Verwaltungsgericht Karlsruhe Urteil, 19. Jan. 2004 - A 6 K 11351/02

bei uns veröffentlicht am19.01.2004

Tenor

Die Beklagte, Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, wird zu der Feststellung verpflichtet, dass beim Kläger hinsichtlich des Irans die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beteiligten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Tatbestand

 
Es wird zunächst gem. § 77 Abs. 2 AsylVfG Bezug genommen auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.10.2000.
Gegen den am 30.10.2000 als Einschreibesendung zur Post gegebenen Bescheid hat der Kläger am 09.11.2000 Klage erhoben und vorgetragen, aufgrund seiner erheblichen exilpolitischen Aktivitäten bestehe die Gefahr, dass er vom iranischen Geheimdienst verfolgt werde. Er sei führendes Mitglied der konstitutionalistischen Partei des Irans (CPI). Diese werde von der iranischen Regierung neben den Volksmudjaheddin als wichtigste regierungsfeindliche Organisation angesehen. Er sei 1998 bis 2001 stellvertretender Leiter der Sektion XXX der CPI gewesen, ab 2002 zunächst stellvertretender Leiter der Sektion XXX, im Herbst 2002 sei er dann als Leiter gewählt worden. Im Januar 2004 sei er dann wieder gewählt worden; die Wahl habe sich wegen des Erdbebens in Bam verzögert. Im Februar 2003 sei in der Zeitschrift XXX über ihn mit Namensangabe und Bild berichtet worden; ein weiterer Bericht sei im Dezember 2003 erfolgt. Ferner habe er Anfang Januar 2004 einer Journalistin des Radiosenders "XXX" ein Interview gegeben, das in persisch ausgesendet werde. Dieses Interview sei auch im Internet nachzulesen. Im Zusammenhang mit den Erdbebenereignissen in Bam habe er auch unter Namensnennung in der "XXX" gesprochen. Die iranische Botschaft habe ihn mit Schreiben vom 14.01.2004 aufgefordert, dort hin zu kommen und seine Personalien abzuchecken. Die Tatsache, dass der Botschaft seine Anschrift bekannt sei, belege, dass er vom iranischen Geheimdienst beobachtet worden sei, denn er habe zuvor keinen Kontakt mit der Botschaft gehabt. Bei einer Konferenz in XXX im Jahr 2002 sei beschlossen worden, dass alle Mitglieder der CPI ausgeschlossen würden, wenn sie sich an staatliche iranische Einrichtungen wenden sollten. Schließlich habe er am 02. und 03. November 2003 am vierten Weltkongress der CPI in XXX teilgenommen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 27.10.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein weiteres Asylverfahren durchzuführen und den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen sowie festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG bzw. Abschiebungshindernisse gem. § 53 AuslG vorliegen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie nimmt zur Begründung Bezug auf den Bescheid des Bundesamts vom 27.10.2000.
Der Kläger wurde in der mündlichen Verhandlung vom 19.01.2004 angehört; insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Dem Gericht liegt eine Akte des Bundesamts über das derzeitige Asylfolgeverfahren sowie die Akten des Bundesamts und des Verwaltungsgerichts Karlsruhe über die früheren Asylverfahren des Klägers vor.

Entscheidungsgründe

 
10 
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG. Dagegen kann er nicht als Asylberechtigter nach § 16 a GG anerkannt werden.
11 
Eine Anerkennung als Asylberechtigter wegen der exilpolitischen Aktivitäten des Klägers scheitert schon daran, dass er sich erst im Bundesgebiet politisch betätigt hat (§ 28 AsylVfG). Seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2004, er habe bereits im Iran sich insofern politisch betätigt, als er Anhängern der Bahai geholfen habe, mag zutreffen. Diese religiös und nicht politisch bestimmte Aktivität hat jedoch mit seinem erst im Bundesgebiet begonnenen Einsatz für die CPI nichts zu tun. Der Kläger hat bei seiner ersten Anhörung vom 20.12.1995 selbst angegeben, dass er sich im Iran nicht politisch betätigt habe, sondern mit seinen Geschäften beschäftigt gewesen sei. Außerdem habe ihm seine Religion eine politische Betätigung nicht erlaubt.
