Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 12. Jan. 2023 - 19 K 4745/20

published on 03/05/2024 12:06
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen Urteil, 12. Jan. 2023 - 19 K 4745/20
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Ein weiteres Gericht, welches den Rückforderungsbescheid einer beantragten Corona-Soforthilfe für rechtswidrig erklärt.

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschied, dass die Anfechtungsklage des Klägers zulässig und begründet ist; der angefochtene Rücknahmebescheid der Soforthilfebewilligung ist rechtswidrig und verletzt die Rechte des Klägers, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Begründung für die ursprüngliche Rücknahme basierte auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW, der die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts ermöglicht, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist. Das Gericht entschied jedoch, dass bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage nicht erfüllt waren. Die zurückgenommene Soforthilfebewilligung war nicht rechtswidrig, da sie nicht gegen gültige Rechtsnormen verstieß, insbesondere nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitsgrundsatz bindet die Bewilligungsbehörde an eine von ihr etablierte Bewilligungspraxis, so das Gericht. Diese Praxis wurde durch das Antragsformular, den Bewilligungsbescheid und die veröffentlichten "FAQ" des Landeswirtschaftsministeriums bestimmt. Das Gericht stellte fest, dass nicht nachgewiesen werden konnte, dass der Kläger diese Praxis nicht erfüllte. Die Entscheidung  zur Rücknahme der Bewilligung beruhte hauptsächlich auf vagen Verdächtigungen und war nicht durch Tatsachen gestützt.

Verwaltungsgericht Gelsenkirchen

Urteil vom 12. Jan. 2023

Az.: 19 K 4745/20

 

 

Tenor

Der Rücknahmebescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2020 wird aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Franchisenehmer der "T. ", einem kommerziellen Nachhilfeanbieter. Als solcher betreibt er in der Rechtsform eines Einzelunternehmers die T. M. . Gegenstand seines Unternehmens ist nach eigener Darstellung die Erteilung von Nachhilfeunterricht für Schüler in Kleingruppen von vier bis fünf Schülern.

Im Zuge der Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten durch die SARS-CoV-2-Pandemie beantragte der Kläger am 27. März 2020 über ein auf der Internetseite des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen (nachfolgend: Landeswirtschaftsminsterium) bereitgestelltes Antragsformular die Bewilligung einer Soforthilfe nach dem Programm NRW-Soforthilfe-2020. Neben dem Antragsformular waren auf der Antragsplattform im Internet auch sogenannte "FAQ" (Frequently Asked Questions) in mindestens 13 nachfolgend veröffentlichen Versionen bereitgestellt. Deren Inhalt änderte sich während des laufenden Bewilligungsverfahrens kontinuierlich bzw. wurde ergänzt.

In dem Antragsformular hieß es unter Ziffer 1.1:

"Antragsberechtigt sind Unternehmen, die wirtschaftlich und damit dauerhaft am Markt tätig sind, Angehörige freier Berufe im Haupterwerb mit jeweils bis zu 50 Arbeitnehmern sowie Soloselbstständige im Haupterwerb jeweils mit Hauptsitz in Nordrhein-Westfalen, die bei einem deutschen Finanzamt angemeldet sind und ihre Waren und Dienstleistungen bereits vor dem 31.12.2019 am Markt angeboten haben.

Nicht gefördert werden:

Unternehmen die bereits vor dem 31. Dezember 2019 in Schwierigkeiten gemäß Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (VO EU Nr. 651/2014) waren (vergleiche hierzu Ziffer 6.8)."

(Anmerkung der Kammer: Hervorhebung im Original)

In dem Antrasgformular gab der Kläger zudem u.a. folgende vorgegebenen Erklärungen ab:

"6.1

Ich versichere, dass meine wirtschaftliche Tätigkeit durch die COVID-19-Pandemie wesentlich beeinträchtigt ist, da entweder

- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die COVID-19-Pandemie weggefallen sind oder

- die Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert sind (Gründungen: Vormonat) oder

- die Umsatzerziehungsmöglichkeiten durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurden oder

- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens zu erfüllen (z.B. Mieten, Kredite der Betriebsräume, Leasingraten)

[...]

6.2

Ich versichere, dass die in Nr. 1.1. benannten Antragsvoraussetzungen sämtlich vorliegen und ein Liquiditätsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat.

[...]

Zusätzlich enthielten die "FAQ" u.a. folgende Angabe:

"Was wird gefördert?

Die Unternehmen sollen bei der Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen, u.a. für laufende Betriebskosten wie Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten u. a. sowie dem Erhalt von Arbeitsplätzen durch einen Zuschuss unterstützt werden (Zur Reduzierung von Personalkosten gibt es das Kurzarbeitergeld.)

