Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 09. März 2016 - B 4 K 14.175

published on 09.03.2016 00:00
Verwaltungsgericht Bayreuth Urteil, 09. März 2016 - B 4 K 14.175
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Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes Forchheim vom 13.02.2014 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zu einer weiteren Vorauszahlung auf den Verbesserungsbeitrag für die Entwässerungsanlage der Beklagten und begehrt die Erstattung etwaig bezahlter Säumniszuschläge und Zwangsvollstreckungskosten.

Die Klägerin ist seit dem 17.01.1994 Alleineigentümerin des Grundstücks Flnr. ... der Gemarkung ... Auf dem Grundstück errichtete der frühere Eigentümer auf der Grundlage eines im Jahr 1971 genehmigten Bauplans das jetzt der Klägerin gehörende Wohngebäude. Im Bauplan ist ein in zwei Räumlichkeiten aufgeteilter „Dachboden“ eingezeichnet. In einem Schreiben an die Beklagte vom 18.05.1976 gab der Voreigentümer an: “Dachgeschoss nicht ausgebaut.“ Am 31.03.1976 und am 11.11.1976 wurde er zu Kanalherstellungsbeiträgen ohne Anrechnung von Dachgeschossflächen herangezogen.

Mit Bescheid vom 23.10.1997 zog die Beklagte die Klägerin bereits einmal zu einer Vorauszahlung auf den Verbesserungsbeitrag zur Entwässerungseinrichtung, ebenfalls ohne Berücksichtigung der Dachgeschossfläche, heran.

Am 13.10.2008 nahm ein Satzungsbüro im Auftrag der Beklagten im Rahmen der Vorbereitung der erneuten Erhebung von Verbesserungsbeiträgen die Geschossflächen des klägerischen Grundstücks durch Aufmaß auf und errechnete eine beitragspflichtige ausgebaute Dachgeschossfläche von 77,65 qm.

Mit Bescheid vom 08.10.2012 setzte die Verwaltungsgemeinschaft ... als Behörde der Beklagten gegenüber der Klägerin für die Verbesserung der Entwässerungsanlage eine Vor-auszahlung in Höhe von 77,65 qm x 10,02 €/qm = 246,15 € fest. Bei dem Beitrag handelt es sich um die Nacherfassung des Dachgeschossausbaus.

Am 15.11.2012 entrichtete die Klägerin die Vorauszahlung.

Den Widerspruch der Klägerin gegen den Verbesserungsbeitrag vom 08.10.2012 wies das Landratsamt Forchheim mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 zurück, der der Klägerin am 19.02.2014 mit Postzustellungsurkunde zugestellt wurde.

Mit Telefax vom 18.03.2014 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth erhoben und in der mündlichen Verhandlung beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamtes F. vom 13.02.2014 aufzuheben sowie

die Beklagte zu verpflichten, etwaig bezahlte Säumniszuschläge und Zwangsvollstreckungskosten zu erstatten.

Zur Begründung führt er aus, das Dachgeschoss könne bis heute als nicht ausgebaut gelten. Im Übrigen wäre die Klägerin nicht beitragspflichtig, weil der Ausbau bereits durch den Voreigentümer erfolgt sei. Schließlich sei bei Erlass des Bescheides die Festsetzungsfrist längst abgelaufen gewesen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Ihr Prozessbevollmächtigter führt dazu aus, da in einem Erhebungsbogen aus dem Jahr 1997 vermerkt sei, das Dachgeschoss sei nicht ausgebaut, gehe die Beklagte davon aus, dass die Klägerin das Dachgeschoss erst nach 1997 ausgebaut habe. Bei Erlass des Bescheides sei auch die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen, weil der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten erst durch die Überprüfung im Jahr 2008 vom zwischenzeitlichen Ausbau des Dachgeschosses positive Kenntnis erlangt habe. Ein Anspruch auf Rückzahlung bezahlter Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten bestehe nicht, weil solche aufgrund der rechtzeitigen Entrichtung des Beitrages nicht angefallen seien.

Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 09.03.2016 sowie auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.

Gründe

1.

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Vorauszahlungsbescheid der Beklagten vom 08.10.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landratsamtes Forchheim vom 13.02.2014 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben, weil er rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist.

Die Festsetzung der Vorauszahlung entbehrt einer gültigen Rechtsgrundlage, weil die der Beitragserhebung zugrundeliegende Beitragssatzung für die Verbesserung der Entwässerungsanlage vom 13.10.1997 (VBS/EWS) nichtig ist.

Zwar können Gemeinden gemäß Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 1 Satz 1 KAG zur Deckung ihres anderweitig nicht gedeckten Aufwands für die Verbesserung ihrer öffentlichen Einrichtungen, also auch von öffentlich betriebenen Entwässerungseinrichtungen von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser Einrichtungen besondere Vorteile bietet, aufgrund einer besonderen Abgabesatzung Beiträge erheben.

Die Abgabesatzung der Beklagten enthält jedoch in § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VBS-EWS eine unzulässige Regelung.

§ 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 1 VBS-EWS regelt, dass Gebäude oder selbstständige Gebäudeteile, die nach Art ihrer Nutzung keinen Bedarf nach Schmutzwasserableitung haben oder nicht angeschlossen werden dürfen, nicht herangezogen werden. Dies gilt nach § 5 Abs. 2 Satz 3 Halbsatz 2 VBS-EWS nicht für Gebäude oder Gebäudeteile sowie Geschosse, die tatsächlich angeschlossen sind. Diese Regelung, die eine Beschränkung auf einzelne Geschosse vorsieht, verstößt gegen das Prinzip des adäquaten Vorteilsausgleichs und den Gleichheitssatz, weil der durch den Anschluss erlangte Vorteil das gesamte Gebäude bzw. dessen gesamten selbstständigen Gebäudeteil erfasst (BayVGH, U. v. 29.04.2010 - 20 BV 09.2010 - BayVBl 2011, 240/241 Rn. 52; st. Rspr.).

Da die Nichtigkeit eines Beitragsmaßstabs einen zentralen Bestandteil der Verteilungsregelung einer Abgabesatzung betrifft, führt dies dazu, dass eine solche Satzung insgesamt ungültig ist (BayVGH, U. v. 27.02.2003 - 23 B 02.1032 - BayVBl 2003, 373/374). Denn es bedarf wegen fehlender Teilbarkeit des Regelungsgegenstandes eines Neuerlasses der ungültigen Satzung bzw. des ungültigen Satzungsteils insgesamt (st. Rspr., vgl. BayVGH U. v. 16.03.2005 - 23 BV 04.2295, juris Rn. 28).

Fehlt es damit im vorliegenden Fall an einem wirksamen Satzungsrecht zur Erhebung von Verbesserungsbeiträgen, ist der Bescheid vom 08.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 13.02.2014 schon deshalb rechtswidrig, so dass die Klage Erfolg hat, ohne dass es auf das weitere Klägervorbringen ankommt.

2.

Als unterliegender Teil hat die Beklagte gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 167 VwGO, § 708 Nr. 11, § 711 Satz 1 ZPO.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.