Verwaltungsgericht Regensburg Beschluss, 30. Okt. 2018 - RO 3 K 17.1133

bei uns veröffentlicht am30.10.2018

Tenor

Der Antrag von Frau A…, wohnhaft in …, auf Beiladung zum Verfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

Den Klägern geht es um Änderung des Familiennamens „A …“ in „B …“.

Die Kläger wurden am ... 2002 als Kinder nicht verheirateter Eltern von Frau M … A … geboren. Vater ist Herr T … S …, über dessen Aufenthaltsort den Behörden nichts bekannt ist. Nach Aussage des Kreisjugendamts besteht auch kein Kontakt der Kinder zum Vater. Die Kläger wurden ab 15. Januar 2003 in Vollzeitpflege bei der Familie B … aufgenommen. Bis zu diesem Zeitpunkt hielten sie sich bei ihrer Mutter auf. Die Vormundschaft für die Kläger wurde zunächst am 2. August 2006 durch das Amtsgericht Schwandorf vom Landratsamt - Kreisjugendamt - Sch. an Frau D … B … übertragen. Am 12. Oktober 2015 wurden Herr C … und Frau D … B … gemeinschaftlich zu Vormündern für die Kläger bestellt.

Mit Schreiben vom 16. März 2014 beantragten Albert und D … B … die Namensänderung der Kläger von „A …“ zu „B …“. Mit Beschluss vom 24. Februar 2015 wurde die Genehmigung zum Antrag auf Namensänderung durch das Amtsgericht Amberg erteilt. Die Beschwerde der leiblichen Mutter Frau M … A … gegen den Beschluss vom 24. Februar 2015 wurde zurückgewiesen. Der Antrag auf Namensänderung wurde mit Schreiben vom 13. August 2015 wiederholt. Formblattmäßig stellten Albert und D … B … unter dem 21. September/17. September 2015 für die Kläger den Antrag auf Änderung des Familiennamens von „A …“ in „B …“ mit der Begründung, S … lebe seit 13 Jahren bei ihnen. Er wünsche sich den gleichen Nachnamen wie die Pflegeeltern. Die Mutter habe er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen und er fühle sich als Sohn der B …s. Bezüglich E … wurde angeführt, er lebe seit 13 Jahren bei ihnen, habe vor ca. vier Jahren auf eigenen Wunsch den Kontakt zur leiblichen Mutter abgebrochen und wünsche auch mit dem Familiennamen zu den B …s zu gehören.

Die leibliche Mutter der Kläger Frau M … A … äußerte sich dahingehend, dass eine Einverständniserklärung zur Namensänderung nicht abgegeben werde, da nach Ansicht der leiblichen Mutter der Kläger kein wichtiger Grund für die Änderung der Familiennamen der Söhne vorliege. In einem weiteren Schreiben ließ die Mutter der Kläger mitteilen, die gewünschte Änderung sei ausschließlich durch die Pflegemutter und nicht die beiden Söhne veranlasst.

Unter dem 11. März 2016 gab das Kreisjugendamt beim Landratsamt A.-S. eine Stellungnahme ab. U.a. ist dort ausgeführt, zu ihrem Vater hätten die Kinder keinen Kontakt. Zur leiblichen Mutter habe es begleitete Umgangskontakte gegeben. Die Umgangskontakte zu E … A … seien bereits im Sommer 2012 problematisch gewesen. E … habe diese komplett verweigert. Zur leiblichen Mutter habe der letzte begleitete Umgang mit S … A … am 26. Juli 2013 stattgefunden. Beide Kinder wollten keinen weiteren Kontakt zur leiblichen Mutter. Nach einer ergänzenden Stellungnahme des Kreisjugendamts vom 29. Juli 2016 vermittle S … glaubhaft und kontinuierlich, dass er sich wünsche, den Familiennamen B … zu tragen. Er fühle sich mit der Familie B … sehr verbunden. An weiterem Kontakt zur Mutter sei er nicht interessiert. Beide Kinder zeigten kein Interesse am Kontakt zur Mutter.

Der Kläger E … A … wurde am 11. September 2017 aus der Pflegefamilie in F … herausgenommen und in der heilpädagogischen Wohngruppe in W … vollstationär aufgenommen.

Mit Bescheid vom 8. Juni 2017 lehnte das Landratsamt A.-S. die Anträge der Kläger auf Namensänderung des Familiennamens in den Familiennamen „B …“ ab.

Am 12. Juli 2017 haben die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Regensburg wegen Namensänderung erhoben.

Am 18. September 2018 erließ das Gericht einen Gerichtsbescheid, der Klägerseite am 27. September 2018 zugestellt, gegen den die Kläger am 25. Oktober 2018 Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt haben.

Mit Schreiben vom 24. September 2018 ließ Frau M … A … anwaltlich vertreten Akteneinsicht und Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung beantragen.