Voraussetzung erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona. Dies wird angenommen, wenn

- mehr als die Hälfte der Aufträge aus der Zeit vor dem 1. März durch die Corona-Krise weggefallen sind

oder

- sich für den Monat, in dem der Antrag gestellt wird, ein Umsatz- bzw. Honorarrückgang von mindestens 50 Prozent verglichen mit dem durchschnittlichen monatlichen Umsatz (bezogen auf den aktuellen und die zwei vorangegangenen Monate) im Vorjahr ergibt. Rechenbeispiel. Durchschnittlicher Umsatz Januar bis März 2019 10.000 Euro, aktueller Umsatz März 2020 5.000 Euro. Kann der Referenzmonat nicht herangezogen werden (bei Gründungen) gilt der Vergleich mit dem Vormonat)

oder

- der Umsatz durch eine behördliche Auflage im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie massiv eingeschränkt wurde

oder

- die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens (bspw. Mieten, Kredite für Betriebsräume, Leasingraten) zu zahlen (=Finanzierungsengpass)

Der Antragsteller muss versichern, dass der Finanzierungsengpass nicht bereits vor dem 1. März bestanden hat. Der Antragsteller muss zusätzlich erklären, dass sich das Unternehmen zum Stichtag 31. Dezember 2019 nicht um ein "Unternehmen in Schwierigkeiten" handelte."

(Anmerkung: Hierbei handelt es sich um die am 26. März 2020 abrufbare Fassung; nachfolgende Fassungen weichen im Wortlaut teilweise hiervon ab, ohne dass sich aber in der Sache etwas geändert hätte.)

Mit Bescheid vom selben Tag bewilligte die Bezirksregierung Arnsberg dem Kläger eine Soforthilfe i. H. v. 9.000,- € als einmalige Pauschale und zahlte den entsprechenden Betrag nachfolgend an den Kläger aus. Der Bewilligungsbescheid enthielt dabei insbesondere folgende Bestimmung:

[...]

II. Nebenbestimmungen

[...]

4. Die Finanzhilfe ist zurückzuerstatten, wenn der Bescheid aufgrund falscher oder unvollständiger Angaben erteilt wurde [...]."

Am 31. Mai 2020, dem letzten Tag des Bewilligungszeitraums, veröffentlichte das Landeswirtschaftsministerium die "Richtlinie des Landes zur Gewährung von Soforthilfen für gewerbliche Kleinunternehmen, Selbstständige und Angehörige Freier Berufe, die infolge der Sars-CoV-2-Pandemie in ihrer Existenz gefährdet sind" (nachfolgend: Soforthilfe-Richtlinie) im Rahmen eines Runderlasses. Dieser gelte nach Ziffer 9. mit Wirkung vom 27. März 2020.

Bereits Mitte Mai 2020 waren beim Landeswirtschaftsministerium zwei (im vorgelegten Verwaltungsvorgang, Beiakte Heft 1, nicht enthaltene) anonyme E-Mails eingegangen, in denen der Verfasser mitteilte, dass "sehr viele Franchisenehmer der T. GmbH zu Unrecht Corona-Soforthilfe beantragt" hätten. Unter anderem wurde in der ersten E-Mail "als Beispiel für das betrügerischer Verhalten" der Name des Klägers genannt. In der zweiten E-Mail hieß es zudem weiter, dass alle Franchisenehmer weiterhin online Unterricht erteilten und Beiträge von den Schülern einzögen. Die Bezirksregierung Arnsberg nahm diese E-Mails zunächst zum Anlass, gegen den Kläger Strafanzeige wegen des Vorwurfs des Betruges zu erstatten. Das Strafverfahren wurde am 11. Juni 2021 durch die Staatsanwaltschaft Hagen gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts förmlich eingestellt. Zuvor war es in den Geschäftsräumen des Klägers und bei seinem Steuerberater zu Durchsuchungsmaßnahmen gekommen.

Mit Schreiben vom 17. Juli 2020 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Rücknahme der Soforthilfebewilligung und der Rückforderung der ausgezahlten Soforthilfe an. Hierzu verwies er darauf, dass nach den vom Landeswirtschaftsministerium veröffentlichten "FAQ" der Zuschuss nur gezahlt werde, wenn der Antragsteller versichere, erhebliche Finanzierungsengpässe und wirtschaftliche Schwierigkeiten in Folge von Corona zu haben. Er habe "Informationen" erhalten, dass der Kläger "als Franchisenehmer der "T. GmbH" den "Unterricht weiter online anbieten könne und dass die Beiträge der Schüler weiterhin abgebucht werden könnten. Folglich [...] (lägen) keine Finanzierungsengpässe bei [...] (ihm) vor. Somit [...] (lägen) die Antragsvoraussetzungen für den Erhalt der NRW-Soforthilfe von Anfang an nicht vor.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2020 wandte der Kläger sich gegen die angekündigte Rücknahme seiner Bewilligung und führte hierzu im Wesentlichen Folgendes an:

