Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 21. Feb. 2022 - Au 7 K 21.2287

published on 27/07/2023 21:02
Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 21. Feb. 2022 - Au 7 K 21.2287
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Nach Ansicht des VG Augsburg darf die Fahrerlaubnisbehörde nach widerholter Feststellung einer erhöhten Blutalkoholwertes während des Fahrens mit dem Auto, auch ein Fahrverbot für fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge verhängen. 

Mittlerweile hat sich der VGH Bayern zur Sache geäußert: Demnach existiert keine Ermächtigungsgrundlage, die ein Verbot für das Fahren mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wie Fahrrad oder E-Scooter rechtfertigen würde (VGH Bayern, 17.04.2023 - 11 BV 22.1234).

Dirk Streifler - Streifler&Kollegen - Rechtsanwälte Berlin

VERWALTUNGSGERICHT AUGSBURG

Urteil vom 21.02.2022

Az.: Au 7 K 21.2287

URTEIL

I. Die Klage wird abgewiesen.
 
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
 
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
 
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid, mit dem ihm das Führen fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge untersagt wird.

1. Der im Jahr 1952 geborene Kläger ist nach Entziehung der Fahrerlaubnis durch das Amtsgericht ... mit Strafbefehl vom 15. Januar 2016 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr am 9. Dezember 2015 nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis. Ein am 10. November 2016 gestellter Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde wegen Nichtvorlage eines mit Schreiben vom 2. Dezember 2016 behördlich angeordneten medizinisch-psychologischen Gutachtens abgelehnt.

Am 28. April 2021 ging beim Landratsamt ... (im Folgenden: Landratsamt) eine Mitteilung der Polizeiinspektion ... vom 17. April 2021 ein, wonach der Kläger am 8. April 2021 um 16.37 Uhr beim Mofafahren einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden war. Bei der Kontrolle sei deutlicher Alkoholgeruch wahrgenommen worden. Außerdem habe der Kläger sehr glasige und gerötete Augen gehabt. Ein freiwilliger Atemalkoholvortest vor Ort habe 0,59 mg/l Atemalkoholkonzentration ergeben. Anschließend sei im Krankenhaus ... eine freiwillige Blutentnahme durchgeführt worden. Die Blutuntersuchung habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,24 Promille ergeben. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 27. Mai 2021 (rechtskräftig seit 15. Juni 2021) wurde deshalb wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 50,- EUR, d.h. insgesamt 1.500,- EUR, gegen ihn festgesetzt. Ihm wurde für die Dauer von drei Monaten verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder Art zu führen (§ 44 StGB).

Mit Schreiben vom 30. Juni 2021, mit Postzustellungsurkunde am 2. Juli 2021 zugestellt, forderte das Landratsamt den Kläger auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) zur Überprüfung der Eignung zum Führen von Fahrzeugen bis spätestens 13. September 2021 vorzulegen. Das Gutachten sollte folgende Fragen klären:

§ 13 Nr. 2e FeV: Hinweise auf Alkoholmissbrauch aufgrund einer Verkehrsteilnahme mit nicht Fahrerlaubnis pflichtigen Fahrzeugen:

Ist aufgrund der Hinweise auf Alkoholmissbrauch (wiederholte Verkehrsteilnahme mit einem Fahrzeug unter erheblichem Alkoholeinfluss) zu erwarten, dass (der Kläger) auch zukünftig ein Fahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird? Ist insbesondere gewährleistet, dass (er) das Führen eines Fahrzeugs und einen die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Alkoholkonsum zuverlässig trennen kann? Liegen als Folge eines unkontrollierten Alkoholkonsums Beeinträchtigungen vor, die eine sichere Verkehrsteilnahme mit einem fahrerlaubnisfreien (Kraft) fahrzeug in Frage stellen?“

Der Kläger wurde darauf hingewiesen, dass er verpflichtet sei, bei der Erstellung des Gutachtens mitzuwirken. Wenn er seine Zustimmung zur Übersendung der Akten an die MPU-Stelle nicht gebe, könne kein Gutachten erstellt werden. Das Landratsamt müsse ihm dann verbieten, mit fahrerlaubnisfreien (Kraft-)Fahrzeugen zu fahren (§ 11 Abs. 8 FeV).

Mit Schreiben vom 15. Juli 2021 wies das Landratsamt nochmals darauf hin, dass es dem Kläger verbieten müsse, fahrerlaubnisfreie (Kraft-)Fahrzeuge zu führen, wenn er das Gutachten nicht fristgerecht einreiche.

Mit Schreiben vom 21. Juli 2021 zeigte der Bevollmächtigte des Klägers die anwaltliche Vertretung an und teilte mit, dass der Kläger der Aufforderung nicht nachkommen werde, da zwischen den Vergehen vom 15. Januar 2016 und 8. April 2021 mehr als fünf Jahre lägen und dieser Zeitraum eine Zäsur bilde. Weiter verstoße die Anordnung gegen § 3 Abs. 4 StVG, da mit dem rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts... nur ein dreimonatiges Fahrverbot angeordnet worden sei. Die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB hätten nach Auffassung des Strafgerichts nicht vorgelegen, ansonsten hätte es gemäß § 69a StGB eine isolierte Sperrfrist anordnen müssen, was aber nicht geschehen sei. Die Führerscheinstelle sei aufgrund der vorrangigen Entscheidung des Strafgerichts gehindert, davon auszugehen, dass der Kläger zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Die Anordnung verstoße auch gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da es als weit weniger einschneidende Maßnahme möglich gewesen wäre, ärztliche Informationen einzuholen.

Das Landratsamt rechtfertigte mit Schreiben vom 22. Juli 2021 nochmals seine Gutachtensanforderung. Mit Schreiben vom 15. September 2021 hörte es den Kläger zum beabsichtigten Untersagungsbescheid an und setzte eine Frist zur Äußerung bis 29. September 2021.

Mit Bescheid vom 4. Oktober 2021, dem Bevollmächtigten des Klägers mit Postzustellungsurkunde am 5. Oktober 2021 zugestellt, wurde dem Kläger untersagt, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen (Nr. 1 des Bescheides). Die sofortige Vollziehung dieses Bescheides wurde angeordnet (Nr. 2 des Bescheides).

Der Kläger habe ein Gutachten nicht vorgelegt, sodass gemäß § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen geschlossen werden könne. Gemäß „§ 14 Nr. 2b FeV“ sei die Beibringung einer MPU anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden, was hier aufgrund der beiden Fahrten unter Alkoholeinfluss vom 9. Dezember 2016 und 8. April 2021 der Fall sei. Beide Fahrten seien auch noch verwertbar. Ein milderes Mittel anstelle der Gutachtensanordnung (z.B. Einholung ärztlicher Informationen) bzw. der Untersagungsverfügung (z.B. teilweise Einschränkung) komme jeweils nicht in Betracht. Da keine Verstöße als Führer von nicht motorisierten Fahrzeugen (z.B. Fahrräder ohne Hilfsmotor) bekannt seien, würden diese Fahrzeuge von der Untersagung ausgenommen.

