Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 25. Feb. 2019 - Au 9 K 17.1760

bei uns veröffentlicht am25.02.2019

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die wasserrechtliche Beurteilung von gewerblich organisierten Passagierfahrten der Klägerin mit einem Schlauchboot ohne Motor.

Die Klägerin, eine Veranstaltungsgesellschaft mbH, veranstaltet, vertreibt und vermittelt Freizeiterlebnisse unterschiedlicher Art. Mit Schreiben vom 26. September 2016 beantragte der Rechtsvorgänger der Klägerin beim Landratsamt * die Erteilung einer Genehmigung zur Durchführung gewerblicher Schlauchbootfahrten auf der * im Streckenabschnitt * (Flusskm 2512,0) bis * (Flusskm 2496/2) am linken Ufer. Für diese Fahrten soll ein Schlauchboot mit den Abmessungen von 12,5 m x 2,2 m eingesetzt werden, das mit maximal 24 Personen besetzt wird, die mit Rettungswesten und Paddeln ausgestattet werden. Das Boot wird durch einen Mitarbeiter der Klägerin mit einem Floßruder gesteuert. Die Fahrten sollen an maximal 24 Terminen pro Jahr im Zeitraum 1. Mai bis 30. September, jeweils zwischen 10:00 und 16:00 Uhr stattfinden.

Auf Nachfrage der Klägerin vom 18. Januar 2017 teilte das Landratsamt * mit, dass gegen die beantragten Fahrten aus wasserwirtschaftlicher Sicht vorläufig erhebliche Bedenken bestünden, und forderte die Vorlage weiterer Unterlagen. Mit Stellungnahme vom 8. Februar 2017 stimmte die untere Naturschutzbehörde aus naturschutzfachlichen Gründen einer Genehmigung der Fahrten nicht zu. Da der vorgesehene Streckenabschnitt unter anderem im Bereich eines FFH-Gebietes und eines Vogelschutzgebietes verlaufe, sei vor einer abschließenden Beurteilung die Verträglichkeit des Vorhabens mit den naturschutzfachlichen Belangen durch ein Fachgutachten nachzuweisen.

Daraufhin forderte das Landratsamt * mit Schreiben vom 2. März 2017 die Klägerin auf, zum Nachweis der naturschutzrechtlichen Verträglichkeit des Vorhabens eine Verträglichkeitsprüfung in Form eines Fachgutachtens vorzulegen. Unter Hinweis auf die Erforderlichkeit einer Genehmigung für die Durchführung der gewerblichen Schlauchbootfahrten wurde die Klägerin aufgefordert, die bereits stattfindenden Bootsfahrten sofort einzustellen. Für den Fall des Zuwiderhandelns wurde der Klägerin die Einleitung eines Bußgeldverfahrens angedroht.

Die Klägerin macht demgegenüber geltend, die von ihr angebotenen Schlauchbootfahrten seien nach den Grundsätzen des Schifffahrtrechts zu beurteilen und nach der Verordnung über die Schifffahrt auf den bayerischen Gewässern genehmigungsfrei. Aus diesen Gründen sei die geforderte Verträglichkeitsprüfung unbegründet.

Mit Schreiben vom 9. August 2017 forderte das Landratsamt die Klägerin nochmals zur Vorlage von ergänzenden Unterlagen bis spätestens 20. September 2017 auf und kündigte für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage den Erlass einer rechtsmittelfähigen Untersagungsverfügung an.

Zur Klärung der zwischen den Beteiligten strittigen Rechtslage hat die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 27. November 2017 Klage erheben lassen und beantragt zuletzt

festzustellen, dass die Durchführung gewerblicher Schlauchbootfahrten ohne Motor mit Passagieren auf der * im Streckenabschnitt * (Flusskm 2512,0) bis * (Flusskm 2496,2) am linken Ufer durch die Klägerin keiner wasserrechtlichen Genehmigungspflicht unterfällt.