12 
Der Kläger hat jedoch Anspruch auf die Feststellung auf Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG, weil er bei einer Rückkehr in den Iran damit rechnen muss, dass er wegen seines Einsatzes für die CPI politisch verfolgt wird. Der Kläger hat durch eine Vielzahl von Dokumenten nachgewiesen, dass er seit 1998 in einer herausgehobenen Position nämlich zunächst als stellvertretender Leiter, seit 2002 als Leiter der Sektion XXX bzw. XXX der CPI tätig war und im Januar 2004 nochmals zum Leiter der Sektion XXX gewählt worden ist. Es kommt hinzu, dass der Kläger mindestens zwei Mal namentlich und mit Bild in der Zeitung XXX erwähnt worden ist. Die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers sind vom Dolmetscher, dem die beiden Zeitungen vorgelegt worden sind, bestätigt worden. Bei der Zeitung XXX handelt es sich um eine Zeitung der CPI, die nach dem Impressum zumindest in den XXX und im XXX erscheint und außerdem wohl auch in XXX erhältlich ist; nach den Angaben des Dolmetschers wird der Preis auch in XXX angegeben. Es ist davon auszugehen, dass auch die iranischen Sicherheitsdienste Einblick in diese Zeitung nehmen. Der Kläger hat sich ferner bei seiner exilpolitischen Tätigkeit für die CPI dadurch besonders exponiert, dass er im Januar 2004 einer Journalistin des Radiosenders "XXX" ein Interview gegeben hat, das von dem Radiosender in iranischer Sprache ausgestrahlt wird und außerdem in das Internet eingestellt wurde. Die Journalistin Frau XXX hat diese Angaben des Klägers auf telefonische Anfrage des Gerichts bestätigt. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Kenntnis von diesem Interview haben. Es kann daher dahinstehen, ob die Annahme des Klägers berechtigt ist, schon das an ihn gerichtete Schreiben der iranischen Botschaft vom 14.01.2004 belege, dass er von den iranischen Sicherheitsdiensten überwacht werde, denn auf andere Weise könne der Botschaft seine Adresse nicht bekannt geworden sein.
13 
Nach der dem Gericht vorliegenden Auskunftslage ist davon auszugehen, dass der Iran alle oppositionellen Gruppen und regimekritischen Einzelpersonen im Exil sehr genau zu beobachten und zu dokumentieren sucht (Auskunft des AA an VG Trier v. 08.02.2000, von ai an VG München v. 03.02.2000, Lageberichte des AA, zuletzt v. 02.06.2003). Andererseits muss auch in Rechnung gestellt werden, dass es den iranischen Stellen durchaus bewusst ist, dass vielfach ein politisches Engagement, das erst im Ausland erwacht ist, nicht wirklich ernsthaft ist und nur zur Erlangung von Vorteilen im Asylverfahren an den Tag gelegt wird. Es ist naheliegend, dass die iranischen Stellen nur ein Interesse an der Feststellung von ernsthaften Oppositionellen haben, deren Tätigkeit dem Regime gefährlich werden kann. Ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko besteht daher nur bei solchen Personen, die sich politisch exponiert haben, die sich durch ihre Betätigung also aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und sie als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen (st. Rspr. s. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.05.1997 - A 12 S 14667/95 -, v. 07.03.2001 - A 3 S 904/00 -, - A 3 S 905/00 -, - A 3 S 906/00 -, OVG NRW, Urt. v. 16.04.1999 - 9 A 5338/98 A -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 2, 18; VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2003 - 9 K 262/00 A -, Quelle: juris)
14 
