I.
Die Klägerin betreibt eine Wein- und Sektkellerei. Die Parteien streiten um die Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer für einen „Qualitätswein Franken“.
Die Klägerin hat ihren Sitz in Z. im Bundesland R.-P.
Unter dem 9. April 2018 beantragte sie beim Beklagten - Weinprüfstelle der Regierung von U. - die Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer … für 2.411 Liter Weißwein der Rebsorte Müller-Thurgau aus dem Jahr 2017. Nach den Angaben der Klägerin besteht der Wein zu 86,3% aus Trauben des Bereichs Volkacher Mainschleife, Großlage Volkacher Kirchberg und zu 13,7% aus Trauben des Bereichs Volkacher Mainschleife, Großlage Dettelbacher Honigberg; im Antrag wurde darauf hingewiesen, dass der Wein von der Klägerin am 5. April 2018 in Z. in Literflaschen abgefüllt worden ist.
Mit Bescheid vom 8. Juni 2018 lehnte der Beklagte die Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer … ab und legte fest, dass dieser Wein nicht als „Qualitätswein“ oder „Prädikatswein“ gekennzeichnet in den Verkehr gebracht werden darf. Dies wurde damit begründet, nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 WeinG sei die Voraussetzung für die Zuteilung einer amtlichen Prüfungsnummer für einen abgefüllten inländischen Wein u.a., dass er den Vorschriften der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, des Weingesetzes oder einer entsprechenden Verordnung entspreche. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Ein derartiger Rechtsakt sei die Produktspezifikation „Franken“, welche für Weine mit der geschützten Ursprungsbezeichnung „Franken“ in Ziffer 3 letzter Absatz bestimme, dass die Herstellung, nachgelagerte Verfahren und die Abfüllung u.a. von Qualitätswein mit dem geschützten Namen „Franken“ im Anbaugebiet Franken, in dem zum Anbaugebiet zugehörigen oder benachbarten Bundesland erfolgen müsse. Das Anbaugebiet Franken liege im Bundesland Bayern. Bayerns benachbarte Bundesländer seien Baden-Württemberg, Hessen, Sachsen und Thüringen. Der Abfüllort Z. sei jedoch im Bundesland Rheinland-Pfalz gelegen. Die Produktspezifikation „Franken“ sei im „Register der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geschützten geografischen Angaben“ eingetragen und in die elektronische Datenbank „E-Bacchus“ eingestellt; damit genieße die Bezeichnung „Franken“ rechtlichen Schutz. Zudem werde vorliegend anstelle der „geschützten Ursprungsbezeichnung“ der traditionelle und in die elektronische Datenbank „E-Bacchus“ eingetragene Begriff „Qualitätswein“ verwendet. Die Bestimmungen über die Anforderungen und Eigenschaften u.a. von Qualitätsweinen seien gemäß § 16a WeinG Teil der Produktspezifikationen. Der Begriff „Qualitätswein“ dürfe nur dann genutzt werden, wenn dem Wein eine amtliche Prüfungsnummer erteilt worden sei.
II.
Am 20. Juni 2018 ließ die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und beantragen,
Der Bescheid des Beklagten vom 8. Juni 2018 wird aufgehoben.
Der Beklagte wird verurteilt, über den Antrag der Klägerin auf Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer … für einen Qualitätswein Franken, Müller-Thurgau, vom 9. April 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Zur Begründung wurde vorgetragen, die vom Beklagten herangezogene Produktspezifikation sei unbeachtlich, da sie mit höherrangigem Recht der Europäischen Union nicht vereinbar sei. Art. 93 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 verlange lediglich, dass ein Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung im Gebiet der geschützten Ursprungsbezeichnung hergestellt werde. Eine Abfüllung dort verlange die Vorschrift nicht. Dies ergebe sich daraus, dass die Abfüllung nicht Teil der Herstellung sei. Zwar dürfe die Produktspezifikation über Art. 93 VO (EU) Nr. 1308/2013 hinausgehende Anforderungen stellen, dies gemäß Art. 94 Abs. 2 Buchst. a) VO (EU) Nr. 1308/2013 aber nur dann, wenn diese Anforderungen objektiv und nicht diskriminierend sowie mit dem Unionsrecht vereinbar seien. Auf der Grundlage des sog. Rioja-Urteils des Europäischen Gerichtshofs stelle die Beschränkung der Verpackung eines Weinbauerzeugnisses mit einer Ursprungsbezeichnung auf ein bestimmtes geografisches Gebiet eine Beschränkung des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Damit könne eine solche Beschränkung nur dann vorgeschrieben werden, wenn sie zur Erhaltung des Ansehens der Ursprungsbezeichnung erforderlich, verhältnismäßig und geeignet sei. Nach Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009 müsse in der Produktspezifikation eine räumliche Einschränkung der Verpackung gerechtfertigt werden. Eine solche Rechtfertigung finde sich in der vorliegenden Produktspezifikation nicht.
Ein Grund für eine solche Rechtfertigung sei auch nicht ersichtlich. Die Klägerin fülle seit spätestens Beginn der neunziger Jahre Weine aus dem Anbaugebiet Franken in Z. ab. Er habe in den letzten 20 Jahren über 650 amtliche Prüfnummern erhalten. Qualitative Mängel habe es nicht gegeben. Die Produktspezifikation sei im Rahmen der Umstellung des Europäischen Weinrechts für den bestehenden geschützten Weinnamen „Franken“ der Europäischen Kommission vorgelegt, von dieser jedoch nicht geprüft worden. Dennoch müsse Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009 auch für derartige nachgereichte Produktspezifikationen gelten.
Gründe dafür, abweichend von dem bis zum Jahr 2009 geltenden Recht eine Abfüllung im Anbaugebiet (oder im benachbarten Bundesland) zu fordern, seien nicht ersichtlich. Die Weinbaukontrolle in Deutschland funktioniere hervorragend, so dass in jedem Bundesland eine Abfüllung möglich sei. Zudem sei der Transport von Wein nach Z. nicht mit einer größeren Belastung verbunden als z.B. nach Konstanz in Baden-Württemberg in ein an das Bundesland Bayern angrenzendes Bundesland.
Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, in früheren Jahren hätten andere weinrechtliche Bestimmungen hinsichtlich des Ortes der Abfüllung gegolten. Die Behauptung, dass es keine qualitativen Mängel bei der zur Prüfung angestellten Weine gegeben habe, gehe fehl; die Anstellungen der Klägerin hätten sowohl hinsichtlich Erfolgsquote als auch hinsichtlich Bewertung der erfolgreichen Weine stark unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt. Die geografische Einschränkung der Füllorte sei entgegen Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009 in der Produktspezifikation „Franken“ nicht begründet worden, allerdings sei die in der Produktspezifikation enthaltene Formulierung zwischen der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelrecht und dem Fränkischen Weinbauverband abgestimmt worden. Dies sei aus Gründen der Produktsicherheit erfolgt, weil der Charakter und die besondere Qualität eines Produkts mit geschützter Ursprungsbezeichnung auf den besonderen geografischen Verhältnissen sowie den natürlichen und menschlichen Faktoren beruhe. Im Hinblick auf die Profilierung und das besondere Ansehen des Frankenweins müsse auch die Abfüllung innerhalb der geschützten Ursprungsbezeichnung Franken oder zumindest in dem zum Anbaugebiet zugehörigen oder in einem benachbarten Bundesland erfolgen. Das ursprüngliche Fehlen der Begründung in der Produktspezifikation sei mit der Nachschiebung der Begründung heilbar. Die Notwendigkeit der Regelung ergebe sich auch daraus, dass die Klägerin überdurchschnittlich oft Weine zur Qualitätsweinprüfung anstelle, die nicht den an einen Qualitätswein zu stellenden Anforderungen genügten.
Damit stelle der Verstoß gegen die Bestimmungen in der Produktspezifikation „Franken“ einen Verstoß gegen einen Rechtsakt i.S.d. § 19 Abs. 3 Nr. 2 WeinG dar. Damit sei die amtliche Prüfungsnummer zu versagen.
Dem ließ die Klägerin entgegenhalten, der Vortrag des Beklagten zu den qualitativen Mängeln der Weine der Klägerin sei verzerrt. Im Jahr 2018 habe die Klägerin auch 35 Weine zur Prüfung angestellt, die in Franken abgefüllt worden seien, hiervon seien 16 Weine abgelehnt worden. An der Tatsache, ob die Weine innerhalb oder außerhalb des Anbaugebiets abgefüllt worden seien, könne es also nicht liegen.
Eine Rechtfertigung i.S.d. Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009 liege trotz einer möglicherweise vorhandenen, aber von der Klägerin bestrittenen Abstimmung der verschiedenen Institutionen nicht vor. Derartige Gründe für eine Einschränkung müssten in der Produktspezifikation selbst genannt werden. Zudem erlaube Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009 die Einschränkung bei der Abfüllung nur, wenn die Abfüllung im geschützten Gebiet selbst durchgeführt werden müsse. Eine Einschränkung der Abfüllung lediglich auf angrenzende Bundesländer sehe die Vorschrift gerade nicht vor.
Die Produktspezifikation sei in vollem Umfang durch das Verwaltungsgericht überprüfbar, da sie von der Europäischen Kommission noch nicht überprüft worden sei. Die Produktspezifikation sei auch nicht in einem demokratisch legitimierten Verfahren zustande gekommen.
Hierauf erwiderte der Beklagte, die Ablehnungsquoten hinsichtlich der von der Klägerin angestellten Weine lägen in den letzten Jahren bei 60,7%, 22,6%, 56,5% und 47,5%, während die Ablehnungsquoten für alle Anstellbetriebe im Durchschnitt bei 8,1%, 4,5%, 4,9% und 5,6% lägen.
Bei der Erstellung der Produktspezifikation „Franken“ habe man die Ursprungsbezeichnung besonders schützen wollen und deshalb auch die Abfüllung in Anlehnung an die bis dahin praktizierten Vorgehensweisen aufgenommen. Die EU-Kommission habe die Produktspezifikation nicht moniert oder korrigiert.
Die streitige Regelung habe keinesfalls unabsichtlich Eingang in die Produktspezifikation gefunden. Das ursprüngliche Fehlen der Begründung sei heilbar. Da es wesentliches Ziel gewesen sei, den Abfüllort so weit wie möglich einzugrenzen, sei im Rahmen der teleologischen Auslegung festzustellen, dass eine Abfüllung ausschließlich im bestimmten Gebiet Franken gewollt gewesen sei.
Die Klägerin ließ hiergegen einwenden, wäre die Einschränkung hinsichtlich des Abfüllorts in die Produktspezifikation bewusst aufgenommen worden, wäre es dem Beklagten nicht erst im Jahr 2017 aufgefallen, dass es diese Einschränkung gebe. Zudem sei der Beklagte nicht mehr zuständig für die Aufstellung von Produktspezifikationen, so dass er auch keine Abwägungen mehr nachliefern könne.
Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 4. April 2019, auf das weitere schriftsätzliche Vorbringen der Parteien sowie auf den Inhalt der einschlägigen Verwaltungsakten des Beklagten, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Begehren der Klägerin, den Beklagten unter Aufhebung von dessen Bescheid vom 8. Juni 2018 dazu zu verpflichten, erneut über den Antrag vom 9. April 2018 auf Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer … für einen Qualitätswein Franken der Rebsorte Müller-Thurgau unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden. Im Wesentlichen geht es hierbei um die Frage, ob der Beklagte der Klägerin für den streitgegenständlichen Wein ausschließlich deshalb die amtliche Prüfungsnummer versagen durfte, weil dieser in Z. und damit weder in Bayern noch in einem direkt an Bayern angrenzenden Bundesland abgefüllt worden ist, dies unabhängig von der Frage, ob der Wein die für dieses Erzeugnis typischen Bewertungsmerkmale aufweist.
Die zulässige Klage ist begründet. Die Ablehnung der Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Dies ergibt sich daraus, dass der Beklagte der Klägerin die Erteilung der begehrten amtlichen Prüfungsnummer nicht mit der Begründung, der Wein sei nicht in Bayern oder in einem an Bayern angrenzenden Bundesland, sondern in Rheinland-Pfalz abgefüllt wurde, verweigern durfte. Da aufgrund der bislang nicht durchgeführten organoleptischen Untersuchung die Sache noch nicht spruchreif ist, war der Beklagte zu verpflichten, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 VwGO).
Zu Unrecht hat sich der Beklagte zur Begründung seines ablehnenden Bescheides vom 8. Juni 2018 auf § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Weingesetzes (WeinG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2011 (BGBl. I, 66), zuletzt geändert durch Art. 9 Gesetz vom 27. Juni 2017 (BGBl. I, 1966) gestützt.
