichkeit zur Teilnahme am Wettbewerb zu eröffnen.

107

c) Eine weiter gehende Markterkundung durch den Antragsgegner, etwa im Hinblick auf die Eigentumsverhältnisse an den in Betracht kommenden Grundstücken und auf die Möglichkeiten des Erwerbs dieser Grundstücke durch interessierte Unternehmen, war auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Jena und Celle nicht geboten.

108

aa) Die Vorgehensweise des Antragsgegners im Hinblick auf die Festlegung des Bereichs des künftigen Standorts des Finanzamts war geeignet und ausreichend, der Gefahr eines unzureichenden Wettbewerbs zu begegnen und eine Diskriminierung von Unternehmen zu vermeiden.

109

(1) Der Antragsgegner durfte sich zur Prüfung der Frage, ob eine Auftragsvergabe in einem Wettbewerb gewährleistet sein wird, auf eine Aufklärung der Frage beschränken, ob in dem von ihm begrenzten Bereich eine genügende Anzahl von Objekten vorhanden war, welche in Größe, Lage, Zuschnitt und Bebaubarkeit den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung (ca. 8.000 qm HNF sowie insgesamt 250 Parkplätze, z.T. auch in fußläufiger Entfernung vom Hauptobjekt) gerecht werden konnten. Denn für die Gewährleistung eines Wettbewerbs ist maßgeblich, ob der Auftraggeber mit mehreren Bewerbern rechnen kann und ob die interessierten Unternehmen mit Mitbewerbern rechnen müssen, so dass der erforderliche Anreiz besteht, ein wirtschaftliches Angebot zu unterbreiten. Insoweit hat der Auftraggeber eine Prognoseentscheidung zu treffen. Wie viele Unternehmen sich tatsächlich bewerben werden, ist für den Auftraggeber auch bei intensiver Markterkundung letztlich nicht vorherzusehen. Daher kann von einem öffentlichen Auftraggeber nur gefordert werden, dass er unter Berücksichtigung der von ihm beabsichtigten Bestimmung des Beschaffungsbedarfs den Eingang mehrerer Bewerbungen oder Angebote - je nach Verfahrensart - für möglich erachtet. Diese Frage hat der Antragsgegner hier geprüft und im Ergebnis seiner Ermittlungen festgestellt, dass mindestens vier Grundstücke grundsätzlich geeignet sind, die funktionalen Anforderungen der beabsichtigten Ausschreibung zu erfüllen. Es kann offen bleiben, ob sich diese Zahl durch die nachfolgenden Veränderungen der Ausschreibungsbedingungen erhöht hat oder nicht. Sowohl aus Sicht des Antragsgegners als auch aus Sicht eines potenziellen Bewerbers war der Umstand, dass nach vorläufiger Bewertung mehrere objektiv geeignete Grundstücke zur Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen existieren, ausreichend, um wettbewerbliche Anreize zu generieren. Der Senat erachtet insoweit die Erwägungen der Vergabekammer, in Anwendung des Rechtsgedankens des § 6a Abs. 4 VOB/A und des Art. 44 Abs. 3 UA 2 S. 2 und 3 der Richtlinie 2004/18/EG (Vergabekoordinierungsrichtlinie) auf mindestens drei Objekte abzustellen, für sachgerecht. Dem steht, anders als die Beschwerdeführer meinen, jedenfalls die von ihnen zitierte Entscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH, Urteil v. 15.10.2009, C-138/08 „Hochtief AG u. Linde-Kca-Dresden GmbH ./. KTKD“, VergabeR 2010, 196) nicht entgegen, weil der dortige Rechtssatz nicht einschlägig ist. Der Entscheidung lag zugrunde, dass der öffentliche Auftraggeber, die Selbstverwaltung der Hauptstadt Budapest, einen Bauauftrag, wie hier, im zweistufigen Verfahren - Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb - ausgeschrieben und der Wettbewerb nur, aber immerhin im Teilnahmewettbewerb stattgefunden hatte. Nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs war lediglich ein Bewerber verblieben. Der Gerichtshof hat entschieden, dass sich aus dem Wettbewerbsprinzip kein Anspruch des im Teilnahmewettbewerb unterlegenen Bewerbers auf eine Aufhebung des Vergabeverfahrens ergebe, wenn zumindest in der ersten Verfahrensstufe, dem Teilnahmewettbewerb, ein ausreichender Wettbewerb organisiert worden sei. Der Entscheidung lässt sich damit keine Einschränkung des Grundgedanken der vorgenannten Regelungen entnehmen. Die Antragstellerin hat hier hinsichtlich der Grundstücke Nr. 2, 4, 7 und 11, welche der Antragsgegner in seine Überlegungen einbezogen hatte, sowie hinsichtlich des Grundstücks Nr. 18 deren objektive Eignung nach den funktionalen Anforderungen der Ausschreibung nicht in Frage gestellt, sondern selbst eingeräumt.

110

Soweit die Antragstellerin behauptet hat, dass die Grundstücke Nr. 2, Nr. 4, Nr. 11 und Nr. 18 von den jeweiligen Eigentümern nicht veräußert würden, und sich ein u.U. möglicher Eigentumserwerb des Grundstücks Nr. 7 jedenfalls langwierig und schwierig gestalte, vermag dies die hieraus gezogene Schlussfolgerung, dass ein Wettbewerb ausgeschlossen sei, nicht zu rechtfertigen. Der Antragsgegner durfte davon ausgehen, dass ein Grundstückseigentümer an der wirtschaftlichen Verwertung seines Grundeigentums ein Eigeninteresse hat. Im Übrigen ist, ohne dass dies entscheidungserheblich wäre, darauf zu verweisen, dass sich diese allgemeine Erwartung auch bestätigt hat. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 2, die Beigeladene, hat sich beworben. Die Eigentümerin des Grundstücks Nr. 4 ist, wie inzwischen feststeht, ein Unternehmen, das eine wirtschaftliche Verwertung des Grundeigentums als Baufläche für ein Bürogebäude beabsichtigte, z. Zt. jedoch kein konkretes Projekt verfolgt. Auch die Eigentümerin der Grundstücke Nr. 11 und Nr. 18 ist ein gewerblich agierendes Unternehmen, welches sich grundsätzlich einer wirtschaftlichen Verwertung ihres Eigentums nicht verschließen dürfte. Der Antragsgegner musste - unabhängig davon, ob ihm das überhaupt möglich gewesen wäre, was er selbst bestreitet - weder die Eigentumsverhältnisse an den Grundstücken noch die Bewerbungs- oder Verkaufsbereitschaft der Eigentümer erkunden. Er musste auch nicht etwa - und darauf zielt die Rüge der Antragstellerin maßgeblich - sicherstellen, dass der Antragstellerin der Zugriff auf eines der vier Grundstücke tatsächlich offen stand. Ein an der Auftragserteilung interessiertes Unternehmen hat vergaberechtlich keinen Anspruch darauf, dass der Auftraggeber eine seinem aktuellen Leistungsvermögen oder seinen Erwartungen entsprechende Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes vornimmt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.10.2009, VII-Verg 25/09 „Latexfreiheit“; Beschluss v. 14.04.2010, VII-Verg 60/09 „Brandmeldeanlage“, VergabeR 2011, 78). Um die Zugriffsmöglichkeit jedes Interessenten am Bauauftrag zu gewährleisten, hätte der Antragsgegner ein geeignetes Baugrundstück selbst erwerben und dem Auftragnehmer zur Verfügung stellen müssen. Hierin hätte jedoch ein anderer als der vom Antragsgegner gewählte Beschaffungsgegenstand gelegen. Dem Antragsgegner kam es gerade darauf an, weder mit der Grundstücksauswahl noch mit dessen Beschaffung noch mit der Finanzierung des Grunderwerbs belastet zu sein. Die Forderung nach einer Beistellung des Grundstücks eröffnete den Interessenten zudem u.U. mehr Freiheiten bei der Planung des Bauvorhabens.

111

(2) Die hier von der Antragstellerin beanstandete Festlegung des Antragsgegners verstößt auch nicht gegen das Diskriminierungsverbot.

112

Allerdings wäre es mit dem Diskriminierungsverbot des § 97 GWB grundsätzlich nicht zu vereinbaren, wenn eine Ausschreibung von Anfang an so angelegt wäre, dass objektiv nur ein Bieter die Kriterien erfüllen kann (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 24.06.2010, 1 Verg 4/10 „Postdienstleistungen“). Eine solche Konstellation ist hier jedoch nicht feststellbar. Wie vorausgeführt, existierten aus der maßgeblichen ex ante-Sicht des Antragsgegners mindestens vier Grundstücke, die als Baugrund objektiv in Betracht kommen konnten. Angesichts dessen kommt es nicht mehr darauf an, ob dem Antragsgegner bekannt war oder zumindest hätte bekannt sein müssen, dass mit der Beigeladenen ein Unternehmen existierte, welches Eigentümerin eines der geeigneten Grundstücke war und bereits seit vielen Jahren auf eine wirtschaftliche Verwertung wartete. Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner durch die Festlegung des in Betracht kommenden Baugebiets bewusst eine Bedingung geschaffen hat, die es jedem anderen Unternehmen außer der Beigeladenen unmöglich gemacht hätte, sich zu bewerben, bestehen ebenfalls nicht. Es sind weder rechtliche noch tatsächliche Umstände ersichtlich, die generell einer Sicherung des künftigen Erwerbs von Grundeigentum im Bereich des Fördergebietes „Innenstadt (A-Zentrum)“ der Stadt H. durch einen ggf. nicht ortsansässigen Interessenten entgegenstehen.

113

bb) Eine weitere Markt- oder Gebietserkundung war auch nicht im Hinblick auf die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Jena und Celle erforderlich.

114

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidungen beider Vergabesenate jeweils zu einer produkt-, technik- oder technologiespezifischen Bedarfsbestimmung ergangen sind, d.h. zu einer Festlegung des Auftraggebers im Zusammenhang damit, ob eine geforderte Funktionalität des Beschaffungsgegenstandes objektiv nur durch eine einzige technische Lösungsvariante erreichbar war oder nicht. Im vorliegenden Fall, in dem es um eine räumliche Begrenzung des Leistungsortes geht, war ein Teil der mit der Beschaffung verbundenen Zielstellungen nicht mehr zu erreichen durch eine Ausweitung des in Betracht kommenden Baugebietes. Zwar mag eine hinreichende Bürgernähe und Erreichbarkeit der Behörde auch noch in einem erweiterten Innenstadtbereich zu gewährleisten sein, es steht jedoch für den Senat außer Zweifel, dass eine Belebung der Innenstadt (A-Zentrum) nicht erreicht werden kann durch einen Neubau außerhalb des so bestimmten Innenstadtbereichs. Auch im Hinblick auf die Wertstabilität ist einem Grundstück inmitten eines Bereichs, der langfristig als Stadtzentrum entwickelt werden soll, gegenüber einem Grundstück außerhalb dieses Bereichs ein eindeutiger Vorteil beizumessen. Fehlt es aber danach an der Voraussetzung, dass die sich alternativ gegenüber stehenden Lösungsmöglichkeiten jeweils in gleicher Weise geeignet sind, den definierten Beschaffungszweck zu erfüllen, so kommt es auf eine weiter gehende Begründung des Ausschlusses der nicht gleichwertigen Alternative, hier also der Ausweitung des Baugebietes, nicht an.

115

3. Das Vergabeverfahren des Antragsgegners leidet jedoch an einem anderen, bereits mit der Vergabebekanntmachung verursachten Mangel; die vom Antragsgegner bestimmte Bewerbungsfrist ist angesichts der konkreten Teilnahmebedingungen unangemessen kurz. Aus diesem Grunde ist der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin begründet.

116

a) Allerdings hat der Antragsgegner die in § 10a Abs. 3 Alt. 2 i.V.m. Abs. 2 VOB/A vorgeschriebene Mindestfrist für die Bewerbung überschritten. Da der Antragsgegner die Vergabebekanntmachung den Anforderungen des § 10a Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 4 VOB/A entsprechend elektronisch erstellt und übermittelt hat, musste die Bewerbungsfrist hier mindestens 30 Kalendertage betragen. Der Antragsgegner bestimmte eine Bewerbungsfrist von knapp 42 Kalendertagen - der 08.03.2012 stand lediglich bis 12:00 Uhr zur Verfügung.

117

b) Die Bewerbungsfrist in einem Teilnahmewettbewerb darf sich jedoch nicht nur an der Wahrung der Mindestfrist orientieren, sondern sie muss jeweils einzelfallbezogen angemessen sein, um einem fachkundigen Unternehmen eine ordnungsgemäße und aussichtsreiche Bewerbung zu ermöglichen. Dabei sind das Anforderungsprofil der Bewerbungsbedingungen im Vergleich zum Regelfall einer solchen Ausschreibung und sonstige besondere Umstände, z. Bsp. die Notwendigkeit des Ausgleichs des zeitlichen und Wissensvorsprungs eines teilnahmeinteressierten Projektanten (vgl. § 6a Abs. 9 VOB/A), zu berücksichtigen (vgl. Rechten in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOB/A, 2010, § 10a Rn. 32). Nach diesen Maßstäben war hier die Frist von knapp 42 Kalendertagen erheblich zu kurz.

118

aa) Für die Bemessung der Bewerbungsfrist ist der Umfang der innerhalb dieser Frist vom Interessenten zu erledigenden Aufgaben zu berücksichtigen.

119

(1) Die vorliegende Ausschreibung wich vom Regelfall einer VOB/A-Ausschreibung schon dadurch erheblich ab, dass es um ein Großbauvorhaben ging mit entsprechend angepassten strengeren Anforderungen an den Nachweis der Eignung als Bauunternehmen. Hinzu kam die Komplexität des Beschaffungsgegenstandes, die sich darin zeigte, dass sie nicht nur die Bauleistung eines Gewerks betraf, sondern die vollständige Errichtung eines Gebäudes sowie die vollständigen Planungsleistungen, wodurch im Rahmen des Nachweises der Fachkunde höhere Anforderungen zu erfüllen waren. Der Auftrag umfasste zudem die Finanzierung des Bauvorhabens über einen langfristigen Zeitraum von 25 Jahren, die nicht zu den Kernkompetenzen eines Bauunternehmens gehört und häufig auch die Einbindung eines Finanzierungspartners erfordert.

