Verwaltungsgericht München Beschluss, 11. März 2015 - M 11 S7 15.50189

bei uns veröffentlicht am11.03.2015

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. Juni 2014 (M 11 S 14.50169) wird geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die in Nummer 2 des Bescheides vom 15. April 2014 angeordnete Abschiebung nach B. wird angeordnet.

II.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist seinen Angaben zufolge ein afghanischer Staatsangehöriger. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 15. April 2014 seinen Asylantrag als unzulässig ab (Nummer 1) und ordnete die Abschiebung nach B. an (Nummer 2).

Der Antragsteller erhob gegen den Bescheid Klage, über die noch nicht entschieden ist (M 11 K 14.50168). Er stellte ferner einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der mit Beschluss vom 10. Juni 2014 abgelehnt wurde (M 11 S 14.50169). Dieser Beschluss wurde dem Bundesamt am 17. Juni 2014 zugestellt.

Mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom ... Februar 2015 beantragte der Antragsteller,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 10. Juni 2014, M 11 S 14.50169, abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24. April 2014, M 11 K 14.50168, anzuordnen.

Auf die Begründung des Antrags nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wird verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten, auch diejenigen der Verfahren M 11 K 14.50168 und M 11 S 14.50169, und insbesondere auf die Sachverhaltsdarstellung im Beschluss vom 10. Juni 2014 Bezug genommen.

II.

Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist begründet. Die Sachlage hat sich maßgeblich zugunsten des Antragstellers geändert.

Die Klage hat nunmehr hohe Erfolgsaussichten, weil die Abschiebungsanordnung zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) wohl rechtswidrig ist.

Die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin-III-VO ist inzwischen auch dann abgelaufen, wenn man mit dem Bundesamt davon ausgeht, dass diese Frist mit der Zustellung des den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ablehnenden Beschlusses vom 10. Juni 2014 nochmals neu zu laufen begonnen hat. Auch dann ist gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO B. wohl jedenfalls seit dem 18. Dezember 2014 nicht mehr zur Wiederaufnahme des Antragstellers verpflichtet, sondern die Bundesrepublik Deutschland ist zuständig geworden. Die Dublin-III-VO ist insoweit bereits anzuwenden, obwohl der Antragsteller seinen Asylantrag noch im Dezember 2013, d. h. vor Inkrafttreten der Dublin-III-VO, gestellt hat. Wie schon im Beschluss vom 10. Juni 2014 ausgeführt, richtet sich im vorliegenden Fall das Wiederaufnahmeverfahren nach der Dublin-III-VO, weil das Wiederaufnahmegesuch erst im Jahr 2014 gestellt wurde (Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO). Da die Regelung über den Ablauf der Überstellungsfristen Bestandteil des Wiederaufnahmeverfahrens ist, ist daher insoweit schon die Dublin-III-VO einschlägig.

Ob aufgrund des Umstands, dass sich der Antragsteller zumindest zeitweise im „Kirchenasyl“ befand, eine Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO möglich gewesen wäre, kann dahin stehen. Nach Art. 29 Abs. 4 Dublin-III-VO i. V. m. Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1560/2003 i. d. F. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 hätte das Bundesamt die bulgarischen Behörden über die Fristverlängerung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist informieren müssen. Dass dies geschehen ist, geht aus den Akten nicht hervor und wurde vom Bundesamt auch nicht behauptet. Dem Bundesamt wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 15. Dezember 2014 ein Schreiben der Bevollmächtigten des Antragstellers, mit dem der Ablauf der Überstellungsfrist geltend gemacht wurde, mit der Bitte um Stellungnahme, ob der Bescheid aufgehoben werde, zugeleitet. Das Bundesamt hat darauf bis heute nicht reagiert. Es kann daher nicht angenommen werden, dass das Bundesamt die bulgarischen Stellen rechtzeitig informiert hat.

Ob der Antragsteller den Ablauf der Überstellungsfrist unmittelbar als Rechtsverletzung geltend machen kann, kann offen bleiben. Der Antragsteller kann sich jedenfalls darauf berufen, dass die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nicht mehr vorliegen, wonach feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Das ist jedenfalls in tatsächlicher Hinsicht zum maßgeblichen gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr der Fall, weil nicht erkennbar ist, dass B., obwohl die Überstellungsfrist schon seit fast drei Monaten abgelaufen und die Bundesrepublik Deutschland zuständig geworden ist, nach wie vor ohne weiteres zur Aufnahme des Antragstellers bereit ist.