Nach § 19 Abs. 1 WeinG darf u.a. abgefüllter inländischer Wein als Qualitätswein nur bezeichnet werden, wenn für ihn auf Antrag eine amtliche Prüfungsnummer zugeteilt worden ist. Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 WeinG wird eine amtliche Prüfungsnummer einem derartigen Erzeugnis nach systematischer organoleptischer und analytischer Untersuchung zugeteilt, wenn es (1.) die für dieses Erzeugnis typischen Bewertungsmerkmale aufweist und (2.) den Vorschriften der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union, dieses Gesetzes oder der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen entspricht.
Der Beklagte vertritt die Rechtsmeinung, die Abfüllung des Weines in Z. im Bundesland Rheinland-Pfalz verstoße gegen die Regelungen der „Produktspezifikation Franken“ und stelle damit einen Verstoß gegen einen Rechtsakt im Sinne des § 19 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 WeinG dar. Dem kann das Gericht nicht folgen. Die Abfüllung eines Qualitätsweins Franken mit amtlicher Prüfungsnummer in Z. widerspricht weder Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union noch dem Weingesetz noch aufgrund des Weingesetzes erlassenen Rechtsverordnungen.
Auf der Ebene des Rechts der Europäischen Union finden sich die maßgeblichen weinrechtlichen Bestimmungen zunächst in der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über eine gemeinsame Marktorganisation für landwirtschaftliche Erzeugnisse und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 922/72, (EWG) Nr. 234/79, (EG) Nr. 1037/2001 und (EG) Nr. 1234/2007 (ABl. EG Nr. L 347, S. 671 bis 854) - VO (EU) Nr. 1308/2013. Diese beruhen auf einer grundlegenden Änderung des Europäischen Rechts hinsichtlich der Erzeugung von Wein.
Nach dem bis zum 31. Juli 2009 geltenden Europäischen Recht war Wein in die Gütegruppen Tafelwein und Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (Qualitätswein b. A.) unterteilt. Hinsichtlich des Bereichs Qualitätswein beschränkte sich die Gemeinschaft darauf, Rahmenbedingungen festzulegen; diese Rahmenbedingungen wurden im Einzelnen benannt und waren von den Mitgliedstaaten ausfüllbar. Diese durften unter bestimmten Voraussetzungen ergänzende oder strengere Regelungen für die Erzeugung und Verarbeitung von Qualitätswein b. A. anwenden. Damit sollte den unterschiedlichen Rechtstraditionen und verschiedenen regionalen Verhältnissen klimatischer und wirtschaftlicher Art Rechnung getragen werden (vgl. im Einzelnen Koch/Eichele, Der Standardkommentar zum Weinrecht, Online-Kommentar, Stichwort Qualitätswein b. A., Ziffer 2, abgerufen am 4.4.2019, unter Bezugnahme auf die einschlägigen Vorschriften der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein (ABl. EG Nr. L 179, S. 1 bis 84 - VO (EG) Nr. 1493/1999)).
Mit der Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates vom 29. April 2008 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein, zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1493/1999, (EG) Nr. 1782/2003, (EG) Nr. 1290/2005, (EG) Nr. 3/2008 und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 2392/86 und (EG) Nr. 1493/1999 (ABl. EG Nr. L 148, S. 1 bis 61) - VO (EG) Nr. 479/2008 - wurde das Weinbezeichnungsrecht grundlegend geändert. Diese Änderungen bestehen in der derzeit aktuellen VO (EU) Nr. 1308/2013 fort. Zum 1. April 2009 wurde die Einteilung der Weine innerhalb der Europäischen Union in Tafelwein und Qualitätswein ersetzt durch ein System, in dem zwischen Wein mit geschützter Herkunftsangabe und Wein ohne geschützte Herkunftsangabe differenziert wird. Wein mit geschützter Herkunftsangabe wird zudem unterteilt in Wein mit geschützter geografischer Angabe und Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung.
Um trotz dieser Systemumstellung (hin zu den Grundsätzen des romanischen Weinbezeichnungsrechts - vgl. hierzu insbesondere das System der französischen Appellation Contrôlée), die Möglichkeit zu schaffen, das bisherige Bezeichnungssystem beibehalten zu können, dürfen „bestehende geschützte Weinnamen“ anstelle einer geschützten Ursprungsbezeichnung verwendet werden. Diese sind automatisch geschützt (vgl. EuG; U.v. 18.11.2015 - T-659/14 „Port Charlotte/Porto/Port - juris LS 1 und Rn. 37). Hierzu gehören u.a. die in § 3 WeinG festgelegten Weinbaugebiete, also auch gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 WeinG das Anbaugebiet Franken. Um anzuzeigen, dass es sich bei einer solchen Weinbezeichnung um eine geschützte Ursprungsbezeichnung (oder um einen bestehenden geschützten Weinnamen) handelt, darf gemäß Art. 112 VO (EU) Nr. 1308/2013 anstelle des Begriffs „geschützte Ursprungsbezeichnung“ bzw. „g. U.“ ein traditioneller Begriff verwendet werden. Ein derartiger traditioneller Begriff ist u.a. der Begriff „Qualitätswein“ (vgl. Koch/Eichele, a.a.O.).
In der VO (EU) Nr. 1308/2013 sind keine Vorschriften enthalten, die die Abfüllung eines Weins mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung bzw. eines Qualitätsweins örtlich einschränken.