Er habe von seiner Seite aus keinerlei falsche Angaben gemacht. In seinem Betrieb seien in Folge der Corona-Pandemie und den daraus resultierenden behördlichen Auflagen erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten aufgetreten, die in ihrer Konsequenz akut existenzbedrohend seien. Diese wirtschaftlichen Folgen seien belegbar und eine unmittelbare Folge der Corona-Pandemie. Zutreffend sei es zwar, dass er einen Teil seiner Schüler im Online-Unterricht weiter habe unterrichten können und dafür Schulgeld entrichtet worden sei. Allerdings stünde in den Richtlinien zur Anspruchsberechtigung nicht, dass gar keine Umsätze mehr getätigt werden dürften. Im Übrigen habe das Job-Center des Märkischen Kreises als Kostenträger im Rahmen des "Bildungs- und Teilhabeprogrammes" direkt nach Schließung der Schulen jegliche Zahlungen eingestellt und keinerlei Kosten für den Online-Unterricht übernommen. Alleine hierdurch sei direkt und unmittelbar ein erheblicher und nachhaltiger Schaden entstanden.

Mit Schreiben vom 26. August 2020 bat der Beklagte den Kläger, zur Klärung des Sachverhaltes und zur Prüfung seiner Antragsberechtigung im Rahmen der Soforthilfe 2020, Nachweise über Umsatzeinbrüche in den Fördermonaten sowie eine betriebswirtschaftliche Auswertung zu übersenden. Andernfalls werde eine Entscheidung nach Aktenlage ergehen. Mit E-Mail vom 8. September 2020 teilte der Kläger mit, dass er derzeit mit seinem Steuerberater an einer "aussagekräftigen" Stellungnahme arbeite und diese in wenigen Tagen übersenden werde. Nachfolgend unterblieb eine Übersendung.

Mit Rücknahmebescheid vom 7. Oktober 2020 nahm der Beklagte den o.g. Bewilligungsbescheid des Kläger mit Wirkung zum Tag des Erlasses der Bewilligung vollständig zurück und forderte ihn auf, die in Anspruch genommenen Mittel in Höhe von 9.000,- Euro zurückzuerstatten. Zur Begründung der Rücknahme verwies er auf § 48 Abs. 1 VwVfG NRW und Ziffer 3. und 4. des Bewilligungsbescheides sowie auf seine bereits im Anhörungsschreiben vom 17. Juli 2020 erwähnten Erkenntnisse. Demnach sei das Vorhandensein eines Finanzierungsengpasses zu verneinen und die Antragsvoraussetzungen hätten von Anfang an nicht vorgelegen. Da der Kläger entgegen seiner Ankündigung keine weiteren Nachweise übersendet habe, ergehe die Entscheidung nach Aktenlage. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung habe er geprüft, ob besondere Gründe ausnahmsweise gegen eine Aufhebung des Leistungsbescheides sprechen könnten. Hierbei habe er in seine Bewertung einfließen lassen, dass dem Land durch die fälschlicherweise gewährte Leistung ein Schaden entstanden sei, der durch die entsprechende Rückforderung zumindest in Teilen ausgeglichen werden.

Der Kläger hat am 28. Oktober 2020 - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung des Rücknahmebescheides - Klage am Verwaltungsgericht Arnsberg erhoben. Dieses hat den Rechtstreit mit Beschluss vom 10. Dezember 2020 an das erkennende Gericht verwiesen.

Der Klageschrift war eine Stellungnahme des Klägers an die Bezirksregierung B. in Sachen "Corona-Soforthilfe" beigefügt. In dieser verwies er insbesondere auf folgendes:

Das Nachhilfegeschäft sei von einer deutlichen Saisonalität geprägt. Die Hauptsaison beginne regelmäßig nach Ausgabe der Zwischenzeugnisse Ende Januar / Anfang Februar. Hinzu kämen Schüler, die im Hinblick auf anstehende Zentrale Abschluss- bzw. Abiturprüfungen Nachhilfekurse belegten. Betriebswirtschaftlich sei festzuhalten, dass aufgrund dieser Saisonalität der Großteil (ca. 70 %) des Betriebsergebnisses und der Liquidität in den ersten Monaten des Jahres erwirtschaftet werde.

Zur Verdeutlichung seiner Anmeldungsrückgänge fügte er folgende Aufstellung bei:

Die behördliche Anordnung zur Einstellung des Präsenz-Unterrichtes zum 16. März 2020 sowohl in öffentlichen als auch in privaten Schulen und Bildungseinrichtungen sei zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt gekommen. Seine geschaffenen Online-Angebote seien nur zurückhaltend angenommen worden. Von 159 aktiven Schülern (Stand März 2020) hätten lediglich 60 Schüler mindestens eine Online-Unterrichtsstunde in Anspruch genommen. Die öffentliche Hand habe die Übernahme der Teilnehmerbeiträge für Onlineangebote über das Paket "Bildung und Teilhabe" abgelehnt. Eine Kostenreduzierung bei den Lehrkräften bzw. Gebührenreduzierung beim Franchisegeber habe nicht erzielt werden können.