Eine solchermaßen exponierte Tätigkeit ist nicht schon bei einer einfachen Mitgliedschaft iranischer Asylsuchender in Exilorganisationen von im Iran verbotenen oppositionellen Parteien gegeben; vielmehr ist hierunter die Wahrnehmung von Führungs- oder Funktionsaufgaben in einer Organisation oder die Kandidatur hierfür, die Teilnahme an Veranstaltungen, die führenden Mitgliedern der Organisation vorbehalten ist, und die Übernahme von Verantwortung für Presseerzeugnisse, öffentliche Veranstaltungen oder wirtschaftliche Belange der Organisation zu verstehen (vgl. hierzu AA, Auskunft v. 27.10.2000 an das VG Potsdam, vgl. auch Bundesamt für Verfassungsschutz, Auskünfte v. 04.11.1999 an das VG Potsdam und v. 11.12.2000 an das VG Köln). Dem gemäß reicht die Teilnahme an sonstigen Veranstaltungen einer solchen Organisationen, die Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen und das hierbei übliche Tragen von Plakaten sowie Rufen von Parolen, die Teilnahme an sonstigen regimekritischen Veranstaltungen, die - ebenfalls typische - Betreuung von Büchertischen, das Verteilen von Informations-/Propagandamaterial in Fußgängerzonen und das Sammeln von Unterschriften nicht aus. Derartige Aktivitäten sind ein Massenphänomen, bei dem sich die Beteiligten auch bei mehrfache Wiederholung nicht aus der Masse der iranischen Asylsuchenden in Deutschland hervorheben. Denn die Erhöhung der Quantität niedrig profilierter Tätigkeiten führt für sich allein nicht zu einer Qualitätsänderung der Gesamtaktivität. Gerade der, der über einen längeren Zeitraum im Rahmen zahlreicher Veranstaltungsteilnahmen nach außen hin deutlich macht, dass er lediglich "dabei ist", Parolen ruft, Plakate trägt oder Papier verteilt, liefert gegenüber dem iranischen Nachrichtendienst den Beweis, dass von ihm allenfalls Unzufriedenheit, nicht aber eine ernst zu nehmende Gefahr ausgeht (s. hierzu OVG Münster, Urt. v. 16.04.1999, a.a.O. und VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2003, a.a.O.).
15 
Die Annahme der bisherigen Rechtsprechung, dass lediglich eine herausgehobene exilpolitische Tätigkeit die Gefahr von asylrelevanten Repressalien bei einer Rückkehr in den Iran auslösen könne, wird in Bezug auf die CPI bestätigt durch die Stellungnahme des Deutschen Orientinstituts vom 26.05.2003 an das VG Schleswig. Darin wird ausgeführt, dass die iranischen Monarchisten seit dem Jahre 2000 die Möglichkeit hätten, unablässig in den Iran hinein zu senden. Ein in Los Angeles stationierter Fernsehsender strahle über die Satelliten Telestar 5 und Telestar 12 24 Stunden lang Sendungen in iranischer Sprache aus, wobei die Monarchisten dominierend seien. Obwohl die iranischen Sicherheitskräfte versuchten, das Satellitenschüsselverbot durchzusetzen, gelange monarchistische Propaganda und monarchistische Programme in vermehrtem Umfang in den Iran. Es lasse sich belegen, dass die Position der Monarchisten inzwischen auch im Iran aufgegriffen werde. Bei verschiedenen Demonstrationen sei monarchistisches Gedankengut verbreitet worden. Die Monarchisten seien nunmehr die tonangebende Oppositionsgruppe außerhalb des Irans, die aber tatsächliche Verbindungen in den Iran habe. Wer in öffentlichkeitswirksamer Weise für die CPI tätig sei, etwa auf Veranstaltungen als Redner auftrete, die Verantwortung für Presseerzeugnisse übernehme, an Veranstaltungen der Leitung als Funktionsträger teilnehme oder intensiven Kontakt zu der amerikanischen Zentrale habe, laufe ein ernstliches Verfolgungsrisiko.