Örtliche Einschränkungen finden sich in Art. 93 Abs. 1 Buchst. a) VO (EU) Nr. 1308/2013. Nach dieser Vorschrift bezeichnet der Ausdruck „Ursprungsbezeichnung“ den Namen einer Gegend bzw. eines Ortes, die/der zur Bezeichnung eines Weines dient, der bestimmte im Einzelnen genannte Anforderungen erfüllen muss. Dieser Wein, der als Ursprungsbezeichnung den Namen der Gegend/des Ortes tragen soll, muss seine Güte oder seine Eigenschaften im Wesentlichen den geografischen Verhältnissen verdanken; die Weintrauben, aus denen er gewonnen wird, müssen ausschließlich aus diesem geografischen Gebiet stammen und die Herstellung muss in diesem geografischen Gebiet erfolgen (vgl. zu Letzterem: Art. 93 Abs. 1 Buchst. a) Nr. iii VO (EU) Nr. 1308/2013). Allerdings gehört zum Begriff der Herstellung nicht auch die Abfüllung. Denn nach Art. 93 Abs. 4 VO (EU) Nr. 1308/2013 umfasst die Herstellung alle Arbeitsgänge von der Traubenernte bis zum Abschluss des Weinbereitungsverfahrens mit Ausnahme nachgelagerter Produktionsverfahren. Die Weinbereitung umfasst die Verarbeitung von frischen Weintrauben zu Wein durch alkoholische Gärung (Koch/Eichele, Der Standardkommentar zum Weinrecht, Online-Kommentar, Stichwort Abfüller, Ziffer 3.3.2.1.1.2, abgerufen am 4.4.2019). Zudem unterscheidet § 2 WeinG in seinen Nummern 11 und 15 zwischen den Begriffen „Herstellen“ und „Abfüllen“. Damit wird deutlich, dass das Weinbereitungsverfahren bereits vor der Abfüllung endet; deshalb kann aus Art. 93 Abs. 1 Buchst. a) Nr. iii VO (EU) Nr. 1308/2013 nicht abgeleitet werden, dass auch die Abfüllung des Weines im geografischen Gebiet der Ursprungsbezeichnung erfolgen muss.
In den weiteren Regeln der VO (EU) Nr. 1308/2013 zur geschützten Ursprungsbezeichnung (vgl. die dortigen Art. 94 bis 106) finden sich keine örtlichen Einschränkungen, insbesondere keine weiteren Vorgaben zum Ort der Abfüllung. Gleiches gilt auch für die in Art. 107 VO (EU) Nr. 1308/2013 getroffene Regelung zu den bestehenden geschützten Weinnamen.
Auch die auf der Grundlage der VO (EU) Nr. 1308/2013 bzw. deren Vorgängervorschrift erlassenen Verordnungen der Kommission, nämlich die Delegierte Verordnung (EU) 2019/33 der Kommission vom 17. Oktober 2018 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 (ABl. Nr. L 9, S. 2 bis 45) - VO (EU) 2019/33 - und deren Vorgängerverordnung, die Verordnung (EG) Nr. 607/2009 der Kommission vom 14. Juli 2009 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 479/2008 des Rates hinsichtlich der geschützten Ursprungsbezeichnungen und geografischen Angaben, der traditionellen Begriffe sowie der Kennzeichnung und Aufmachung bestimmter Weinbauerzeugnisse (ABl. Nr. L 193, S. 60) - VO (EG) Nr. 607/2009 - enthalten direkt keine Regelungen zur Einschränkung des Ortes der Abfüllung eines Weins mit geschützter Ursprungsbezeichnung bzw. mit einem bestehenden geschützten Weinnamen. In diesen Verordnungen wird lediglich auf die Produktspezifikation abgestellt, in der unter bestimmten Voraussetzungen die Abfüllung eines Weins mit geschützter Ursprungsbezeichnung auf das abgegrenzte geografische Gebiet selbst oder auf Gebiete in unmittelbarer Nachbarschaft des betreffenden abgegrenzten Gebiets beschränkt werden können (vgl. Art. 4 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2019/33 bzw. Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009).
Auf der Grundlage der einschlägigen Vorschriften der VO (EU) Nr. 1308/2013 ist für jede geschützte Ursprungsbezeichnung sowie für jeden bestehenden geschützten Weinnamen eine sog. Produktspezifikation zu erstellen. Auf eine derartige Produktspezifikation, nämlich auf die Produktspezifikation für eine geschützte Ursprungsbezeichnung Franken des Bayerischen Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, beruft sich der Beklagte. In deren Ziffer 3, Abgrenzung des Gebiets, findet sich folgende Regelung:
„Die Herstellung, nachgelagerte Verfahren und die Abfüllung von Qualitätswein b. A., Sekt b. A. und Qualitätsperlwein b. A. mit dem geschützten Namen „Franken“ sowie von Fränkischem Federweißer muss im Anbaugebiet Franken, in dem zum Anbaugebiet zugehörigen oder benachbartem Bundesland erfolgen.“
Diese Regelung ist allerdings aus den folgenden Gründen fehlerhaft und kann damit keine Grundlage für die Ablehnung des klägerischen Begehrens auf Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer bilden.
Der Begriff der Produktspezifikation wurde mit der oben genannten Umstellung der weinbezeichnungsrechtlichen Vorschriften zum 1. August 2009 eingeführt. Allerdings sieht das einschlägige europäische Recht zwei unterschiedliche Arten von Produktspezifikationen vor, einerseits für neu geschaffene geschützte Ursprungsbezeichnungen und andererseits für nach bisherigem Recht geschützte Weine.
Wird ein neuer Antrag auf den erstmaligen Schutz eines Namens, einer Gegend oder eines bestimmten Ortes als Ursprungsbezeichnung gestellt, so muss dieser Schutzantrag gemäß Art. 94 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 bestimmte im Einzelnen benannte technische Unterlagen umfassen, wozu sowohl gemäß Buchst. c) der Vorschrift eine Produktspezifikation gemäß Abs. 2 als auch gemäß Buchst. d) der Vorschrift ein sogenanntes einziges Dokument mit einer Zusammenfassung der Produktspezifikation gehört. Art. 94 Abs. 2 Satz 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 benennt den Zweck einer solchen Produktspezifikation: Sie soll es den Interessenten ermöglichen, die einschlägigen Bedingungen für die Produktion in Bezug auf die jeweilige geschützte Ursprungsbezeichnung zu überprüfen. Anderes gewendet: Derjenige, der einen Wein mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung herstellen bzw. vermarkten möchte, kann der Produktspezifikation zuverlässig die Voraussetzungen entnehmen, die er hierbei erfüllen muss.
