Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Feb. 2018 - M 4 E 18.801

20.02.2018

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 1.250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller, ein afghanischer Staatsangehöriger, begehrt mit Telefax vom … Februar 2018, eingegangen am selben Tag um 14:02 Uhr, einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Abschiebung, die noch am selben Tag stattfinden soll.

Der Antrag ist rechtsmissbräuchlich. Der Antragsteller sitzt seit seiner Rücküberstellung aus Frankreich am 17. Januar 2018 in Abschiebungshaft. Die Bevollmächtigte des Antragstellers hätte daher ausreichend Zeit gehabt, einen entsprechenden Eilantrag zu stellen. Sie hat auch bereits am … Februar 2018 beim Verwaltungsgericht Bayreuth einen Eilantrag gestellt, der am 19. Februar 2018 abgelehnt wurde (Az. B 6 S 18.30364). Es ist daher rechtsmissbräuchlich, bis fünf Stunden vor der Abschiebung mit einem weiteren Eilantrag abzuwarten.

Darüber hinaus ist der Antragsteller nach Aktenlage hartnäckiger Identitätsverweigerer, der Antragsteller war untergetaucht, ist seit 4. November 2017 vollziehbar ausreisepflichtig und seine Identität ist nicht endgültig geklärt. Die vorgelegte Tazkira weist Fälschungsmerkmale auf, weshalb ein Verfahren wegen Urkundenfälschung bei der Staatsanwaltschaft … anhängig ist.

Nach alledem bestehen keine Duldungsgründe nach § 60a Aufenthaltsgesetz.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Feb. 2018 - M 4 E 18.801

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Feb. 2018 - M 4 E 18.801

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Feb. 2018 - M 4 E 18.801 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Feb. 2018 - M 4 E 18.801 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Bayreuth Beschluss, 19. Feb. 2018 - B 6 S 18.30364

bei uns veröffentlicht am 19.02.2018

Tenor 1. Der Antrag wird abgelehnt. 2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens. 3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Referenzen

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.

3. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung einer Prozessbevollmächtigten wird abgelehnt.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Feststellung, dass die Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für ... aufschiebende Wirkung hat.

Der Antragsteller, afghanischer Staatsangehöriger, ließ durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten M. gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts für ... vom 13.04.2017 Klage erheben, die nicht begründet wurde. Rechtsanwalt M. legte eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht vom 24.04.2017 vor. Das Verfahren wurde unter dem Az.: B 6 K 17.31510 angelegt. Seitens der Beklagten in diesem Verfahren wurde mit Schriftsatz vom 03.05.2017 Klageabweisung beantragt.

Mit Schreiben vom 29.08.2017 teilte die Regierung von Oberfranken, Zentrale Ausländerbehörde, mit, dass der Antragsteller seit 02.05.2017 amtlich unbekannten Aufenthaltes sei.

An den damaligen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers Rechtsanwalt M. erging eine sogenannte Betreibensaufforderung gem. § 81 AsylG mit der Aufforderung, dem Gericht die ladungsfähige Anschrift seines Mandanten mitzuteilen. Diese Betreibensaufforderung erhielt Rechtsanwalt M. laut Empfangsbekenntnis (Gerichtsakte S. 21) am 04.09.2017. Auf die Betreibensaufforderung hin erfolgte keine Reaktion. Am 05.10.2017 stellte das Gericht das Klageverfahren im Wesentlichen mit der Begründung ein, dass die Klage wegen Nichtbetreibens gem. § 81 S. 1 AsylG als zurückgenommen gilt.

Mit Faxschreiben vom 09.02.2018, das an die Faxnummer des Landgerichts Bayreuth verschickt wurde und infolgedessen erst am 12.02.2018 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eintraf, zeigte sich die jetzige Prozessbevollmächtigte des Antragstellers an ohne eine Vollmacht vorzulegen und beantragte Akteneinsicht betreffend die Akte B 1 K 17.31510. Aus den zugesendeten Akten des Bundesamtes ergäben sich nicht die Gründe der Einstellung des Verfahrens. Da der Mandant schon am 20.02.2018 nach Afghanistan abgeschoben werden solle, bitte sie höflich um Erledigung. Mit Faxschreiben des Gerichts vom 12.02.2018 wurde der jetzigen Prozessbevollmächtigten des Antragstellers um 15:41 Uhr mitgeteilt, dass ohne Vorlage einer Vollmacht keine Akteneinsicht gewährt werden könne. Die Vorlage der Vollmacht erfolgte dann mit Faxeinschreiben vom 15.02.2018. Kopien der gesamten gerichtlichen Asylakte wurden noch am selben Tag gefertigt und der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers per Post übermittelt, die mittlerweile am 18.02.2018 telefonisch auf Nachfrage mitteilte, die Akten erhalten zu haben.