2. Am 5. November 2021 ließ der Kläger hiergegen Klage erheben mit dem Antrag (sinngemäß),

den Bescheid des Landratsamts vom 4. Oktober 2021 aufzuheben.

Die Begründung der Klage folgte dabei weitgehend derjenigen im Verwaltungsverfahren. Der Beklagte sei gemäß § 3 Abs. 4 StVG an die mit dem Strafbefehl verbundene Wertung, dass das Amtsgericht... den Kläger nicht für ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erachtet habe, gebunden. Aus diesem Grund sei der angefochtene Bescheid rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Rechten. Zwischen beiden Trunkenheitsfahrten liege ein Zeitraum von mehr als fünf Monaten (gemeint wohl: mehr als 5 Jahren), dazwischen sei kein Fehlverhalten des Klägers aufgetreten. Zudem habe der Kläger bei der Tat am 8. April 2021 ein Mofa benutzt, von dem ein vergleichsweise geringes Gefährdungspotential ausgehe. Die Untersagung sei unverhältnismäßig, zumal der Kläger auf dem Land lebe und deshalb in erhöhtem Maß auf individuelle Verkehrsmittel angewiesen sei.

3. Der Beklagte beantragt mit Schreiben vom 19. November 2021,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid verwiesen.

4. Der Kläger und der Beklagte erklärten unter dem 3. Januar 2022 bzw. 5. Januar 2022 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe

1. Gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) konnte die Entscheidung mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergehen.

2. Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 4. Oktober 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat zu Recht auf die Ungeeignetheit des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen, weil dieser das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht vorgelegt hat, § 11 Abs. 8 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-VerordnungFeV).

Ungeachtet dessen, dass über eine Anfechtungsklage zu entscheiden ist, ist der für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Untersagung, fahrerlaubnisfreie Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen, maßgebliche Zeitpunkt hier der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 13). Denn bei der Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt, d.h. um einen Verwaltungsakt, bei dem die Verwirklichung des ihm zu Grunde liegenden Sachverhaltes nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt in Form eines einmaligen Gebotes oder Verbotes eintritt, sondern dessen tatbestandliche Voraussetzungen während des gesamten Regelungszeitraumes vorliegen müssen. Aus dem materiellen Recht ergibt sich auch kein anderer Zeitpunkt für die gerichtliche Überprüfung, denn in den einschlägigen straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften ist kein Verfahren normiert, wie die Berechtigung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen wiedererlangt oder eine diesbezügliche Untersagungsverfügung wieder aus der Welt geschafft werden kann, wie dies z.B. bei einer Gewerbeuntersagung in § 35 Abs. 6 Satz 1 der Gewerbeordnung (GewO) und bei einer Beschränkung eines Passes in § 7 Abs. 2 Satz 3 des Passgesetzes (PassG) geregelt ist und das eine Abweichung von der Grundregel bei Dauerverwaltungsakten rechtfertigen würde (vgl. BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris Rn. 20 f. m.w.N.).

a) Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge auf öffentlicher Straße ist § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde – ohne dass ihr insoweit ein Entschließungsermessen zukommt – das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren erweist. Diese Vorschrift gilt auch für Personen, die kein fahrerlaubnispflichtiges Kraftfahrzeug führen, sondern in anderer Weise am Straßenverkehr teilnehmen, z.B. für Fahrrad- und Mofafahrer und Lenker von Fuhrwerken (vgl. die Verordnungsbegründung zu § 3 FeV BR-Drs. 443/98, S. 237, BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 11 B 16.1619 – juris Rn. 14; Dauer in Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 3 FeV Rn. 10). Dies lässt sich zum einen dem Wortlaut „Fahrzeug“ i.R.d. § 3 FeV in Abgrenzung zu „Kraftfahrzeug“ i. R.d. §§ 4 ff. FeV, zum anderen der systematischen Verortung des § 3 FeV in Abschnitt I. unter der Überschrift „Allgemeine Regelungen für die Teilnahme am Straßenverkehr“ in Abgrenzung zu Abschnitt II. unter der Überschrift „Führen von Kraftfahrzeugen“ entnehmen.

b) § 3 FeV findet seine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) in der bis zum 27. Juli 2021 gültigen Fassung. Danach ist das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen über Maßnahmen, um die sichere Teilnahme sonstiger Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten, sowie über Maßnahmen, wenn diese Personen bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Nach Auffassung der Kammer stellt § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. eine hinreichende, insbesondere hinreichend bestimmte Ermächtigungsgrundlage für § 3 FeV dar (vgl. zum Folgenden in Gänze VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris Rn. 23 ff.).

Die vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof aufgeworfene und vom Bundesverwaltungsgericht aufgegriffene, aber letztlich offen gelassene Frage, ob die Regelung des § 3 FeV in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. eine hinreichende gesetzliche Ermächtigungsgrundlage findet (BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 32 ff.; BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris Rn. 22 ff.; B.v. 8.6.2021 - 11 CS 21.968 – juris Rn. 14 ff.; offenlassend ebenfalls OVG Saarland, B.v. 3.5.2021 -1 B 30/21 – juris Rn. 33 ff.; kritisch auch Rebler/Müller, DAR 2014, 690, 694 ff.),hat sich zwar nicht durch die Neufassung des § 6 StVG durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 12. Juli 2021 (BGBl. I S. 3091) erledigt. Nach der zum 28. Juli 2021 in Kraft getretenen Neufassung des § 6 StVG wird das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur ermächtigt, soweit es zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs auf öffentlichen Straßen erforderlich ist, Rechtsverordnungen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen unter anderem über die erforderliche Befähigung und Eignung von Personen für ihre Teilnahme am Straßenverkehr, das Mindestalter und die sonstigen Anforderungen und Voraussetzungen zur Teilnahme am Straßenverkehr (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b StVG n. F.).

Denn maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Vereinbarkeit einer Rechtsverordnung mit höherem Recht, d.h. insbesondere die Prüfung, ob die – hier unveränderte – Verordnung auf einer hinreichenden Ermächtigungsgrundlage beruht, ist der Zeitpunkt ihres Erlasses (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 14; BVerwG, U.v. 3.12.2020 – 4 C 7.18 – juris Rn. 31). Aus diesen Gründen kann auch dahinstehen, ob die neuen gesetzlichen Vorschriften in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b und d, Abs. 3 Nr. 1 StVG, die seit dem 28. Juli 2021 als Ermächtigungsgrundlage für Regelungen zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf dem Verordnungsweg in Betracht kämen, den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz (GG) genügen würden (BayVGH, B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 14).