Zur Begründung der Klage führen die Bevollmächtigten der Klägerin im Wesentlichen aus, die Durchführung gewerblicher Bootsfahrten auf der * bedürfe keiner wasserrechtlichen Gestattung. Die Klägerin plane die entgeltliche Beförderung von Personen auf einem Boot. Dieses unterliege dem Recht der Schifffahrt und nicht dem Recht der Gewässerbenutzung. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung für die Schifffahrt auf den bayerischen Gewässern (Bayerische Schifffahrtsverordnung - BaySchiffV) seien kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft genehmigungsfrei. Nach § 2 Nr. 3 BaySchiffV fielen die von der Klägerin eingesetzten Boote unter den Begriff von kleinen Fahrzeugen. Für die Ausübung der Schifffahrt sei davon auszugehen, dass diese nicht von den Gewässerbenutzungstatbeständen des Wasserhaushaltsgesetzes erfasst sei, sondern einen eigenen Rechtstatbestand darstelle, der außerhalb des einer erlaubnis- oder bewilligungsbedürftigen Benutzungsrechts stehe. Die gewerblich ausgeübten Schifffahrten unterfielen nicht dem Gemeingebrauch, da ein solcher im gewerblichen Bereich nicht möglich sei. Die Ausübung der Schifffahrt und Gemeingebrauch würden sich gegenseitig ausschließen. Da die Durchführung gewerblicher Bootsfahrten nicht dem Regime des Wasserhaushaltsgesetzes unterliege und nach Art. 28 Abs. 4 Bayerisches Wassergesetz (BayWG) i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV genehmigungsfrei sei, bedürfe deren Durchführung keiner wasserrechtlichen Gestattung. Aus diesem Grund gehe die Forderung des Landratsamtes nach Nachweisen zur Prüfung der Voraussetzungen des Gemeingebrauchs nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG fehl.

Das Landratsamt * ist für den Beklagten der Klage mit Schriftsatz vom 21. Dezember 2017 entgegengetreten und beantragt zuletzt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, das Landratsamt gehe davon aus, dass die Bootsfahrten der Klägerin vom Grundsatz her dem wasserrechtlichen Gemeingebrauch zuzuordnen seien und die Klägerin zur abschließenden Prüfung der tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG bzw. von Beschränkungen nach Art. 18 Abs. 4 BayWG ergänzende naturschutzfachliche Unterlagen beizubringen habe, die die Verträglichkeit des Vorhabens mit den Zielen des Naturschutzes nachweisen. Der Annahme eines Gemeingebrauchs stehe nicht von vornherein entgegen, dass die Bootsfahrten gewerblich organisiert werden. Dass sich gewerbliche Tätigkeit und Gemeingebrauch nicht zwingend gegenseitig ausschließen, ergebe sich schon aus dem klaren Wortlaut des Art. 18 Abs. 3 BayWG, wonach für eine Ausübung des Gemeingebrauchs im Rahmen von gewerblich organisierten Veranstaltungen lediglich zusätzliche Unterrichtungs- bzw. Anzeigepflichtpflichten bestünden. Das gemeingebräuchliche Befahren sei nicht auf bestimmte Zwecke eingeengt. Den Gemeingebrauch übten zwar nur diejenigen aus, die das Gewässer mit den kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft selbst befahren. Dagegen sei die reine Vermietung von Booten und Kanus zum ausschließlichen Gebrauch durch Dritte nicht dem Gemeingebrauch zuzuordnen. Eine bloße Bootsvermietung liege bei den streitgegenständlichen Bootsfahrten jedoch nicht vor. Das Schlauchboot werde den Passagieren gerade nicht zum eigenen Gebrauch überlassen, sondern werde vielmehr durch einen Bootsführer der Klägerin gesteuert, der nach den Werbeangaben der Klägerin während der ca. 4,5-stündigen Vergnügungsfahrt auch als Grillmeister und Schankkellner tätig sei. Damit werde das Gewässer auch durch Angestellte der Klägerin (auch) selbst befahren.