In Art. 94 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 1308/2013 ist detailliert geregelt, welchen Mindestinhalt eine derartige Produktspezifikation aufweisen muss. U.a. muss - neben anderen Angaben - der zu schützende Name genannt werden, die wichtigsten analytischen und organoleptischen Eigenschaften des Weins beschrieben werden, gegebenenfalls die spezifischen önologischen Verfahren zur Weinbereitung sowie die einschlägigen Einschränkungen für die Weinbereitung und die Abgrenzung des betroffenen geografischen Gebiets genannt werden. Zudem muss die Produktspezifikation gemäß Art. 94 Abs. 2 Satz 2 Buchst. h) VO (EU) Nr. 1308/2013 geltende Anforderungen gemäß Unions- oder nationalen Rechtsvorschriften und gegebenenfalls von die geschützte Ursprungsbezeichnung verwaltenden Organisationen enthalten, wobei darauf zu achten ist, dass diese Anforderungen objektiv nicht diskriminierend sowie mit Unionsrecht vereinbar sind. Antragsberechtigt ist gemäß Art. 95 Abs. 1 VO (EU) Nr. 1308/2013 jede interessierte Gruppe von Erzeugern (im Ausnahmefall auch ein Einzelerzeuger). Der Schutzantrag wird gemäß Art. 96 VO (EU) Nr. 1308/2013 im nationalen Vorverfahren durch den Mitgliedsstaat geprüft und anschließend der Europäischen Kommission vorgelegt, die den Schutzantrag ebenfalls überprüft. Sowohl im nationalen Vorverfahren als auch im Prüfungsverfahren der Kommission wird der Schutzantrag öffentlich bekannt gemacht und eine Einspruchsmöglichkeit geschaffen. Hat alles seine Ordnung, erlässt die Kommission gemäß Art. 99 VO (EU) Nr. 1308/2013 Durchführungsrechtsakte zum Schutz der Ursprungsbezeichnung. Diese wird in das gemäß Art. 104 VO (EU) Nr. 1308/2013 von der Kommission erstellte und unterhaltene Register namens E-Bacchus eingestellt. Damit unterliegt die Ursprungsbezeichnung dem Schutz des Art. 103 VO (EU) Nr. 1308/2013.
Allerdings stützt sich die Produktspezifikation Franken nicht auf die oben genannten Vorschriften. Denn diese gelten - wie schon dargestellt - lediglich für die Erstellung neuer Ursprungsbezeichnungen. Demgegenüber handelt es sich bei dem Weinnamen „Franken“ um einen bestehenden geschützten Weinnamen im Sinne des Art. 107 VO (EU) Nr. 1308/2013.
Mit der Einführung des neuen Weinbezeichnungsrechts zum 1. August 2009 wurden auch für die bestehenden geschützten Weinnamen Regelungen zur Produktspezifikation geschaffen. Dies erfolgte mit der Verordnung (EG) Nr. 491/2009 des Rates vom 25. Mai 2009 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. EG Nr. L 154, S. 1 bis 56) - VO (EG) Nr. 491/2009. Nach Art. 118s Abs. 2 Buchst. a) der VO (EG) Nr. 1234/2007 des Rates vom 22. Oktober 2007 über eine gemeinsame Organisation der Agrarmärkte und mit Sondervorschriften für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse (ABl. EG Nr. L 299, S. 1 bis 149) in der ab 1. August 2009 gültigen Fassung - VO (EG) Nr. 1234/2007 - übermitteln die Mitgliedsstaaten der Kommission bezüglich der bestehenden geschützten Weinnamen u.a. die in Art. 118c Abs. 1 genannten technischen Unterlagen. Hierzu gehört u.a. auch eine Produktspezifikation und das sogenannte einzige Dokument mit einer Zusammenfassung der Produktspezifikation. Die in Art. 118c Abs. 2 Satz 2 VO (EG) Nr. 1234/2007 aufgeführten Inhalte dieser Produktspezifikation sind mit den in Art. 94 Abs. 2 Satz 2 VO (EU) Nr. 1308/2013 genannten identisch. Gemäß Art. 107 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 1308/2013 führt die Kommission diese automatisch geschützten Weinnamen im Register gemäß Art. 104 - E-Bacchus - auf.
Derartige bestehende geschützte Weinnamen verlieren allerdings ihren Schutz, wenn die oben genannten erforderlichen Unterlagen - u.a. auch die Produktspezifikation - der Kommission nicht bis zum 31. Dezember 2011 übermittelt worden sind. In diesem Fall streicht die Kommission gemäß Art. 107 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1308/2013 den betreffenden bestehenden geschützten Weinnamen aus dem Register E-Bacchus. Ein den Art. 95 bis 99 VO (EU) Nr. 1308/2013 entsprechendes Überprüfungsverfahren vor der Eintragung des bestehenden geschützten Weinnamens in das Register E-Bacchus ist nicht vorgesehen.
Auf der Grundlage dieser Vorschriften findet sich im Register E-Bacchus folgende Eintragung:
Deutschland
File Number: PDO-DE-A1267
Franken
Qualitätstyp: Wein mit geschützter Ursprungsbezeichnung (g. U.)
Registration date: 18/09/1973
Europäisches Gemeinschaftsrecht:
Article 107 of Regulation (EU) No 1308/2013
Veröffentlichung der Europäischen Gemeinschaft:
OJ L 347, 20.12.2013, p. 671 - 854
Status: In the register.
Die hierauf bezogene Produktspezifikation enthält - wie oben dargestellt - in ihrer Ziffer 3. die Vorschrift, auf die sich der Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit beruft.
Diese widerspricht allerdings Europäischem Recht und ist daher nicht anwendbar.
Das Gericht ist im vorliegenden Rechtsstreit dazu befugt, die Produktspezifikation Franken zu überprüfen. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn es bei dieser Produktspezifikation um die Gültigkeit einer Handlung der Kommission ginge. Denn nach Art. 19 Abs. 3 Buchst. b) des Vertrages über die Europäische Union (EUV) und Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) muss sich jedes nationale Gericht mit einem Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof wenden, wenn es Zweifel an der Gültigkeit eines solchen Rechtsaktes hat. Einen solchen Rechtsakt stellt indes die vorliegende Produktspezifikation für einen bestehenden geschützten Weinnamen nicht dar.
Offen bleiben kann, ob der auf der Grundlage von Art. 99 VO (EU) Nr. 1308/2013 von der Kommission nach der Durchführung des nationalen und europäischen Prüfungsverfahrens erlassene Durchführungsrechtsakt zum Schutz einer neu geschaffenen Ursprungsbezeichnung eine derartige Handlung im Sinne des Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) AEUV sein könnte. Denn bei der vorliegenden Produktspezifikation handelt es sich - wie oben ausgeführt - um eine vom Mitgliedsstaat (und nicht von einer Erzeugergemeinschaft) übermittelte Produktspezifikation „alten Rechts“, bezogen auf einen automatisch geschützten bestehenden geschützten Weinnamen, den die Kommission ohne weitere Prüfung der Produktspezifikation und ohne Erlass eines Durchführungsrechtsaktes in das Register E-Bacchus eingetragen hat.