120

(2) Die maßgebliche Besonderheit der vorliegenden Ausschreibung bestand darin, dass der Auftragnehmer das zu bebauende Grundstück zu stellen hatte. Eine solche Gestaltung einer Ausschreibung nach der VOB/A ist zulässig, aber atypisch. Auf die Notwendigkeit der Grundstücksbeschaffung muss auch ein fachkundiger und ansonsten leistungsfähiger Bieter nicht eingestellt sein. Insbesondere kann nicht vorausgesetzt werden, dass es ausreichend Bauunternehmen gibt, die ein den sehr speziellen Anforderungen der vorliegenden Ausschreibung entsprechendes Grundstück bereithalten. Die Beschwerdeführer verkennen in ihren Beschwerdebegründungen, dass es sich bei der Anforderung der Grundstücksbeistellung nicht um eine allgemein übliche, auftragsunabhängig vorzuhaltende Eignungsvoraussetzung einer Bauausschreibung handelt. Aus dieser Vorgabe des Antragsgegners resultiert, dass ein potenzieller Bewerber außerhalb seiner Kernkompetenz geeignete Grundstücke finden, deren Eigentümer ermitteln und kontaktieren und die Erwerbsmöglichkeiten erkunden muss. Erst danach kann seine weitere Planung beginnen, insbesondere die Abschätzung, mit welchem Kostenaufwand für eine aussichtsreiche Bewerbung um den Gesamtauftrag zu rechnen ist und ob für ihn eine Teilnahme an der Ausschreibung wirtschaftlich anstrebenswert ist. Die vorgenannte Anforderung führt mithin, insbesondere für einen nicht ortskundigen Interessenten, an den sich die EU-weite Ausschreibung auch wendet, regelmäßig zu einem erhöhten Zeitbedarf in der Bewerbungsphase.

121

(3) Für die Bemessung einer angemessenen Bewerbungsfrist war weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner nach den von ihm selbst vorgegebenen Bewerbungsbedingungen bereits im Teilnahmewettbewerb eine hinreichend sichere Erkenntnis darüber gewinnen wollte, dass jeder Bewerber unverzüglich nach Zuschlagserteilung zur Ausführung der Leistungen in der Lage sein wird. Daher sahen die Bewerbungsbedingungen vor, dass jeder Bewerber, soweit er nicht bereits Eigentümer einer geeigneten Immobilie ist, innerhalb der Bewerbungsfrist die Sicherung des künftigen Eigentumserwerbs, insbesondere durch Vorlage eines notariell beurkundeten Verkaufsangebots des Eigentümers einschließlich Eigentumsnachweises, zu belegen hat. Hieraus folgt, dass der Bewerber nicht nur mit dem Eigentümer Kontakt aufgenommen, sondern diesen - erforderlichenfalls auch unter Einräumung einer angemessenen Überlegungsfrist - zu einer endgültigen Entscheidung über die Veräußerung bewegt und eine entsprechende notarielle Beurkundung erfolgreich veranlasst haben musste. Auch diese erhöhten Anforderungen müssen sich in der Fristbemessung niederschlagen.

122

(4) Schließlich war innerhalb der Bewerbungsfrist auch nachzuweisen, dass nach Zuschlagserteilung unmittelbar mit dem Abbruch von Bestandsgebäuden und -baulichkeiten auf dem Baugrund, die im Innenstadtbereich einer Großstadt typischerweise zu erwarten waren, begonnen werden kann. Dieser Nachweis setzte zumindest eine Eigenerklärung des Bewerbers voraus, dass zum Zeitpunkt des Ablaufs der Bewerbungsfrist Nutzungsrechte Dritter einem Abbruch nicht entgegen stehen. Mit anderen Worten: Ein Bewerber hatte, um eine solche Eigenerklärung seriös abgeben zu können, innerhalb der Bewerbungsfrist eine Aufhebung aller bestehenden Nutzungsrechte - dinglich oder schuldrechtlich - zu erreichen. Auch insoweit handelt es sich um eine Forderung des Antragsgegners, deren Erfüllung außerhalb der Kernkompetenzen der mit der Ausschreibung angesprochenen Unternehmenskreise lag.

123

bb) Bei der Bemessung der hier festzulegenden Bewerbungsfrist war zur Vermeidung einer unzulässigen Beschränkung des Wettbewerbs vom Zeitaufwand eines nicht ortskundigen Unternehmens auszugehen. Insbesondere kann aus dem - geringen - Zeitbedarf der Beigeladenen kein allgemeiner Maßstab abgeleitet werden, weil die Beigeladene ein ortsansässiges Unternehmen mit einem eigenen, sehr gut geeigneten Baugrundstück für die ausgeschriebene Leistung ist und auch aus der ex ante-Sicht des Antragsgegners nicht damit zu rechnen war, dass weitere Unternehmen mit einem vergleichbaren Vorlauf existierten.

124

cc) Unter Berücksichtigung der genannten Einzelumstände erachtet der Senat hier eine Bewerbungsfrist von mindestens 90 Kalendertagen (d.h. von drei Monaten) als erforderlich, um einen fairen Wettbewerb erwarten zu dürfen. Die stattdessen bestimmte Frist von knapp 42 Kalendertagen war danach jedenfalls unangemessen, weil sie nicht einmal die Hälfte der vorgenannten Frist erreichte.

125

c) Der festgestellte Vergaberechtsverstoß hat sich auch auf die Wettbewerbsstellung der Antragstellerin ausgewirkt. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, dass der Antragstellerin bei Festlegung einer angemessenen Bewerbungsfrist die Einreichung eines Teilnahmeantrages möglich gewesen wäre.

126

4. Die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens kann im Rahmen einer Fortführung des bereits eingeleiteten Verfahrens nicht hergestellt werden. Der Vergabeverstoß betrifft eine in der Vergabebekanntmachung getroffene Regelung, deren Korrektur nur durch eine Zurückversetzung des Verfahrens vor den Stand der Absendung der Vergabebekanntmachung erfolgen kann. Insoweit war die Verpflichtung zur Aufhebung der laufenden Ausschreibung, welche die Vergabekammer angeordnet hatte, zu bestätigen. Die Vergabekammer hat den Antragsgegner auch zutreffend verpflichtet, bei Fortbestehen seiner Vergabeabsicht ein neues Vergabeverfahren durchzuführen. Der Senat hat in seinem Beschlussausspruch klar gestellt, dass bei der Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nunmehr die Rechtsauffassung des erkennenden Senats Beachtung zu finden hat.

127

III. Die Vergabekammer ist bei ihrer Entscheidung über die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer zu Recht davon ausgegangen, dass der Antragsgegner keine Kostenbefreiung genießt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.

128

1. Für die Frage der Kostenfreiheit im Verfahren vor der Vergabekammer enthält die Vorschrift des § 128 GWB keine eigene Regelung; in Abs. 1 wird auf „das Verwaltungskostengesetz“ verwiesen. Diese Verweisung in § 128 Abs. 1 GWB bezieht sich zwar nach ihrem Wortlaut auf das Bundesverwaltungskostengesetz; für ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Landes Sachsen-Anhalt, welches sich nach den Verfahrensvorschriften des Landes richtet, ist auch das VwKostG LSA anzuwenden (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 17.09.2002, 1 Verg 8/02).

129

2. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 VwKostG LSA sind Amtshandlungen zwar grundsätzlich gebührenfrei, wenn eine Landesbehörde für deren Vornahme Veranlassung gegeben hat; diese Bestimmung gilt jedoch nach § 2 Abs. 3 Nr. 3 VwKostG LSA nicht bei Entscheidungen über förmliche Rechtsbehelfe. Diese Ausschlussregelung erfasst auch das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer, welches in kostenrechtlicher Hinsicht einem Widerspruchsverfahren vergleichbar ist (vgl. OLG Naumburg, a.a.O.).

130

IV. Die Entscheidung über die Kostentragung im Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 120 Abs. 2 i.V.m. 78 GWB und orientiert sich an §§ 97 Abs. 1, 100 Abs. 1 ZPO. Der Antragsgegner ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG von der Zahlung von Gerichtskosten befreit.

131

Die Festsetzung des Gegenstandswertes des gerichtlichen Beschwerdeverfahrens beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Der Senat legt dabei mangels vorliegender Angebote den vom Auftraggeber geschätzten Bruttoauftragswert zugrunde. Der Antragsgegner hat diesen Wert mit Schreiben vom 24.04.2012 gegenüber der Vergabekammer mit 25,7 Mio. € angegeben und hierbei zutreffend neben dem Wert der reinen Bauplanungs- und Bauarbeitsleistungen auch den Wert der Finanzierungsleistungen über eine Laufzeit von 25 Jahren und den Wert der Grundstücksbeistellung berücksichtigt. Diese Schätzung macht sich der Senat zu Eigen.


(1) Der öffentliche Auftraggeber fasst die Leistungsbeschreibung (§ 121 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen) in einer Weise, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt und die Öffnung des nationalen Beschaffungsmarkts für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindert.

(2) In der Leistungsbeschreibung sind die Merkmale des Auftragsgegenstands zu beschreiben:

1.
in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen oder einer Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, die so genau wie möglich zu fassen sind, dass sie ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und hinreichend vergleichbare Angebote erwarten lassen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen,
2.
unter Bezugnahme auf die in Anlage 1 definierten technischen Anforderungen in der Rangfolge:
a)
nationale Normen, mit denen europäische Normen umgesetzt werden,
b)
Europäische Technische Bewertungen,
c)
gemeinsame technische Spezifikationen,
d)
internationale Normen und andere technische Bezugssysteme, die von den europäischen Normungsgremien erarbeitet wurden oder,
e)
falls solche Normen und Spezifikationen fehlen, nationale Normen, nationale technische Zulassungen oder nationale technische Spezifikationen für die Planung, Berechnung und Ausführung von Bauwerken und den Einsatz von Produkten oder
3.
als Kombination von den Nummern 1 und 2
a)
in Form von Leistungs- oder Funktionsanforderungen unter Bezugnahme auf die technischen Anforderungen gemäß Nummer 2 als Mittel zur Vermutung der Konformität mit diesen Leistungs- und Funktionsanforderungen oder
b)
mit Bezugnahme auf die technischen Anforderungen gemäß Nummer 2 hinsichtlich bestimmter Merkmale und mit Bezugnahme auf die Leistungs- und Funktionsanforderungen gemäß Nummer 1 hinsichtlich anderer Merkmale.
Jede Bezugnahme auf eine Anforderung nach Nummer 2 Buchstabe a bis e ist mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

(3) Die Merkmale können auch Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte betreffen. Sie können sich auch auf den Prozess oder die Methode zur Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Stadium im Lebenszyklus des Auftragsgegenstands einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen, auch wenn derartige Faktoren keine materiellen Bestandteile der Leistung sind, sofern diese Merkmale in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind.

(4) In der Leistungsbeschreibung kann ferner festgelegt werden, ob Rechte des geistigen Eigentums übertragen oder dem öffentlichen Auftraggeber daran Nutzungsrechte eingeräumt werden müssen.

(5) Werden verpflichtende Zugänglichkeitserfordernisse im Sinne des § 121 Absatz 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen mit einem Rechtsakt der Europäischen Union erlassen, so muss die Leistungsbeschreibung, soweit die Kriterien der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen oder der Konzeption für alle Nutzer betroffen sind, darauf Bezug nehmen.

(6) In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. Solche Verweise sind ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand anderenfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; diese Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.

(1) Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen erfolgt nach § 119 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen im offenen Verfahren, im nicht offenen Verfahren, im Verhandlungsverfahren, im wettbewerblichen Dialog oder in der Innovationspartnerschaft.

(2) Dem öffentlichen Auftraggeber stehen das offene Verfahren und das nicht offene Verfahren, das stets einen Teilnahmewettbewerb erfordert, nach seiner Wahl zur Verfügung. Die anderen Verfahrensarten stehen nur zur Verfügung, soweit dies durch gesetzliche Bestimmungen oder nach den Absätzen 3 und 4 gestattet ist.

(3) Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb oder im wettbewerblichen Dialog vergeben, wenn

1.
die Bedürfnisse des öffentlichen Auftraggebers nicht ohne die Anpassung bereits verfügbarer Lösungen erfüllt werden können,
2.
der Auftrag konzeptionelle oder innovative Lösungen umfasst,
3.
der Auftrag aufgrund konkreter Umstände, die mit der Art, der Komplexität oder dem rechtlichen oder finanziellen Rahmen oder den damit einhergehenden Risiken zusammenhängen, nicht ohne vorherige Verhandlungen vergeben werden kann,
4.
die Leistung, insbesondere ihre technischen Anforderungen, vom öffentlichen Auftraggeber nicht mit ausreichender Genauigkeit unter Verweis auf eine Norm, eine Europäische Technische Bewertung (ETA), eine gemeinsame technische Spezifikation oder technische Referenzen im Sinne der Anlage 1 Nummer 2 bis 5 beschrieben werden kann oder
5.
im Rahmen eines offenen oder nicht offenen Verfahrens keine ordnungsgemäßen oder nur unannehmbare Angebote eingereicht wurden; nicht ordnungsgemäß sind insbesondere Angebote, die nicht den Vergabeunterlagen entsprechen, nicht fristgerecht eingereicht wurden, nachweislich auf kollusiven Absprachen oder Korruption beruhen oder nach Einschätzung des öffentlichen Auftraggebers ungewöhnlich niedrig sind; unannehmbar sind insbesondere Angebote von Bietern, die nicht über die erforderlichen Qualifikationen verfügen, und Angebote, deren Preis die vor Einleitung des Vergabeverfahrens festgelegten und dokumentierten eingeplanten Haushaltsmittel des öffentlichen Auftraggebers übersteigt; der öffentliche Auftraggeber kann in diesen Fällen von einem Teilnahmewettbewerb absehen, wenn er in das Verhandlungsverfahren alle geeigneten Unternehmen einbezieht, die form- und fristgerechte Angebote abgegeben haben.