Ob im konkreten Fall die Grenzen des Gemeingebrauchs noch eingehalten seien, bestimme sich nach den weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG. So dürfe durch die Benutzung des Gewässers insbesondere keine erhebliche Beeinträchtigung des Gewässers und seiner Ufer sowie der Tier- und Pflanzenwelt zu erwarten sein. Nach der Stellungnahme der unteren Naturschutzbehörde seien jedoch Beeinträchtigungen zu befürchten. Auch das Befahren mit nicht motorisierten Booten könne sich auf die besonders störempfindlichen Arten in der Brutzeit auswirken. Ferner könnte auch das Pflanzenvorkommen durch den Wellenschlag beeinträchtigt werden. Zudem bestünden auf dem geplanten Streckenabschnitt mehrere ausgewiesene Naturschutzgebiete. Die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den naturschutzfachlichen Belangen könne nur auf Grundlage konkreter Untersuchungsergebnisse abschließend beurteilt werden, für die nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen die Klägerin beibringungspflichtig sei. Es sei nur dann von einem erlaubnisfreien Gemeingebrauch auszugehen, wenn durch ein Fachgutachten nachgewiesen werden könne, dass die beabsichtigten Bootsfahrten keine negativen Auswirkungen haben würden. Eine abschließende Beurteilung sei nur auf Grundlage dieser Unterlagen möglich.

Im Übrigen dürften entgegenstehende naturschutzrechtliche Belange auch bei einer Zuordnung des Vorhabens der Klägerin zur Schifffahrt eine entscheidungserhebliche Rolle spielen, da eine Genehmigungsfreiheit nach der Schifffahrtsverordnung das materielle Naturschutzrecht nicht aushebeln könne. Daher könne von einer näheren Prüfung der vorgenannten Belange auf Grundlage von durch die Klägerin beizubringenden Unterlagen nicht abgesehen werden.

Am 25. Februar 2019 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Die Feststellungsklage ist zulässig. Die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Genehmigungspflicht ist ein tauglicher Gegenstand einer Feststellungsklage i.S.v. § 43 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 43 Rn. 24). Es besteht ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Feststellung, ob sie für die von ihr durchgeführten Fahrten eine behördliche Erlaubnis benötigt, weil sie nach Mitteilungen des Landratsamtes vom 2. März 2017 und 9. August 2017 mit behördlichen Konsequenzen rechnen muss, wenn die Bootsfahrten ohne Genehmigung bzw. Durchführung einer Verträglichkeitsprüfung fortgesetzt werden.

II. Die Feststellungsklage der Klägerin bleibt ohne Erfolg, weil die von der Klägerin angebotenen gewerblichen Schlauchbootfahrten ohne Motor mit Passagieren der Schifffahrt im Sinn des Art. 28 BayWG zuzuordnen ist (1.), die nach Art. 28 Abs. 4 und 5 i.V.m. § 3 Abs. 1 Satz 1 BaySchiffV der Genehmigungspflicht unterliegt (2.).

1. Die streitgegenständlichen Schlauchbootfahrten zählen zur Schifffahrt im Sinn des Art. 28 BayWG und fallen nicht unter den Gemeingebrauch nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG.

a) Schifffahrt ist die Beförderung von Personen oder Sachen auf oder mit Fahrzeugen auf oberirdischen Gewässern, soweit es sich nicht um das gemeingebräuchliche Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG handelt. Da die Schifffahrt unter einem Genehmigungsvorbehalt steht (vgl. Art. 28 Abs. 4 BayWG), der Gemeingebrauch jedoch erlaubnisfrei möglich ist, kann nach der Gesetzessystematik Ausübung der Schifffahrt nicht sein, was als gemeingebräuchlich und damit gestattungsfrei unter das Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft fällt (Schenk in Siedler/Zeitler, BayWG, Stand: Februar 2017, Art. 28 Rn. 9). Damit schließen sich die Ausübung der Schifffahrt im Sinne des Art. 28 BayWG und Gemeingebrauch nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG gegenseitig aus.