Die Kammer erachtet § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. als Ermächtigungsnorm für mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere für hinreichend bestimmt. Auch die in der Rechtsprechung aufgeworfenen Zweifel hinsichtlich der Verhältnismäßigkeit der untergesetzlichen Regelung in § 3 FeV greifen letztlich nicht durch.

§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. genügt dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. Danach müssen Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden. Der Ermächtigungsgesetzgeber hat selbst die Entscheidung darüber zu treffen, welche Fragen durch eine Rechtsverordnung geregelt werden sollen, welche Grenzen einer derartigen Normierung gesetzt sind und welchem Ziel sie dienen soll (sog. Selbstentscheidungsformel). Anhand des ermächtigenden Gesetzes muss sich bestimmen lassen, welches gesetzgeberisch vorgezeichnete Programm verordnungsrechtlich umgesetzt bzw. erreicht werden soll (sog. Programmformel). Der Bürger muss bereits aus dem ermächtigenden Gesetz ersehen können, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht wird und welchen Inhalt die auf der Grundlage der Ermächtigung ergehende Rechtsverordnung haben wird (Vorhersehbarkeitsformel). In der Zusammenführung dieser einzelnen Konkretisierungsformeln soll Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG das Parlament im Falle der Entscheidung für eine Verordnungsermächtigung der Exekutive dazu anhalten, die Grenzen der übertragenen Kompetenzen zu bedenken und diese nach Tendenz und Programm so genau zu umreißen, dass schon aus der Ermächtigung selbst erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (vgl. BeckOK Grundgesetz, 47. Ed., Stand: 15.05.2021, Art. 80 Rn. 19). Als Maßstab reicht eine hinreichende Bestimmtheit der Ermächtigung aus. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG erlangt daher als „Untermaßverbot“ Relevanz, dagegen ist nicht erforderlich, dass die Ermächtigung so bestimmt wie möglich umschrieben ist. Dem Gesetzgeber wird somit aufgegeben, die Tendenz und das Programm der Rechtsverordnung so weit zu umreißen, dass deren Zweck und möglicher Inhalt feststehen. Dabei genügt, dass sie sich mithilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (vgl. BVerfG, B.v. 4.2.1975 – 2 BvL 5/74 – juris Rn. 38, und B.v. 7.11.1991 – 1 BvR 1469/86 – juris Rn. 29; BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 34). Für die Prüfung, ob eine Verordnungsermächtigung dem Bestimmtheitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt, sind dabei nicht nur die Ermächtigungsnorm selbst und deren Begründung, sondern auch die weiteren Vorschriften des Gesetzeswerkes in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, B.v. 7.11.1991 – 1 BvR 1469/86 – juris; BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 36; BeckOK Grundgesetz, 47 Ed., Stand: 15.05.2021, Art. 80 Rn. 24).

Vorliegend sind Regelungsgegenstand und Regelungsinhalt der Verordnungsermächtigung hinreichend deutlich. Zwar lässt sich der Ermächtigungsgrundlage selbst nicht entnehmen, welche Maßnahmen aus Sicht des Gesetzgebers der Verordnungsgeber unter welchen Voraussetzungen vorsehen darf, wenn Personen bedingt geeignet oder ungeeignet zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Auch finden sich hierzu keine Ausführungen in der Gesetzesbegründung (BR-Drs. 821/96, S. 74 f.; vgl. hierzu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 36). Diese Frage lässt sich aber nach den allgemeinen Auslegungsregeln unter Berücksichtigung des der Regelung zugrundeliegenden Zwecks und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes hinreichend beantworten. Der Zweck der Regelung geht dahin, den Fahrerlaubnisbehörden eine Ermächtigung an die Hand zu geben, im Sinne der Gefahrenabwehr präventiv beschränkend eingreifen zu können, wenn Personen, die nicht der Fahrerlaubnispflicht unterliegen, am Straßenverkehr teilnehmen, obwohl sie hierzu nur bedingt geeignet oder ungeeignet sind. Dies schließt ein, in diesem Sinne ungeeigneten Personen, wenn eine mildere Maßnahme nicht in Betracht kommt, generell das Führen eines Fahrzeugs zu untersagen, andernfalls das Führen zu beschränken oder erforderliche Auflagen anzuordnen (vgl. NdsOVG, B.v. 1.4.2008 – 12 ME 35/08 – juris Rn. 6; OVG NW, B.v. 23.4.2015 – 16 B 259/15 – juris Rn. 6).

Der Gesetzgeber selbst setzt im Straßenverkehrsgesetz die Möglichkeit solcher Maßnahmen voraus. So hat er in § 28 Abs. 3 Nr. 4 StVG geregelt, dass im Fahreignungsregister Daten über unanfechtbare oder sofort vollziehbare Verbote oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, gespeichert werden. § 29 Abs. 5 Satz 2 StVG regelt den Beginn der Tilgungsfrist bei von der nach Landesrecht zuständigen Behörde verhängten Verboten oder Beschränkungen, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug zu führen, und legt hierfür fünf Jahre nach Ablauf oder Aufhebung des Verbots oder der Beschränkung fest. Nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b StVG dürfen in den örtlichen Fahrerlaubnisregistern Daten über Verbote oder Beschränkungen, ein Fahrzeug zu führen, gespeichert werden (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 36).

Es mangelt der Verordnungsermächtigungsgrundlage auch nicht an der erforderlichen Regelungsdichte im Hinblick auf mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und Maßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können.

Zwar fehlt es insofern an Anknüpfungspunkten im Straßenverkehrsgesetz. Die Verordnungsermächtigung ist in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. deutlich allgemeiner und zudem knapper gehalten als das in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c StVG a.F. (die Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, die Beurteilung der Eignung durch Gutachten sowie die Feststellung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde), § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. q StVG a.F. (die Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten oder bei nicht befähigten Fahrerlaubnisinhabern oder bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung sowie die Ablieferung, die Vorlage und die weitere Behandlung der Führerscheine) und § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. r StVG a.F. (die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht und die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis wieder Gebrauch zu machen) in Bezug auf das Führen von Kraftfahrzeugen der Fall ist (vgl. dazu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 37).

Auch kann der Verordnungsgeber in Bezug auf das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge – anders als das aufgrund von § 2 StVG hinsichtlich des Führens von Kraftfahrzeugen der Fall ist – nicht unmittelbar an eine gesetzliche Regelung und Eingriffsgrundlage anknüpfen, die – wenn auch nur in recht allgemeiner Form – selbst Vorgaben für die Eignung und Befähigung zum Führen solcher Fahrzeuge (vgl. § 2 Abs. 4 und 5 StVG) und zur Anordnung der Beibringung von Gutachten bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zum Führen (vgl. § 2 Abs. 8 StVG) enthält (vgl. dazu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 37).