(4) Der öffentliche Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vergeben,

1.
wenn in einem offenen oder einem nicht offenen Verfahren keine oder keine geeigneten Angebote oder keine geeigneten Teilnahmeanträge abgegeben worden sind, sofern die ursprünglichen Bedingungen des Auftrags nicht grundlegend geändert werden; ein Angebot gilt als ungeeignet, wenn es ohne Abänderung den in den Vergabeunterlagen genannten Bedürfnissen und Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers offensichtlich nicht entsprechen kann; ein Teilnahmeantrag gilt als ungeeignet, wenn das Unternehmen aufgrund eines zwingenden oder fakultativen Ausschlussgrunds nach den §§ 123 und 124 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen auszuschließen ist oder ausgeschlossen werden kann oder wenn es die Eignungskriterien nicht erfüllt,
2.
wenn zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Abgabe von Angeboten der Auftrag nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht oder bereitgestellt werden kann,
a)
weil ein einzigartiges Kunstwerk oder eine einzigartige künstlerische Leistung erschaffen oder erworben werden soll,
b)
weil aus technischen Gründen kein Wettbewerb vorhanden ist oder
c)
wegen des Schutzes von ausschließlichen Rechten, insbesondere von gewerblichen Schutzrechten,
3.
wenn äußerst dringliche, zwingende Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, die der betreffende öffentliche Auftraggeber nicht voraussehen konnte, es nicht zulassen, die Mindestfristen einzuhalten, die für das offene und das nicht offene Verfahren sowie für das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vorgeschrieben sind; die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit dürfen dem öffentlichen Auftraggeber nicht zuzurechnen sein,
4.
wenn eine Lieferleistung beschafft werden soll, die ausschließlich zu Forschungs-, Versuchs-, Untersuchungs- oder Entwicklungszwecken hergestellt wurde; hiervon nicht umfasst ist die Serienfertigung zum Nachweis der Marktfähigkeit des Produkts oder zur Deckung der Forschungs- und Entwicklungskosten,
5.
wenn zusätzliche Lieferleistungen des ursprünglichen Auftragnehmers beschafft werden sollen, die entweder zur teilweisen Erneuerung oder Erweiterung bereits erbrachter Leistungen bestimmt sind, und ein Wechsel des Unternehmens dazu führen würde, dass der öffentliche Auftraggeber eine Leistung mit unterschiedlichen technischen Merkmalen kaufen müsste und dies eine technische Unvereinbarkeit oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten bei Gebrauch und Wartung mit sich bringen würde; die Laufzeit dieser öffentlichen Aufträge darf in der Regel drei Jahre nicht überschreiten,
6.
wenn es sich um eine auf einer Warenbörse notierte und gekaufte Lieferleistung handelt,
7.
wenn Liefer- oder Dienstleistungen zu besonders günstigen Bedingungen bei Lieferanten, die ihre Geschäftstätigkeit endgültig einstellen, oder bei Insolvenzverwaltern oder Liquidatoren im Rahmen eines Insolvenz-, Vergleichs- oder Ausgleichsverfahrens oder eines in den Vorschriften eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union vorgesehenen gleichartigen Verfahrens erworben werden,
8.
wenn im Anschluss an einen Planungswettbewerb im Sinne des § 69 ein Dienstleistungsauftrag nach den Bedingungen dieses Wettbewerbs an den Gewinner oder an einen der Preisträger vergeben werden muss; im letzteren Fall müssen alle Preisträger des Wettbewerbs zur Teilnahme an den Verhandlungen aufgefordert werden, oder
9.
wenn eine Dienstleistung beschafft werden soll, die in der Wiederholung gleichartiger Leistungen besteht, die durch denselben öffentlichen Auftraggeber an das Unternehmen vergeben werden, das den ersten Auftrag erhalten hat, sofern sie einem Grundprojekt entsprechen und dieses Projekt Gegenstand des ersten Auftrags war, das im Rahmen eines Vergabeverfahrens mit Ausnahme eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben wurde; die Möglichkeit der Anwendung des Verhandlungsverfahrens muss bereits in der Auftragsbekanntmachung des ersten Vorhabens angegeben werden; darüber hinaus sind im Grundprojekt bereits der Umfang möglicher Dienstleistungen sowie die Bedingungen, unter denen sie vergeben werden, anzugeben; der für die nachfolgenden Dienstleistungen in Aussicht genommene Gesamtauftragswert wird vom öffentlichen Auftraggeber bei der Berechnung des Auftragswerts berücksichtigt; das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb darf nur innerhalb von drei Jahren nach Abschluss des ersten Auftrags angewandt werden.

(5) Im Falle des Absatzes 4 Nummer 1 ist der Europäischen Kommission auf Anforderung ein Bericht vorzulegen.

(6) Die in Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe b und c genannten Voraussetzungen für die Anwendung des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb gelten nur dann, wenn es keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung gibt und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZB 4/10
vom
19. Juli 2011
in dem Vergabenachprüfungsverfahren
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
S-Bahn-Verkehr Rhein/Ruhr II
GKG § 50 Abs. 2; GWB § 101b Abs. 1 Nr. 2, § 107 Abs. 2; VgV § 3

a) Will der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren mit der begehrten Nichtigerklärung
eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages auch
erreichen, dass der Gesamtgegenstand dieses Vertrages in einem künftigen
Vergabeverfahren losweise vergeben wird, bestimmt sich die für den Streitwert
maßgebliche Auftragssumme nach dem Wert der Lose, an deren Erbringung
der Antragsteller interessiert ist.

b) Für die Schätzung des Werts dieser Lose sind die in § 3 VgV genannten Parameter
heranzuziehen, soweit sie nach den Umständen für eine entsprechende
Anwendung geeignet erscheinen.
BGH, Beschluss vom 19. Juli 2011 - X ZB 4/10 - OLG Düsseldorf
Vergabekammer Münster
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 19. Juli 2011 durch den
Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richterin Mühlens und die Richter
Gröning, Dr. Grabinski und Dr. Bacher

beschlossen:
Es verbleibt unter Verwerfung der Anhörungsrüge der Antragstellerin als unzulässig bei der Wertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011.

Gründe:


I.


1
Die nach § 69a Abs. 1, 2 GKG statthafte Rüge gegen die Wertfestsetzung im Senatsbeschluss vom 8. Februar 2011 ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht in der gesetzlichen Form erhoben ist (§ 69a Abs. 4 Satz 1 und 2 GKG). Wird die Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG durch das Beschwerdegericht gerügt, setzt die Zulässigkeit der Anhörungsrüge wie bei dem Rechtsbehelf aus § 321a ZPO, dem § 69a GKG nachgebildet ist, voraus, dass Umstände ausgeführt werden, aus denen sich ergeben kann, dass das Gericht bei der Entscheidung Vorbringen überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch nicht erwogen hat (vgl. dazu BVerfGE 87, 1, 33; BGHZ 154, 288, 300 mwN; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609). Dafür reicht nicht aus vorzutragen, dass das Gericht sich nicht ausdrücklich mit allen angeführten Gesichtspunkten auseinandergesetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2009 - V ZR 142/08, NJW 2009, 1609 Rn. 8 mwN). Deshalb verhilft der Anhörungsrüge nicht zur Zulässigkeit, wenn die Antragstellerin vorträgt, der Senat habe im Rahmen der Wertbemessung nach § 50 Abs. 2 GKG § 3 VgV entsprechend angewendet, ohne ausdrücklich die dagegen angeführten Argumente der Antragstellerin zu bescheiden. Das Gleiche gilt erst recht, wenn das vermeintlich übergangene Vorbringen sich im Vortrag nicht erläuterter Anknüpfungstatsachen erschöpft, wie es hier in Bezug auf den der Streitwertbemessung nach Ansicht der Antragstellerin zugrunde zu legenden Zeitraum der Fall ist. Die Antragstellerin hat dafür in ihrem Schriftsatz vom 25. Januar 2011 ohne jede Begründung auf die Laufzeit des Änderungsvertrages zuzüglich Verlängerungsoption abgestellt, obwohl ihr Interesse, worauf zurückzukommen sein wird, diesem Auftrag gar nicht gilt.

II.


2
Der Senat hat die Anhörungsrüge zum Anlass genommen, seine Wertfestsetzung im Beschluss vom 8. Februar 2011 darauf hin zu überprüfen, ob Anlass besteht, sie nach § 63 Abs. 3 GKG von Amts wegen zu korrigieren. Das ist indes nicht der Fall.
3
1. Bei der Wertbemessung war davon auszugehen, dass es der Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag nicht darum ging, Leistungen, die Gegenstand des Änderungsvertrages waren, zumindest in einem Teil des durch diesen Vertrag festgelegten Zeitraums zu erbringen, sondern darum, diesen Änderungsvertrag zu Fall zu bringen, um sich für die Zeit nach dem Auslaufen des Verkehrsvertrags (Dezember 2018) um den Betrieb der genannten S-Bahnlinien 5 und 8 im Verkehrsverbund Rhein/Ruhr zu bewerben. Will der Antragsteller im Nachprüfungsverfahren mit der begehrten Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages aucherreichen, dass der Gesamtgegenstand dieses Vertrages in einem künftigen Vergabeverfahren losweise vergeben wird, bemisst sich die für den Streitwert maßgebliche Auftragssumme (§ 50 Abs. 2 GKG) nach dem Wert der Lose, an deren Erbringung der Antragsteller interessiert ist (ebenso Brandenburgisches OLG, VergabeR 2003, 654 ff.). Das auch in § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB angesprochene Interesse des Antragstellers am Auftrag beschränkt sich in solchen Fällen auf diese Lose. Dieser Umstand kann bei der im Zusammenhang mit der Streitwertfestsetzung gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung nicht außer Betracht bleiben. Zudem ist zu bedenken, dass das Rechtsschutzziel der Aufteilung eines Auftrags in Lose typischerweise dasjenige von kleineren oder mittleren Unternehmen sein wird und dass das Prozessrisiko dieser Wirtschaftsteilnehmer im Interesse eines effektiven Vergaberechtsschutzes nicht dadurch überhöht werden sollte, dass ihrem Begehren ein Streitwert von 5 Prozent der BruttoGesamtauftragssumme zugrunde gelegt wird, obwohl ihr wirtschaftliches Ziel sich damit jedenfalls nicht deckt und sich unter Umständen nur auf einen kleinen Bruchteil dieser Summe bezieht.
4
2. Ist nach Nichtigerklärung eines im Wege der De-facto-Vergabe geschlossenen Vertrages, wie hier, ungewiss, wann und mit welchen Modalitäten ein zukünftiges Vergabeverfahren für eine losweise Vergabe der in Rede stehenden Leistungen zur Durchführung ansteht, ist die für den Nachprüfungsantrag des die Losaufteilung anstrebenden Antragstellers maßgebliche Auftragssumme zu schätzen. Eine solche Schätzung ist unter Voraussetzungen vorzunehmen , die mit denjenigen vergleichbar ist, unter denen öffentliche Auftraggeber den Wert zur Vergabe anstehender Leistungen zu ermitteln haben, bevor sie das entsprechende Vergabeverfahren in die Wege leiten. Deshalb ist es sachgerecht, dafür die in § 3 VgV genannten Parameter heranzuziehen, soweit sie nach den Umständen für eine entsprechende Anwendung geeignet erscheinen.
5
Im Streitfall kann davon ausgegangen werden, dass eine losweise Vergabe des Betriebs der Linien, für welche die Antragstellerin sich interessiert, auf einen längeren Zeitraum bemessen wird. Bei Aufträgen über Dienstleistungen , für die kein Gesamtpreis angegeben werden kann und die eine unbestimmte Laufzeit bzw. eine solche von mehr als 48 Monaten haben werden, bietet sich in Anlehnung an § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV an, auf den 48-fachen Monatswert abzustellen. Auf dieser Grundlage hat der Senat den Streitwert im Beschluss vom 8. Februar 2011 bemessen.
6
Im Verfahren der Anhörungsrüge nach § 69a Abs. 1 werden Kosten nicht erstattet (§ 69a Abs. 3 GKG). Die Gebühr nach KV 1700 zum Gerichtskostengesetz fällt der Antragstellerin zur Last.
Meier-Beck Gröning Mühlens
Grabinski Bacher
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 21.07.2010 - VII-Verg 19/10 -

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Öffentliche Aufträge und Konzessionen werden im Wettbewerb und im Wege transparenter Verfahren vergeben. Dabei werden die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

(2) Die Teilnehmer an einem Vergabeverfahren sind gleich zu behandeln, es sei denn, eine Ungleichbehandlung ist aufgrund dieses Gesetzes ausdrücklich geboten oder gestattet.

(3) Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieses Teils berücksichtigt.

(4) Mittelständische Interessen sind bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern. Wird ein Unternehmen, das nicht öffentlicher Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber ist, mit der Wahrnehmung oder Durchführung einer öffentlichen Aufgabe betraut, verpflichtet der öffentliche Auftraggeber oder Sektorenauftraggeber das Unternehmen, sofern es Unteraufträge vergibt, nach den Sätzen 1 bis 3 zu verfahren.

(5) Für das Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten in einem Vergabeverfahren verwenden Auftraggeber und Unternehmen grundsätzlich elektronische Mittel nach Maßgabe der aufgrund des § 113 erlassenen Verordnungen.

(6) Unternehmen haben Anspruch darauf, dass die Bestimmungen über das Vergabeverfahren eingehalten werden.

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

Aktenzeichen: Au 3 K 15.1070

Im Namen des Volkes

Urteil

verkündet am 23. Februar 2016

3. Kammer

Sachgebiets-Nr. 411

... als stellvertretendeUrkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Hauptpunkte: Teilwiderruf und Teilrückforderung einer Zuwendung; kommunales Feuerwehrwesen; schwerer Vergabeverstoß; EU-Schwellenwert; Offenes Verfahren; Verstoß gegen Gebot der Losbildung; Widerrufsermessen; Kürzungssatz; ermessensleitende Verwaltungsvorschrift; Verzinsung

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagter -

wegen Teilrückforderung einer Zuwendung im Bereich des kommunalen Feuerlöschwesens

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 3. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung am 23. Februar 2016 folgendes

Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen eine Teilrückforderung einer staatlichen Zuwendung im Bereich des kommunalen Feuerwehrwesens.

1. Mit Formblatt vom 27. Juli 2011 stellte die Klägerin - eine Gemeinde mit ca. 1.700 Einwohnern - bei der Regierung von Schwaben einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung nach den Feuerwehr-Zuwendungsrichtlinien. Als gegenständliche Maßnahme war die im Haushaltsjahr 2013 beabsichtigte Ersetzung eines alten Feuerwehrfahrzeugs LF 8/2 (Baujahr 1976) durch ein neues Fahrzeug LF 10/6 im Haushaltsjahr 2013 vermerkt. Das Altfahrzeug entspreche nicht mehr dem heutigen Standard und sei zudem sehr reparaturanfällig. Als veranschlagte Gesamtkosten waren EUR 220.000,- angegeben; insoweit wurde eine Zuwendung i. H. v. EUR 53.000,- beantragt.

2. Mit Bescheid der Regierung von Schwaben vom 6. März 2012 wurde sodann der Klägerin für die Beschaffung eines Löschgruppenfahrzeugs LF 10 für die Freiwillige Feuerwehr eine Zuwendung als Festbetragsfinanzierung i. H. v. EUR 58.000,- bewilligt. Unter Ziffer II. („Bedingungen und Auflagen“) war als Ziffer II.1 vermerkt, dass die Richtlinien für Zuwendungen des Freistaats Bayern zur Förderung des kommunalen Feuerwehrwesens (Feuerwehrzuwendungsrichtlinien - FwZR) für das geförderte Vorhaben verbindlich und Bestandteil des Bescheids seien. Unter Ziffer II.2 war geregelt, dass die Grundsätze über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich (StMI, Bek. v. 14.10.2005, geändert durch Bek. v. 21.6.2010 und v. 20.12.2011, abrufbar über www.vergabeinfo.bayern.de) einzuhalten seien. Ziffer II.3 sah u. a. vor, dass die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K, Anlage 3a zu Art. 44 BayHO) Bestandteil des Bescheids seien. Ziffer II.4 regelte, dass weitere einschlägige öffentlichrechtliche Vorschriften ebenfalls zu beachten und einzuhalten seien.