Angesichts der hohen Erfolgsaussichten der Klage überwiegt das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung der Klage das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit, zumal sich aus den vorstehenden Ausführungen ohnehin ergibt, dass bestenfalls ungewiss ist, ob eine umgehende Aufenthaltsbeendigung aus tatsächlichen Gründen überhaupt erfolgen könnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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Verwaltungsgericht München Urteil, 04. Sept. 2015 - M 11 K 14.50168

bei uns veröffentlicht am 04.09.2015

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. April 2014 wird aufgehoben. II. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckba

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Tenor

I.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. April 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist seinen Angaben zufolge ein im Jahr 1995 geborener afghanischer Staatsangehöriger, der am 16. Dezember 2013 nach Deutschland einreiste. Am 20. Dezember 2013 stellte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 richtete das Bundesamt zunächst ein Wiederaufnahmeersuchen an die Republik Österreich. Die dort zuständige Behörde antwortete mit Schreiben vom 28. Januar 2014, man könne der Übernahme derzeit nicht zustimmen. Der Kläger habe in Österreich zwar am 6. Dezember 2013 einen Asylantrag gestellt. Die Republik Österreich habe aber am 9. Dezember 2013 ihrerseits ein Aufnahmeersuchen an Bulgarien gerichtet, wobei die Antwort Bulgariens noch ausstehe. Das Bundesamt richtete daraufhin mit Schreiben vom 30. Januar 2014 ein weiteres Übernahmeersuchen an Bulgarien, dem mit Schreiben vom 5. Februar 2014 entsprochen wurde.

Am 15. April 2014 führte das Bundesamt mit dem Kläger ein persönliches Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens. Der Antragsteller gab zu seiner familiären Situation an, unverheiratet zu sein und keine Kinder zu haben. Er habe Afghanistan ca. im Juli 2013 verlassen. Er sei mit dem PKW und zu Fuß nach Iran gereist. Nach dem Verlassen seines Heimatlandes habe er sich in den Ländern Iran, Türkei, Bulgarien, Serbien, Ungarn, Österreich und Deutschland aufgehalten. Er wolle, dass sein Asylverfahren in Deutschland weitergeführt werde. Nach Bulgarien wolle er auf keinen Fall zurück. Er sei dort unmenschlich behandelt worden. Die Asylbewerber seien dort nicht erwünscht.

Mit Bescheid vom 15. April 2014 lehnte das Bundesamt den Antrag als unzulässig ab (Nummer 1) und ordnete die Abschiebung nach Bulgarien an (Nummer 2). Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.

Der Kläger erhob gegen den am 19. April 2014 zugestellten Bescheid mit Schreiben vom 24. April 2014, das am Montag, den 28. April 2014 bei Gericht einging, „Widerspruch“.

Gleichzeitig stellte er einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das Gericht mit Beschluss vom 10. Juni 2014 ablehnte (M 11 S 14.50169). Der Beschluss wurde dem Bundesamt am 17. Juni 2014 zugestellt.

Die Beklagte legte in einem Schriftsatz vom 2. Juni 2014 eingehend die Situation von Asylsuchenden in Bulgarien dar und beantragte,

die Klage abzuweisen.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2014 zeigte die Bevollmächtigte des Klägers dessen Vertretung an und führte aus, der Kläger befinde sich „ab heute“ im Kirchenasyl, wobei die neue Anschrift des Klägers angegeben wurde.

Am 7. August 2014 beantragte die Bevollmächtigte des Klägers, nach § 80 Abs. 7 VwGO den Beschluss vom 10. Juni 2014 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen (M 11 S7 14.50479).

Auf ein Anschreiben des Gerichts vom 11. August 2014, in dem darauf hingewiesen wurde, dass die Überstellungsfrist abgelaufen sein dürfte, erwiderte die Beklagte mit Schreiben vom 21. August 2014, dass die Überstellungsfrist mit Bekanntgabe des Eilbeschlusses neu zu laufen begonnen habe und daher erst am 17. Dezember 2014 ende.

Am 25. September 2014 wurde der Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO wieder zurückgenommen. Das Verfahren M 11 S7 14.50479 wurde anschließend eingestellt.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 machte die Bevollmächtigte des Klägers geltend, die Überstellungsfrist sei spätestens am 10. Dezember 2014 abgelaufen.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 wurde die Beklagte vom Gericht um Stellungnahme gebeten, ob der streitgegenständliche Bescheid aufgehoben werde. Die Beklagte antwortete hierauf nicht.