16 
Der Kläger hat, wie bereits dargelegt, sich nicht auf eine bloße Mitgliedschaft in der CPI und die Teilnahme an Demonstrationen beschränkt. Er ist zum einen seit 2002 Leiter der Sektion XXX der CPI; insgesamt gibt es im Bundesgebiet 16 Sektionen. Da es keinen Dachverband der deutschen Sektionen gibt, hat er zwangsläufig unmittelbaren Kontakt mit der Leitung der CPI in Amerika. Außerdem ist er mindestens zwei Mal mit Bild und vollem Namen in der Zeitung XXX genannt worden und hat sich durch das Interview mit der "XXX" in besonderem Maße exponiert. Allein diese Aktivitäten reichen für die Annahme aus, dass er bei der Rückkehr in den Iran zumindest einer intensiven Befragung durch iranische Sicherheitsdienste ausgesetzt sein würde und er möglicherweise auch mit einer länger dauernden Freiheitsentziehung und schwerwiegenden körperlichen Misshandlungen rechnen müsste. Nach dem bereits zitierten Bericht des Deutschen Orientinstituts vom 26.05.2003 sind z. B. im Sommer 2001 über 40 Funktionäre und Mitglieder der mit den Monarchisten zusammenarbeitenden Freiheitsbewegung verhaftet worden, wobei eine verhaftete Person namens XXX sich dann unter dem sichtbaren Einfluss von körperlicher und seelischer Folter stehend im Fernsehen selbst bezichtigt habe, den Iran verraten und für Israel und die USA spioniert zu haben. Übereinstimmend damit hat amnesty international am 06.08.2003 dem VG Frankfurt mitgeteilt, dass ein durch einen Presseartikel bekannt gewordener Regimegegner bei seiner Rückkehr in den Iran mit Sanktionen rechnen müsse, etwa strafrechtliche Verfolgung oder im Extremfall verschwinden lassen und extra legale Hinrichtung. Auch amnesty international erwähnt dabei den vom Orientinstitut angesprochenen Prozess gegen XXX, der am 19.11.2002 wegen Spionage und Gefährdung der staatlichen Sicherheit sowie Verbindung zu Monarchisten und Gegenrevolutionären zu elf Jahren Haft verurteilt worden sei. Nach Ansicht von amnesty international müssen Monarchisten, die das islamische Regierungssystem grundsätzlich in Frage stellen, mit staatlicher Verfolgung rechnen. Diese Auskünfte des Deutschen Orientinstituts und amnesty international stehen auch nicht im Widerspruch zur Erkenntnislage des Auswärtigen Amts. Das Auswärtige Amt hat in seiner Stellungnahme vom 29.01.2003 gegenüber dem VG Schleswig lediglich ausgeführt, es sei ihm nicht möglich, die Folgen einer exilpolitischen Tätigkeit in der CPI in herausgehobener Position bei einer Rückkehr in den Iran abzuschätzen und es lägen keine Erkenntnisse vor, dass ein aktives Mitglied der CPI bei einer Rückkehr mit asylrelevanten Maßnahmen rechnen müsse. Die Tatsache, dass dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vorliegen, bedeutet aber nicht, dass eine solche Gefahr nicht besteht. Es ist vielmehr anscheinend so, dass bisher noch kein herausgehobenes Mitglied der CPI oder einer vergleichbaren monarchistischen Organisation es gewagt hat, in den Iran zurückzukehren; zumindest ist darüber nichts bekannt. Auch dies lässt den Schluss zu, dass die Gefahr einer Verhaftung und Misshandlung bei einer Rückkehr in den Iran besteht.
17 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
10 
Die zulässige Klage ist teilweise begründet. Der Kläger hat Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 51 AuslG. Dagegen kann er nicht als Asylberechtigter nach § 16 a GG anerkannt werden.
11 
Eine Anerkennung als Asylberechtigter wegen der exilpolitischen Aktivitäten des Klägers scheitert schon daran, dass er sich erst im Bundesgebiet politisch betätigt hat (§ 28 AsylVfG). Seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung vom 19.11.2004, er habe bereits im Iran sich insofern politisch betätigt, als er Anhängern der Bahai geholfen habe, mag zutreffen. Diese religiös und nicht politisch bestimmte Aktivität hat jedoch mit seinem erst im Bundesgebiet begonnenen Einsatz für die CPI nichts zu tun. Der Kläger hat bei seiner ersten Anhörung vom 20.12.1995 selbst angegeben, dass er sich im Iran nicht politisch betätigt habe, sondern mit seinen Geschäften beschäftigt gewesen sei. Außerdem habe ihm seine Religion eine politische Betätigung nicht erlaubt.