Dass eine solche Produktspezifikation nicht mit einem Rechtsakt der Kommission verknüpft ist, ergibt sich auch aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Februar 2014 (C - 31/13 „Tokaj“ - juris). Hier hat das Gericht festgestellt, dass mit den Vorschriften des Art. 118s VO (EG) Nr. 1234/2007 und Art. 107 VO (EU) Nr. 1308/2013 aus Gründen der Rechtssicherheit der Schutz der vor dem 1. August 2009 nach nationalem Recht und damit gemäß der VO (EG) Nr. 1493/1999 auch auf Unionsebene bereits geschützten Weinnamen aufrechterhalten werden soll. Da dieser Schutz kraft Gesetzes automatisch erfolgt, ist die Kommission - im Gegensatz zum Verfahren bei der Eintragung neuer Ursprungsbezeichnungen - weder berechtigt, dem bestehenden geschützten Weinnamen Schutz zu gewähren noch berechtigt, über den Weinnamen zu entscheiden, der in die Datenbank E-Bacchus eingetragen wird. Dies bedeutet, dass die Kommission in diesem Zusammenhang keinerlei anfechtbare Handlung vornimmt (vgl. hierzu auch EuGH, U.v. 13.2.2014, a.a.O., Rn. 57 bis 65 und Rn. 73 bis 75).
Damit setzt die Kommission mit der Entgegennahme der technischen Unterlagen zur Produktspezifikation „alter Art“, bezogen auf einen bestehenden geschützten Weinnamen, der bereits zuvor kraft Gesetzes (vgl. Art. 118s Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 1234/2007; Art. 107 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) Nr. 1308/2013) in das Register E-Bacchus eingetragen worden war, keinerlei Rechtsakt welcher Art auch immer, der gemäß Art. 19 Abs. 3 Buchst. b) EUV, Art. 267 Abs. 1 Buchst. b) AEUV ausschließlich vom Europäischen Gerichtshof überprüfbar wäre.
Grundlage hierfür ist der 36. Erwägungsgrund der VO (EG) Nr. 479/2008. Hiernach sollten aus Gründen der Rechtssicherheit in der Gemeinschaft bestehende Ursprungsbezeichnungen von der Anwendung des neuen Prüfverfahrens (im Rahmen der Schaffung und Eintragung neuer geschützter Ursprungsbezeichnungen) ausgenommen werden. Die Mitgliedstaaten sollten der Kommission jedoch die Basisinformationen und die Rechtsakte mitteilen, auf deren Grundlage die Anerkennung auf nationaler Ebene erfolgte; andernfalls sollte der Schutz als Ursprungsbezeichnung entzogen werden.
Somit kann das erkennende Gericht die vorliegende Produktspezifikation vollumfänglich überprüfen.
Diese Überprüfung ergibt, dass in die Produktspezifikation Franken die in Ziffer 3. am Ende enthaltene einschränkende Regelung zum Ort der Abfüllung eines Weins mit der geschützten Ursprungsbezeichnung bzw. mit dem traditionellen Begriff Qualitätswein, (vgl. Art. 112 VO (EU) Nr. 1308/2013) zu Unrecht aufgenommen worden ist. Schon aus formalen Gründen ist dies nicht rechtens; aber auch inhaltlich ist diese Regelung zu beanstanden.
Die den Ort der Abfüllung einschränkende Regelung ist formell fehlerhaft in der Produktspezifikation Franken enthalten.
Während die Produktspezifikation für eine neu geschaffene geschützte Ursprungsbezeichnung von der sie aufstellenden Erzeugergemeinschaft neu gestaltete Produktionsbedingungen enthalten darf und muss, ist die Produktspezifikation für einen bestehenden geschützten Weinnamen lediglich eine von der nationalen Behörde verfasste schriftliche Zusammenfassung der schon bestehenden nationalen Bestimmungen. Allerdings ist sie und das auf ihr basierende sog. einzige Dokument im Rahmen desselben Systems bekannt zu geben, das auch für die Bekanntgabe von Produktspezifikation und sog. einzigem Dokument für eine geschützte Ursprungsbezeichnung (neuer Art) vorgesehen ist.
Die Produktspezifikation für einen bestehenden geschützten Weinnamen kann also nicht mehr sein als das Spiegelbild der hierfür existierenden nationalen Bestimmungen. Demgegenüber darf sie keine eigenständigen Regelungen enthalten, die nicht ihre Stütze im nationalen Recht finden. Damit kommt der Produktspezifikation keinerlei über das nationale Recht hinausgehende rechtliche Bedeutung zu.
Dies ergibt sich auch aus der Entscheidung des Gerichts der Europäischen Union vom 8. November 2012 (EuG, Gerichtsinformationen vom 8.12.2012 - T 194/10 - juris Rn. 36, bestätigt durch den EuGH mit Urteil vom 13.2.2014 - C - 31/2013 - a.a.O. Rn. 38 und Rn. 69 bis 76). Hier wurde entschieden, dass sich gemäß den gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften der Inhalt der technischen Unterlagen (einschließlich der Produktspezifikation) nach den nationalen Bestimmungen richtet (vgl. hierzu auch Rathke in Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Loseblatt-Kommentar, Stand: Juli 2018, § 22b WeinG Rn. 60).
Auf dieser Grundlage ist festzustellen, dass das nationale Weinrecht keinerlei einschränkende Bestimmungen zum Ort der Abfüllung von Wein mit der geschützten Ursprungsbezeichnung Franken bzw. von Qualitätswein Franken enthält, die inhaltlich der Regelung in Ziffer 3. am Ende der Produktspezifikation Franken entsprechen.
Im Weingesetz sind keine derartigen Vorschriften zu finden, insbesondere auch nicht in § 16 WeinG. Nach dessen Absatz 1 dürfen Erzeugnisse nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie von handelsüblicher Beschaffenheit sind. In dieser Vorschrift geht es um den gesundheitlichen Verbraucherschutz, ihr sind keine Regelungen zum Ort der Abfüllung von Qualitätswein (Franken) zu entnehmen (vgl. Boch in Zipfel/Rathke, a.a.O., § 16 WeinG Rn. 8 ff.).
