Verwaltungsgericht München Beschluss, 05. Juni 2019 - M 5 E 19.1699

05.06.2019

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin ordnete mit Schreiben vom 5. März 2019 gegenüber der als Beamtin auf Lebenszeit in ihren Diensten stehenden Antragstellerin eine amtsärztliche Untersuchung betreffend ihre Dienstfähigkeit an. Das Landratsamt Berchtesgadener Land - Gesundheitswesen - bestimmte hierfür mit Schreiben vom 12. März 2019 als Untersuchungstermin den 10. April 2019 (08:30 Uhr).

Am ... April 2019 hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin für diese beim Verwaltungsgericht München beantragt,

die Antragstellerin vorläufig von der Verpflichtung der Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung aufgrund der Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin vom 5. März 2019 bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens über die Feststellung der Verpflichtung der Antragstellerin, die Untersuchungsanordnung der Antragsgegnerin zu befolgen, freizustellen.

Die Untersuchungsanordnung sei rechtwidrig, weil sie jedenfalls nicht den formalen Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entspreche.

Das Gericht wies die Antragspartei mit Schreiben vom 9. Mai 2019 auf einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. März 2019 (2 VR 5/18) hin, nach dem eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten nicht isoliert angreifbar sei. Deswegen werde Gelegenheit gegeben, den Antrag zurückzunehmen.

Der Bevollmächtigte der Antragstellerin erklärte hierzu mit Schriftsatz vom … Mai 2019, dass der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu folgen und der Antrag zulässig sei.

Die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, dem Beamten, der eine Untersuchungsanordnung nicht befolge, drohe in der Praxis nicht ernsthaft eine Disziplinarmaßnahme, sei nicht haltbar. Er weise auf Fälle bayerischer Behörden hin, in denen Disziplinarverfahren eingeleitet worden seien. Es sei daher weiterhin der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung zu folgen, die im Hinblick auf die mögliche Sanktion einer Disziplinarmaßnahme für die Nichtbefolgung einer Untersuchungsanordnung von deren Vollstreckbarkeit im Sinne des § 44a Satz 1 Fall 1 VwGO ausgehe.

Mit Schriftsatz vom ... Juni 2019 trug er ergänzend vor, dass es durchaus wahrscheinlich sei, dass ein Dienstherr nach Verweigerung statt einer Ruhestandsversetzung weitere Untersuchungsanordnungen ausspreche und schließlich wegen hartnäckiger Weigerung ein Disziplinarverfahren einleite.

Sofern der Dienstherr eine fiktive Dienstunfähigkeit annehme, sei es möglich, dass ein Disziplinarverfahren wegen des schuldhaften Herbeiführens des Ruhestands mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eingeleitet werde.

Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtige nicht ausreichend, dass bereits das Einleiten eines Disziplinarverfahrens mit Nachteilen verbunden sei. Eine periodische Beurteilung könne zurückgestellt werden und es drohe ein Beförderungsverbot.

Eine Verlagerung der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Untersuchungsanordnung in ein Verfahren gegen die Ruhestandsversetzung führe bereits deshalb zu erheblichen Nachteilen für den betroffenen Beamten, weil während der Dauer des Verfahrens - in erster Instanz sei mit einer Verfahrensdauer von einem Jahr zu rechnen - die das Ruhegehalt übersteigenden Bezüge einbehalten würden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 123 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO) hat keinen Erfolg, weil der Antrag gemäß § 44a VwGO bereits unzulässig ist.

1. Nach § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nach § 44a Satz 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

a) Nachdem der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Beschluss vom 10. April 2014 (2 B 80.13 - juris Rn. 17) die Frage der isolierten gerichtlichen Angreifbarkeit einer Untersuchungsanordnung aufgeworfen hatte, beantwortet er sie nunmehr mit Beschluss vom 14. März 2019 (2 VR 5/18 - juris Rn. 16 ff.; die Entscheidung ist auch über die Internetseite des Bundesverwaltungsgerichts verfügbar: www.bverwg.de) dahingehend, dass eine Untersuchungsanordnung zur Feststellung der Dienstfähigkeit eines Beamten im Rahmen eines Zurruhesetzungsverfahrens gemäß § 44a VwGO nicht isoliert gerichtlich angreifbar ist und ein hierauf gerichteter Rechtsschutzantrag deshalb unzulässig ist.

b) Die erkennende Kammer folgt dem bezüglich - wie hier - einer Untersuchungsanordnung nach Art. 65 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) unter Aufgabe ihrer bisherigen Rechtsprechung. Es wird auf die vom Bundesverwaltungsgericht ausführlich dargelegten Argumente im Beschluss vom 14. März 2019 (Rn. 19 ff.) - die dem Bevollmächtigten der Antragstellerin bekannt sind - verwiesen. Die Kammer macht sich diese zu Eigen und sieht von deren bloßer Wiedergabe an dieser Stelle ab, nachdem die Entscheidung öffentlich zugänglich ist.

c) Die Argumente der Antragspartei greifen demgegenüber nicht durch. Sie wurden vom Bundesverwaltungsgericht nicht übersehen, sondern bereits berücksichtigt.

Die Problematik eines eventuellen Disziplinarverfahrens - auch der Kammer ist aus früheren und aktuellen Verfahren bekannt, dass in etlichen Untersuchungsanordnungen auf die Möglichkeit der Einleitung eines solchen bei Verweigerung der Untersuchung hingewiesen wird - wurde ausführlich behandelt (Rn. 25 ff.). Dem ist nichts hinzuzufügen.

Das Bundesverwaltungsgericht führt auch aus, dass rechtliche oder faktische Nachteile schon durch die Einleitung eines Disziplinarverfahrens ohnehin unbeachtlich seien; auch sonst habe ein Beamter keine Rechtsschutzmöglichkeit gegen die Einleitung eines Disziplinarverfahrens. Der Hinweis der Antragspartei auf eine mögliche Zurückstellung einer periodischen Beurteilung oder eines Beförderungsverbots ist daher nicht durchgreifend.

Was die im Falle einer Ruhestandsversetzung wegen fingierter Dienstunfähigkeit verminderten Bezüge anbelangt, ist anzumerken, dass diese nach Ansicht des Gesetzgebers die Lebensgrundlage des betreffenden Beamten dem Alimentationsprinzip entsprechend wegen der ggf. eingreifenden Mindestversorgung sichern.

Das Argument der Einleitung eines Disziplinarverfahrens mit dem Ziel der Entfernung des Betreffenden aus dem Beamtenverhältnis wegen schuldhaften Herbeiführens des Ruhestands scheint dagegen konstruiert. Gesetzliche Folge bei Verweigerung einer rechtmäßig angeordneten ärztlichen Untersuchung ist nach Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBG die Fiktion der Dienstunfähigkeit und auf dieser Grundlage die Ruhestandsversetzung, nicht die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

3. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG), wobei im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes nur die Hälfte des Wertes eines Hauptsacheverfahrens festzusetzen ist.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 05. Juni 2019 - M 5 E 19.1699

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 05. Juni 2019 - M 5 E 19.1699

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht München Beschluss, 05. Juni 2019 - M 5 E 19.1699 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 123


(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Ant

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 53 Einstweiliger Rechtsschutz und Verfahren nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes


(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung: 1. über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 44a


Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder ge

Referenzen

Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen können nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Dies gilt nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.