Zu den Umsatzausfällen fügte er noch u.a. nachfolgende weitere Aufstellungen bei:

Zur Klagebegründung führt der Kläger ergänzend noch an, dass überhaupt keine Rede davon sein könne, dass der begünstigende Ausgangsbescheid rechtswidrig ergangen sei. Er habe auf den Bestand dieses Bescheides vertraut und auch vertrauen dürfen. Seine Angaben im Antragsformular seien richtig und vollständig gewesen. Das Landgericht Hagen habe in dem Zusammenhang im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens gegen die durchgeführten Durchsuchungen festgestellt, dass gegen ihn nicht einmal ein Anfangsverdacht bestanden habe. Nach dem genannten Beschluss sei es auch ohne Belang, dass der Kläger seinen Unterricht zeitweise online angeboten habe.

Der Kläger beantragt,

den Rücknahmebescheid des Beklagten vom 7. Oktober 2020 aufzuheben

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ergänzend führt er zunächst an, dass dem Rücknahmeverfahren eine E-Mail des Bundeswirtschaftsministeriums vom 15. Mai 2020 zugrunde liege, wonach anonyme Anzeigen gegen verschiedene Schülerhilfe-Unternehmen eingegangen seien, u.a. auch gegen das Unternehmen des Klägers. Nach dem Inhalt der Anzeige unterlägen die Franchiseunternehmen keinen finanziellen Schwierigkeiten aufgrund der Corona-Pandemie, da sie ihren Unterricht online fortführen und Beiträge der Schüler weiter abgebucht würden. Der Kläger habe erst nach Klageerhebung ausführlich zu seinen Umsatzeinbrüchen Stellung genommen und entsprechende Nachweise eingereicht. Er wäre aber schon im Verwaltungsverfahren gehalten gewesen, die für das Zuwendungsverhältnis relevanten Angaben vollumfänglich vorzutragen und alle Unterlagen einzureichen, da es sich um Umstände handle, die aus seiner Sphäre herrührten. Dies bedeute zugleich, dass alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen wurde oder erkennbar war, in den Ermessenserwägungen auch nicht berücksichtigt werden mussten. Erst im Klageverfahren vorgetragene Umstände seine für die Ermessensbetätigung nicht von Relevanz gewesen und könnten daher auch keine Berücksichtigung mehr finden.

Mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung ohne Bewilligung einer Nachlassfrist eingereichtem Schriftsatz vom 13. Januar 2023 hat der Beklagte weitere Rechtsausführen getätigt.

 

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der streitbefangene Rücknahmebescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Der Beklagte stützt die Rücknahme der Soforthilfebewilligung auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Hiernach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage liegen nicht vor. Die zurückgenommene Soforthilfebewilligung stellt keinen rechtswidrigen Verwaltungsakt dar, da dieser nicht gegen eine gültige Rechtsnorm verstößt. Namentlich lässt sich ein Verstoß gegen den alleine in Betracht kommenden aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nicht feststellen.

Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz bindet im Bereich der sogenannten nichtgesetzesakzessorischen Leistungsverwaltung, also namentlich in Fällen, in denen staatliche Subventionen ohne Anknüpfung an spezialgesetzliche Regelungen gewährt werden, die vergebenden Stellen an eine von diesen allgemein etablierte Bewilligungspraxis (sogenannte "Selbstbindung der Verwaltung"). Der Gleichbehandlungsgrundsatz wirkt dabei nicht nur in anspruchsbegründender Weise dahin, dass die Förderung bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zu bewilligen ist. Er wirkt ebenso anspruchsbegrenzend, indem er die Bewilligungsbehörde dahingehend bindet, eine Förderung zu versagen, wenn die ihrer Verwaltungspraxis entsprechenden Voraussetzungen nicht gegeben sind. Bewilligt die Behörde gleichwohl eine Förderung entgegen einer von ihr etablierten Versagungspraxis, so ist die Bewilligung rechtswidrig und kann unter Beachtung der weiteren in § 48 Abs. 2 bis 4 VwVfG NRW normierten Voraussetzungen zurückgenommen werden.

Zur Feststellung der tatsächlichen Verwaltungspraxis kann ggf. auch auf sogenannte Förderrichtlinien abgestellt werden. Hierbei handelt es sich regelmäßig um verwaltungsinterne Vorschriften ohne Gesetzescharakter, die die für die Vergabe von Subventionen zuständigen Stellen bei der Entscheidung über eine Bewilligung binden. Verfährt die Bewilligungsbehörde daher regelmäßig nach den Vorgaben einer entsprechenden Förderrichtlinie, bindet sie sich nach Maßgabe des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes selbst an deren Inhalt. Besteht im für die Bewilligung maßgeblichen Zeitpunkt noch keine gefestigte Verwaltungspraxis, namentlich weil es sich um ein neu ins Leben gerufenes Förderprogramm handelt, ist die Behörde gleichwohl bereits an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz gebunden, wenn und soweit sie, was regelmäßig der Fall ist, nach von vorne herein aufgestellten Leitlinien verfährt. Es handelt sich dann um eine sogenannte antizipierte Verwaltungspraxis. Richtet die Behörde ihre Bewilligungspraxis daher bereits von Anfang an nach einer Förderrichtlinie aus, kann deren Inhalt bereits zur Ermittlung der Verwaltungspraxis herangezogen werden. Besteht hingegen im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligung wie hier (dazu nachfolgend) noch keine einschlägige Förderrichtlinie, kann eine antizipierte Verwaltungspraxis nur unter Würdigung der im Zeitpunkt der Bewilligung maßgeblichen Umstände des Einzelfalles anhand von Indizien ermittelt werden.