Mit Schriftsatz vom 27. Februar 2015 stellte die Bevollmächtigte des Klägers einen weiteren Antrag nach § 80 Abs. 7 VwGO. Das Gericht änderte mit Beschluss vom 11. März 2015 den Beschluss vom 10. Juni 2014 ab und ordnete die aufschiebende Wirkung der Klage an (M 11 S7 15.50189). In der Begründung wurde insbesondere näher ausgeführt, dass die Überstellungsfrist mittlerweile abgelaufen sei.

Mit Schreiben vom 5. August 2015 erklärte die Bevollmächtigte des Klägers ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und beantragte,

den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15. April 2014 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten des Klageverfahrens, der drei Eilverfahren und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

1. Über die Klage konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich alle Beteiligten - die Beklagte und die Regierung von Oberbayern durch allgemeine Prozesserklärungen - damit einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die Klage hat Erfolg.

a) Die Klage ist zulässig. Insbesondere wurde die Klage wirksam rechtzeitig erhoben. Das innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylVfG - die Wochenfrist des § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylVfG gilt hier nicht und wäre im Übrigen ohnehin gewahrt - eingegangene Schreiben des Klägers vom 24. April 2014 ist (auch) als Klageschrift auszulegen. Es enthält im Betreff die beiden Bezeichnungen „Widerspruch“ und „Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO“. Auch wenn der Kläger im anschließenden Fließtext dann nur noch - und sachlich verfehlt - ausführt, er stelle einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung „gegen o. a. Klage“, ist das an das Gericht adressierte Schreiben des damals anwaltlich noch nicht vertretenen Klägers dennoch so auszulegen, dass sowohl Klage gegen den unter Angabe des Aktenzeichens bezeichneten Bescheid des Bundesamts erhoben als auch der zugehörige Eilantrag gestellt werden sollte.

b) Die Klage ist auch begründet.

Der Bescheid des Bundesamts vom 15. April 2014 erweist sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Der Asylantrag des Klägers ist nicht mehr unzulässig im Sinne des § 27 a AsylVfG; die ursprünglich gegebene Zuständigkeit Bulgariens für die Durchführung des Asylverfahrens (vgl. die Ausführungen auf Seite 5 des im Eilverfahren M 11 S 14.50169 ergangenen Beschlusses vom 10. Juni 2014) ist mittlerweile entfallen. Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausgeht, dass die sechsmonatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin lll-VO mit der Zustellung des Beschlussesvom 10. Juni 2014 (M 11 S 14.50169) an das Bundesamt am 17. Juni 2014 neu zu laufen begonnen hat, so ist auch diese neue Frist am 17. Dezember 2014 abgelaufen, die Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmeverpflichtung Bulgariens erloschen und die Zuständigkeit für die Asylantragsprüfung auf die Beklagte übergegangen.

Ein Tatbestand, der nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin lll-VO ausnahmsweise zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist führt, wurde weder von der Beklagten vorgetragen, noch ist ein solcher ersichtlich.

Ob der Umstand, dass sich der Kläger zeitweise im „Kirchenasyl“ befunden hat, dazu geführt hat, dass er im Sinne des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin lll-VO „flüchtig“ gewesen ist, kann offen bleiben. Gute Gründe sprechen zunächst ohnehin gegen eine solche Gleichsetzung. Denn den Behörden war der Aufenthaltsort des Klägers durch die Adressmitteilung seiner Bevollmächtigten weiterhin bekannt, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger für die Behörden über einen erheblichen Zeitraum hinweg nicht auffindbar gewesen ist (VG München, U. v. 28.1.2015 - M 12 K 14.30463 - juris Rn. 26). Der Umstand allein, dass die für eine Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden es möglicherweise gescheut haben, gegen den Kläger unmittelbaren Zwang einzusetzen, solange er sich in den Räumen der Pfarrei aufhielt, führt nicht ohne weiteres dazu, dass eine solche Situation derjenigen gleichzusetzen ist, in der eine Person flüchtig ist. Ist eine Person flüchtig, so ist eine Überstellung nicht möglich. Das sog. „Kirchenasyl“ führt eine solche Unmöglichkeit der Überstellung nicht herbei. Es existiert kein Sonderrecht der Kirchen(n), aufgrund dessen die für die Aufenthaltsbeendigung zuständigen Behörden nach der Aufnahme in das „Kirchenasyl“ nicht ggf. auch hätten unmittelbaren Zwang anwenden dürfen, um eine Überstellung durchzuführen.