Nachdem die Klägerin eine Verwendungsbestätigung vom 26. September 2013 vorgelegt hatte, teilte die Regierung von Schwaben der Klägerin mit Schreiben vom 29. Oktober 2013 mit, dass die bewilligte Zuwendung i. H. v. EUR 58.000,-nunmehr ausgezahlt werde.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2014 teilte die Regierung von Schwaben der Klägerin mit, dass die Verwendungsbestätigung vom 26. September 2013 einer stichprobenartigen Prüfung unterzogen werde. Es wurde hierzu um Vorlage des Angebotsspiegels oder des Vergabevermerks, eines Nachweises über eine europaweite Ausschreibung, eines Nachweises über den Maßnahmebeginn sowie eines Nachweises über die Kosten gebeten. Zur Vorlage wurde eine Frist bis zum 28. März 2014 gesetzt.

Mit Schreiben vom 26. März 2014 und E-Mail vom 10. Juli 2014 übersandte die Klägerin der Regierung von Schwaben die erbetenen Dokumente. In den vorgelegten Ausschreibungsunterlagen zur Beschaffung des Löschgruppenfahrzeugs LF 10 war insoweit u. a. Folgendes ausgeführt:

„Die Beschaffung ist in 1 Los zusammengefasst und kann nur in ihrem gesamten Umfang vergeben werden. Angebote können nur für den gesamten Lieferumfang eingereicht werden.

Die Ausschreibung zur Beschaffung des einsatzfertigen Fahrzeugs ist in folgende Umfänge aufgeteilt:

LOS 1-A) Fahrgestell

LOS 1-B) Feuerwehrtechnischer Aufbau

LOS 1-C) Feuerwehrtechnische Beladung“

In der vorgelegten Auftragsbekanntmachung im EU-Amtsblatt vom 8. Mai 2012 war unter Ziffer II.1.8 (Aufteilung des Auftrags in Lose) „nein“ vermerkt. Der Auftrag wurde schließlich ausweislich eines vorgelegten Beschlusses des Gemeinderats der Klägerin vom 17. Juli 2012 an ein Unternehmen mit ca. 130 Mitarbeitern mit Hauptsitz in Niedersachsen zu einem Angebotspreis von EUR 264.886,86 vergeben.

Mit Schreiben vom 12. September 2014 teilte die Regierung von Schwaben der Klägerin mit, dass eine Prüfung der vorgelegten Unterlagen ergeben habe, dass bei der europaweiten Ausschreibung des Auftrags entgegen § 2 Abs. 2 VOL/A-EG keine ordnungsgemäße Losbildung stattgefunden habe, da nur ein Angebot über den gesamten Lieferumfang (Fahrgestell, Aufbau und Beladung) zugelassen gewesen sei. Dies stelle einen schweren Vergabeverstoß i. S. v. Nr. 4.2. i. V. m. 4.4 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen dar. Gemäß Nr. 3.2 und 5. der genannten Richtlinien sei daher beabsichtigt, den Zuwendungsbescheid vom 6. März 2012 teilweise zu widerrufen und die gewährte Zuwendung anteilig i. H. v. 25 v. H. zurückzufordern. Hierzu wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 31. Oktober 2014 gegeben.

Mit Schreiben vom 3. November 2014 wandte sich die Klägerin gegen die angekündigte Teilrückforderung. Ein schwerer Vergabeverstoß sei nicht gegeben. Aus wirtschaftlicher und technischer - insbesondere einsatztaktischer - Sicht habe die Ausschreibung nur wie geschehen vorgenommen werden können. Die Interessen mittelständischer Anbieter seien durch die Bildung von Teillosen gewahrt worden. Ein wettbewerblicher Nachteil sei letztlich weder den Anbietern noch der Klägerin entstanden.

3. Mit kostenfreiem Bescheid der Regierung von Schwaben vom 17. Juni 2015 - zugestellt per Empfangsbekenntnis am 24. Juni 2015 - wurde daraufhin der Bescheid vom 6. März 2012 mit Wirkung für die Vergangenheit insoweit widerrufen, als eine Zuwendung von mehr als EUR 43.500,- bewilligt wurde (Nr. 1). Die zu erstattende Leistung wurde auf EUR 14.500,- festgesetzt (Nr. 2), wobei der zu erstattende Betrag vom 5. November 2013 an mit drei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen sei (Nr. 3). Der Erstattungsbetrag i. H. v. EUR 14.500,- aus Nr. 2 sei innerhalb eines Monats ab Bestandskraft zu leisten (Nr. 4); der darüber hinaus zu leistende Zinsbetrag aus Nr. 3 werde nach Überweisung des Erstattungsbetrags in einem weiteren Bescheid der Höhe nach festgesetzt und angefordert (Nr. 5).

Zur Begründung wurde u. a. ausgeführt, dass der Widerruf auf Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG gestützt werde. Die Klägerin habe Auflage II.4 aus dem Zuwendungsbescheid vom 6. März 2012 nicht erfüllt, mit der ihr aufgegeben worden war, weitere einschlägige öffentlichrechtliche Vorschriften zu beachten und einzuhalten. Hierzu zähle insbesondere die bundesrechtliche Verpflichtung aus §§ 97 ff. GWB zur Anwendung der Verdingungsordnungen, sobald der geschätzte Auftragswert - wie vorliegend - die in § 2 VgV festgelegten EU-Schwellenwerte erreiche oder überschreite. Die Klägerin habe jedoch entgegen des somit zu beachtenden § 2 Abs. 2 VOL/A-EG keine Auftragsvergabe in getrennten Losen vorgenommen. Eine Aufteilung in die für Feuerwehrfahrzeuge marktüblichen - und vom Deutschen Feuerwehrverband e.V. (DFV) empfohlenen - Lose „Fahrgestell“, „Aufbau“ und „Beladung“ habe nicht stattgefunden. Es seien letztlich trotz formaler Aufteilung in Lose 1-A bis 1-C nur Gesamtangebote zugelassen gewesen. Dies habe zu einer abstrakten ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs und Marktdiskriminierung all jener Unternehmen geführt, die kein Gesamtangebot abgeben konnten oder wollten. Ob und ggf. inwieweit tatsächlich eine Einschränkung des Wettbewerbs stattgefunden habe, sei irrelevant. Ein wirtschaftliches oder technisches Erfordernis, das den Verzicht auf eine Losbildung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 VOL/A-EG ausnahmsweise rechtfertigen könnte, sei nicht ersichtlich. Dass eine Losbildung zu deutlich höheren Angebotspreisen geführt hätte, werde durch deren Marktüblichkeit im Feuerwehrbereich widerlegt. Auch feuerwehrfachliche Gründe für einen Verzicht auf eine Losbildung seien im Lichte standardisierter, DIN-normierter Feuerwehrfahrzeuge nicht gegeben. Nach alledem liege ein schwerer Vergabeverstoß i. S. v. Nr. 4.2 (ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs) i. V. m. Nr. 4.4 (vorsätzlicher Verstoß gegen Grundsätze u. a. nach § 97 GWB) der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (StMF, Bek. v. 23.11.2006) vor. Der Teilwiderruf erfolge nach pflichtgemäßem Ermessen. Nach Nr. 3.2 i. V. m. Nr. 5. der StMF-Rückforderungsrichtlinien sei bei schweren Vergabeverstößen das Ermessen grundsätzlich in Richtung eines Widerrufs des Zuwendungsbescheids nebst Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung intendiert; das öffentliche Interesse an der Rückforderung überwiege in solchen Fällen regelmäßig das private Interesse am Behalt der Zuwendung. Besondere Umstände, die eine Ausnahme hiervon rechtfertigten, seien nicht ersichtlich. Gemäß Nr. 3.2 Satz 3 der StMF-Rückforderungsrichtlinien führe die Nichtvergabe in Teillosen regelmäßig zu einem völligen Förderausschluss; zugunsten der Klägerin sei jedoch insoweit von einer besonderen Härte auszugehen, so dass die Kürzung gemäß Nr. 3.2 Satz 4 der Richtlinien nach pflichtgemäßem Ermessen auf 25 v. H. der Gesamtzuwendung beschränkt werde. Dieser Kürzungssatz erscheine angesichts der Schwere des Vergabeverstoßes angemessen. Rechtsgrundlage der Erstattung und Verzinsung sei Art. 49a BayVwVfG. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs werde nicht nach Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG abgesehen, da die Klägerin die für den Teilwiderruf kausalen Umstände zu vertreten habe.

4. Hiergegen hat die Klägerin am 15. Juli 2015 Klage erhoben. Sie beantragt,

den Bescheid der Regierung von Schwaben vom 17. Juni 2015 aufzuheben.

Der Bescheid sei rechtswidrig und verletze die Klägerin in ihren Rechten. Der Widerruf könne nicht auf Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG (Nichterfüllung einer Auflage) gestützt werden. Denn bei der unter Ziffer II.4 des Zuwendungsbescheids vom 6. März 2012 enthaltenen Passage, dass öffentlichrechtliche Vorschriften zu beachten und einzuhalten seien, handele es sich nicht um eine ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgebende Auflage i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG, da lediglich auf die ohnehin stets gebotene Einhaltung von Gesetzen hingewiesen werde. Unabhängig davon sei kein schwerer Vergabeverstoß gegeben. Der Verzicht auf eine Losbildung sei vorliegend ausnahmsweise aufgrund wirtschaftlicher bzw. technischer Gründe zulässig gewesen (§ 97 Abs. 3 Satz 3 GWB, § 2 Abs. 2 Satz 3 VOL/A-EG). Die Beweislast, dass dem nicht so gewesen sei, trage der Beklagte, der den ursprünglichen Zuwendungsbescheid widerrufen habe und hierbei einen schweren Vergabeverstoß behaupte; seiner Beweis- und Darlegungsobliegenheit sei der Beklagte jedoch nicht nachgekommen. Die Empfehlungen des Deutschen Feuerwehrverbandes e.V. zur losweisen Ausschreibung seien vergaberechtlich unverbindlich; ohnehin sei das betreffende Dokument derzeit ausweislich der einschlägigen Internetseite in Überarbeitung. Überdies weise auch der Deutsche Feuerwehrverband e.V. in seinen Empfehlungen darauf hin, dass neben den wirtschaftlichen Vorteilen bei der losweisen Vergabe auch darauf geachtet werden müsse, dass der Auftraggeber in der Lage sein müsse, koordinierende (technische und organisatorische) Zusatzaufwendungen erbringen zu können, damit bei der praktischen Umsetzung die Losaufteilung nicht zu unlösbaren technischen Problemen führe. Insoweit habe der Deutsche Feuerwehrverband e.V. gerade die kleineren Feuerwehren - wie die Freiwillige Feuerwehr der Klägerin - im Blick. Bei einer kleineren Feuerwehr sei es unwirtschaftlich, wenn durch eine Losaufteilung zusätzlicher externer Rat für die Koordinierung der Lose eingekauft werden müsse, da die ehrenamtlichen Mitglieder dies aus fachlichen und zeitlichen Gründen nicht leisten könnten. Des Weiteren hätten auch technische Gründe den Verzicht auf eine Losbildung in „Fahrgestell“, „Aufbau“ und „Beladung“ erforderlich gemacht. Insbesondere sei es einsatztaktisch erforderlich gewesen, die Tragkraftspritze TS8 im Wege eines Tiefeinbaus in das Feuerwehrfahrzeug zu integrieren; ein Aufzugssystem wäre ungleich teurer und schulungsintensiver gewesen. Die konkrete Umsetzung des Tiefeinbaus habe sich im Dialog mit den Anbietern hinsichtlich Garantie, Haftung und TÜV-Zulassung als hochkomplex erwiesen; zur Klärung dieser Fragen hätte im Falle einer Losbildung eigens ein Ingenieur angestellt werden müssen, was die Wirtschaftlichkeit der Beschaffung konterkariert hätte. Selbst wenn ein vergaberechtlicher Verstoß vorliegen sollte, sei dieser jedenfalls nicht schwerwiegend. Der Verzicht auf eine Losbildung sei insoweit bereits nicht als Regelbeispiel in Nr. 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien genannt. Es sei auch tatsächlich nicht zu einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs i. S. v. Nr. 4.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien gekommen, da die am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen ohnehin Angebote nach Losen abgegeben hätten. Zudem diene das Gebot der losweisen Vergabe nur dem Mittelstandsschutz; seine Verletzung führe zu keiner Wettbewerbsbeschränkung. Dies zeige sich auch daran, dass vorliegend der Auftrag tatsächlich an ein mittelständisches Unternehmen vergeben worden sei. Überdies sei auch kein vorsätzlicher Verstoß der Klägerin gegen Grundsätze des Vergaberechts i. S. v. Nr. 4.4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien gegeben; allenfalls habe ein fahrlässiges Verhalten vorgelegen. Selbst wenn man einen schweren Vergabeverstoß bejahe, sei die Kürzung der Zuwendung nicht ordnungsgemäß nach Nr. 3.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien ermittelt worden. So habe der Beklagte sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt, ob von den bei schweren Vergabeverstößen gemäß Nr. 3.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien regelmäßig gebotenen förderrechtlichen Konsequenzen im Fall der Klägerin eine Ausnahme zu machen ist, da sich die losweise Ausschreibung eines Feuerwehrfahrzeugs einem objektiven Betrachter nicht zwingend aufdrängen müsse und die Empfehlungen des Deutschen Feuerwehrverbands e.V. nicht verbindlich und insoweit auch nicht eindeutig seien. Hinzu komme, dass der gegenständliche Bescheid keinerlei Ausführungen dazu enthalte, weshalb eine Kürzung der Gesamtzuwendung um 25 v. H. vorgenommen werde. Nr. 3.2 Satz 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien gebe einen Kürzungsrahmen von 20 bis 25 v. H. vor, der im Einzelfall bei Vorliegen besonderer Umstände auch unterschritten werden könne (Satz 5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien). Soweit der Beklagte zur Begründung des Kürzungssatzes von 25 v. H. die Schwere des Vergabeverstoßes anführe, stelle dies eine unzulässige Doppelberücksichtigung dar; denn schließlich sei ein schwerer Vergabeverstoß bereits Voraussetzung für eine Kürzung an sich. Hinsichtlich der Höhe der Kürzung sei daher ein Ermessensdefizit gegeben. Der Beklagte hätte in seiner Ermessensentscheidung auch berücksichtigen müssen, dass es sich bei der Klägerin um eine kleine Gemeinde mit wenig Erfahrung in vergaberechtlichen Feuerwehrangelegenheiten handele. Unabhängig davon sei jedenfalls die in Nr. 3 des gegenständlichen Bescheids festgesetzte Verzinsung rechtswidrig. Offensichtlich sei der Beklagte bei der Ermessensentscheidung nach Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG unzutreffend davon ausgegangen, dass aufgrund seiner Annahme, dass seitens der Klägerin ein Vertretenmüssen der Widerrufsumstände vorliege, eine gebundene Entscheidung dahingehend gegeben sei, nicht von einer Geltendmachung des Zinsanspruchs abzusehen. Insoweit liege ein Ermessensausfall vor. Der Beklagte habe nicht erkannt, dass ihm im Einzelfall ein Ermessen hinsichtlich der Frage des Zinserlasses zustehe, da auch andere Gründe als das gesetzliche Regelbeispiel einen solchen rechtfertigen könnten.

5. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der gegenständliche Teilwiderruf sei rechtmäßig. Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG sei insoweit taugliche Rechtsgrundlage. Ausweislich des Wortlauts von Art. 49 Abs. 2a Satz 1 BayVwVfG setze der Widerruf eines unanfechtbaren Förderbescheids die zweckwidrige Leistungsverwendung (Nr. 1) oder die Nichterfüllung einer Auflage (Nr. 2) voraus; aus diesem Grunde sei die Einhaltung des Vergaberechts ausdrücklich als Auflage in Ziffer II.4 des Förderbescheids aufgenommen worden. Unabhängig davon werde die Einhaltung des Vergaberechts auch in Nr. 3.1 der nach Nr. 3 des Förderbescheids verbindlichen Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) geregelt; bei diesen handele es sich nach der Rechtsprechung um Auflagen i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG. In der Sache sei eine ausnahmsweise Zulässigkeit des Verzichts auf eine Losbildung (§ 97 Abs. 3 Satz 3 GWB, § 2 Abs. 2 Satz 3 VOL/A-EG) nicht gegeben, es verbleibe damit beim Gebot der Losbildung aus § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB, § 2 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG. Es sei nicht zutreffend, dass der Beklagte die Beweislast für das Nichtvorliegen einer Ausnahme vom Gebot der Losbildung trage. Vielmehr sei es Sache der Klägerin als öffentlicher Auftraggeber, das Vorliegen der Voraussetzungen der genannten Ausnahmevorschriften aktenkundig zu begründen (vgl. amtliche Gesetzesbegründung zu § 97 GWB, BT-Drs. 16/10117 v. 13.8.2008, S. 15); unabhängig davon entspreche es den allgemeinen Beweislastregeln, dass derjenige, der sich auf eine Ausnahmeregelung beruft, das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen auch zu belegen habe. Dieser Beweis sei vorliegend seitens der Klägerin nicht geführt worden. Nach dem Vortrag der Klägerin selbst im Klageverfahren sei ihr das Gebot der Losbildung gar nicht bewusst gewesen; eine Begründung zum Verzicht auf eine Losbildung - oder eine Erläuterung zur Thematik der Losbildung an sich - finde sich in den Vergabeunterlagen dementsprechend nicht. Mithin sei ein schwerer Vergabeverstoß gegeben. Zwar seien die Empfehlungen des Deutschen Feuerwehrverbands e.V. in der Tat lediglich unverbindlich; gleichwohl sei die dort empfohlene losweise Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen ein absolut marktgängiges Verfahren, wie die im Rahmen der zuwendungsrechtlichen Stichprobenprüfung vorgelegten Vergabeunterlagen anderer Kommunen nachdrücklich zeigten. Soweit die Klägerin den Verzicht auf eine losweise Vergabe nachträglich damit rechtfertigen wolle, dass eine solche bei einer kleinen Feuerwehr mit ehrenamtlichen Mitarbeitern unwirtschaftlich sei, da externer Rat für die Koordinierung der Lose eingekauft werden müsse, so überzeuge dies nicht; denn die Vergabe eines Feuerwehrfahrzeugs sei im Lichte von Art. 4 BayFwG nicht Aufgabe der Feuerwehr, sondern alleinige Aufgabe der Klägerin als Kommune, die sich insoweit ggf. externen Rat einholen müsse. Der Teilwiderruf sei auch ermessensgerecht. Bei einem Widerruf wegen Nichteinhaltung einer Auflage im Förderungsbescheid komme den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ermessenslenkende Bedeutung zu, so dass regelmäßig nur ein Widerruf des Förderungsbescheids ermessensfehlerfrei sei. Im Rahmen der Ermessensausübung sei die Größe der Klägerin und die Frage, wie häufig dort ein Feuerwehrfahrzeug beschafft werde, nicht von Relevanz; letztlich sei es Aufgabe der Klägerin als Kommune, die eine staatliche Förderung in Anspruch nehmen wolle, sich über die konkreten Anforderungen - ggf. auch durch externen Rat - kundig zu machen. Auch die in Nr. 5 des Teilwiderrufsbescheids geregelte Verzinsung der Rückforderung dem Grunde nach sei rechtmäßig. Nach Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG sei eine Verzinsung zwingend zu fordern gewesen. Ein ausnahmsweises Absehen von einer Verzinsung gemäß Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG sei zwar in der Tat auch bei sonstigen, in der Vorschrift nicht genannten besonderen Umständen, die nicht im Verantwortungsbereich des Betroffenen liegen, möglich. Solche besonderen Umstände auf Tatbestandsebene der Norm seien jedoch vorliegend weder vorgetragen noch ersichtlich gewesen; ein behördlicher Ermessensspielraum sei daher insoweit nicht eröffnet gewesen.

6. Die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat keinen Erfolg.

1. Der streitgegenständliche Teilwiderrufsbescheid vom 17. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren subjektivöffentlichen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

a)Nach Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.

aa) Zunächst ist klarzustellen, dass die Einhaltung des Vergaberechts im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 6. März 2012 wirksam i. S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG beauflagt worden ist.

Zwar kann Gegenstand einer Auflage im Allgemeinen nicht eine Pflicht sein, deren Erfüllung durch den Begünstigten bereits unmittelbar vom Gesetz erwartet und vorausgesetzt wird. Daher sind Bestimmungen, die auf bestehende gesetzliche Verpflichtungen hinweisen oder sie lediglich wiederholen, nicht als Inhalt von Auflagen zulässig. Etwas anderes gilt allerdings, wenn eine gesetzliche Verpflichtung, deren Umfang umstritten ist, fall- bzw. fallgruppenbezogen mit potentieller Verbindlichkeit konkretisiert wird, um die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtung auch in diesen Fällen ggf. mit Zwangsmitteln durchsetzen zu können. Solche Auflagen erfordern allerdings nicht nur die bestimmte Angabe, was der Begünstigte zu tun oder zu unterlassen hat. Vielmehr muss zusätzlich genau angegeben werden, wann dies geschehen soll. Es muss daher der Fall oder die Fallgruppe nachvollziehbar abgegrenzt werden, für die das Tun, Dulden oder Unterlassen verlangt wird (vgl. zum Ganzen: VG Regensburg, U.v. 3.8.2009 - RO 5 K 08.2050 - juris Rn. 24; BSG, U.v. 14.6.1983 - 7 RAr 114/81 - juris Rn. 34; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 36 Rn. 72).

Jedoch enthalten vorliegend die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K), die gemäß Ziffer II.3 des ursprünglichen Bewilligungsbescheids vom 6. März 2012 zu dessen Bestandteil gemacht worden sind, in Nr. 3.1 die Auflage, bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die Vergabegrundsätze anzuwenden, die das Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen aufgrund von § 31 Abs. 2 KommHV bekannt gegeben hat. Weitergehende Bestimmungen, die den Zuwendungsempfänger zur Anwendung von Vergabevorschriften verpflichten (z. B. die §§ 98 ff. GWB i. V. m. der Vergabeverordnung - VgV - in ihrer jeweils geltenden Fassung und den Abschnitten 2 der VOB/A bzw. VOL/A), bleiben unberührt. Wie in Nr. 1 und 5 der Richtlinien zur Rückforderung von Zuwendungen bei schweren Vergabeverstößen (StMF, Bek. v. 23.11.2006, FMBl 2006, 228, StAnz 2006, Nr. 49; im Folgenden: StMF-Rückforderungsrichtlinien) ausgeführt, ist die Einhaltung der gesetzlichen Vergabebestimmungen somit ausdrücklich eine mit dem Bewilligungsbescheid verbundene Auflage i. S. v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG. Eine andere Auslegung ergibt sich weder aus dem Wortlaut von Nr. 3.1 Satz 2 ANBest-K noch aus der einleitenden Formulierung der ANBest-K, wonach diese sowohl Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) i. S.v. Art. 36 BayVwVfG als auch notwendige Erläuterungen enthalten (a.A. zur ANBest-P: OVG RP, U.v. 25.9.2012 - 6 A 10478/12 - juris Rn. 28 f.; VGH BW, U. v. 17.10.2013 - 9 S 123/12 - DVBl 2014, 321 - juris Rn. 26 f.). Denn gegen eine bloße Erläuterung spricht das der Klägerin als Zuwendungsempfängerin ohne weiteres erkennbare Interesse des Beklagten, an eine vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel möglichst weitgehende Konsequenzen knüpfen zu können, nämlich den Widerruf des Bescheids wegen eines Auflagenverstoßes; es handelt sich mithin nicht um einen Hinweis auf nach anderen Regelungen ohnehin bestehende rechtliche Pflichten (ebenso OVG NW, U. v. 22.2.2005 - 15 A 1065/04 - NVwZ-RR 2006, 86/87 - juris Rn. 58-60; vgl. allg. NdsOVG, B.v. 3.9.2012 - 8 LA 187/11 - juris Rn. 13 m. w. N.). Dieses Ergebnis gilt auch oberhalb der EU-Schwellenwerte im Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts. Letztlich soll durch die Auflage die Einhaltung der Vergabegrundsätze auch im Verhältnis zwischen Zuwendungsgeber und Zuwendungsnehmer als Pflicht konstituiert und sichergestellt werden. Insoweit ist es Sinn der Einbeziehung vergaberechtlicher Vorschriften in den Zuwendungsbescheid, hypothetischen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen mittels Durchführung eines formalisierten Verfahrens zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots vorzubeugen und der für den Widerruf zuständigen Behörde solche praktisch kaum durchführbaren Nachforschungen zu ersparen (vgl. OVG NW, U.v. 20.12.2012 - 4 A 1055/09 - NVwZ-RR 2012, 671 - juris Rn. 46 f.; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.1.2016 - 21 ZB 14.1428 - juris Rn. 53; U.v. 9.2.2015 - 4 B 12.2325 - juris Rn. 19; U.v. 18.11.1999 - 4 B 98.534 - juris Rn. 14/24; U.v. 23.10.1996 - 4 B 95.1027 - juris Rn. 30; VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 6 des Entscheidungsumdrucks).

Es kann somit offenbleiben, ob vorliegend auch Ziffer II.2 des ursprünglichen Bewilligungsbescheids, der ebenfalls die Einhaltung der Grundsätze über die Vergabe von Aufträgen im kommunalen Bereich festschreibt, eine Auflage i. S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG darstellt. Aus Sicht des Gerichts spricht jedoch alles dafür; insoweit gelten die obigen Ausführungen zu Nr. 3.1 ANBest-K entsprechend.

bb) Die im ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 6. März 2012 somit enthaltene Auflage der Einhaltung des Vergaberechts i. S.v. Art. 36 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG ist durch die Klägerin nicht erfüllt worden.

(1) Gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB gelten die §§ 97 ff. GWB für Aufträge öffentlicher Auftraggeber, soweit der Auftragswert den gemäß § 2 VgV i. V. m. den jeweiligen EU-Verordnungen festgelegten Schwellenwert erreicht oder überschreitet. Gemäß § 2 Nr. 2 VgV in der zum Zeitpunkt der vorliegenden Vergabe maßgeblichen Fassung der Fünften Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge vom 14. März 2012 betrug der EU-Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungsaufträge EUR 200.000,-. Nach § 97 Abs. 3 Satz 1 GWB sind mittelständische Interessen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vornehmlich zu berücksichtigen. Leistungen sind gemäß § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fachlose) zu vergeben. Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern, § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB. Eine wortgleiche Regelung enthält § 2 Abs. 2 VOL/A-EG.

Die genannten Vorschriften zum Gebot der Losbildung bei öffentlichen Aufträgen dienen nicht nur dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und effektiven Verwendung öffentlicher Mittel, sondern zugleich dem wirtschaftspolitischen Ziel der Mittelstandsförderung, da es hierdurch auch kleineren und stärker spezialisierten Unternehmen ermöglicht wird, sich an dem Wettbewerb der Bieter zu beteiligen. Wie sich schon aus dem Wortlaut der genannten Bestimmungen ergibt, bildet die Vergabe nach Losen die Regel, von der nur im Einzelfall aufgrund sachgerechter Überlegungen abgewichen werden darf. Bei der Prüfung, ob ein vergaberechtlicher Ausnahmetatbestand („wirtschaftliche oder technische Gründe“) von hinreichendem Gewicht vorliegt, steht dem öffentlichen Auftraggeber zwar ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Die angeführten Gründe müssen jedoch einzelfallspezifisch und objektiv nachprüfbar sein, da es die öffentlichen Auftraggeber anderenfalls in der Hand hätten, von dem Grundsatz der Losvergabe schon aufgrund allgemeiner und rein spekulativer Erwägungen abzuweichen. Ein Vorhabensträger, der das Vorliegen der Voraussetzungen einer Ausnahme i. S. v. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB für sich in Anspruch nimmt, trägt insoweit im Rahmen einer verwaltungsgerichtlichen Klage gegen einen Teilwiderruf einer staatlichen Zuwendung die Darlegungs- und Beweislast. Allgemeine wirtschaftliche Vorteile einer (jeden) einheitlichen Vergabe an nur ein Unternehmen - wie z. B. eine zweifelsfreie und umfassende Mängelgewährleistung, einheitliche Verjährungsfristen, ein geringerer Koordinierungsaufwand und die daraus resultierende Möglichkeit einer schnelleren Realisierung des Vorhabens oder auch die geringeren Kosten der Ausschreibung - sind von vornherein ungeeignet, eine einzelfallbezogene Ausnahme i. S. v. § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB zu begründen, denn ansonsten dürfte vom Grundsatz der Losvergabe bei jedem größeren Vorhaben beliebig abgewichen werden. Die Behauptung von bei einer Gesamtvergabe an einen Generalunternehmer gegenüber einer Einzellosvergabe niedrigeren Gesamtkosten bedarf der tatsächlichen Glaubhaftmachung durch den öffentlichen Auftraggeber, etwa im Wege einer vorab durchgeführten summarischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, bei der die beiden Vergabemodelle verglichen werden, oder einer nachträglichen Angabe hinreichender einzelfallspezifischer Umstände (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris Rn. 8-10; VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 7 des Entscheidungsumdrucks).