Hierzu kann im vorliegenden Kontext namentlich auf das Antragsformular und den Bewilligungsbescheid abgestellt werden. Daneben können auch die durch das Landeswirtschaftsministerium auf der Antragsplattform für die Bewilligung der Soforthilfen veröffentlichten sogenannten "FAQ" herangezogen werden. Diese geben im Einzelfall Aufschluss darüber, wie die für Bewilligungen zuständigen Bezirksregierungen im Bewilligungsverfahren in bestimmen Konstellationen beabsichtigten, zu entscheiden. Nimmt die Behörde indes erst zu einem späteren Zeitpunkt bestimmte Konstellationen zum Anlass, Bewilligungen zurückzunehmen, lassen sich hieraus keine Rückschlüsse auf eine im Zeitpunkt der Ausübung des Bewilligungsermessens antizipierte Verwaltungspraxis ziehen.

Die Behörde trägt im Übrigen die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen der Rücknahme, damit auch das Erfordernis der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Verwaltungsakts, erfüllt sind. Sie muss das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für den Erlass des begünstigenden Verwaltungsakts nachweisen. Kann nicht geklärt werden, ob die Rücknahmevoraussetzungen gegeben sind, geht dies grundsätzlich zu Lasten der Behörde. Eine Ausnahme hiervon kann sich allenfalls aus unlauterem Verhalten des Begünstigten ergeben.

Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 6. Mai 2021 - 2 C 10.20 -, juris Rn. 19 (st.Rspr.).

Beruft sich die Behörde - wie vorliegend - darauf, dass eine Bewilligung entgegen einer von ihr geübten oder antizipierten Versagungspraxis und damit gleichheitswidrig erfolgt ist, trifft sie daher auch die Feststellungslast, dass überhaupt und in welchem Umfang eine entsprechende Versagungspraxis tatsächlich bestanden hat.

Nach diesen Maßstäben kann nicht festgestellt werden, dass die Bewilligung der Soforthilfe an den Kläger einer zu diesem Zeitpunkt bestehenden tatsächlichen oder antizipierten Bewilligungspraxis des Beklagten und damit dem allgemeinen Gleichheitssatz widersprochen hätte. Die maßgebliche Bewilligungspraxis lässt sich alleine nach Maßgabe des Antragsformulars und den veröffentlichten "FAQ" ermitteln; hiernach setzte die Bewilligung voraus, dass die Antragsteller einen der dort erwähnten Bewilligungstatbestände erfüllt haben (dazu unter I.). Dass der Kläger angesichts der hier in Rede stehenden Rücknahme der Bewilligung keinen dieser Tatbestände erfüllt hat, ist nicht nachgewiesen (dazu unter II.). Schließlich ist der Beklagte auch zu Unrecht von einem von vorne herein verengten Ermessensspielraum ausgegangen (dazu unter III.). Damit unterliegen auch die weiteren im angefochtenen Bescheid getroffenen Regelungen der Aufhebung (dazu unter IV.).

I.

Der streitbefangene Rücknahmebescheid gibt keinen näheren Aufschluss über den Inhalt der maßgeblichen Bewilligungspraxis, gegen die der zurückgenommene Bewilligungsbescheid verstoßen haben soll. Dessen Begründung erschöpft sich in der pauschalen und unsubstantiierten Annahme, dass beim Kläger kein "Finanzierungsengpass" bestanden habe, da man über "Informationen" verfüge, dass dieser seinen Unterricht in die Online-Lehre verlagert habe und Beiträge weiterhin abgebucht würden. Hierin offenbart sich ein offenkundig diffuses und nicht weiter reflektiertes Verständnis der eigenen Bewilligungspraxis. Als Grundlage der Bewilligungspraxis wird nur pauschal auf die "FAQ" Bezug genommen. Die eigentlichen Anforderungen für die Bewilligung einer Soforthilfe werden nicht näher erläutert. Ebenso findet sich keine Definition des für die Rücknahme der Bewilligung aufgegriffenen Begriffs eines "Finanzierungsengpasses". Die angeführten "Informationen" lassen allenfalls vage und konturenlos erkennen, was unter einem solchen zu verstehen sein soll.