Letztlich kommt es aber auf die Frage, ob aufgrund des Umstands, dass sich der Kläger zumindest zeitweise im „Kirchenasyl“ befand, eine Fristverlängerung nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin lll-VO möglich gewesen wäre (so VG Regensburg, U. v. 20.2.2015 - RN 3 K 14.50264 - juris Rn. 56; VG Saarland, U. v. 6.3.2015 - 3 K 902/14 - juris Rn. 44 unter Verweis auf SaarOVG, U. v. 13.09.2006 - 1 R 17/06-juris), nicht an. Dass Gericht hält an seiner bereits im Eilbeschluss vom 11. März 2015

(M 11 S7 15.50189) geäußerten Auffassung fest, dass das Bundesamt nach Art. 29 Abs. 4 Dublin lll-VO i. V. m. Art. 9 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1560/2003 i. d. F. der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 vom 30. Januar 2014 die bulgarischen Behörden über die Fristverlängerung vor Ablauf der Sechsmonatsfrist hätte informieren müssen (ebenso auch VG München, U. v. 06.08.2015 - M 17 K 14.50731). Dass dies geschehen ist, geht aus den Akten nicht hervor und wurde vom Bundesamt auch nicht behauptet, obwohl sich dem Bundesamt nach Zuleitung des Schreibens der Bevollmächtigten des Klägers vom 11. Dezember 2014, der zusätzlichen Anfrage des Gerichts mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 und insbesondere der Begründung des Beschlusses vom 11. März 2015 hätte aufdrängen müssen, darzulegen, dass eine solche Information der bulgarischen Behörden erfolgt sei. Das Gericht geht deshalb auch für das Hauptsacheverfahren davon aus, dass das Bundesamt die bulgarischen Behörden über eine etwaige Fristverlängerung nicht rechtzeitig informiert hat. Das Bundesamt hat auch nicht dargelegt, dass Bulgarien ungeachtet des Fristablaufs weiterhin bereit wäre, den Kläger wieder aufzunehmen.

Der Kläger kann folglich die Durchführung des Asylverfahrens durch die Beklagte beanspruchen. Er kann geltend machen, dass ein Festhalten am Bescheid nach Ablauf der Überstellungsfrist und Übergangs der Zuständigkeit auf die Bundesrepublik Deutschland ihn in eigenen Rechten verletzt. Dem Zuständigkeitssystem nach der Dublin ll-VO bzw. der Dublin lll-VO liegt das Prinzip zugrunde, dass zeitnah geklärt werden soll, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des jeweiligen Asylantrags zuständig ist. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hat der Mitgliedstaat, in dem sich ein Asylbewerber befindet, darauf zu achten, dass eine Situation, in der dessen Grundrechte verletzt werden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates verschlimmert wird. Erforderlichenfalls muss er den betreffenden Asylantrag selbst prüfen (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C 411/10 u. a. - juris Rn. 98). Diesem Anspruch des Klägers auf Vermeidung eines überlangen Verfahrens widerspräche es, nach Ablauf der Überstellungsfrist und ohne erklärte Aufnahmebereitschaft eines anderen Mitgliedstaates eine Prüfung seines Asylbegehrens zurückzustellen (vgl. BayVGH, B. v. 20.5.2015 - 11 ZB 14.50036-juris Rn. 9; VGH BW, U. v. 29.4.2015-A 11 S 121/15-juris Rn. 32). Dem Erwägungsgrund Nummer 19 der Dublin lll-VO ist im Übrigen klar zu entnehmen, dass der wirksame Rechtsbehelf nicht nur die Prüfung der Sach- und Rechtslage in dem Mitgliedstaat umfassen soll, in den der Betreffende überstellt wird, sondern auch die Prüfung der Anwendung der Dublin lll-VO selbst. Daraus gibt ergibt sich, dass der Betroffene gerade nicht darauf beschränkt ist, nur rügen zu können, dass im Zielstaat „systemische Mängel“ vorliegen.

Auch die Voraussetzungen für den Erlass einer Abschiebungsanordnung betreffend den zunächst zuständigen Mitgliedstaat auf der Grundlage des § 34a i. V. m. § 27a AsylVfG liegen nicht mehr vor, so dass der Bescheid vom 15. April 2014 insgesamt rechtswidrig geworden und aufzuheben ist. Das Bundesamt ist in der Folge kraft Gesetzes (vgl. § 31 Abs. 2 AsylVfG) verpflichtet, das Asylverfahren des Klägers fortzuführen und eine Sachentscheidung zu treffen (vgl. BayVGH, U. v. 28.2.2014 - 13a B 13.30295-juris Rn. 22).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. v. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.