(2) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass die Klägerin gegen das Gebot der losweisen Vergabe aus § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG verstoßen hat.

Die genannten Vorschriften waren gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB auf die gegenständliche Vergabe des Auftrags zur Lieferung eines neuen Feuerwehrfahrzeugs anwendbar, da der geschätzte Auftragswert vorliegend den im maßgeblichen Zeitraum geltenden EU-Schwellenwert von EUR 200.000,- überschritt. Die Klägerin selbst hat insoweit in der europaweiten Auftragsbekanntmachung unter Ziffer II.1.4 und Ziffer II.2.1 einen geschätzten Auftragswert von EUR 200.000,- bis EUR 300.000,- angegeben (Blatt 65 der Verwaltungsakte, Rückseite) und konsequenterweise das offene Verfahren i. S.v. § 101 Abs. 2 GWB gewählt, das der öffentlichen Ausschreibung im nationalen Verfahren entspricht.

Das mithin zu beachtende Gebot der losweisen Vergabe aus § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG hat die Klägerin vorliegend nicht beachtet. Sie hat zwar formal und begrifflich drei „Lose“ 1-A bis 1-C gebildet (Fahrgestell, Feuerwehrtechnischer Aufbau, Feuerwehrtechnische Beladung, vgl. Blatt 87 der Verwaltungsakte). Im vorangestellten Erläuterungstext der Vergabeunterlagen ist jedoch ausdrücklich ausgeführt, dass die Beschaffung „in 1 Los zusammengefasst“ sei und „nur in ihrem gesamten Umfang vergeben werden“ könne; Angebote könnten nur für den gesamten Lieferumfang eingereicht werden (Blatt 87 der Verwaltungsakte). Hieraus wird deutlich, dass die formale Losbildung nur die Gesamtleistung näher bezeichnet hat, jedoch im Ergebnis tatsächlich von vornherein seitens der Klägerin eine einheitliche Vergabe an nur ein Unternehmen ohne Losbildung intendiert war und letztlich auch erfolgt ist.

Die Voraussetzungen der ausnahmsweisen Zulässigkeit einer einheitlichen Vergabe ohne Losbildung aus § 97 Abs. 3 Satz 3 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 3 VOL/A-EG waren im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Wirtschaftliche oder technische Gründe lagen insoweit nicht vor bzw. wurden durch die insoweit beweispflichtige Klägerin nicht hinreichend substantiiert dargelegt.

Soweit die Klägerin mit Blick auf etwaige wirtschaftliche Gründe argumentiert, dass auch der Deutsche Feuerwehrverband e.V. in seinen unverbindlichen Empfehlungen darauf hinweise, dass neben den wirtschaftlichen Vorteilen bei der losweisen Vergabe auch darauf geachtet werden müsse, dass der Auftraggeber in der Lage sein müsse, koordinierende (technische und organisatorische) Zusatzaufwendungen erbringen zu können, damit bei der praktischen Umsetzung die Lostaufteilung - gerade bei kleinen Feuerwehren - nicht zu unlösbaren technischen Problemen führe (siehe hierzu DFV, Ausschreibung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen, Fachempfehlung Nr. 5 v. 6.6.2012, S. 29), vermag dieser pauschale Vortrag nicht zu überzeugen. Ein erhöhter Koordinierungsaufwand ist jeder Losbildung immanent und daher - wie dargelegt - für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, zur wirtschaftlichen Begründung der Zulässigkeit einer einheitlichen Vergabe ohne Losbildung zu dienen. Der Beklagte hat in diesem Zusammenhang zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass es grundsätzlich Sache der Klägerin als Kommune - und nicht ihrer Freiwilligen Feuerwehr - gewesen wäre, soweit erforderlich externen Sachverstand zum Vergabeverfahren beizuziehen oder auch eine entsprechende Nachfrage an die Vergabestelle der Bewilligungsbehörde zu richten. Die generelle Empfehlung des Deutschen Feuerwehrverbands e.V. hinsichtlich einer losweisen Vergabe von Feuerwehrfahrzeugen (Aufteilung in Fahrgestell, Feuerwehrtechnischer Aufbau, Feuerwehrtechnische Beladung; siehe DFV, Fachempfehlung Nr. 5 v. 6.6.2012, S. 28 f.; Fachempfehlung Nr. 1 v. 2.2.2011, S. 22 f.) verdeutlicht aus Sicht des Gerichts jedoch, dass grundsätzlich eine solche Vergabe marktüblich und auch wirtschaftlich durchzuführen ist. Die Fachempfehlung Nr. 5 enthält hierzu die ausdrückliche Aussage, dass sich bei der Gliederung der Leistungsbeschreibung in der Vergangenheit gezeigt habe, dass vor allem bei der Fahrzeugbeschaffung die Unterteilung in einzelne Lose der Regelfall sei; die Unterteilung in Lose führe häufig zum wirtschaftlichsten Ergebnis, da für jedes Los der leistungsfähigste und damit wirtschaftlichste Anbieter den Zuschlag erhalte (S. 28 f.). Diese Aussagen werden auch durch die vom Beklagten vorgelegten Ausschreibungsunterlagen anderer Kommunen gestützt, die eine losweise Vergabe bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen vorsehen (Blatt 33-40 der Gerichtsakte). Dass eine solche losweise Vergabe im Einzelfall der Klägerin das Vergabeverfahren insgesamt unwirtschaftlich gemacht hätte, wird durch die Klägerin lediglich pauschal behauptet, jedoch letztlich nicht hinreichend substantiiert und einzelfallbezogen - etwa durch eine vor dem Vergabeverfahren erstellte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung - belegt.

Auch technische Gründe für den Verzicht auf eine Losbildung sind nicht gegeben, wie sich aus den überzeugenden Ausführungen der Fachberaterin für Brand- und Katastrophenschutz bei der Regierung von Schwaben in der mündlichen Verhandlung ergibt. Demnach sind alle drei Möglichkeiten des Einbaus einer Tragkraftspritze - Tiefeinbau, Aufzugssystem, stabiler Teleskopauszug - mit einer Aufteilung der Fahrzeugbeschaffung in die vom Deutschen Feuerwehrverband e.V. empfohlenen drei Fachlose vereinbar, da alle Hersteller dies technisch beherrschen. Insbesondere wird durch eine ggf. erforderliche Anpassung des Fahrgestells auch nicht etwa die Haltbarkeit des Feuerwehrfahrzeugs in Frage gestellt. Der erhöhte Koordinationsaufwand, den der von der Klägerin favorisierte Tiefeinbau der Tragkraftspritze mit sich bringt, ist keine Besonderheit, die bei Losbildung durch die Beteiligten nicht bewältigt werden könnte. Damit kommt es auf die von der Klägerin vorgetragenen einsatztaktischen Vorteile des Tiefeinbaus nicht entscheidungserheblich an (vgl. zum Ganzen bereits die Stellungnahme der Fachberaterin v. 4.2.2014 im Verwaltungsverfahren, Blatt 110 der Verwaltungsakte).

cc) Der Beklagte hat auch das in Art. 49 Abs. 2a Satz 1 Nr. 2 BayVwVfG eingeräumte Widerrufsermessen („kann“) rechtsfehlerfrei ausgeübt.

Ermessensentscheidungen unterliegen nur einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (§ 114 Satz 1 VwGO). Dem Gericht ist es deshalb versagt, die behördlichen Ermessenserwägungen durch eigene zu ersetzen; es kann die Entscheidung nur auf Ermessensfehler (Ermessensausfall, Ermessensdefizit, Ermessensfehlgebrauch) hin überprüfen. Diese Prüfung erstreckt sich insbesondere auch darauf, ob die Behörde von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und ob sie die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet und von der ihr eingeräumten Entscheidungsbefugnis in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Gemäß § 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (vgl. allg. BayVGH, U. v. 31.1.2013 - 12 B 12.860 - juris Rn. 27).

Soweit sich Behörden in ihren Ermessenserwägungen auf ermessensleitende Verwaltungsvorschriften stützen, ist zu beachten, dass diese nicht wie Gesetze und Rechtsverordnungen einer eigenständigen richterlichen Auslegung unterliegen. Sie sind verwaltungsinterne Weisungen und dazu bestimmt, für die Verteilung von Fördermitteln Maßstäbe zu setzen; insoweit regeln sie das Ermessen der letztlich für die Verteilung der Mittel zuständigen Stellen und unterliegen demgemäß nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle analog § 114 VwGO. Die Bewilligungsbehörde hat bei der Entscheidung über eine in ihrem Ermessen stehende Subventionsvergabe Entscheidungsspielräume und in gewissem Umfang die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften. Für die verwaltungsgerichtliche Prüfung entscheidend - etwa für die Frage, ob ein schwerer Vergabeverstoß im Sinne der StMF-Rückforderungsrichtlinien vorliegt - ist daher nur, wie die zuständigen Behörden die jeweilige Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) oder die gesetzliche (Subventions-)Zweckbestimmung gebunden sind. Dies gilt besonders für Fälle, in denen der Wortlaut einer Verwaltungsvorschrift unklar und darum auslegungsbedürftig ist. Vorsätzliches oder grob fahrlässiges Handeln ist für die Annahme eines schweren Vergabeverstoßes nicht erforderlich; allein der Umstand einer ungerechtfertigten Einschränkung des Wettbewerbs reicht vielmehr insoweit aus. Die Regelungen des Vergaberechts dienen nicht nur der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit, sondern auch dem wirtschaftspolitischem Interesse des chancengleichen Zugangs zu öffentlichen Aufträgen und damit dem Wettbewerb; deshalb ist es auch unerheblich, ob dem Zuwendungsgeber durch die Nichtbeachtung des Vergaberechts ein wirtschaftlicher Schaden entstanden ist oder nicht. Vielmehr indiziert die Missachtung des Vergaberechts, das (auch) die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe sicherstellen soll, die Unwirtschaftlichkeit (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U.v. 17.1.1996 - 11 C 5/95 - NJW 1996, 1766 - juris Rn. 21; U.v. 1.10.2008 - 11 A 7719/06 - juris Rn. 37; BayVGH, U.v. 5.8.2010 - 4 B 08.2968 - juris Rn. 26; B.v. 18.2.2010 - 4 ZB 09.943 - juris Rn. 5/8; B.v. 4.8.2008 - 4 ZB 06.1321 - juris Rn. 9; U.v. 13.12.2001 - 4 B 01.623 - BayVBl 2002, 498 - juris Rn. 15; VG München, U.v. 13.3.2014 - M 15 K 12.6087 - juris Rn. 37/39; Attendorn, NVwZ 2006, 991/994).

Allerdings entbindet die generalisierende Regelbeurteilung ermessensleitender Verwaltungsvorschriften die Behörde nicht davon, die jeweiligen Einzelumstände angemessen zu würdigen; insbesondere sind im Rahmen der Ermessensausübung wesentliche Abweichungen von dem Regelfall zu berücksichtigen, auf den die ermessensleitende Verwaltungsvorschrift zugeschnitten ist (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2013 - 3 B 58/12 - juris Rn. 8; VGH BW, U.v. 17.10.2013 - 9 S 123/12 - juris Rn. 70). Dies kommt auch in Nr. 3.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien („grundsätzlich“) zum Ausdruck (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.1.2016 - 21 ZB 14.1428 - juris Rn. 44; VG München, U.v. 12.12.2013 - M 15 K 12.397 - juris Rn. 61).

(1) Hiervon ausgehend ist zunächst die Ermessensausübung des Beklagten zugunsten eines Widerrufs an sich nicht zu beanstanden.

Im streitgegenständlichen Teilwiderrufsbescheid vom 17. Juni 2015 hat der Beklagte die ermessensleitenden Regelungen der StMF-Rückforderungsrichtlinien herangezogen. Der Beklagte hat die entgegen § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB bzw. § 2 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG unterbliebene Losbildung bei der Auftragsvergabe durch die Klägerin als schweren Vergabeverstoß i. S.v. Nr. 4. i.V.m Nr. 5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien gewertet (Blatt 115 der Verwaltungsakte).

Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Der Beklagte hat in seinem Bescheid (Blatt 113 der Verwaltungsakte) den klägerischen Vergabeverstoß unter die Regelbeispiele in Nr. 4.2 (ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs) und Nr. 4.4 (vorsätzlicher Verstoß gegen Grundsätze u. a. nach § 97 GWB) der StMF-Rückforderungsrichtlinien subsumiert und von einer weiteren Begründung der Schwere des Vergabeverstoßes abgesehen. Im Lichte des dargelegten eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs bei ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften, der im Kern den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) und die gesetzliche (Subventions-)Zweckbestimmung in den Blick nimmt, ist dies im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.

Da das Gebot der losweisen Vergabe aus § 97 Abs. 3 Satz 2 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 Satz 2 VOL/A-EG - wie ausgeführt - neben dem öffentlichen Interesse an einer sparsamen und effektiven Verwendung öffentlicher Mittel zugleich der Beteiligung von mittelständischen Firmen am Wettbewerb dient (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris Rn. 8), indiziert ein Verstoß hiergegen ohne weiteres eine ungerechtfertigte Einschränkung des Wettbewerbs i. S. v. Nr. 4.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien. Anhaltspunkte, dass dies im vorliegenden Einzelfall nicht so sein könnte, bestehen nicht. Es ist insoweit nicht von Relevanz, dass der Auftrag vorliegend offenbar tatsächlich an ein mittelständisches Unternehmen vergeben worden ist; denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Rahmen einer losweisen europaweiten Ausschreibung auch andere mittelständische Unternehmen - etwa aus dem EU-Ausland - ein Angebot abgegeben hätten (vgl. allg. VG München, U. v. 19.2.2009 - M 10 K 07.5735 - juris Rn. 35). Vor diesem Hintergrund geht auch der Hinweis der Klägerin ins Leere, dass alle am Vergabeverfahren teilnehmenden Unternehmen ohnehin losweise Angebote eingereicht hätten.