12 
Der Kläger hat jedoch Anspruch auf die Feststellung auf Abschiebungshindernisse nach § 51 Abs. 1 AuslG, weil er bei einer Rückkehr in den Iran damit rechnen muss, dass er wegen seines Einsatzes für die CPI politisch verfolgt wird. Der Kläger hat durch eine Vielzahl von Dokumenten nachgewiesen, dass er seit 1998 in einer herausgehobenen Position nämlich zunächst als stellvertretender Leiter, seit 2002 als Leiter der Sektion XXX bzw. XXX der CPI tätig war und im Januar 2004 nochmals zum Leiter der Sektion XXX gewählt worden ist. Es kommt hinzu, dass der Kläger mindestens zwei Mal namentlich und mit Bild in der Zeitung XXX erwähnt worden ist. Die diesbezüglichen Behauptungen des Klägers sind vom Dolmetscher, dem die beiden Zeitungen vorgelegt worden sind, bestätigt worden. Bei der Zeitung XXX handelt es sich um eine Zeitung der CPI, die nach dem Impressum zumindest in den XXX und im XXX erscheint und außerdem wohl auch in XXX erhältlich ist; nach den Angaben des Dolmetschers wird der Preis auch in XXX angegeben. Es ist davon auszugehen, dass auch die iranischen Sicherheitsdienste Einblick in diese Zeitung nehmen. Der Kläger hat sich ferner bei seiner exilpolitischen Tätigkeit für die CPI dadurch besonders exponiert, dass er im Januar 2004 einer Journalistin des Radiosenders "XXX" ein Interview gegeben hat, das von dem Radiosender in iranischer Sprache ausgestrahlt wird und außerdem in das Internet eingestellt wurde. Die Journalistin Frau XXX hat diese Angaben des Klägers auf telefonische Anfrage des Gerichts bestätigt. Auch insoweit ist davon auszugehen, dass die iranischen Sicherheitsdienste Kenntnis von diesem Interview haben. Es kann daher dahinstehen, ob die Annahme des Klägers berechtigt ist, schon das an ihn gerichtete Schreiben der iranischen Botschaft vom 14.01.2004 belege, dass er von den iranischen Sicherheitsdiensten überwacht werde, denn auf andere Weise könne der Botschaft seine Adresse nicht bekannt geworden sein.
13 
Nach der dem Gericht vorliegenden Auskunftslage ist davon auszugehen, dass der Iran alle oppositionellen Gruppen und regimekritischen Einzelpersonen im Exil sehr genau zu beobachten und zu dokumentieren sucht (Auskunft des AA an VG Trier v. 08.02.2000, von ai an VG München v. 03.02.2000, Lageberichte des AA, zuletzt v. 02.06.2003). Andererseits muss auch in Rechnung gestellt werden, dass es den iranischen Stellen durchaus bewusst ist, dass vielfach ein politisches Engagement, das erst im Ausland erwacht ist, nicht wirklich ernsthaft ist und nur zur Erlangung von Vorteilen im Asylverfahren an den Tag gelegt wird. Es ist naheliegend, dass die iranischen Stellen nur ein Interesse an der Feststellung von ernsthaften Oppositionellen haben, deren Tätigkeit dem Regime gefährlich werden kann. Ein beachtlich wahrscheinliches Verfolgungsrisiko besteht daher nur bei solchen Personen, die sich politisch exponiert haben, die sich durch ihre Betätigung also aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und sie als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen (st. Rspr. s. hierzu VGH Bad.-Württ., Urt. v. 26.05.1997 - A 12 S 14667/95 -, v. 07.03.2001 - A 3 S 904/00 -, - A 3 S 905/00 -, - A 3 S 906/00 -, OVG NRW, Urt. v. 16.04.1999 - 9 A 5338/98 A -, NVwZ 2000, Beilage Nr. 2, 18; VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2003 - 9 K 262/00 A -, Quelle: juris)
14 