Ebenso fehlt es für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge an vergleichbaren Regelungen wie denen des § 3 StVG zur Entziehung der Fahrerlaubnis bei fehlender Eignung oder Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen innerhalb des Straßenverkehrsgesetzes. Das Straßenverkehrsgesetz regelt schließlich nicht – auch nicht im Wege einer Verordnungsermächtigung (vgl. § 3 Abs. 7 StVG) –, für welche Dauer das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge verboten werden darf und bzw. oder unter welchen Voraussetzungen ein solches Verbot wieder aufzuheben ist (vgl. dazu BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 37). Gemäß § 3 Abs. 7 StVG können durch Rechtsverordnung auf Grund des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 StVG n.F. Fristen und Voraussetzungen für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung oder nach vorangegangenem Verzicht (Nr. 1) oder für die Erteilung des Rechts, nach vorangegangener Entziehung oder vorangegangenem Verzicht von einer ausländischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, an Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland (Nr. 2) bestimmt werden. Eine entsprechende Regelung für das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge besteht nicht. Allein hieraus kann im Umkehrschluss aber noch nicht gefolgert werden, dass die Verordnungsermächtigung hierzu kein den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügendes Regelungsprogramm erkennen lässt. Im Hinblick auf die gebotene Regelungsdichte gilt grundsätzlich, dass Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG den ermächtigenden Gesetzgeber dazu verpflichtet, die der Exekutive überlassenen Einzelregelungen nach sachlichem Gehalt und nach Regelungstendenz so weit vorzuprägen, dass der mögliche Inhalt der zu erlassenden Verordnung deutlich wird. Die Anforderungen sind als Ausprägung des allgemeinen Gesetzesvorbehalts dabei umso höher, je schwerwiegender die Auswirkungen sind. Letztlich aber kann insofern nicht auf allgemein gültige Voraussetzungen zurückgegriffen werden. Es bedarf vielmehr einer Beurteilung im konkreten Einzelfall (Remmert, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 94. EL Januar 2021, Art. 80 Rn. 68; Uhle, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 47. Ed. Stand: 15.05.2021, Art. 80 Rn. 21, 25, jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Die Kammer verkennt nicht, dass Maßnahmen das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen betreffend einen erheblichen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG des Betroffenen darstellen können. Das Regelungsprogramm, welches verordnungsrechtlich im Hinblick auf mögliche Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge und diesbezüglicher Aufklärungsmaßnahmen umgesetzt werden soll, lässt sich aber in hinreichender Weise bestimmen. Die Notwendigkeit differenzierter Vorgaben hierzu in der Verordnungsermächtigung – wie sie im Hinblick auf die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen in § 6 Abs. 1 StVG erfolgt ist – drängt sich aus Sicht der Kammer nicht auf. Es liegt im Hinblick auf die Gründe für Zweifel an der Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auf der Hand, dass nur solche Eignungsmängel relevant sein können, die sich auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen. Ebenso eindeutig verhält es sich in Bezug auf Maßnahmen, die von der Fahrerlaubnisbehörde zur Aufklärung von Eignungszweifeln zu treffen sind oder im Ermessenswege getroffen werden können. Auch hier sind dem Verordnungsgeber unter Berücksichtigung des der Regelung zugrundeliegenden Zwecks und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bereits hinreichend Grenzen gesetzt, ohne dass es erforderlich wäre, dass der Gesetzgeber in der Verordnungsermächtigung selbst den Eignungsbegriff legaldefinieren und das „Wie“ der Aufklärungsmaßnahmen im Einzelnen regeln müsste. Hinzu kommt, dass die vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen in § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG a.F. im Einzelnen aufgeführten Maßnahmen sowie die vorgenannten Normen im Straßenverkehrsgesetz entsprechend herangezogen werden können. Danach beinhaltet der Begriff der „Maßnahme“ in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. die Ermächtigung des Verordnungsgebers, durch Verordnung zu konkretisieren, was die Anforderungen an die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen, an die Beurteilung der Eignung durch Gutachten sowie die Feststellung und Überprüfung der Eignung durch die Fahrerlaubnisbehörde sind, welche Maßnahmen bei bedingt geeigneten oder ungeeigneten Teilnehmern am sonstigen Straßenverkehr oder bei Zweifeln an der Eignung oder Befähigung zur Teilnahme am sonstigen Straßenverkehr ergriffen werden sollen. Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. Die Ermächtigungsgrundlagen zur Ausführung der Regelungen des Straßenverkehrsgesetzes auf dem Gebiet des Fahrerlaubnisrechts wurden erstmals durch Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes und anderer Gesetze vom 24. April 1998 (BGBl I 1998, S. 747) neugefasst. Zuvor ermächtigte § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG – ohne weitere Differenzierungen – zum Erlass von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften insbesondere über Mindestbedingungen und zeitliche Befristung der Fahrerlaubnis und über Gesundheitsprüfungen zum Zweck der Feststellung mangelnder Eignung zur Führung von Kraftfahrzeugen. Die Neufassung im Jahr 1998 führte zu einer deutlich differenzierteren Regelung. Dabei war der Gesetzgeber offensichtlich schon zu diesem Zeitpunkt davon ausgegangen, dass auch die ursprüngliche Ermächtigungsgrundlage die Regelung von Maßnahmen umfasste, um die sichere Teilnahme von Personen am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen zu gewährleisten, sowie die Regelung der Maßnahmen, wenn sie bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Denn bezüglich der „Neuerungen“ wurde in der Gesetzesbegründung lediglich auf Buchstabe d (Maßnahmen zur Beseitigung von Eignungsmängeln), Buchstabe k (Anerkennung oder Beauftragung von Stellen oder Personen, die die Eignung oder Befähigung zur Teilnahme am Straßenverkehr oder Ortskenntnisse zwecks Vorbereitung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung beurteilen oder prüfen oder die in der Versorgung Unfallverletzter im Straßenverkehr oder Erster Hilfe ausbilden), Buchstabe p (Regelungen zu Fahranfängern) und Buchstabe x (Inhalt und Gültigkeit einer bisher erteilten Fahrerlaubnis) hingewiesen, nicht hingegen auf die Ermächtigung zur Regelung des fahrerlaubnisfreien Führens von Fahrzeugen in Buchstabe y. Dem fügt sich, dass der Gesetzgeber die Ermächtigungsgrundlage im Rahmen der jüngsten Neufassung deutlich knapper gefasst hat mit dem Ziel, § 6 Abs. 1 Nr. 1 StVG n.F. wieder auf eine höhere Abstraktionsebene zurückzuholen, den bisherigen Ermächtigungsumfang und Anwendungsbereich zugleich aber zu erhalten. Die alte Fassung sei nach und nach durch kleinschrittige Aufzählungen und die Verwendung von Beispielen und Details ausdifferenziert worden, um anlassbezogen einzelne Regelungsinhalte herauszustellen und abzusichern. Dies sei allerdings vielfach ohne Anspruch auf ein systematisches Gesamtkonzept im Hinblick auf die anderen Ermächtigungsinhalte des § 6 StVG erfolgt. Daher komme den – in der alten Fassung vorhandenen – einzelnen Aufzählungen nicht etwa der vermeintliche Charakter von Regelbeispielen zu, die im Umkehrschluss den Inhalt der Ermächtigung negativ begrenzen würden (vgl. BT-Drs. 19/28684, S. 41).