Mit Faxschreiben vom 16.02.2018, das um 14:01 Uhr wiederum an das Landgericht Bayreuth gerichtet wurde und mit zahlreichen Eilhinweisen versehen war, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers, das Verfahren fortzusetzen. Die Voraussetzungen für die Fiktionswirkung seien vorliegend nicht gegeben, da keine wirksame Betreibensaufforderung erfolgt sei. Aus der ihr allein vorliegenden Akte des Bundesamtes sei keine Betreibensaufforderung zu entnehmen. Demnach sei über die Wirksamkeit der Klagerücknahme aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden. Das Fortsetzungsverfahren wurde unter dem Az.: B 6 K 18.30366 angelegt.

Gleichzeitig wurde beantragt,

festzustellen, dass die Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes für ...vom [gemeint offenbar 13.04.2017] aufschiebende Wirkung hat.

Zur Begründung wird angeführt: „Selbst wenn das Gericht davon ausgeht, dass die Voraussetzungen des § 81 AsylG vorliegen, hat der Fortsetzungsantrag jedenfalls zur Wirkung, dass die Klage aufschiebende Wirkung entfaltet, denn bis zur Entscheidung des Gerichtes durch Urteil über den Fortsetzungsantrag entfaltet die Klage nach Stellung des Fortsetzungsantrages weiterhin aufschiebende Wirkung.“ Der Antrag nach § 80 Abs. 5 analog sei zulässig und begründet. Die Klage habe hier bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, so dass § 80 Abs. 5 VwGO analog zur Anwendung komme. Hilfsweise werde für den Fall einer wirksamen Betreibensaufforderung beantragt,

Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.

Der Antragsteller habe die Betreibensaufforderung nicht erhalten und es sei ihm daher nicht möglich gewesen, das Verfahren zu betreiben. Schließlich wird die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Mit Fax-Schreiben vom 19.02.2018 beantragte der Antragsgegner, den Eilantrag abzulehnen.

Auf die Begründung wird verwiesen.

Ergänzend wird auf die vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte der Verfahren

B 6 K 17.31510, B 6 K 18.30366 und die Gerichtsakte dieses Verfahrens verwiesen.

II.

1. Der Eilantrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den ablehnenden Bundesamtsbescheid vom 13.04.2017 bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Der Grundsatz der aufschiebenden Wirkung der Klage gem. § 75 Abs. 1 AsylG i. V. m.

§ 80 Abs. 1 VwGO erfährt vorliegend eine Ausnahme (siehe BVerfG, B. v. 25.2.1997, 2 BvR 274/97 juris Rn. 4).

Die Asylklage vom 26.04.2017 (B 6 K 17.31510) entfaltet keine aufschiebende Wirkung bis zur Entscheidung über den Fortsetzungsantrag, weil dieses Fortsetzungsbegehren offensichtlich unzulässig ist (zur aufschiebenden Wirkung von Hauptsacherechtsbehelfen die „nicht offensichtlich unzulässig“ sind, siehe BayVGH, B. v. 26.4.2007, 4 CE 07.266 juris Rn. 10, zu den einzelnen Fallgruppen offensichtlicher Unzulässigkeit siehe Schmidt in Eyermann, VwGO, 14. Auflage Rn. 13 zu § 80 VwGO; siehe auch Rennert in Eyermann, VwGO a.a.O. Rn. 26 zu § 92, wonach sich die Frage stellen könnte, ob der zu einem „Zwischenverfahren“ führende Antrag überhaupt aufschiebend wirkt).

Wird aufgrund des Antrags das ursprüngliche Asylklageverfahren nicht fortgesetzt, fehlt es an der Grundlage, auf der die Klage auf Fortsetzung des eingestellten Klageverfahren aufschiebende Wirkung entfalten könnte.

Die Klage mit dem Antrag auf Fortsetzung des abgeschlossenen Verfahrens B 6 K 17.31510 ist zum einen offensichtlich unzulässig, weil der Antragsteller dieses Rechtsschutzbegehren verwirkt hat. Dem steht nicht entgegen, dass – wie die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers zutreffend ausführt – der Fortsetzungsantrag nach Verfahrenseinstellung nicht fristgebunden ist.

Der Einstellungsbeschluss im Verwaltungsstreitverfahren betreffend den ablehnenden Bundesamtsbescheid vom 13.04.2017 datiert vom 05.10.2017 und wurde dem damals beauftragten Prozessbevollmächtigten des Antragstellers postalisch übermittelt, was der damals offenbar in Frankreich untergetauchte Antragsteller – ebenso wie die zugrundeliegende Betreibensaufforderung – gegen sich gelten lassen muss (siehe § 85 ZPO).