Daneben ist vorliegend auch ein (bedingt) vorsätzlicher Verstoß der Klägerin gegen Vergabegrundsätze aus § 97 GWB i. S. v. Nr. 4.4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien gegeben. Hierbei ist maßgeblich zu bedenken, dass die Klägerin beim Absehen von der gebotenen Losbildung in Kenntnis aller relevanten Sachverhaltsumstände handelte. Insbesondere waren die Fachempfehlungen des Deutschen Feuerwehrverbandes e.V. zur Ausschreibung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen der Klägerin zum Zeitpunkt der Durchführung des Vergabeverfahrens bekannt (vgl. Schreiben der Klägerin v. 3.11.2014, Blatt 100 der Verwaltungsakte); dort ist unstreitig das vergaberechtliche Gebot der Losbildung gerade bei der Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen erörtert (vgl. S. 28 f. des Dokuments i. d. F. v. 6.6.2012 und S. 22 f. des Dokuments i. d. F. v. 2.2.2011). Dass die Klägerin eine Verletzung des Vergaberechts nicht bedachte und ihr somit das Unrechtsbewusstsein fehlte, ist ein - insbesondere durch Nachfrage bei der Bewilligungsbehörde - vermeidbarer Verbotsirrtum gewesen, der der Annahme des Vorsatzes nicht entgegensteht (vgl. allg. BayVGH, U.v. 15.12.2011 - 16a D 09.1836 - juris Rn. 103).

Überdies gilt, dass in Nr. 4.5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien die Vergabe an einen Generalübernehmer, sofern diese nicht zugelassen ist, als Regelbeispiel für einen schweren Vergabeverstoß enthalten ist; dieses Regelbeispiel entspricht im Kern dem Verzicht auf eine Losbildung zugunsten einer einheitlichen Vergabe an nur ein (General-)Unternehmen. Hiervon ausgehend hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich eine behördliche Einschätzung, dass es sich bei einem rechtswidrigen Verzicht auf eine losweise Ausschreibung um einen schweren Vergabeverstoß handelt, als ermessensfehlerfrei bestätigt (BayVGH, B.v. 22.10.2014 - 4 ZB 14.1260 - juris; so zuvor auch VG Regensburg, U.v. 13.3.2014 - RO 7 K 13.279 - S. 9 des Entscheidungsumdrucks).

Dass die Verletzung des Gebots der losweisen Ausschreibung nach den StMF-Rückforderungsrichtlinien einen schweren Vergabeverstoß darstellt, belegt auch der Wortlaut von Satz 4 der die Rechtsfolgen schwerer Vergabeverstöße behandelnden Nr. 3.2 der genannten Richtlinien. Dort ist der vorliegende Fall einer vergaberechtswidrig nicht in Teillosen erfolgten Ausschreibung, die sodann grundsätzlich zu einem völligen oder sehr weitgehenden Förderausschluss führt, gerade als Beispiel für das Vorliegen einer erheblichen Härte genannt; hierzu gelangt man gedanklich jedoch nur, wenn in dieser Konstellation grundsätzlich ein schwerer Vergabeverstoß gegeben ist.

Vorliegend handelt es sich um ein Pilotverfahren im Bereich der Zuwendungen an kommunale Feuerwehren; erst seit Ende 2014 überprüfen die Regierungen stichprobenartig die Einhaltung des Vergaberechts durch die Zuwendungsempfänger. Sollte der Beklagte in seiner Rechtsauffassung im vorliegenden Verfahren bestätigt werden, beabsichtigt er, weitere ähnlich gelagerte Fälle aufzugreifen. Gegen ein derart abgestuftes Vorgehen ist mit Blick auf den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV nichts zu erinnern (vgl. allg. BayVGH, U.v. 13.2.2015 - 1 B 13.646 - juris Rn. 37). Unabhängig davon begründen ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften grundsätzlich die Vermutung einer richtlinienkonformen Verwaltungspraxis (vgl. VG München, U.v. 20.1.2011 - M 15 K 09.3661 - juris Rn. 58). Die Einstufung als schwerer Vergabeverstoß entspricht vorliegend auch ersichtlich dem gesetzlichen Subventionszweck.

Bei schweren Vergabeverstößen ist nach Nr. 4. der StMF-Rückforderungsrichtlinien im Regelfall und soweit nicht die Umstände des Einzelfalls eine mildere Beurteilung erfordern (alle Umstände und Gesichtspunkte, auch etwaige Entlastungsmomente, sind in die Beurteilung einzubeziehen), förderrechtlich nach Maßgabe von Nr. 3 der StMF-Rückforderungsrichtlinien zu verfahren. Nach Nr. 3.2 Satz 1 der StMF-Rückforderungsrichtlinien ist bei schweren Vergabeverstößen grundsätzlich ein Widerruf des Zuwendungsbescheids und die Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung vorzunehmen. Dabei ist davon auszugehen, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung das öffentliche Interesse an einer Rückforderung überwiegt (vgl. zum Ganzen: VG München, U. v. 12.12.2013 - M 15 K 12.397 - juris Rn. 62).

In diesem Sinne hat auch das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine Subvention in der Regel zu widerrufen ist, wenn der Widerruf der Bewilligung - wie hier - im behördlichen Ermessen steht. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, bedarf ein Widerruf daher keiner näheren Begründung. Nur dann, wenn der Behörde außergewöhnliche Umstände bekannt geworden oder erkennbar sind, die eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen, sind diese in der Begründung des Bescheids zu erwägen (vgl. zum Ganzen: BVerwG, U. v. 26.6.2002 - 8 C 30/01 - BVerwGE 116, 332 - juris Rn. 37; VG Augsburg, U. v. 15.11.2012 - Au 5 K 12.578 - juris Rn. 45).

Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze hat sich der Beklagte vorliegend aufgrund des Vorliegens eines schweren Vergabeverstoßes ermessensfehlerfrei für den Regelfall des (Teil-)Widerrufs entschieden; er hat insoweit in seinem Bescheid ausdrücklich Bezug auf Nr. 3.2 der StMF-Rückforderungsrichtlinien genommen und ist auf dieser Basis davon ausgegangen, dass im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung das öffentliche Interesse an einer Rückforderung überwiegt (Blatt 115 der Verwaltungsakte). Einer weitergehenden Begründung bedurfte es insoweit nicht. Denn besondere Umstände des Einzelfalls, die das Absehen von einem (Teil-)Widerruf denkbar erscheinen ließen, waren nicht gegeben. Wendet die Behörde eine ermessensbindende Verwaltungsvorschrift an und unterlässt es lediglich, eine Ausnahme zu erwägen, liegt darin kein Ermessensnichtgebrauch (BayVGH, U.v. 9.2.2015 - 4 B 12.2325 - juris Rn. 22). Besondere Umstände des Einzelfalls ergaben sich insbesondere - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht daraus, dass sich die losweise Ausschreibung eines Feuerwehrfahrzeugs einem objektiven Betrachter nicht zwingend aufdrängen müsse und die Empfehlungen des Deutschen Feuerwehrverbands e.V. vergaberechtlich nicht verbindlich und insoweit auch nicht eindeutig seien. Zum einen hat der Beklagte unter Vorlage von Ausschreibungsunterlagen anderer Kommunen (Blatt 33-40 der Gerichtsakte) plausibel dargelegt, dass die losweise Ausschreibung eines Feuerwehrfahrzeugs gängige Praxis ist; zum anderen wäre es Sache der Klägerin als Zuwendungsempfängerin gewesen, etwaige vergaberechtliche Problemstellungen und Unklarheiten durch Beiziehung externen Sachverstands oder auch durch Nachfrage bei der Vergabestelle der Bewilligungsbehörde des Beklagten zu klären.

(2) Auch die vom Beklagten wegen des schweren Vergabeverstoßes vorgenommene Kürzung der Zuwendung um 25 v. H. ist nicht ermessensfehlerhaft.

Nach Nr. 3.2 Satz 3 der StMF-Rückforderungsrichtlinien sind im Interesse eines möglichst einheitlichen Verwaltungsvollzugs und zur gebotenen Gleichbehandlung der Zuwendungsempfänger bei schweren Vergabeverstößen i. S. v. Nr. 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien im Regelfall förderrechtliche Konsequenzen dergestalt zu ziehen, dass die Kosten für die jeweilige Auftragseinheit (z. B. Teillos oder Fachlos), bei der der Verstoß ermittelt wurde, von der Förderung ausgeschlossen werden. Würde der Ausschluss der jeweiligen Auftragseinheit, etwa weil vergaberechtswidrig nicht in Teillosen bzw. nur in großen Teillosen vergeben wurde, zu einem völligen oder sehr weitgehenden Förderausschluss für die Gesamtmaßnahme und damit zu einer erheblichen Härte für den Zuwendungsempfänger führen, kann der Kürzungsbetrag gemäß Nr. 3.2 Satz 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien auf 20 bis 25 v. H. der Gesamtzuwendung beschränkt werden. Es handelt sich hierbei um einen Rahmen, der bei Vorliegen besonderer Gründe sowohl über- als auch unterschritten werden kann (Nr. 3.2 Satz 5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien).

Vorliegend hat der Beklagte in seiner Bescheidsbegründung (Blatt 115 der Verwaltungsakte) zunächst Nr. 3.2 Satz 3 und 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien zitiert und sodann ausgeführt, dass nach pflichtgemäßem Ermessen eine Beschränkung des Kürzungsbetrags i. S.v. Nr. 3.2 Satz 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien auf 25 v. H. der Gesamtzuwendung vorgenommen werde, da die Anwendung von Nr. 3.2 Satz 3 der StMF-Rückforderungsrichtlinien aufgrund der unzulässigen Gesamtvergabe ohne Losbildung einen völligen Förderausschluss ergeben und somit eine erhebliche Härte für die Klägerin dargestellt hätte. Dieser Prozentsatz erscheine angesichts der Schwere des klägerischen Vergabeverstoßes angemessen. Besondere Gründe für einen noch niedrigeren Kürzungssatz i. S.v. Nr. 3.2 Satz 5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien seien nicht ersichtlich.

Unter Berücksichtigung des dargelegten eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs bei ermessensleitenden Verwaltungsvorschriften, der im Kern den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) und die gesetzliche (Subventions-)Zweckbestimmung in den Blick nimmt, ist auch insoweit kein Ermessensfehler ersichtlich. Der Beklagte ist zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich nach Nr. 3.2 Satz 3 der StMF-Rückforderungsrichtlinien vorliegend eine Gesamtrückforderung vorzunehmen gewesen wäre, da der Vergabeverstoß der unterbliebenen losweisen Ausschreibung die Gesamtvergabe betrifft. Sodann hat der Beklagte eine Gesamtrückforderung jedoch zugunsten der Klägerin als erhebliche Härte i. S.v. Nr. 3.2 Satz 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien erachtet und hiervon ausgehend den Kürzungssatz auf 25 v. H. der Gesamtzuwendung beschränkt. Der Beklagte war im Rahmen der Ermessensausübung nicht gehalten, näher zu begründen, warum er innerhalb des von Nr. 3.2 Satz 4 der StMF-Rückforderungsrichtlinien vorgegebenen Rahmens zwischen 20 und 25 v. H. eine Kürzung gerade von 25 v. H. gewählt hat; denn er hat den gewählten Kürzungssatz von 25 v. H. hinreichend damit begründet, dass dieser der Schwere des klägerischen Vergabeverstoßes angemessen sei (Blatt 115 der Verwaltungsakte). In diesem Zusammenhang ist maßgeblich zu bedenken, dass die Klägerin - wie ausgeführt - hinsichtlich des inmitten stehenden schweren Vergabeverstoßes vorsätzlich gehandelt hat. Der Beklagte hat auch keine unzulässige Doppelberücksichtigung des Aspekts der Schwere des Vergabeverstoßes vorgenommen; Grund hierfür ist, dass es - z. B. mit Blick auf fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten - durchaus unterschiedliche Schweregrade innerhalb der Gruppe der schweren Vergabeverstöße geben kann, so dass eine entsprechende Differenzierung möglich und auch sachgerecht ist. Es ist ebenfalls nicht ermessensfehlerhaft, dass der Beklagte keine weitere Reduzierung des Kürzungssatzes i. S. v. Nr. 3.2 Satz 5 der StMF-Rückforderungsrichtlinien vorgenommen hat. Denn besondere Gründe im Sinne der genannten Bestimmung waren nicht gegeben. Solche waren insbesondere nicht darin zu erblicken, dass es sich bei der Klägerin um eine kleine Gemeinde mit wenig Erfahrung in vergaberechtlichen Feuerwehrangelegenheiten handelt. Wie bereits ausgeführt wäre es Sache der Klägerin als Zuwendungsempfängerin gewesen, etwaige vergaberechtliche Problemstellungen durch Beiziehung externen Sachverstands oder auch durch Nachfrage bei der Vergabestelle der Bewilligungsbehörde des Beklagten zu klären. Letztlich ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass der Beklagte durch die vorliegende Kürzung um 25 v. H. der Gesamtzuwendung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) verstoßen hätte. Vielmehr entspricht seine Vorgehensweise - wie dargelegt - den StMF-Rückforderungsrichtlinien (vgl. VG München, U.v. 13.3.2014 - M 15 K 12.6087 - juris Rn. 40).

dd) Der Widerruf der Zuwendungen erfolgte auch innerhalb der einjährigen Entscheidungsfrist aus Art. 49 Abs. 2a Satz 2 BayVwVfG i. V. m. 48 Abs. 4 Satz 1 BayVwVfG (vgl. allg. BayVGH, B.v. 20.1.2016 - 21 ZB 14.1428 - juris Rn. 26; U.v. 25.6.2013 - 10 B 11.2217 - juris Rn. 38; VG München, U.v. 12.12.2013 - M 15 K 12.397 - juris Rn. 76). Selbst wenn man zugunsten der Klägerin davon ausginge, dass der Beklagte bereits mit der E-Mail der Klägerin vom 10. Juli 2014 nebst Anlagen (Blatt 85 ff. der Verwaltungsakte) positive Kenntnis von der Gesamtsachlage erlangt hat, so ist der Bescheid vom 17. Juni 2015 (Blatt 111 ff. der Verwaltungsakte), der am 24. Juni 2015 per Empfangsbekenntnis (Blatt 120 der Verwaltungsakte) zugestellt wurde, noch immer rechtzeitig gewesen.

b) Als rechtliche Folge des Teilwiderrufs sind die bereits erbrachten, mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufenen Zuwendungen i. H. v. EUR 14.500,- gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG zu erstatten. Die gemäß Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG in Nr. 2 des Bescheids vom 17. Juni 2015 erfolgte Festsetzung ist somit rechtmäßig.

c) Auch die in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids geregelte Zinsforderung dem Grunde nach begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG. Der Beklagte hat auch rechtsfehlerfrei nicht von einer Verzinsung abgesehen, da die Voraussetzungen des Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG nicht gegeben sind.