Maßgeblich für die Rechtsauffassung der Kammer, dass Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. hinreichend bestimmt sind, ist der Umstand, dass der Zweck der Regelung dahingeht, Personen, die nicht der Fahrerlaubnispflicht unterliegen, von der Teilnahme am Straßenverkehr fernzuhalten, wenn und soweit sie bedingt geeignet oder ungeeignet oder nicht befähigt zur Teilnahme am Straßenverkehr sind. Dies schließt ein, in diesem Sinne ungeeigneten Personen, wenn eine mildere Maßnahme nicht in Betracht kommt, generell das Führen eines Fahrzeugs zu untersagen, andernfalls das Führen zu beschränken oder erforderliche Auflagen anzuordnen. Der Begriff der Maßnahmen, wie er in § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. verwendet wird, ist im Lichte dieser Zweckbestimmung des Straßenverkehrsrechts und unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszulegen und dient dazu, die sichere Teilnahme der betroffenen Personen am Straßenverkehr zu gewährleisten und Gefahren von Dritten abzuwenden (Nds OVG, B.v. 1.4.2008 – 12 ME 35/08 – juris Rn. 6). Es lässt sich mithin anhand der Ermächtigung bestimmen, welches gesetzgeberisch vorgezeichnete Programm verordnungsrechtlich umgesetzt oder erreicht werden soll. Damit hat der Gesetzgeber die Grenzen der verordnungsgebenden Regelungsmacht festgesetzt, indem er die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr von ihrer Eignung abhängig macht (OVG NW, B.v. 23.4.2015 – 16 E 208/15 – juris Rn. 6).

Die auf der wie ausgeführt verfassungsgemäßen Ermächtigungsgrundlage des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. y StVG a.F. beruhende Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV selbst begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Auch mit Blick auf das gegenüber Kraftfahrzeugen in der Regel geringere Gefährdungspotenzial des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge ist es aus Sicht der Kammer mit den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vereinbar, dass § 3 Abs. 2 FeV für die Klärung von Eignungszweifeln ohne weitere Differenzierung umfassend auf die strengen Anforderungen der §§ 11 ff. FeV verweist, die an sich auf die Prüfung der Eignung und Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgerichtet sind. Insofern teilt die Kammer zunächst die Ansicht, wonach die Gefahren, die von dem Führer eines erlaubnisfreien Fahrzeugs ausgehen, zwar geringer einzustufen sein mögen als diejenigen, die ungeeignete Kraftfahrer verursachen, die erlaubnispflichtige Fahrzeuge führen (Nds OVG, B.v. 1.4.2008 – 12 ME 35/08 − juris Rn. 7). Sie sind aber erheblich genug, um die entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 11 bis 14 FeV für gerechtfertigt zu halten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist (§ 3 Abs. 2 FeV). Ebenso wenig unterliegt es Bedenken, dass die Fahrerlaubnisbehörde das Führen von Fahrzeugen untersagen, beschränken oder die erforderlichen Auflagen anordnen kann, wenn sich der Betreffende als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen erweist (§ 3 Abs. 1 FeV). Denn Verkehrsunfälle, die ungeeignete Fahrer erlaubnisfreier Fahrzeuge verursachen, können ebenfalls mit schwerwiegenden Folgen für Gesundheit und Leben anderer Verkehrsteilnehmer verbunden sein. Motorisierte Verkehrsteilnehmer, die sich schneller als Fahrradfahrer im Straßenverkehr bewegen, können sich und andere erheblich gefährden, wenn sie wegen der unvorhersehbaren Fahrweise eines etwa unter dem Einfluss von Alkohol oder Betäubungsmitteln fahrenden Fahrradfahrers ihrerseits zu riskanten und folgenschweren Ausweichmanövern verleitet werden. Die Folgen eines auf solche Art verursachten Unfalls können dabei genauso schwerwiegend sein wie die Folgen eines Verkehrsunfalls, die direkt durch einen ungeeigneten Kraftfahrzeug-Fahrer entstehen (zum Gefährdungsrisiko siehe auch BayVGH, B.v. 22.10.2009 – 11 ZB 09.832 – juris Rn. 15; HessVGH, B.v. 6.10.2010 – 2 B 1076/10 – juris Rn. 10 ff.).

Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die §§ 11 ff. FeV – wie eingangs bereits dargestellt – nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 3 Abs. 2 FeV lediglich entsprechend Anwendung finden. Die Einschränkung betrifft zunächst den Anwendungsbereich der Norm, der nur dann eröffnet ist, wenn die Regelung ihrem Inhalt nach nicht das Führen eines fahrerlaubnispflichtigen Kraftfahrzeugs voraussetzt. Mit Blick auf Anlage 4 zu §§ 11, 13 und 14 FeV ist eine entsprechende Anwendung zudem nur möglich, soweit sich die Mängel auch auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen oder Tieren beziehen. Den bestehenden Unterschieden hat die Fahrerlaubnisbehörde ferner im Rahmen des ihr eingeräumten Auswahlermessens Rechnung zu tragen.

Die Regelung des § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV erweist sich schließlich auch nicht deshalb als unverhältnismäßig, weil sie die Fahrerlaubnisbehörde lediglich ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnisverordnung selbst aber keine explizite Regelung dazu trifft, in welchen Fällen eine solche Maßnahme wieder aufzuheben ist. Das Fehlen einer solchen Regelung hat nicht zur Folge, dass etwa die bestandskräftige Untersagung des Führens eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeuges als Dauerverwaltungsakt (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 13; BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 11) auf Ewigkeit Wirkung entfaltet, ohne dass ein Anspruch auf Aufhebung bestünde. Die ursprünglich rechtmäßige Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge wird nachträglich rechtswidrig, wenn die Voraussetzungen für ihren Erlass nicht mehr vorliegen, insbesondere also dann, wenn der Betroffene seine Eignung zur fahrerlaubnisfreien Teilnahme am Straßenverkehr wiedererlangt hat. Mangels abschließender spezialgesetzlicher Regelung ist in diesem Fall auf die allgemeine Regelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) zurückzugreifen. Danach kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Das nach Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG der Behörde eingeräumte Rücknahmeermessen (Art. 40 BayVwVfG) wird in diesem Fall regelmäßig auf Null reduziert sein. Zwar besteht nicht automatisch eine Rücknahmepflicht, wenn ein belastender Dauerverwaltungsakt rechtswidrig ist. Die zur Rechtswidrigkeit führende veränderte Rechts- oder Sachlage ist als solche grundsätzlich noch kein ausreichender Grund für eine Ermessensreduzierung auf Null. Denn die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen jedenfalls im Ausgangspunkt gleichberechtigt nebeneinander (vgl. hierzu BVerfG, U.v. 24.5.2006 – 2 BvR 669/04 – juris Rn. 80; BVerwG, U.v. 24.2.2011 – 2 C 50.09 – juris Rn. 14; U.v. 9.5.2012 − 6 C 3.11 – juris Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts besteht mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit aber ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Dauerverwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.2011 – 2 C 50.09 – juris Rn. 11; U.v. 9.5.2012 − 6 C 3.11 – juris Rn. 51). Unbeschadet der insoweit stets gebotenen Betrachtung des Einzelfalls haben sich in der Rechtsprechung bestimmte Fallgruppen herausgebildet, in denen die geforderte Unerträglichkeit einer Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts im Allgemeinen zu bejahen sein wird. Dies ist unter anderem dann der Fall, wenn in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben ist, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (vgl. hierzu und zu den weiteren Fallgruppen BVerwG, U.v. 9.5.2012 − 6 C 3.11 – juris Rn. 51).