Im Rahmen des Gemeingebrauchs nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG darf jede Person unter den Voraussetzungen des § 25 WHG und soweit es ohne rechtswidrige Benutzung fremder Grundstücke geschehen kann und, soweit eine erhebliche Beeinträchtigung des Gewässers und seiner Ufer sowie der Tier- und Pflanzenwelt nicht zu erwarten ist, oberirdische Gewässer zum Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft benutzen. Dabei ist das gemeingebräuchliche Befahren eines Gewässers nicht auf bestimmte Zwecke eingeengt und kann auch für sportliche oder wirtschaftliche Zwecke oder im öffentlichen Interesse erfolgen (vgl. Knopp in: Sieder/Zeitler, BayWG, Stand: Februar 2017, Art. 18 Rn. 52). Für die Zuordnung zum Gemeingebrauch ist entscheidend, dass das Befahren des Gewässers und nicht andere Zwecke im Vordergrund stehen (vgl. Knopp in: Sieder/Zeitler, a.a.O.; Schifffahrtobergericht Nürnberg, B.v. 18.11.2008 - 1 Ws 313/08 - juris Rn. 18). Der Gemeingebrauch steht ferner nur denjenigen zur Seite, die das Gewässer mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft selbst befahren, sie also bewegen, steuern oder sich sonst in den Fahrzeugen befinden (vgl. Knopp in: Sieder/Zeitler, a.a.O.). Alles was darüber hinausgeht, ist Ausübung der Schifffahrt im Sinne des Art. 28 BayWG und fällt nicht mehr unter die Privilegierung für kleine Fahrzeuge im Sinne des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG (vgl. Schifffahrtobergericht Nürnberg, B.v. 18.11.2008 - 1 Ws 313/08 - juris Rn. 18).

b) Es kann vorliegend offen bleiben, ob das von der Klägerin eingesetzte Schlauchboot im Hinblick auf seine Maße als ein kleines Fahrzeug im Sinn von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG zu qualifizieren ist. Denn die Fahrten der Klägerin sind schon deswegen nicht dem Gemeingebrauch zuzuordnen, weil andere Zwecke als das bloße Befahren des Gewässers im Vordergrund der klägerischen Tätigkeit stehen. Die Klägerin ist eine Veranstaltungsgesellschaft und bietet ihren Kunden Vergnügungsfahrten mit einem Schlauchboot gegen Entgelt an. Damit steht die Gewinnerzielung durch Vermittlung und Organisation von streitgegenständlichen Bootsfahrten im Vordergrund der klägerischen Betriebstätigkeit. Die Klägerin führt das Befahren des Gewässers ausschließlich zu kommerziellen Zwecken durch. Es spielt keine Rolle, ob die Klägerin das Schlauchboot ihren Kunden zur selbständigen Benutzung überlässt oder diese von einem ihrer Mitarbeiter gesteuert werden (vgl. Schifffahrtobergericht Nürnberg, B.v. 18.11.2008 - 1 Ws 313/08 - juris Rn. 19). In jedem Fall verfolgt die Klägerin mit ihrem Gewerbe ausschließlich wirtschaftliche Interessen. Dabei dient das Befahren des Gewässers durch Dritte, die dieses möglicherweise selbst in Gemeingebrauch ausüben, lediglich der Realisierung der geschäftlichen Interessen der Klägerin.

Eine andere Beurteilung ist auch nicht nach Art. 18 Abs. 3 BayWG in der bis zum 28. Februar 2018 geltenden Fassung geboten. Diese Vorschrift regelte eine Anzeigepflicht der Gemeinde, wenn der Gemeingebrauch im Rahmen von gewerblich organisierten Veranstaltungen ausgeübt wurde und eine Regelung erforderlich war. Unabhängig davon, dass diese Regelung zum 1. März 2018 ersatzlos aus dem Gesetzestext gestrichen wurde, begründete Art. 18 Abs. 3 BayWG a.F. keinen eigenständigen Gemeingebrauchstatbestand, sondern setzte das Vorliegen der Voraussetzungen des Gemeingebrauchs nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG voraus (vgl. LT-Drs. 17/18835, S. 13). Diese sind im Fall der Klägerin jedoch gerade nicht gegeben.