Soweit sich der Begründung des Bescheides überhaupt nur entnehmen lässt, dass das Fehlen eines "Finanzierungsengpasses für die Rücknahme des Bewilligungsbescheides ausschlaggebend gewesen sein soll, lässt sich bereits diese anscheinenden tragende Annahme, dass die Bewilligung der Soforthilfe zwingend vom Vorliegen eines "Finanzierungsengpasses" abhing, nicht mit der nach dem Antragsformular und den "FAQ" feststellbaren Verwaltungspraxis im Einklang bringen.

Der Begriff des "Finanzierungsengpasses" und die hiermit verbundene Bewilligungspraxis lassen sich alleine nach Maßgabe der genannten Quellen bestimmen. Ein Rückgriff auf die Vorgaben der Soforthilfe-Richtlinie scheidet hingegen trotz der semantischen Ähnlichkeit der Begriffe "Finanzierungsengpass" und "Liquiditätsengpass" aus. Die Soforthilfe-Richtlinie wurde erst zu einem späteren Zeitpunkt erlassen. Sie spiegelt die Verwaltungspraxis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligung nicht authentisch wieder. Dies zeigt sich gerade darin, dass in Ziffer 5.3 Abs. 2 der Soforthilfe-Richtlinie ein anderes Verständnis des Begriffs "Liquiditätsengpass" offenbar wird, als ihn das Antragsformular und die "FAQ" hergeben. Nach der genannten Ziffer besteht ein "Liquiditätsengpass" in einer negativen Differenz zwischen fortlaufenden Einnahmen und laufenden Ausgaben. Dem "Liquiditätsengpass kommt dabei nach Vorstellung des späteren Richtliniengebers zentrale Bedeutung für die Bemessung der Soforthilfe zu, weil diese maximal in Höhe des "Liquiditätsengpasses" gewährt werde.

Das Antragsformular und die "FAQ" lasse eine vom Inhalt der Soforthilfe-Richtlinie abweichende Bewilligungspraxis erkennen und messen dem Begriff des "Finanzierungsengpasses" eine nachfolgend näher erläuterte andere Bedeutung zu. Der Begriff des "Finanzierungsengpasses" taucht dort alleine als einer von mehreren alternativen Gründen, aus denen eine Soforthilfe bewilligt wurde, auf. Explizit Erwähnung findet der Begriff alleine in der bereits im Tatbestand wiedergegebenen "FAQ"-Passage zu der Frage: "Was wird gefördert?". Bereits die dort zunächst angeführte Wendung, dass die Unternehmen durch einen Zuschuss bei der "Sicherung ihrer wirtschaftlichen Existenz und Überbrückung von akuten Finanzierungsengpässen" unterstützt werden sollen, widerspricht einer Verengung des Zwecks der Soforthilfe alleine auf die Überbrückung von "Finanzierungsengpässen". Denn die genannten Zwecke stehen dabei dem Wortlaut nach gleichranging nebeneinander. Dass diese synonym zu verstehen sind, ist fernliegend. Vielmehr ergänzen sich diese Begriffe und bringen die vage Vorstellung des Beklagten zur vorausgesetzten wirtschaftlichen Lage der Antragsteller zum Ausdruck. Dass die Bewilligung einer Soforthilfe nicht alleine vom Vorliegen eines "Finanzierungsengpasses" abhängen sollte, wird auch dadurch untermauert, dass im nachfolgenden Absatz der "Finanzierungsengpasses" neben dem Begriff "wirtschaftliche Schwierigkeiten" als (durch Unterstreichung besonders hervorgehobene) "Voraussetzung" für die Bewilligung einer Soforthilfe genannt wird, die genannten Voraussetzungen für die Bewilligung aber bereits gegeben sind ("Dies wird angenommen, wenn, [...]"), wenn (nur) einer der vier jeweils mit Spiegelstrich gekennzeichneten alternativen ("oder") Tatbestände erfüllt ist. Dabei taucht der "Finanzierungsengpass" nur als einer von vier Alternativen ("wenn die "vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um die kurzfristigen Verbindlichkeiten des Unternehmens [...] zu zahlen (=Finanzierungsengpass)") auf. Die übrigen drei Tatbestände beziehen sich hingegen auf pandemiebedingte Einschränkungen der unternehmerischen Tätigkeit bzw. Umsatzausfälle, ohne dabei auf einen "Finanzierungsengpass" abzustellen. Einem Verständnis, wonach die Bewilligung der Soforthilfe in jedem Fall vom Vorliegen eines "Finanzierungsengpasses" abhing, steht daher bereits grammatikalisch eindeutig entgegen, dass die genannten Tatbestände jeweils mit der auch optisch besonders hervorgehobenen (eigner Absatz, zentriert, fettgedruckt) Konjunktion "oder" verknüpft sind, also in einem alternativen Verhältnis zueinander stehen. Ein inhaltlich im Wesentlichen identischer Passus findet sich im Übrigen unter Ziffer 6.1. des Antragsformulars, wonach eine wesentliche pandemiebedingte Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Tätigkeit durch einen der genannten Tatbestände zu versichern war.