Auch die auf dem Weingesetz beruhende Weinverordnung - WeinV - in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. April 2009 (BGBl. I, S. 827), zuletzt geändert durch Art. 1 Verordnung vom 14. Dezember 2018 (BGBl. I, S. 2480), enthält keine derartigen Vorschriften. Einzig § 38 WeinV beschäftigt sich mit der Abfüllung von Wein, enthält jedoch keine Vorgaben von dessen Ort. Zwar schränkt § 19 WeinV den Ort der Herstellung von Qualitätswein ein; allerdings umfasst der Begriff des Herstellens nicht auch die Abfüllung des Weines (vgl. oben mit Hinweis auf § 2 Nr. 11 und Nr. 15 WeinG).
Weitere nationale Rechtsvorschriften, die ihr Abbild in der streitgegenständlichen Regelung zum Ort der Abfüllung in der Produktspezifikation Franken gefunden haben könnten, konnte weder der Beklagte nennen noch sind sie für das Gericht ersichtlich. Insbesondere konnte der Beklagte nicht spezifizieren, was er konkret unter den von ihm ins Spiel gebrachten „bis dahin praktizierten Vorgehensweisen“ versteht.
Eine rechtliche Befugnis einer nationalen Behörde zur Schaffung von Regelungen innerhalb der Produktspezifikation „alter Art“ unabhängig von bestehenden nationalen Vorschriften ist nicht erkennbar. Dies ergibt sich schon aus dem o.g. Gedanken, dass die Produktspezifikation „alter Art“ nicht mehr ist als eine Zusammenfassung der ohnehin bestehenden nationalen Rechtsvorschriften.
Damit durfte der Beklagte die entsprechende Regelung der Produktspezifikation nicht als Grundlage für die Ablehnung des klägerischen Begehrens auf Erteilung einer amtlichen Prüfungsnummer verwenden, weil sie rechtsfehlerhaft in der Produktspezifikation enthalten ist und keine rechtliche Grundlage im nationalen Recht findet.
Offen bleiben kann in diesem Zusammenhang deshalb die Frage, welche Rechtsfolgen die Tatsache hat, dass die den Ort der Abfüllung einschränkende Regelung der Produktspezifikation Franken nicht auch im sog. einzigen Dokument enthalten ist. Dieses soll gemäß Art. 94 Abs. 1 Buchst. d) VO (EU) Nr. 1308/2013 eine Zusammenfassung der Produktspezifikation enthalten; dies erfordert zumindest in derart wichtigen Vorgaben eine inhaltliche Identität. Welche Folgen die inhaltliche Differenz zwischen Produktspezifikation und sog. einzigem Dokument hinsichtlich der Eingrenzung des Ortes der Abfüllung im vorliegenden Fall hat, braucht jedoch nicht entschieden zu werden.
Auch unabhängig von diesem formalen Aspekt wäre - auch wenn es hierauf nicht mehr ankommt - die den Ort der Abfüllung einschränkende Regelung der Produktspezifikation Franken inhaltlich zu beanstanden.
Denn sie verstößt gegen Art. 35 AEUV. Nach dieser Vorschrift sind mengenmäßige Ausfuhrbeschränkungen sowie Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten. Um eine solche Regelung, die eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung darstellt, handelt es sich bei der Einschränkung des Ortes der Abfüllung in Ziffer 3. der Produktspezifikation Franken. Dies ergibt sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 9. Juni 1992 (C - 47/90 „Delhaize“ - juris); hier hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass eine für Weine mit einer Ursprungsbezeichnung geltende nationale Regelung, die die Menge Wein, die in nicht abgefülltem Zustand ausgeführt werden darf, begrenzt und im Übrigen den Verkauf von nicht abgefülltem Wein innerhalb des Erzeugungsgebiets erlaubt, eine nach Art. 34 EG-Vertrag (nunmehr Art. 35 AEUV) verbotene Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Ausfuhrbeschränkung darstellt. Denn eine solche Regelung bewirkt eine spezifische Beschränkung der Ausfuhrströme von nicht abgefülltem Wein und verschafft damit denjenigen Abfüllbetrieben, die in dem Gebiet gelegen sind, in welchem die Abfüllung erfolgen darf, einen besonderen Vorteil (EuGH, U.v. 9.6.1992 - C - 47/90 - juris Rn. 12 bis 14; vgl. hierzu auch EuGH, U.v. 16.5.2000 - C - 388/95 „Rioja“ - juris Rn. 41 bis 42). Dies trifft auch auf die vorliegende Regelung zu, die die Ausfuhr von nicht abgefülltem Wein mit dem Begriff Qualitätswein Franken zum Zweck von dessen Abfüllung über die Grenzen des Bundeslandes Bayern und der an Bayern angrenzenden Bundesländer und damit auch in das europäische Ausland verbietet.
Eine solche Einschränkung ist auch nicht gemäß Art. 36 AEUV gerechtfertigt. Nach dieser Vorschrift stehen u.a. der Beschränkung des Art. 35 AEUV Ausfuhrverbote oder -beschränkungen nicht entgegen, die u.a. aus Gründen des gewerblichen oder kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Zwar ist diese Vorschrift grundsätzlich auch auf Ursprungsbezeichnungen anwendbar (Klingreen in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 5. Aufl. 2016, Art. 36 AEUV Rn. 207 m.w.N.); allerdings stellt der Schutz der geschützten Ursprungsbezeichnung Franken keine Rechtfertigung i.S.d. Art. 36 AEUV für die den (durch Art. 35 AEUV garantierten) freien Warenverkehr einschränkende Regelung der Produktspezifikation Franken dar.
In diesem Zusammenhang kann sich der Beklagte nicht auf Art. 109 Abs. 2 VO (EU) Nr. 1308/2013 i.V.m. Art. 4 Abs. 2 VO (EU) Nr. 2019/33 bzw. auf die Vorgängervorschrift Art. 8 VO (EG) Nr. 607/2009 berufen.
Nach dieser Vorschrift kann in einer Produktspezifikation festgelegt sein, dass das Verpacken einschließlich der Abfüllung innerhalb des abgegrenzten geografischen Gebiets oder innerhalb eines Gebiets in unmittelbarer Nachbarschaft des betreffenden abgegrenzten Gebiets stattfinden muss. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass die Produktspezifikation auch eine Rechtfertigung dafür enthält, warum das Verpacken in dem speziellen Fall in dem betreffenden geografischen Gebiet erfolgen muss, um die Qualität zu wahren oder den Ursprung oder die Kontrolle zu gewährleisten, wobei dem Unionsrecht, insbesondere den Vorschriften über den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr, Rechnung zu tragen ist (vgl. hierzu auch Erwägung 5 zu VO (EG) Nr. 607/2009).