So liegen die Dinge hier. Gemäß § 1 FeV ist zum Verkehr auf öffentlichen Straßen jeder zugelassen, soweit nicht für die Zulassung zu einzelnen Verkehrsarten eine Erlaubnis vorgeschrieben ist. Nur ausnahmsweise, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge erweist, kann sich eine Untersagung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV als gerechtfertigt erweisen. Im Hinblick auf die grundsätzliche Erlaubnisfreiheit der Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne des § 1 FeV und unter Berücksichtigung der mit der Untersagungsverfügung einhergehenden, nicht unerheblichen Einschränkung der Mobilität des Betroffenen würde sich eine andere Entscheidung als die Rücknahme der Untersagungsverfügung bei Wiedererlangung der Eignung zur Teilnahme am fahrerlaubnisfreien Straßenverkehr als schlechthin unerträglich erweisen. Angesichts der vorstehenden Ausführungen begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass der Verordnungsgeber die Aufhebung der nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV getroffenen Maßnahmen bei Wiedererlangung der Eignung zur Teilnahme am fahrerlaubnisfreien Straßenverkehr nicht in der Fahrerlaubnisverordnung selbst speziell geregelt hat. Das besondere Verwaltungsrecht kennt spezialgesetzliche Regelungen insbesondere zur Aufhebung rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakte. Dies betrifft vor allem Bereiche, in denen ein bestimmtes Tun des Bürgers unter Erlaubnisvorbehalt steht, und begründet regelmäßig − abweichend von den Ermessensnormen der Art. 48, 49 BayVwVfG − eine Pflicht zur Aufhebung. Entsprechend finden sich in den Spezialgesetzen regelmäßig auch Regelungen dazu, wie der Betroffene nach der Aufhebung einer Erlaubnis diese erneut erlangen kann, so beispielsweise im Fahrerlaubnisrecht in § 20 FeV, der die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach deren Entziehung bzw. dem Verzicht auf sie regelt. Hier bedarf es einer solchen Regelung indes nicht. Im Falle der Wiedererlangung der Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeugen ist lediglich die Untersagung aufzuheben. Damit ist dem Betroffenen im Hinblick auf § 1 FeV die Teilnahme am Straßenverkehr mit fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen von Gesetzes wegen wieder gestattet. Es bedarf gerade keiner (Wieder-)Gestattung oder ausdrücklichen Zulassung zur Teilnahme am erlaubnisfreien Straßenverkehr. Ebenso wenig bedarf es einer ausdrücklichen Regelung, wann die Eignung zur Teilnahme am Straßenverkehr mit erlaubnisfreien Fahrzeugen wieder gegeben ist, also die Voraussetzungen für den Erlass etwa einer Untersagungsverfügung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV nachträglich entfallen und ein Anspruch auf Rücknahme entstanden ist. Denn der Eignungsbegriff im Rahmen der Überprüfung, ob die Voraussetzungen einer Aufhebung wegen Wiedererlangung der Fahreignung vorliegen, ist identisch mit dem Eignungsbegriff im Untersagungsverfahren. Soweit insofern Aufklärungsmaßnahmen – wie etwa die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Begutachtung – erforderlich erscheinen, kann sich die Behörde zu ihrer Anordnung auf § 3 Abs. 2 i.V.m. §§ 11 ff. FeV stützen (vgl. zum Ganzen VG Gelsenkirchen, B.v. 23.9.2021 – 7 L 901/21 – juris Rn. 23 ff.).

c) Die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV liegen hier vor. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde – ohne dass ihr insoweit ein Entschließungsermessen zukommt – das Führen von Fahrzeugen oder Tieren zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren erweist. Tatbestandsvoraussetzung für die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV ist demnach, dass sich der Betroffene als ungeeignet zum Führen von Fahrzeugen und Tieren erweist. Hierfür ist folglich die Fahrerlaubnisbehörde im Zweifel nachweispflichtig.

Der Beklagte hat im vorliegenden Fall zu Recht auf die Nichteignung des Klägers zum Führen von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen geschlossen, weil dieser das von ihm rechtmäßig geforderte medizinisch-psychologische Gutachten nicht beigebracht hat (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV). Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. Der Betroffene ist hierauf bei der Anordnung hinzuweisen (§ 11 Abs. 8 Satz 1 und 2 FeV). Der Schluss auf die Nichteignung ist aber nur dann zulässig, wenn die Anordnung des Gutachtens formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 3 C 20.15 – NJW 2017, 1765 Rn. 19 m.w.N.) und für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.1985 – 7 C 26.83 – BVerwGE 71, 93/96 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 19.6.2019 – 11 CS 19.936 – juris Rn. 23 m.w.N.).

Für die Zulässigkeit des Schlusses nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV muss die Gutachtensanordnung auch zum oben aufgeführten, maßgeblichen Zeitpunkt noch rechtmäßig sein. Gemäß § 11 Abs. 6 Satz 1 FeV muss die Fahrerlaubnisbehörde unter Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalles und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens festlegen, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Nach § 11 Abs. 6 Satz 2 FeV teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Die Gutachtensanordnung muss demnach hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Der Betroffene muss der Aufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Der Beibringungsanordnung muss sich – mit anderen Worten – zweifelsfrei entnehmen lassen, welche Problematik auf welche Weise geklärt werden soll (vgl. Hentschel/ König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 11 FeV Rn. 55). Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung und die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen (vgl. BVerwG, B.v 5.2.2015 – 3 B16.14 – BayVBl 2015, 421; BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 11 CS 15.1203 – juris). An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind hierbei strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Kläger die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktsqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm bei Nichtvorlage des Gutachtens die Fahrerlaubnis deswegen entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris).