Eine solchermaßen exponierte Tätigkeit ist nicht schon bei einer einfachen Mitgliedschaft iranischer Asylsuchender in Exilorganisationen von im Iran verbotenen oppositionellen Parteien gegeben; vielmehr ist hierunter die Wahrnehmung von Führungs- oder Funktionsaufgaben in einer Organisation oder die Kandidatur hierfür, die Teilnahme an Veranstaltungen, die führenden Mitgliedern der Organisation vorbehalten ist, und die Übernahme von Verantwortung für Presseerzeugnisse, öffentliche Veranstaltungen oder wirtschaftliche Belange der Organisation zu verstehen (vgl. hierzu AA, Auskunft v. 27.10.2000 an das VG Potsdam, vgl. auch Bundesamt für Verfassungsschutz, Auskünfte v. 04.11.1999 an das VG Potsdam und v. 11.12.2000 an das VG Köln). Dem gemäß reicht die Teilnahme an sonstigen Veranstaltungen einer solchen Organisationen, die Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen und das hierbei übliche Tragen von Plakaten sowie Rufen von Parolen, die Teilnahme an sonstigen regimekritischen Veranstaltungen, die - ebenfalls typische - Betreuung von Büchertischen, das Verteilen von Informations-/Propagandamaterial in Fußgängerzonen und das Sammeln von Unterschriften nicht aus. Derartige Aktivitäten sind ein Massenphänomen, bei dem sich die Beteiligten auch bei mehrfache Wiederholung nicht aus der Masse der iranischen Asylsuchenden in Deutschland hervorheben. Denn die Erhöhung der Quantität niedrig profilierter Tätigkeiten führt für sich allein nicht zu einer Qualitätsänderung der Gesamtaktivität. Gerade der, der über einen längeren Zeitraum im Rahmen zahlreicher Veranstaltungsteilnahmen nach außen hin deutlich macht, dass er lediglich "dabei ist", Parolen ruft, Plakate trägt oder Papier verteilt, liefert gegenüber dem iranischen Nachrichtendienst den Beweis, dass von ihm allenfalls Unzufriedenheit, nicht aber eine ernst zu nehmende Gefahr ausgeht (s. hierzu OVG Münster, Urt. v. 16.04.1999, a.a.O. und VG Düsseldorf, Urt. v. 17.06.2003, a.a.O.).
15 
Die Annahme der bisherigen Rechtsprechung, dass lediglich eine herausgehobene exilpolitische Tätigkeit die Gefahr von asylrelevanten Repressalien bei einer Rückkehr in den Iran auslösen könne, wird in Bezug auf die CPI bestätigt durch die Stellungnahme des Deutschen Orientinstituts vom 26.05.2003 an das VG Schleswig. Darin wird ausgeführt, dass die iranischen Monarchisten seit dem Jahre 2000 die Möglichkeit hätten, unablässig in den Iran hinein zu senden. Ein in Los Angeles stationierter Fernsehsender strahle über die Satelliten Telestar 5 und Telestar 12 24 Stunden lang Sendungen in iranischer Sprache aus, wobei die Monarchisten dominierend seien. Obwohl die iranischen Sicherheitskräfte versuchten, das Satellitenschüsselverbot durchzusetzen, gelange monarchistische Propaganda und monarchistische Programme in vermehrtem Umfang in den Iran. Es lasse sich belegen, dass die Position der Monarchisten inzwischen auch im Iran aufgegriffen werde. Bei verschiedenen Demonstrationen sei monarchistisches Gedankengut verbreitet worden. Die Monarchisten seien nunmehr die tonangebende Oppositionsgruppe außerhalb des Irans, die aber tatsächliche Verbindungen in den Iran habe. Wer in öffentlichkeitswirksamer Weise für die CPI tätig sei, etwa auf Veranstaltungen als Redner auftrete, die Verantwortung für Presseerzeugnisse übernehme, an Veranstaltungen der Leitung als Funktionsträger teilnehme oder intensiven Kontakt zu der amerikanischen Zentrale habe, laufe ein ernstliches Verfolgungsrisiko.