II.

Entspricht es daher der im relevanten Zeitpunkt feststellbaren antizipierten Bewilligungspraxis des Beklagten, dass zur Bewilligung einer Soforthilfe das Vorliegen einer der erwähnten Tatbestände vorausgesetzt wurde, ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger diese Voraussetzungen nicht erfüllt hätte.

Denn es ist nicht nachgewiesen, dass der Kläger keinen der in den "FAQ" bzw. Ziffer 6.1. des Antragsformulars aufgeführten Tatbestände erfüllt hätte. Die Annahme des Beklagten, dass der Kläger die Antragsvoraussetzungen nicht erfüllt habe, beruht letztlich alleine auf einem vagen Verdacht. Den einzigen Anhalt hierfür bieten im vorgelegten Verwaltungsvorgang nicht einmal dokumentierte anonyme E-Mails, wonach der Kläger online weiter Unterrichtsleistungen angeboten und Beiträge eingezogen habe. Auf die gerichtliche Bitte, seine "Informationen" näher zu erläutern, hat der Beklagte keine weiteren stichhaltigen Umstände mehr ergänzt. Der Beklagte schließt daher alleine aufgrund dieser anonymen Eingaben pauschal auf das Nichtvorliegen der Bewilligungsvoraussetzungen, ohne sich näher mit seiner eigenen Bewilligungspraxis auseinanderzusetzten und ohne bzgl. der einzelnen vom in seinen eigenen "FAQ" bzw. dem Antragsformular aufgeführten Bewilligungstatbestände weiter zu differenzieren. Das Vorbringen des Beklagten erschöpft sich vielmehr in der nicht weiter untermauerten Behauptung, beim Kläger habe kein "Finanzierungsengpass" bestanden. Dass der Kläger auch die übrigen zuvor erwähnten Bewilligungstatbestände nicht erfüllt hätte, hat der Beklagte hingegen nicht einmal behauptet, geschweige denn widerlegt.

Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass der Beklagte seine Rücknahmeentscheidung ohne tragfähige Tatsachengrundlage "ins Blaue hinein" getroffen hat. Hiergegen kann er sich auch nicht pauschal darauf zurückziehen, dass der Kläger innerhalb des laufenden Verwaltungsverfahrens keine näheren Angaben zu seiner wirtschaftlichen Situation gemacht habe. Angesichts der gesetzlichen Verteilung der Feststellungslast wäre es zunächst einmal Aufgabe des Beklagten gewesen, den vermeintlichen Widerspruch der zurückgenommenen Bewilligung gegen seine Verwaltungspraxis plausibel und nachvollziehbar aufzuzeigen und mit stichhaltigen Tatsachenfeststellungen zu untermauern. Dem ist der Beklagte nicht ansatzweise nachgekommen. Für eine allein auf die Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten gestützte Entscheidung fehlt es an jeder Grundlage. In wie hier Eingriffskonstellationen muss sich die Behörde selbst die erforderliche Gewissheit vom Vorliegen der Eingriffsvoraussetzungen verschaffen; dies gilt auch bei Schweigen des Betroffenen.

Vgl. Herrmann in: BeckOK/VwVfG, 57. Ed. 1.10.2022, § 26 Rn. 38; Ritgen in: Knack / Henneke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 26 Rn. 105.

Vor dem Hintergrund erschließt sich dem Gericht auch die Relevanz der Ausführungen sowie der dort zitierten Rechtsprechung im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 13. Januar 2023 des Beklagten nicht. Diese beziehen sich alleine auf Bewilligungs- bzw. Verpflichtungskonstellationen und betreffen damit die vorliegende Rücknahmekonstellation gar nicht. Der Hinweis auf die Entscheidung des VG Bremen, Urteil vom 20. Januar 2022 - 5 K 40/21 -, juris etwa liegt auch deshalb neben der Sache, weil diese die im Schriftsatz (Seite 2) aufgestellte Rechtsbehauptung gar nicht stützt; von einem "Rücknahmebescheid" ist dort nicht die Rede.

Gründe dafür, ausnahmsweise zulasten des Klägers eine generelle Beweislastumkehr dahingehend anzunehmen, dass dieser die Rechtmäßigkeit der Bewilligung nachweisen muss, liegen nicht vor. Ein unlauteres Verhalten muss der Kläger sich nicht vorwerfen lassen. Der erhobene Vorwurf, er habe die Soforthilfe durch falsche Angaben erwirkt, ist haltlos. Die Angaben des Klägers im Bewilligungsverfahren beschränken sich auf die von ihm verlangten im Antragsformular abgegebenen Versicherungen. Dass er das Vorliegen der in Ziffer 6.1. des Antragsformulars aufgeführten Tatbestände fälschlicherweise versichert hätte, hat der Beklagte, wie aus dem Vorstehenden bereits deutlich wird, nicht einmal ansatzweise aufgezeigt.

