Verwaltungsgericht München Beschluss, 30. Juli 2019 - M 22 E 19.3507

published on 30/07/2019 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 30. Juli 2019 - M 22 E 19.3507
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Gericht

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Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2019 stellte die Antragsgegnerin dem Antragsteller - zunächst befristet bis zum 30. Juni 2019 - eine Notunterkunft in der von ihr betriebenen Einrichtung zur Unterbringung von Obdachlosen zur Verfügung, nachdem der Antragsteller am selben Tage im Wege der sog. vereinfachten Räumungsvollstreckung (ohne Wegschaffung der in der Wohnung befindlichen Sachen) aus dem Besitz der von ihm bislang genutzten Wohnung gesetzt worden war.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2019 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin unter Hinweis auf die „gesundheitlichen Folgen der Räumung und Unterbringung im Obdachlosenheim“ und im Hinblick auf die Befristung der Unterbringung, ihn umgehend in die bisher von ihm genutzte Wohnung, aus der er geräumt worden sei, wieder einzuweisen. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid gleichfalls vom 28. Juni 2019 ab. Weiter wurde mit dem Bescheid die Zuweisung der dem Antragsteller zur Verfügung gestellten Notunterkunft bis zum 31. Juli 2019 verlängert.

Mit Schreiben vom 24. Juli 2019, eingegangen bei Gericht am 25. Juli 2019, erhob der Antragsteller Klage auf Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn sofort in die bisher von ihm genutzte Wohnung wiedereinzuweisen (Verfahren M 22 K 19.3551). Weiter beantragt er,

die Antragsgegnerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die sofortige Wiedereinweisung in die bisher von ihm genutzte Wohnung zu verfügen.

Zur Begründung trägt der Antragssteller im Wesentlichen vor, ein sofortiges Handeln sei geboten, da die Vernichtung seiner noch in der Wohnung befindlichen Sachen drohe, wenn keine Wiedereinweisung erfolge und er wegen der Obdachlosigkeit unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leide. Er berufe sich weiter auf Art. 106 der Bayerischen Verfassung - BV - und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte - AEMR -. Ein Verstoß gegen die Bayerische Verfassung liege hier insofern vor, als die Antragsgegnerin es unterlassen habe, das Belegungsrecht für eine GWG-Wohnung auszuüben, um dem Antragsteller die Anmietung dieser Wohnung zu ermöglichen. Deshalb sei die Antragsgegnerin nunmehr in der Pflicht, die Einweisung des Antragstellers in seine frühere Wohnung vorzunehmen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie trägt vor, eine Wiedereinweisung in die früher bewohnte, dann aber zwangsgeräumte Wohnung komme nur in Fällen schwerster Notlagen, denen die Obdachlosenbehörde nicht auf andere Weise abhelfen könne, und nur für einen eng begrenzten Zeitraum in Betracht. Diese Voraussetzungen hätten hier nicht vorgelegen, da der drohenden Obdachlosigkeit durch die Unterbringung des Antragstellers in der städtischen Notunterkunft habe begegnet werden können.

Die vom Antragsteller vorgetragenen Forderungen und Anschuldigungen würden jeglicher Grundlage entbehren.

Weiter werde darauf hingewiesen, dass die Zuweisung einer Notunterkunft über den 31. Juli 2019 hinaus in Aussicht gestellt werde. Dem Antragsteller drohe daher aktuell auch keine neuerliche Obdachlosigkeit.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl den (aus dem streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteten) Anspruch, bezüglich dessen die vorläufige Regelung getroffen werden soll (Anordnungsanspruch), wie auch die Dringlichkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 Zivilprozessordnung - ZPO -). Maßgeblich für die Beurteilung sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers auf Wiedereinweisung in seine bisherige Wohnung mit dem Bescheid vom 28. Juni 2019 zu Recht abgelehnt hat und sich die Verhältnisse seither auch nicht in einer Weise geändert haben, aufgrund derer nunmehr der Erlass einer einstweiligen Anordnung in Betracht käme.

Gemäß Art. 57 Abs. 1 der Bayerischen Gemeindeordnung - GO - i.V.m. Art. 6 Landesstraf- und Verordnungsgesetz - LStVG - obliegt es der Antragsgegnerin als Pflichtaufgabe im eigenen Wirkungskreis, Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung - als eine solche ist wegen der damit verbundenen Gesundheitsgefahren auch eine unfreiwillige Obdachlosigkeit anzusehen - zu verhindern bzw. zu beseitigen. Dabei ist der Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde ein Ermessen eingeräumt (vgl. Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG), das sich in Obdachlosenfällen regelmäßig auf die Frage beschränken wird, in welcher Weise der Gefahr zu begegnen ist (sog. Auswahlermessen).