Bis zur Stellung des Fortsetzungsantrags ließ der Antragsteller über vier Monate verstreichen, obwohl er im Bundesgebiet weiterhin anwaltlich vertreten war und er von Frankreich aus ersichtlich mit seinem Prozessbevollmächtigten Rechtsanwalt M. hätte Kontakt aufnehmen können. Aufgrund der Gesamtumstände und auch vor dem Hintergrund, der im Asylrecht zur Verfahrensbeschleunigung allgemein verkürzten Rechtsmittelfristen führt vorliegend bereits die untätig verstrichene Zeitspanne von gut vier Monaten zu einer Verwirkung. Der Antragsgegner musste nach vier Monaten, in denen sich der Antragsteller der deutschen Gerichtsbarkeit entzogen hatte, nicht mehr mit einem Begehren auf Fortsetzung des abgeschlossenen Asylverfahrens rechnen. Das öffentliche Interesse im Sinne der Rechtssicherheit rechtfertigt es im Übrigen, den Antragsteller, der nicht freiwillig, sondern nach zwei vergeblichen Überstellungsversuchen am 17.01.2018 aus Frankreich nach Deutschland zurücküberstellt wurde, auf den Verlust seines Klagerechts auf Fortsetzung des abgeschlossenen Asylverfahrens zu verweisen, zumal er offenbar vorhatte, nicht nach Deutschland zurückzukehren und sich weiterhin in Frankreich aufzuhalten.

Zum anderen ist der Antrag auf Fortsetzung des eingestellten Asylverfahrens unzulässig, weil dem Antragsteller kein entsprechendes Rechtschutzbedürfnis, das Ausfluss des allgemeinen Verbots eines Rechtsmissbrauchs ist (BayVGH, B. v. 10.12.2001, 21 B 00.31685 juris, Rn. 20) zur Seite steht. Gegenstand des Fortsetzungsverfahrens nach Einstellung gem. § 81 S. 1 AsylG ist der „Streit über die Verfahrensbeendigung“ (BVerfG, B. v. 25.2.1997, 2 BvR 274/97 Rn. 4 juris), d.h. der Streit darüber, ob die Voraussetzungen der Rücknahmefiktion zu Recht angenommen wurden.

Eine solche rechtsschutzbedürftige Streitigkeit liegt hier nicht vor. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers bestreitet lediglich, dass eine wirksame Betreibensaufforderung erfolgt ist, weil ihr nur die BAMF-Akte vorliege. Angesichts der Tatsachen, dass die seit 24.01.2018 mandatierte Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf den gerichtlichen Fax-Hinweis zur Vorlage einer Vollmacht am 12.02.2018 erst am 15.02.2018 reagiert hat, der Inhalt der Akte B 6 K 17.31510 ihr mittlerweile vollständig zur Verfügung steht, dieser Akte die Zustellung der Betreibensaufforderung an den damals Bevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 05.10.2017 zweifelsfrei zu entnehmen ist (Gerichtsakte S. 21) und in der Sache dennoch keine weitere Äußerung der Prozessbevollmächtigten zum Akteninhalt erfolgte, ist der Antrag auf Fortsetzung des abgeschlossenen Klageverfahrens offenkundig nicht auf die Klärung streitiger Voraussetzungen der erfolgten Verfahrensbeendigung gerichtet. Er verfolgt vielmehr ohne Not nur formal einen Sachanspruch mit einer Begründung ins Blaue hinein, die auch nach Kenntnis des maßgebenden Akteninhalts nicht überarbeitet wird, und zielt ausschließlich auf die aufschiebende Wirkung als solche. Da diese Wirkung der Sachklärung zu dienen bestimmt ist, kann sich auf sie nicht mit Rechtsschutzbedürfnis berufen, wem an einer Klärung streitiger Voraussetzungen der Verfahrensbeendigung als Hauptziel offenbar nicht gelegen ist. Wenn die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers ausführt, dass selbst dann, wenn das Gericht vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 81 AsylG ausgehe, der Fortsetzungsantrag jedenfalls zur Wirkung habe, dass die Klage aufschiebende Wirkung entfalte (Gerichtsakte S. 3), bestätigt sie das taktische Hauptziel jenseits einer Sachklärung zu den Voraussetzungen der Verfahrensbeendigung, - und das allemal in Kenntnis des Inhalts der Akte B 6 K 17.31510.

2. Dem Wiedereinsetzungsbegehren ist schon deshalb nicht Folge zu leisten, weil dem bevollmächtigten Prozessvertreter des Antragstellers die Betreibensaufforderung gegen Empfangsbekenntnis am 04.09.2018 (Gerichtsakte S. 21) zugestellt wurde (siehe § 85 VwGO).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gem. § 83 b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.

4. Nachdem der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes erfolglos blieb, konnte auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes keinen Erfolg haben (§ 166 VwGO, § 114 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).