2. Die von der Klägerin ausgeübte Schifffahrt bedarf einer Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde nach Art. 28 Abs. 4 und 5 BayWG, § 3 Abs. 1 Satz 1 BaySchiffV.

a) Nach Art. 28 Abs. 4 Satz 1 BayWG darf die Schifffahrt an Gewässern, die nicht allgemein zur Schifffahrt zugelassen sind, nur mit Genehmigung der Kreisverwaltungsbehörde ausgeübt werden. Art. 28 Abs. 5 BayWG erstreckt die Genehmigungspflicht auf das Bereithalten von Wasserfahrzeugen an oder in Gewässern für die Ausübung des Gemeingebrauchs durch Dritte. Eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht besteht nur bei Gewässern, die für die Schifffahrt allgemein zugelassen sind (Art. 28 Abs. 1 BayWG). Da bisher in Bayern kein Gewässer zur Schiff- und Floßfahrt zugelassen wurde, bedarf die Ausübung der Schifffahrt in jedem Fall einer Genehmigung nach Art. 28 Abs. 4 BayWG (Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand: Februar 2017, Art. 28 Rn. 24).

b) § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV macht die nach Art. 28 Abs. 4 und 5 BayWG für die von der Klägerin beabsichtigten Schlauchbootfahren erforderliche schifffahrtsrechtliche Genehmigung nicht entbehrlich.

Es kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob das von der Klägerin eingesetzte Schlauchboot im Hinblick auf seine Ausmaße und Ausgestaltung unter den Begriff eines Ruderbootes im Sinn von § 2 Nr. 3 BaySchiffV fällt und als ein kleines Fahrzeug ohne eigene Triebkraft in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV fallen könnte. Denn auch in diesem Fall verbleibt es bei der Genehmigungspflicht nach Art. 28 Abs. 4 BayWG, § 3 Abs. 1 Satz 1 BaySchiffV, weil die in § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV aufgeführte Ausnahme von der Genehmigungspflicht nur für die Benutzung des Gewässers im Rahmen des Gemeingebrauchs Anwendung findet.

aa) Die Genehmigungspflicht für kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft, die im Rahmen der Schifffahrt eingesetzt werden, folgt bereits aus der Systematik der Bayerischen Schifffahrtsverordnung, die - gestützt auf die Ermächtigung in Art. 27 Abs. 5 BayWG 1962 (Art. 28 Abs. 6 Satz 2 BayWG) - die Ausübung der Schiff- und Floßfahrt regelt und beschränkt (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 BaySchiffV). Daneben enthält die Verordnung einzelne Regelungen zur Beschränkung des Gemeingebrauchs auf Grundlage der Verordnungsermächtigung in Art. 22 BayWG 1962 (Art. 18 Abs. 3 BayWG), die nur unter der Voraussetzung zur Anwendung kommen, dass Gewässer mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft in Ausübung des Gemeingebrauchs befahren werden.

Nach § 1 BaySchiffV gilt die Bayerische Schifffahrtsverordnung für die Schifffahrt auf allen oberirdischen Gewässern in Bayern mit Ausnahme des Bodensees und der Bundeswasserstraßen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BaySchiffV). In § 1 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV wird der Anwendungsbereich der Verordnung über den Bereich der Schifffahrt hinaus auch auf das Befahren der Gewässer mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft in Ausübung des genehmigungsfreien Gemeingebrauchs erweitert (vgl. BayVerfGH v. 17.8.1978 - Vf. 11-VII-77 - juris Rn. 46, 47; BayVGH, B.v. 24.8.1990 - 22 CS 90.2273 - NVwZ-RR 1991, 226). Einzelne Vorschriften der Verordnung finden daher auch auf das gemeingebräuchliche Befahren der Gewässer Anwendung, obwohl die Verordnung in erster Linie die Ausübung der Schifffahrt regelt. Da das Befahren der Gewässer in Ausübung der Schifffahrt und das gemeingebräuchliche Befahren mit Kleinfahrzeugen einige Berührungspunkte - wie beispielsweise im Bereich der Verkehrsordnung - aufweisen und insbesondere gegenseitige Rücksichtnahme erfordern, hat der Verordnungsgeber die Schifffahrtregelungen mit den Bestimmungen zur Beschränkung des Gemeingebrauchs in Form des Befahrens der Gewässer mit Kleinfahrzeugen zusammengefasst (vgl. BayVerfGH v. 17.8.1978 - Vf. 11-VII-77 - juris - Rn. 48). Daraus folgt, dass die Bayerische Schifffahrtsverordnung für kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft nur insoweit Regelungen trifft, als diese zum gemeingebräuchlichen Befahren der Gewässer eingesetzt werden. Wird dagegen ein Gewässer mit Kleinfahrzeugen in Ausübung der Schifffahrt befahren, findet die Schifffahrtsverordnung bereits nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BaySchiffV Anwendung, ohne dass es eines Rückgriffs auf § 1 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV bedarf.