Die Wiedereinweisung eines Räumungsschuldners in seine bisherige Wohnung zur Abwendung der Obdachlosigkeit ist dabei wegen des damit verbundenen Eingriffs in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht des Hauseigentümers bzw. Vermieters (gegenüber dem in einem solchen Fall eine Beschlagnahmeverfügung zu erlassen wäre) nur ausnahmsweise in Fällen schwerster Notlagen und nur für einen eng begrenzten Zeitraum zulässig, wenn es sich so verhält, dass die Sicherheitsbehörde der Gefahr nicht auf andere Weise - insbesondere durch Unterbringung des Betroffenen in einer kommunalen Obdachlosenunterkunft oder durch die Zurverfügungstellung angemieteter Räumlichkeiten - abhelfen kann (vgl. BayVGH, U.v. 14.08.1990 - 21 B 90,335 - BayVBl 1991, 114; B.v. 25.9.1998 - 4 CS 98.2581 - juris Rn. 2).

Ein solche Fallgestaltung lag und liegt hier offenkundig nicht vor, da dem Antragsteller von der Antragsgegnerin eine Notunterkunft zur Verfügung gestellt wurde und dieser dort auch weiter verbleiben kann. Dafür, dass die Notunterkunft den einschlägigen Anforderungen nicht genügen würde, ist nichts ersichtlich. Aber selbst wenn dies der Fall wäre, würde eine Beschlagnahme und Zuweisung der früher genutzten Wohnung an den Antragsteller nicht in Betracht kommen, da für einen solchen Fall vorrangig anderweitige Unterbringungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen wären.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Antragsteller die Entsorgung seiner noch in der früheren Wohnung verbliebenen Habe befürchtet. Der Umgang mit dem Antragsteller gehörenden Sachen, die sich noch in der Wohnung befinden, betrifft allein das Verhältnis des Antragstellers zum Vollstreckungsgläubiger. Irgendwelche Verpflichtungen der Antragsgegnerin als Obdachlosenbehörde stehen insoweit nicht inmitten, da sich die Obdachlosenfürsorge auf die Unterbringung der obdachlosen Person beschränkt und nicht auch die Sorge um den Hausrat oder sonstige im Besitz des Betroffenen befindliche Sachen umfasst. (Die Obdachlosenbehörde ist daher auch nicht verpflichtet, Lagerflächen für die Einstellung von Hausrat zur Verfügung zu stellen.)

Unbehelflich ist weiter das Vorbringen des Antragstellers zu seinen Bemühungen um die Anmietung einer anderen Wohnung, die von der Antragsgegnerin nicht hinreichend unterstützt worden wären. Ungeachtet der Frage, wie es sich insoweit tatsächlich verhalten hat - die Antragsgegnerin hat dazu vorgetragen, die Anschuldigungen würden jeglicher Grundlage entbehren -, ist offensichtlich, dass dies für die sicherheitsrechtliche Beurteilung im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Beschlagnahmeverfügung und Wohnungszuweisung an den Antragsteller (wonach wie ausgeführt eine notstandsähnliche Situation gegeben sein muss) irrelevant wäre.

Zur Regelung des Art. 106 BV, auf den sich der Antragsteller ausdrücklich beruft, ist insoweit anzumerken, dass dessen Absätze 1 (Anspruch auf angemessene Wohnung) und 2 (Förderung des Baues billiger Volkswohnungen) keinen Grundrechtscharakter haben, sondern es sich dabei um Programmsätze handelt, die den Gesetzgeber objektiv-rechtlich verpflichten, für ausreichenden Wohnraum, zumal durch Förderung des Wohnungsbaus, zu sorgen (vgl. BayVerfGH, E.v. 12.7.1962 - Vf. 87-VI-61 - VerfGH n.F. 15, 49). Abs. 3 der Bestimmung (Unverletzlichkeit der Wohnung) bezieht sich auf die tatsächlich genutzte Wohnung. Für das Begehren des Antragstellers lässt sich aus Art. 106 BV folglich nichts ableiten. Dasselbe gilt im Ergebnis auch für die pauschal in Bezug genommene Allgemeine Erklärung der Menschrechte vom 10. Dezember 1948, die rechtlich nicht verbindlich ist und die daher keine einklagbaren subjektiven Rechte begründet, die der Antragsteller ggf. gegenüber der Antragsgegnerin geltend machen könnte (vgl. BayVerfGH, E.v. 30.6.1961 - Vf. 111-VI-60 - VerfGH n.F. 14, 47, 52).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz - GKG - unter Berücksichtigung der Empfehlungen in Nr. 1.5 und 35.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Lastenausgleichsgesetz - LAG

Annotations

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.