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Der Kläger hat, wie bereits dargelegt, sich nicht auf eine bloße Mitgliedschaft in der CPI und die Teilnahme an Demonstrationen beschränkt. Er ist zum einen seit 2002 Leiter der Sektion XXX der CPI; insgesamt gibt es im Bundesgebiet 16 Sektionen. Da es keinen Dachverband der deutschen Sektionen gibt, hat er zwangsläufig unmittelbaren Kontakt mit der Leitung der CPI in Amerika. Außerdem ist er mindestens zwei Mal mit Bild und vollem Namen in der Zeitung XXX genannt worden und hat sich durch das Interview mit der "XXX" in besonderem Maße exponiert. Allein diese Aktivitäten reichen für die Annahme aus, dass er bei der Rückkehr in den Iran zumindest einer intensiven Befragung durch iranische Sicherheitsdienste ausgesetzt sein würde und er möglicherweise auch mit einer länger dauernden Freiheitsentziehung und schwerwiegenden körperlichen Misshandlungen rechnen müsste. Nach dem bereits zitierten Bericht des Deutschen Orientinstituts vom 26.05.2003 sind z. B. im Sommer 2001 über 40 Funktionäre und Mitglieder der mit den Monarchisten zusammenarbeitenden Freiheitsbewegung verhaftet worden, wobei eine verhaftete Person namens XXX sich dann unter dem sichtbaren Einfluss von körperlicher und seelischer Folter stehend im Fernsehen selbst bezichtigt habe, den Iran verraten und für Israel und die USA spioniert zu haben. Übereinstimmend damit hat amnesty international am 06.08.2003 dem VG Frankfurt mitgeteilt, dass ein durch einen Presseartikel bekannt gewordener Regimegegner bei seiner Rückkehr in den Iran mit Sanktionen rechnen müsse, etwa strafrechtliche Verfolgung oder im Extremfall verschwinden lassen und extra legale Hinrichtung. Auch amnesty international erwähnt dabei den vom Orientinstitut angesprochenen Prozess gegen XXX, der am 19.11.2002 wegen Spionage und Gefährdung der staatlichen Sicherheit sowie Verbindung zu Monarchisten und Gegenrevolutionären zu elf Jahren Haft verurteilt worden sei. Nach Ansicht von amnesty international müssen Monarchisten, die das islamische Regierungssystem grundsätzlich in Frage stellen, mit staatlicher Verfolgung rechnen. Diese Auskünfte des Deutschen Orientinstituts und amnesty international stehen auch nicht im Widerspruch zur Erkenntnislage des Auswärtigen Amts. Das Auswärtige Amt hat in seiner Stellungnahme vom 29.01.2003 gegenüber dem VG Schleswig lediglich ausgeführt, es sei ihm nicht möglich, die Folgen einer exilpolitischen Tätigkeit in der CPI in herausgehobener Position bei einer Rückkehr in den Iran abzuschätzen und es lägen keine Erkenntnisse vor, dass ein aktives Mitglied der CPI bei einer Rückkehr mit asylrelevanten Maßnahmen rechnen müsse. Die Tatsache, dass dem Auswärtigen Amt keine Erkenntnisse vorliegen, bedeutet aber nicht, dass eine solche Gefahr nicht besteht. Es ist vielmehr anscheinend so, dass bisher noch kein herausgehobenes Mitglied der CPI oder einer vergleichbaren monarchistischen Organisation es gewagt hat, in den Iran zurückzukehren; zumindest ist darüber nichts bekannt. Auch dies lässt den Schluss zu, dass die Gefahr einer Verhaftung und Misshandlung bei einer Rückkehr in den Iran besteht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

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(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.