Hiervon ausgehend durfte der Beklagte auf die Nichteignung des Klägers schließen, denn die Gutachtensanordnung vom 30. Juni 2021 ist formell und materiell rechtmäßig.

aa) Die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 30. Juni 2021 genügt den sich aus § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen. Die Fahrerlaubnisbehörde hat vorliegend die von ihr als maßgeblich angesehenen Tatsachen im Anforderungsschreiben in einem solchen Umfang wiedergegeben, dass sich der Kläger auf Grund dieser Angaben in der Lage sehen konnte, sich eine Meinung über die Berechtigung der geäußerten Eignungszweifel zu bilden und gegebenenfalls sein Verhalten im Verwaltungsverfahren hierauf auszurichten. Die gehegten Eignungszweifel wurden somit hinreichend begründet. Die gewählte Fragestellung lässt den Gegenstand und Zweck der geforderten Begutachtung hinreichend klarwerden. Zwar ist dem Landratsamt hinsichtlich der Rechtsgrundlage für die Gutachtensanordnung ein Tippfehler unterlaufen („§ 14 Nr. 2 b FeV“), aber an anderer Stelle wird „§ 13 Nr. 2 b FeV“ genannt und auch ansonsten erkennbar auf den Inhalt der maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV („wiederholt Zuwiderhandlungen unter Alkoholeinfluss“) abgestellt, sodass hinreichend klar wird, auf welche Grundlage sich die Anordnung des medizinisch-psychologischen Gutachtens stützt.

Die bis zum 13. September 2021 gesetzte Frist zur Gutachtensbeibringung, die somit etwa zweieinhalb Monate betrug, war angemessen und verhältnismäßig. Wird die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens verlangt, so dient dieses der Hilfestellung bei der Beurteilung der Frage, ob der Betroffene gegenwärtig zum Führen von Fahrzeugen geeignet ist. Da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer inmitten steht, ist den Eignungszweifeln unter dem Gesichtspunkt des Alkoholmissbrauchs so zeitnah wie möglich durch die gesetzlich vorgegebenen Aufklärungsmaßnahmen nachzugehen. Dient die Vorlage des Gutachtens nicht dem Nachweis der Wiedererlangung der Fahreignung, sondern wie hier der Klärung der Frage, ob der Betroffene seine Fahreignung verloren hat, ist die Beibringungsfrist daher nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Eine Beibringungsfrist von zwei Monaten wird dabei von der Rechtsprechung als grundsätzlich ausreichend angesehen (zum Ganzen s. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 11 ZB 21.591 – juris Rn. 18). Diese Grundsätze hat das Landratsamt hier berücksichtigt und dem Kläger eine ausreichende Frist von etwa zweieinhalb Monaten zur Beibringung des Gutachtens gesetzt.

Der Kläger wurde im Ergebnis auch gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV darauf hingewiesen, dass bei Verweigerung der Mitwirkung bzw. Nichtvorlage des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf seine fehlende Eignung geschlossen werden kann. Zwar könnte der Passus „Wenn Sie Ihre Zustimmung zur Übersendung der Akten an die MPU-Stelle nicht geben, kann kein Gutachten erstellt werden. Wir müssen Ihnen dann verbieten, mit fahrerlaubnisfreien (Kraft) fahrzeugen zu fahren (§ 11 Abs. 8 FeV)“ in der Aufforderung isoliert für sich genommen so verstanden werden, dass er sich nur auf die Verweigerung der Zustimmung zur Übersendung der Akten an die Untersuchungsstelle bezieht. Die im Bescheid in Bezug genommene Einverständniserklärung zeigt gerichtsbekannt am Ende über dem Feld für die Unterschrift des Erklärenden zwar ohne Gesetzeszitat, aber klar verständlich die Rechtsfolge auf.

bb) Die Gutachtensanordnung vom 30. Juni 2021 erfüllt auch die materiellen Voraussetzungen für die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung.

Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist. Mit der Anordnung der entsprechenden Anwendung der §§ 11 bis 14 FeV in § 3 Abs. 2 FeV sollten nicht die Voraussetzungen, unter denen ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen ist, relativiert werden. Die entsprechende Anwendung erstreckt den Regelungsgehalt dieser Vorschriften auf Fälle des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge insoweit, als sie ihrem Wortlaut nach anwendbar sind (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – NJW 2013, 2696 Rn. 6). Dies bedeutet, dass im Hinblick auf etwaige behördliche Entscheidungen nicht die Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs abzuklären ist, sondern – auch wenn die Eignungsvoraussetzungen sich insoweit weitgehend entsprechen – die Eignung zum Führen erlaubnisfreier Fahrzeuge. Dass die §§ 11 bis 14 FeV nicht unmittelbar, sondern nur entsprechend anwendbar sind, erklärt sich daraus, dass unter Abschnitt II. 2. der Fahrerlaubnis-Verordnung und damit auch in den §§ 11 bis 14 FeV die „Voraussetzungen für die Erteilung einer Fahrerlaubnis“ geregelt werden, während § 3 Abs. 2 FeV das Führen von Fahrzeugen aller Art – also auch erlaubnisfreier Fahrzeuge – betrifft. Mit der Verweisung auf die §§ 11 bis 14 FeV sollte der Regelungsgehalt dieser Vorschriften auch auf diese Fälle erstreckt werden, allerdings naturgemäß nur insoweit, als sie ihrem Wortlaut nach anwendbar sind, also nur insoweit, als die in Bezug genommenen Regelungen ihrem Inhalt nach nicht das Führen eines Kraftfahrzeuges voraussetzen (BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – juris Rn. 6). Diese entsprechende Anwendung ist auch sachgerecht, denn es geht beim Führen fahrerlaubnisfreier ebenso wie beim Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge um eine Teilnahme am Straßenverkehr und um die dafür erforderliche Umsicht, Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit. Das Gefährdungspotential, welches hierbei – etwa durch unerwartete Reaktionen oder unkontrolliertes Fahrverhalten auf der Fahrbahn – von dem ungeeigneten Fahrer eines fahrerlaubnisfreien Fahrrades oder Mofas ausgehen kann, rechtfertigt es, auch an dessen Fahreignung insofern dieselben Maßstäbe anzulegen.

Das Landratsamt hat vom Kläger in rechtmäßiger Weise ein medizinisch-psychologisches Gutachten gemäß § 3 Abs. 2 FeV i.V.m. § 13 Satz 1 Nr. 2b FeV gefordert. Hiernach ordnet die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen bzw. im vorliegenden Fall des § 3 Abs. 2 FeV bei einem durch Tatsachen gerechtfertigten Verdacht, dass der Führer eines Fahrzeugs oder Tieres zum Führen ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet ist, an, dass ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Im Hinblick auf die erste Trunkenheitsfahrt des Klägers mit einem Pkw am 9. Dezember 2015 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,82 Promille sowie die zweite Trunkenheitsfahrt des Klägers mit einem (fahrerlaubnisfreien) Mofa am 8. April 2021 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,24 Promille stehen zwei und damit wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss nachweislich fest. Das Tatbestandsmerkmal der „Wiederholung“ ist durch das Hinzutreten der zweiten Fahrt unter Alkoholeinfluss nach Entziehung der Fahrerlaubnis anlässlich der ersten Fahrt erfüllt.