Das in Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG ausdrücklich genannte Regelbeispiel, bei dessen Vorliegen von der Geltendmachung des Zinsanspruchs abgesehen werden kann, ist hier bereits deshalb nicht erfüllt, da die Klägerin - wie ausgeführt - den schweren Vergabeverstoß, der zum teilweisen Widerruf des Bewilligungsbescheids (Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids) geführt hat, zu vertreten hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auf Tatbestandsebene auch kein anderer besonderer Grund ersichtlich, der es neben den in Art. 49a Abs. 3 Satz 2 BayVwVfG beispielhaft („insbesondere“) genannten Voraussetzungen in das Ermessen der Behörde stellen würde, von der Geltendmachung des Zinsanspruchs abzusehen; ein Ermessensfehler muss daher von vornherein ausscheiden (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 20.1.2016 - 21 ZB 14.1428 - juris Rn. 55 f.; B.v. 18.6.2008 - 4 ZB 07.545 - juris Rn. 8; VG München, U.v. 13.3.2014 - M 15 K 12.6087 - juris Rn. 50).

2. Nach alledem ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 14.500,- festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

(1) Die Vergabeunterlagen umfassen alle Angaben, die erforderlich sind, um dem Bewerber oder Bieter eine Entscheidung zur Teilnahme am Vergabeverfahren zu ermöglichen. Sie bestehen in der Regel aus

1.
dem Anschreiben, insbesondere der Aufforderung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen oder Angeboten oder Begleitschreiben für die Abgabe der angeforderten Unterlagen,
2.
der Beschreibung der Einzelheiten der Durchführung des Verfahrens (Bewerbungsbedingungen), einschließlich der Angabe der Eignungs- und Zuschlagskriterien, sofern nicht bereits in der Auftragsbekanntmachung genannt, und
3.
den Vertragsunterlagen, die aus der Leistungsbeschreibung und den Vertragsbedingungen bestehen.

(2) Der Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. August 2003 (BAnz. Nr. 178a) ist in der Regel in den Vertrag einzubeziehen. Dies gilt nicht für die Vergabe von Aufträgen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflichen Tätigen angeboten werden und deren Gegenstand eine Aufgabe ist, deren Lösung nicht vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
X ZR 66/15
vom
10. Mai 2016
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Industriebrache
VOB/A (2012) § 16 Abs. 6 Nr. 3
Ist der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, bedarf es im Unterschwellenbereich
auch bei der Zulassung von Nebenangeboten nicht in jedem
Fall der Festlegung von Kriterien zur Angebotswertung. Dies ist vielmehr
nur dann der Fall, wenn ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das
wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten
bestimmt werden kann (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 8. September
1998 - X ZR 109/96, BGHZ 139, 273, 278).
BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 - X ZR 66/15 - OLG Nürnberg
LG Weiden i.d. OPf.
ECLI:DE:BGH:2016:100516BXZR66.15.0

Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die Richter Gröning und Dr. Grabinski sowie die Richterinnen Schuster und Dr. Kober-Dehm

beschlossen:
Die Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 26. Mai 2015 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen. Der Wert des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 124.297,30 € festgesetzt.

Gründe:


1
I. Die beklagte Gemeinde machte im April 2013 eine öffentliche Ausschreibung nach den Basisparagrafen der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A (VOB/A) bekannt, die den Abbruch einer Industriebrache mit Ausführung von Abbruchleistungen, Recycling des Abbruchguts und Geländeauffüllung zum Gegenstand hatte. Nach dem Bekanntmachungstext waren Nebenangebote zugelassen. Als Teil der Vergabeunterlagen verwendete die Beklagte das Formblatt 211 des Vergabehandbuchs Bayern mit folgenden Vorgaben für Nebenangebote (Anlage K1):
2
Auf die Angaben zu Nebenangeboten folgen im Formblatt 211 unter dem Gliederungspunkt 6 Rubriken, in denen Wertungskriterien durch Ankreuzen festgelegt werden können, und zwar alternativ für Straßen- und Hochbau. In diesen Rubriken war nichts angekreuzt.
3
Die zu den Vergabeunterlagen gehörenden Bewerbungsbedingungen (Anlage B3) enthielten folgende Klauseln: "… 5.1 Soweit an Nebenangebote Mindestanforderungen gestellt werden, müssen diese erfüllt werden; im Übrigen müssen sie im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sein. Die Erfüllung der Mindestanforderungen bzw. die Gleichwertigkeit ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen. 5.2 Der Bieter hat die in Nebenangeboten enthaltenen Leistungen eindeutig und erschöpfend zu beschreiben; die Gliederung des Leistungsverzeichnisses ist, soweit möglich, beizubehalten. 5.3 Nebenangebote müssen alle Leistungen umfassen, die zu einer einwandfreien Ausführung der Bauleistung erforderlich sind. …"
4
Im Submissionstermin erwies sich das Angebot der Klägerin als das preiswerteste Hauptangebot. Die Beklagte erteilte den Zuschlag indes auf ein günstigeres Nebenangebot.
5
Mit ihrer Klage hat die Klägerin entgangenen Gewinn verlangt. Sie hat geltend gemacht, ihr hätte der Zuschlag erteilt werden müssen, weil Nebenangebote nach Nummer 5.2 des Formblatts 211 nur für Straßenbauarbeiten zugelassen gewesen seien, denen der ausgeschriebene Auftrag aber nicht zuzurechnen sei; Nebenangebote hätten zudem nicht gewertet werden dürfen, weil dafür keine Mindestanforderungen bestimmt gewesen seien; schließlich habe der Wertung von Nebenangeboten nicht anders als im Geltungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen entgegengestanden , dass der Preis als einziges Wertungskriterium vorgesehen gewesen sei.
6
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die dagegen eingelegte Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen (OLG Nürnberg, VergabeR 2015, 723). Hiergegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin.
7
II. Das Berufungsgericht hat die Vergabeunterlagen dahin ausgelegt, dass Nebenangebote in Verbindung mit einem Hauptangebot abgegeben werden konnten. Es ist des Weiteren davon ausgegangen, dass, anders als im Geltungsbereich von § 16 EG Abs. 7 VOB/A, die Wertungskriterien nicht vorab bekanntgegeben werden mussten und dass der Preis in Anbetracht des anzuwendenden § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2012 nicht alleiniges Wertungskriterium gewesen sei. Angesichts dessen sei die Wertung des Nebenangebots unbedenklich.
8
III. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).
9
1. Die von der Beschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, ob Nebenangebote außerhalb des Anwendungsbereichs des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht gewertet werden dürfen, wenn dafür weder Mindestanforderungen bestimmt noch transparente Wertungskriterien bekanntgegeben wurden und ein Bieter aus der Ausschreibung des Hauptangebots den Eindruck erlangen musste, dass nur auf den niedrigsten Angebotspreis abgestellt werden solle, stellt sich nicht. Denn das Berufungsgericht hat angenommen, dass letzteres gerade nicht der Fall war, die Bieter vielmehr erkennen konnten, dass der Zuschlag gemäß § 16 Abs. 6 Nr. 3 VOB/A 2012 auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden sollte, für dessen Ermittlung verschiedene Wertungskriterien in Betracht kommen. Das wirtschaftlichste Angebot ist dabei nicht das Angebot mit dem niedrigsten Angebotspreis, sondern das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis; § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 3 VOB/A 2012 besagt demgemäß ausdrücklich, dass der niedrigste Angebotspreis allein nicht entscheidend ist.
10
Dies entspricht insoweit der Rechtslage nach § 127 Abs. 1 GWB in der Fassung des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes (BGBl. 2016 I, S. 203). Das wirtschaftlichste Angebot bestimmt sich danach nach dem besten Preis- Leistungs-Verhältnis. Zu dessen Ermittlung können neben dem Preis oder den Kosten auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Aspekte berücksichtigt werden (§ 127 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GWB nF). Auch wenn nach § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b Satz 2 VOB/A 2016 Nebenangebote auch zugelassen werden dürfen, wenn der Preis das einzige Zuschlagskriterium ist (und Entsprechendes nach § 35 Abs. 2 Satz 3 VgV nF [BGBl. 2016 I, S. 624], § 8 EU Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b Satz 3 VOB/A 2016 einheitlich für die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen im Anwendungsbereich des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen gilt), entbinden diese Bestimmungen doch nicht von der Beachtung des gesetzlichen Grundsatzes, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt wird und sich das wirtschaftlichste Angebot nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt (§ 127 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GWB). Nur wenn dies nach dem Gegenstand des Auftrags und der Gesamtheit der Vergabeunterlagen erreicht werden kann, darf der Preis einziges Zuschlagskriterium sein (vgl. auch BT-Drucks. 18/6281 S. 111 f. zu RegE § 127 Abs. 1 GWB). Andernfalls würde das Ziel der Ausschreibung verfehlt, durch die Vergabe öffentlicher Aufträge im Wettbewerb (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB) das effizienteste und damit für den Auftraggeber kostengünstigste Angebot hervorzubringen (BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014 - X ZB 15/13, BGHZ 199, 327 Rn. 17 - Stadtbahnprogramm Gera).
11
2. Die Zulassung der Revision ist ebenso wenig zur Klärung der Frage geboten, ob auch im Unterschwellenbereich die Zulassung von Nebenangeboten die Formulierung von Mindestanforderungen und die Festsetzung transparenter Wertungskriterien erfordert.
12
a) Die Formulierung von Mindestanforderungen ist, wie auch die Beschwerde nicht verkennt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 30. August 2011 - X ZR 55/10, VergabeR 2012, 26 - Regenentlastung ) nicht erforderlich.
13
b) Die Frage, inwieweit Wertungskriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots formuliert werden müssen, ist in der von der Beschwerde formulierten Allgemeinheit im Streitfall nicht entscheidungserheblich.
14
(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die Wertungskriterien in einer öffentlichen Ausschreibung nicht bekanntgegeben werden müssten und in der Regel nicht im Einzelfall von der Vergabestelle bestimmt, sondern durch das "Prüfprogramm des § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A" (jetzt: § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2016) vorgegeben würden. Ob dem in dieser Allgemeinheit beigetreten werden kann, ist fraglich. Die in § 16 Abs. 6 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2012 aufgeführten Gesichtspunkte für die Angebotswertung sind nicht abschließend und auch nicht sämtlich dafür gedacht, in jedem in Betracht kommenden Fall angewendet zu werden; dies gilt insbesondere für Kriterien wie Ästhetik und Umwelteigenschaften, die sich im Allgemeinen einer unmittelbaren Berücksichtigung bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit eines Angebots entziehen. Wäre es dem Auftraggeber gestattet, bei der Angebotswertung die relevanten Gesichtspunkte frei zu bestimmen, bestünde die Gefahr einer willkürlichen Auswahl (BGH, Urteil vom 8. September 1998 - X ZR 109/96, BGHZ 139, 273, 278).
15
(2) Daraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass es außerhalb des Geltungsbereichs des Vierten Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in jedem Fall der Festlegung bzw. Bekanntgabe von Kriterien zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots bedürfte. Vielfach wird sich objektiv bestimmen lassen und folglich für die anbietenden und deshalb sachkundigen Unternehmen auf der Hand liegen, welche der in § 16d Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 VOB/A 2016 aufgeführten Wertungskriterien nach den gesamten Umständen insbesondere nach Art des zu beschaffenden Gegenstands in Betracht kommen , und deshalb keine Gefahr einer intransparenten Vergabeentscheidung besteht. Etwas anderes kann gelten, wenn nach Lage der Dinge ohne ausdrücklich formulierte Wertungskriterien das wirtschaftlichste Angebot nicht nach transparenten und willkürfreien Gesichtspunkten bestimmt werden kann. Es hängt von den Umständen des Einzelfalles, insbesondere vom Gegenstand des ausgeschriebenen Auftrags und der Detailliertheit des Leistungsverzeichnisses ab, ob und inwieweit es hiernach der vorherigen Festsetzung von Wertungskriterien bedarf, die dann aus Transparenzgründen aber auch bekanntzumachen sind, auch wenn dies im ersten Abschnitt der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen an sich nicht vorgesehen ist (vgl. BGHZ 139, 273, 278).
16
(3) Die Beschwerde zeigt nicht auf, inwiefern die unterbliebene Festlegung von Wertungskriterien im Streitfall einer transparenten und willkürfreien Angebotswertung entgegengestanden haben könnte.
17
Die Beschwerde geht davon aus, dass der Preis das alleinige Wertungskriterium gewesen ist und das Nebenangebot, auf das der Zuschlag erteilt wurde , deshalb günstiger gewesen ist, weil es einen niedrigeren Preis auswies. Dass damit das wirtschaftlichste Angebot verfehlt wurde, macht sie nicht geltend. Hiergegen war in den Vergabeunterlagen auch dadurch Vorkehr getroffen, dass der Auftraggeber nach Nr. 5.1 der Bewerbungsbedingungen prüfen musste , ob Nebenangebote im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sind. War diese Voraussetzung erfüllt, war die Wertung der Angebote nach dem Preis jedenfalls solange zur Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots geeignet, wie nicht greifbare Anhaltspunkte dafür hervortraten, dass hierdurch das jeweilige Preis-Leistungs-Verhältnis nicht sachgerecht erfasst werden konnte. Hierzu bringt die Beschwerde nichts vor, und dies liegt nach dem Gegenstand des Auftrags auch fern.
18
3. Von einer weiteren Begründung wird nach § 544 Abs. 4 Satz 2 ZPO abgesehen.
19
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Meier-Beck Gröning Grabinski Schuster Kober-Dehm
Vorinstanzen:
LG Weiden i.d. OPf., Entscheidung vom 03.06.2014 - 12 O 438/13 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.05.2015 - 1 U 1430/14 -

(1) Für Amtshandlungen der Vergabekammern werden Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBl. I S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.

(2) Die Gebühr beträgt mindestens 2 500 Euro; dieser Betrag kann aus Gründen der Billigkeit bis auf ein Zehntel ermäßigt werden. Die Gebühr soll den Betrag von 50 000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100 000 Euro erhöht werden.

(3) Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die Kosten zu tragen. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner. Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden. Hat sich der Antrag vor Entscheidung der Vergabekammer durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, ist die Hälfte der Gebühr zu entrichten. Die Entscheidung, wer die Kosten zu tragen hat, erfolgt nach billigem Ermessen. Aus Gründen der Billigkeit kann von der Erhebung von Gebühren ganz oder teilweise abgesehen werden.

(4) Soweit ein Beteiligter im Nachprüfungsverfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zu tragen. Die Aufwendungen der Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, soweit sie die Vergabekammer aus Billigkeit der unterlegenen Partei auferlegt. Hat sich der Antrag durch Rücknahme oder anderweitig erledigt, erfolgt die Entscheidung, wer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen anderer Beteiligter zu tragen hat, nach billigem Ermessen; in Bezug auf die Erstattung der Aufwendungen der Beigeladenen gilt im Übrigen Satz 2 entsprechend. § 80 Absatz 1, 2 und 3 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend. Ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren findet nicht statt.