Ungeachtet dessen sprechen, ohne das es hierauf noch ausschlaggebend ankäme, die Ausführungen des Klägers in seiner vorgelegten Stellungnahme zu den wirtschaftlichen Auswirkungen der pandemiebedingten Einschränkungen auf seinen Geschäftsbetrieb aber auch dagegen, dass er die Bewilligungsvoraussetzungen nicht erfüllt hätte.

Es liegt auf der Hand, dass angesichts des infektionsschutzrechtlichen Verbotes von präsenten Unterrichtsveranstaltungen bis Mitte Mai sein Umsatz bzw. seine Umsatzerzielungsmöglichkeiten im Sinne des unter dem dritten Spiegelstrich angeführten Tatbestandes "massiv" eingeschränkt waren. Hieran ändert es auch nichts, dass der Kläger seine Nachhilfedienstleistungen teilweise online angeboten hat. Denn der Kläger hat schlüssig und einleuchten dargetan, dass vor allem das Neukundengeschäft von den Beschränkungen betroffen war, zumal die Beschränkungen in eine Zeitspanne fielen, in der er aus nachvollziehbaren Gründen einen Großteil seiner Neuanmeldungen erzielt. Dass er in dieser Zeit tatsächlich, gerade im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, kaum Neuanmeldungen erzielt hat (13 statt 73 Anmeldungen zwischen März und Juni 2020) und damit offenkundig von massiven Umsatzeinbrüchen betroffen war, hat der Kläger substantiiert und unwidersprochen dargetan.

Ebenso legen die vom Kläger präsentierten Anmeldezahlen für den Monat März 2020 sowie die Aufstellung der Umsatzverluste es nahe, dass sich im Sinne des zweiten Spiegelstrichs seine Umsätze gegenüber dem Vorjahresmonat mehr als halbiert haben. Angesichts eines Rückgangs der Anmeldungen auf drei Anmeldungen im März 2020 gegenüber 60 Anmeldungen im Zeitraum Januar bis März 2019 sowie angesichts des Wegfalles der Anmeldungen aus dem "Bildungs- und Teilhabe"-Paket liegt es auf der Hand, dass sich die Umsätze des Klägers im in Rede stehenden Zeitraum in beträchtlichem Umfang verringert haben. Dem hat der Beklagte nichts entgegengesetzt.

III.

Hinzu kommt, dass die Rücknahme der Bewilligung auch in Anwendung des gerichtlichen Überprüfungsmaßstabs gemäß § 114 Satz 1 VwGO rechtswidrig ist. Der Beklagte hat nämlich sein Ermessen nicht in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorgaben ausgeübt. § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW stellt die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts grundsätzlich in das Ermessen der Behörde. Ein begünstigender Verwaltungsakt, der wie hier eine Geldleistung gewährt, kann zudem nur unter den Einschränkungen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 VwVfG NRW zurückgenommen werden. Diese Maßgaben hat der Beklagte nicht gewahrt. Er hat nämlich zu Unrecht angenommen, dass der Bewilligungsbescheid nach § 48 Abs. 2 Satz 4 VwVfG NRW entsprechend der dort bestimmten Regel zurückzunehmen war. Die dem zugrunde liegende Annahme, der Kläger habe den Bewilligungsbescheid gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VwVfG NRW durch Angaben erwirkt, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren, entbehrt, wie bereits erwähnt, jeder Tatsachengrundlage. Damit ist der Beklagte zu Unrecht zu Lasten des Klägers von einem von vorne herein verengten Ermessensspielraum ausgegangen.

IV.

Aufgrund der rückwirkenden Aufhebung des Rücknahme des Bewilligungsbescheids durch dieses Urteil fehlt es auch an den Voraussetzungen für die Erstattungsforderung nach § 49a Abs. 1 VwVfG NRW und die Zinsgrundentscheidung nach § 49a Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW.

V.

Die Kostentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 709 ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich bei dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Bahnhofsvorplatz 3, 45879 Gelsenkirchen, zu beantragen. Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, schriftlich einzureichen.

Auf die unter anderem für Rechtsanwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts geltende Pflicht zur Übermittlung von Schriftstücken als elektronisches Dokument nach Maßgabe der §§ 55a, 55d Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - und der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV -) wird hingewiesen.

Im Berufungsverfahren muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Der Kreis der als Prozessbevollmächtigte zugelassenen Personen und Organisationen bestimmt sich nach § 67 Abs. 4 VwGO.

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published on 03/05/2024 12:47

Eine weitere erfolgreiche Klage gegen den Rückforderungsbescheid einer Corona-Hilfe. Das Verwaltungsgericht Aachen urteilte vorliegend, dass der angefochtene Rücknahme- und Rückforderungsbescheid rechtswidrig ist und die Rechte der Kl&
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