Unabhängig von der Tatsache, dass diese Vorschriften direkt lediglich für Produktspezifikationen „neuer Art“ für neu zu schaffende geschützte Ursprungsbezeichnungen gelten und auf den vorliegenden Fall einer Produktspezifikation für einen bestehenden geschützten Weinnamen (in diesem Fall darf die Produktspezifikation, wie oben dargestellt, ohnehin nur die Zusammenfassung der nationalen Rechtsvorschriften enthalten), nicht direkt anwendbar sind, ist ihr Rechtsgedanke im Rahmen der Überprüfung nach Art. 35 AEUV auf den vorliegenden Fall anwendbar.
Auf dieser Grundlage ist zunächst festzuhalten, dass die Abfüllung von Wein ein wichtiger Vorgang ist, der die Qualität des Erzeugnisses erheblich beeinträchtigen kann, wenn er nicht unter Einhaltung strenger Anforderungen erfolgt. Der Abfüllvorgang besteht nämlich nicht lediglich aus dem bloßen Befüllen leerer Behältnisse, sondern ist normalerweise vor dem Umfüllen mit einer Reihe komplexer önologischer Maßnahmen verbunden, die die Qualität des Weins beeinträchtigen und seine Eigenschaft verändern können, wenn sie nicht fachmännisch durchgeführt werden. Zudem kann es bei der Beförderung von Wein in nicht abgefülltem Zustand bei nicht perfekten Beförderungsbedingungen zu Qualitätsverlusten durch Oxireduktion - dessen Ausmaß mit der zurückgelegten Beförderungsstrecke wächst - und durch Temperaturschwankungen kommen (EuGH, U.v. 16.5.2000 - C - 388/95 Rn. 61 und 62).
Damit kann das Verbot des Transports von Wein mit einer geschützten Ursprungsbezeichnung zum Zweck der Abfüllung an einen anderen Ort als den seiner Erzeugung grundsätzlich zum Schutz des gewerblichen Eigentums der geschützten Ursprungsbezeichnung gerechtfertigt sein; denn Ursprungsbezeichnungen gehören zu den gewerblichen Schutzrechten (EuGH, U.v. 16.5.2000, a.a.O., Rn. 54). In diesem Falle würde der Wein bei einem verbotswidrigen Transport die Bezeichnung geschützte Ursprungsbezeichnung verlieren. Mit einer solchen Regelung soll erreicht werden, dass der Wein, der die Ursprungsbezeichnung trägt, auch bestimmte besondere Eigenschaften aufweist und damit bei interessierten Verbrauchern eine besonders hohe Wertschätzung erfährt.
Allerdings ist die streitige Regelung in Ziffer 3. am Ende der Produktspezifikation Franken nicht dazu geeignet, die durch den Transport des nicht abgefüllten Weins drohenden Verluste an Qualität und an besonderen Eigenschaften zuverlässig zu verhindern, denn sie ist nicht dazu geeignet, als erforderliches und verhältnismäßiges Mittel das hohe Ansehen, das ein Qualitätswein Franken genießt, zu erhalten.
Dies ergibt sich daraus, dass nach der streitigen Regelung ein Transport des nicht abgefüllten Weins zum Zweck der Abfüllung über mehrere hundert Kilometer innerhalb Bayerns oder in ein anderes an Bayern angrenzendes Bundesland zulässig wäre. Demgegenüber wären sogar kürzere Transportwege in Bundesländer, die nicht an Bayern angrenzen, verboten. Dies betrifft auch den Transport ins Ausland (z.B. nicht zulässiger Transport von Würzburg nach Wissembourg/Frankreich: 227 km; nach Eger/Tschechien: 212 km; zulässiger Transport von Würzburg nach Bautzen im an das Bundesland Bayern angrenzenden Bundesland Sachsen: 423 km oder nach dem in Bayern gelegenen Berchtesgaden: 434 km). Demgegenüber wäre es beispielsweise nachvollziehbar, die Abfüllung lediglich am Ort der Erzeugung zuzulassen oder den Transport des nicht abgefüllten Weins zum Zweck der Abfüllung lediglich innerhalb des Gebiets der Ursprungsbezeichnung zu genehmigen i.V.m. der Regelung, dass dies nur bestimmte hier qualifizierte Unternehmen tun dürfen (so entschieden für Wein mit der geschützten Ursprungsbezeichnung Rioja, EuGH, U.v. 16.5.2000 - C 388/95 - juris; vgl. hierzu auch Koch/Eichele, Der Standardkommentar zum Weinrecht, Online-Kommentar, Stichwort Abfüller, abgerufen am 4.4.2019, zur besonderen Verantwortungsposition des Abfüllers). Demgegenüber ist zudem zu berücksichtigen, dass jeder Wein, der als Qualitätswein Franken vermarktet werden soll, zunächst u.a. eine organoleptische Prüfung bestehen muss, bei welcher Weinen, die aufgrund von Qualitätsverlusten beim Transport in nicht abgefülltem Zustand nun den vorgegebenen Mindestkriterien hinsichtlich Qualität und Typizität nicht entsprechen, die amtliche Prüfungsnummer und damit die Vermarktung als Qualitätswein Franken versagt werden muss.
Wäre die streitige Vorschrift zur Abfüllung nicht schon aus formellen Gründen fehlerhaft und damit nicht anwendbar, dürfte sie damit wegen eines Verstoßes gegen Art. 35 AEUV nicht herangezogen werden.
Damit erweist sich die Ablehnung der Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer allein mit der Begründung, der Wein sei entgegen den Vorschriften der Produktspezifikation Franken in Z. in Rheinland-Pfalz abgefüllt worden, als rechtswidrig. Damit war - mangels Spruchreife wegen der noch nicht durchgeführten organoleptischen Prüfung - der Beklagte zu verpflichten, die Klägerin hinsichtlich ihres Antrags auf Erteilung der amtlichen Prüfungsnummer … für einen Qualitätswein Franken der Rebsorte Müller-Thurgau unter Beachtung der Rechtsauffassung zu Gerichts zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO).
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.