Am 9. Oktober ließ sie Antrag auf Beiladung stellen mit der Begründung, der Kindsmutter seien die Kinder vor 15 Jahren gegen deren erbitterten Widerstand weggenommen worden. Seither gräme sie sich sehr. Sie entziehe sich ihrer Elternverantwortung nicht, habe an sämtlichen Hilfeplangesprächen teilgenommen und habe sich, soweit es ihr möglich gewesen sei, um ihre Söhne gekümmert. Sie sei, da ihr das Wohl der Söhne sehr am Herzen liege, in ständigem Telefonkontakt mit dem Jugendamt und der katholischen Jugendfürsorge. Das Jugendamt befürworte die Beiladung. Die Kindsmutter habe bei einem Telefonat mit dem Jugendamt von diesem Verfahren erfahren. Die Kindsmutter habe sich ständig um Umgang mit den Söhnen bemüht und bemühe sich darum. Umgang und Telefonkontakt seien von der Pflegemutter verhindert worden. Auch die Telefonnummer der Wohngruppe, in der E … sich nun befinde, sei ihr verweigert worden. Die Kindsmutter habe mehrere Gerichtsverfahren geführt, da ihrer Ansicht nach die Pflegeeltern die Söhne nicht angemessen zu deren Wohl behandelten. Die Kindsmutter sei auch im behördlichen Verfahren beteiligt worden. Auch das Jugendamt befürworte die Beiladung.

Zur Frage der Beiladung der Kindsmutter mit Schreiben des Gerichts vom 23. Juli 2018 äußerte sich die Beklagtenseite mit Schreiben vom 9. August 2018 und befürwortete die Beiladung unter Bezugnahme auf Nr. 10 NamÄndVwV. Mit Schreiben vom 12. September 2018 wurde mitgeteilt, die Beiladung werde in das gerichtliche Ermessen gestellt. Die Klägerseite äußerte sich dazu nicht.

II.

Der Antrag auf Beiladung, über die gem. § 87 a Abs. 1 Nr. 6 und Abs. 3 VwGO der Berichterstatter - vorliegend die Einzelrichterin - entscheidet, wird abgelehnt.

Gründe für eine notwendige Beiladung gem. § 65 Abs. 2 VwGO sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht. Eine sog. einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO ist ebenfalls nicht angezeigt.

Nach § 65 Abs. 1 VwGO kann das Gericht, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Beiladung erfolgt, liegt im Ermessen des Gerichts.

Im vorliegenden Fall hat die leibliche Mutter weder Pflege hinsichtlich der Söhne noch Vormundschaft über die minderjährigen Söhne. Die Söhne haben nach dem Akteninhalt weder Umgang mit der leiblichen Mutter, noch wünschen sie diesen.

Zwar sieht Nr. 10 NamÄndVwV vor, dass Eltern minderjähriger Kinder, auch wenn sie nicht selbst an der Änderung des Familiennamens teilnehmen oder als gesetzliche Vertreter tätig werden, am Verfahren zu beteiligen sind, wobei dies für den Vater eines nichtehelichen Kinders nur eingeschränkt gelten soll. Dementsprechend wurde die leibliche Mutter am behördlichen Verfahren beteiligt.

Allerdings ist im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.4.1987 - 7 C 120/86 - juris - Rn. 13) zu berücksichtigen:

„Die Mutter, die ihrer Elternverantwortung nicht gerecht wird oder sich ihrer Elternverantwortung entzieht, kann sich auf ein eigenes namensrechtliches Interesse am Fortbestand des Kindesnamens nicht berufen, weil dieses Interesse rechtlich in ihrer Elternverantwortung begründet ist. Der Schutz des Elternrechts aus Art. 6 Abs. 2 GG, den der nichtsorgeberechtigte Elternteil genießt, der seine namensrechtlichen Belange gegen eine Umbenennung des Stiefkinds verteidigt, kann von der leiblichen Mutter, die die Pflichtbindungen des Elternrechts nicht auf sich nimmt, auch nicht in Anspruch genommen werden (vgl. BVerfGE 24, 119 ).“

Dadurch dass die Söhne seit vielen Jahren unter Vollpflege und Vormundschaft Dritter stehen, sieht die Einzelrichterin den Tatbestand als gegeben an, dass die Kindsmutter sich der Elternverantwortung entzogen hat, sowie dieser nicht gerecht wurde und wird. Dem steht nicht entgegen, wenn die Kindsmutter vorträgt, sich seit Jahren um Umgang und Kontakt mit den Kindern zu bemühen, Gerichtsverfahren geführt zu haben und sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten um die Söhne gekümmert zu haben.

Da sich die leibliche Mutter der Kläger sonach auf kein eigenes namensrechtliches Interesse am Fortbestand des Kindesnamens berufen kann, erschließt sich auch nicht, weshalb sie im gerichtlichen Verfahren beizuladen wäre.

Es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Prozess durch Beteiligung der Beiladungsantragstellerin gefördert wird und deshalb eine Beiladung sinnvoll ist.

Das Gericht übt daher sein Ermessen bei der Entscheidung über die Beiladung dahingehend aus, den Antrag abzulehnen.

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Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 6


(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung. (2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinsc

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 65


(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. (2) Sind

Referenzen

(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.