Ist das Befahren des Gewässers - wie hier - der Schifffahrt zuzuordnen, kommt es für die Frage der Genehmigungspflicht nach schifffahrtsrechtlichen Vorschriften nicht auf die Art und Größe des Wasserfahrzeugs an. Denn das Befahren eines Gewässers in Ausübung der Schifffahrt ist stets mit einer gewissen Nutzungsintensivierung gegenüber dem gemeingebräuchlichen Befahren verbunden. Vor dem Hintergrund der mit einer Nutzungsintensivierung in der Regel verbundenen stärkeren Beeinträchtigung des Gewässers, ist der gesetzgeberische Wille, die Ausübung der Schifffahrt - unabhängig von der Größe und der Art des Fahrzeugs - grundsätzlich von der Erteilung einer Genehmigung abhängig zu machen, deutlich erkennbar. Die Genehmigungspflicht wird allein dadurch ausgelöst, dass ein nicht für die Schifffahrt zugelassenes Gewässer in Ausübung der Schifffahrt befahren wird. Eine generelle Genehmigungsfreiheit von Kleinfahrzeugen ohne eigene Triebkraft würde dagegen dazu führen, dass das Befahren der Gewässer in Ausübung des Gemeingebrauchs an strengere Voraussetzungen geknüpft wäre, als die intensivere und dadurch tendenziell schädlichere Gewässernutzung in Ausübung der Schifffahrt. Denn während das gemeingebräuchliche Befahren der Gewässer nur in den Grenzen des Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG möglich ist, wäre die Schifffahrt mit Kleinfahrzeugen ohne diese Einschränkung gestattet. Diese Auslegung widerspricht aber der Systematik des Bayerischen Wassergesetzes, das kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft in Ausübung des Gemeingebrauchs gerade wegen geringeren Gewässerauswirkungen gegenüber der Schifffahrt privilegiert.

Da die Privilegierung der Kleinfahrzeuge ohne eigene Triebkraft somit nur greift, soweit das Gewässer in Ausübung des Gemeingebrauchs befahren wird, setzt die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV, der die Genehmigungsfreiheit für kleine Fahrzeuge ohne eigene Triebkraft vorsieht, nicht nur das Vorliegen eines kleinen Fahrzeugs im Sinn des § 2 Nr. 3 BaySchiffV voraus; zusätzlich muss das Gewässer mit diesem Fahrzeug auch in Ausübung des Gemeingebrauchs befahren werden (vgl. BayVGH, B.v. 24.8.1990 - 22 CS 90.2273).

bb) Die Ausdehnung der in § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV geregelten Genehmigungsfreiheit kleiner Fahrzeuge auch auf den Bereich der Schifffahrt stünde weiterhin in Widerspruch zu der in Art. 28 Abs. 4 BayWG vorgeschriebenen Genehmigungspflicht. Eine Auslegung in diesem Sinn wäre daher von der gesetzliche Ermächtigungsgrundlage nicht mehr gedeckt (vgl. Art. 55 Nr. 2 Satz 3 BV).

Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 2 BayWG (vgl. Art. 27 Abs. 5 BayWG 1962) kann durch Rechtsverordnung des zuständigen Staatsministeriums die Ausübung der Schiff- und Floßfahrt für alle oberirdischen Gewässer allgemein geregelt oder beschränkt werden, wenn eine einheitliche Regelung oder Beschränkung über den Bereich eines Regierungsbezirks hinaus erforderlich ist. Schifffahrts- und Floßordnungen enthalten Regelungen und Beschränkungen, die darauf abzielen, die Sicherheit und Ordnung auf den Gewässern, soweit sie durch die Ausübung der Schifffahrt berührt werden können, zu wahren. Deshalb kann die Ausübung der Schifffahrt aus den in Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG genannten Gründen geregelt oder beschränkt werden (vgl. Schenk in Sieder/Zeitler, BayWG, Stand: Februar 2017, Art. 28 Rn. 52). Durch die Befreiung von der schifffahrtrechtlichen Genehmigungspflicht für bestimmte Wasserfahrzeuge wäre der gesetzlich geregelte Rahmen für die Ausübung der Schifffahrt erweitert. Die Schaffung von Ausnahmetatbeständen geht über eine bloße (allgemeine) Regelung der Ausübung der Schifffahrt deutlich hinaus und ist bereits von dem Wortlaut der Verordnungsermächtigung in Art. 28 Abs. 6 Satz 2 BayWG nicht mehr erfasst.

Im Übrigen widerspräche die Genehmigungsfreiheit im Rahmen der Schifffahrt der Zielsetzung der Verordnungsermächtigung. Nach Art. 28 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG ist die Regelung oder Beschränkung der Schifffahrt nur zulässig, soweit das Wohl der Allgemeinheit, die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, die öffentliche Ruhe, der Schutz des Eigentums oder der Fischerei oder die Reinhaltung oder Unterhaltung des Gewässers es erfordern. Damit dient die Verordnungsermächtigung dem Schutz bestimmter privater und öffentlicher Belange vor Beeinträchtigungen, die durch Ausübung der Schifffahrt entstehen können. Durch Wegfall der schifffahrtrechtlichen Genehmigungspflicht für bestimmte Wasserfahrzeuge würden die in Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG genannten Belange - entgegen dieser Zielsetzung -unberücksichtigt bleiben, was mit der gesetzgeberischen Intention in Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG nicht zu vereinbaren wäre. Eine Befreiung von der Genehmigungspflicht nach Art. 28 Abs. 4 BayWG durch § 3 Abs. 1 Satz 2 BaySchiffV würde daher den Schutzzweck der Verordnungsermächtigung unterlaufen und ihre Grenzen überschreiten. Dies ist nämlich insbesondere dann der Fall, wenn sich in der Verordnung ein Regelungswille des Verordnungsgebers manifestiert, der vom Willen des Gesetzgebers deutlich abweicht (vgl. Lindner in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Auflage 2017, Art. 55 Rn. 36). Während die Verordnungsermächtigung dem Schutz der in Art. 28 Abs. 4 Satz 2 BayWG genannten öffentlichen und privaten Belange dient, würde durch Wegfall der Genehmigungspflicht jede Kontrollmöglichkeit zum Schutz dieser Belange entfallen.

III. Nach alldem war die Feststellungsklage der Klägerin abzuweisen. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungskla

Gesetz zur Ordnung des Wasserhaushalts


Wasserhaushaltsgesetz - WHG

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Jede Person darf oberirdische Gewässer in einer Weise und in einem Umfang benutzen, wie dies nach Landesrecht als Gemeingebrauch zulässig ist, soweit nicht Rechte anderer dem entgegenstehen und soweit Befugnisse oder der Eigentümer- oder Anliegergebr

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

Jede Person darf oberirdische Gewässer in einer Weise und in einem Umfang benutzen, wie dies nach Landesrecht als Gemeingebrauch zulässig ist, soweit nicht Rechte anderer dem entgegenstehen und soweit Befugnisse oder der Eigentümer- oder Anliegergebrauch anderer nicht beeinträchtigt werden. Der Gemeingebrauch umfasst nicht das Einbringen und Einleiten von Stoffen in oberirdische Gewässer. Die Länder können den Gemeingebrauch erstrecken auf

1.
das schadlose Einleiten von Niederschlagswasser,
2.
das Einbringen von Stoffen in oberirdische Gewässer für Zwecke der Fischerei, wenn dadurch keine signifikanten nachteiligen Auswirkungen auf den Gewässerzustand zu erwarten sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.