Insbesondere sind beide Trunkenheitsfahrten mangels Tilgungsreife noch verwertbar, sodass entgegen der Ansicht der Klägerseite nach der eindeutigen gesetzlichen Konzeption keine zeitliche Zäsurwirkung angenommen werden kann. Resultieren Fahreignungszweifel aus Sachverhalten, die in das Fahreignungsregister aufzunehmen sind, beantwortet sich die Frage, wie lange der jeweilige Sachverhalt die Anordnung eines Fahreignungsgutachtens rechtfertigen kann, grundsätzlich nach den für diese Register geltenden Tilgungs- und Verwertungsvorschriften. Ist die Zweifel begründende Zuwiderhandlung danach noch verwertbar, ist für eine weitere einzelfallbezogene Annahme einer zeitlichen Zäsurwirkung kein Raum. Mit der Schaffung eines ausdifferenzierten Systems von Tilgungs- und Verwertungsfristen hat der Gesetzgeber selbst eine Entscheidung darüber getroffen, in welchem zeitlichen Rahmen Umständen, die eine Eintragung in das Fahreignungsregister nach sich gezogen haben, Aussagekraft für die Fahreignung des Betroffenen zukommen soll. Diese Fristen können daher nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beiseitegeschoben oder relativiert werden (vgl. zuletzt OVG NW, B.v. 11.4.2017 – 16 E 132/16 – juris Rn. 8 mit Verweis auf BayVGH, B.v. 6.5.2008 – 11 CS 08.551 – juris Rn. 39).

Vorliegend ist insbesondere der Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 15. Januar 2016 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 des Strafgesetzbuchs -StGB; Tattag: 9.12.2015; Rechtskraft: 3.2.2016) zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung noch verwertbar. Insoweit gilt nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a, Abs. 4 Nr. 1 StVG eine Tilgungsfrist von zehn Jahren ab Rechtskraft des Strafbefehls, da dem Kläger hier die Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB entzogen wurde. Weil dem Kläger nach der strafgerichtlichen Entziehung keine neue Fahrerlaubnis erteilt wurde, gilt darüber hinaus noch die Regelung über die Anlaufhemmung dieser zehnjährigen Frist nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG, wonach die Tilgungsfrist erst nach Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis bzw. spätestens fünf Jahre nach der Rechtskraft der beschwerenden Entscheidung zu laufen beginnt. Demnach gilt hier für den Strafbefehl vom 15. Januar 2016 eine insgesamt fünfzehnjährige Tilgungsfrist ab Rechtskraft, die mit Ablauf des 3. Februar 2031 endet. Dass der Kläger seit der Entziehung der Fahrerlaubnis durch den Strafbefehl vom 15. Januar 2016 ein fahrerlaubnisfreies Kraftfahrzeug (ein Mofa) im öffentlichen Straßenverkehr führen durfte und geführt hat, steht der Verlängerung der Tilgungsfrist um die maximal bestimmten fünf Jahre nach § 29 Abs. 5 Satz 1 StVG nicht entgegen, da diese Möglichkeit jedem offen steht, dem nur die Fahrerlaubnis entzogen wurde, ohne dass ein weitergehendes Verbot des Führens von Kraftfahrzeugen ausgesprochen wurde.

Vorliegend besteht auch kein relatives Verwertungsverbot nach § 29 Abs. 7 StVG. Nach dem hier allein relevanten § 29 Abs. 7 Satz 3 Nr. 1 StVG dürfen Eintragungen, die einer zehnjährigen Tilgungsfrist nach § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Buchst. a StVG unterliegen, nach Ablauf eines Zeitraums, der einer fünfjährigen Tilgungsfrist entspricht, nur noch für ein Verfahren übermittelt und verwertet werden, das die Erteilung oder Entziehung einer Fahrerlaubnis zum Gegenstand hat. Diese Verwertungsvoraussetzungen liegen jedoch nicht vor, da hier die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge – und keine Entziehung der Fahrerlaubnis – inmitten steht (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – BVerwGE 171, 1 – juris Rn. 23). Nach § 29 Abs. 7 Satz 4 StVG dürfen jedoch außerdem für die Prüfung der Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen Entscheidungen der Gerichte nach den §§ 69 bis 69b StGB übermittelt und verwertet werden. Diese Regelung ist hier einschlägig, da das Strafgericht im Strafbefehl vom 15. Januar 2016 dem Kläger nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen hat. Es verbleibt somit letztlich insoweit bei einer Verwertbarkeit bis zum Ablauf des 3. Februar 2031 (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 14.11.2016 – 11 C 16.2116 u.a. – juris Rn. 19-22; VG Würzburg, B.v. 26.9.2016 – W 6 S0 16.933 – juris Rn. 30-33; jeweils zur behördlichen Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Kraftfahrzeugen).

Auch der Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 27. Mai 2021 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB; Tattag: 8.4.2021; Rechtskraft: 15.6.2021) ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ersichtlich noch verwertbar. Insoweit gilt gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Buchst. a StVG eine Tilgungsfrist von fünf Jahren ab Rechtskraft, da es sich um eine Entscheidung über eine Straftat handelt (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2021 – 11 ZB 21.1201 – juris Rn. 2, 21).

Der Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens stand vorliegend auch nicht die Bindungswirkung eines strafgerichtlichen Urteils bzw. Strafbefehls gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 StVG entgegen. Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich auf die Feststellung des Sachverhalts oder die Beurteilung der Schuldfrage oder der Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bezieht. Der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich (§ 3 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 StVG). Dabei gilt die in § 3 Abs. 4 Satz 1 und 2 StVG angeordnete Bindungswirkung nicht nur für die Maßnahme selbst, sondern nach ihrem Sinn und Zweck für das gesamte Verfahren unter Einschluss der vorbereitenden Maßnahmen, sodass in derartigen Fällen die Behörde schon die Beibringung eines Gutachtens nicht anordnen darf. Der Bevollmächtigte des Klägers geht davon aus, dass das Landratsamt an den Strafbefehl des Amtsgerichts ... vom 27. Mai 2021 nach § 3 Abs. 4 StVG gebunden sei, in welchem bewusst gerade keine isolierte Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis nach § 69a Abs. 1 Satz 3 StGB, sondern nur ein dreimonatiges Fahrverbot nach § 44 StGB angeordnet worden sei. Dementsprechend könne auch das Landratsamt den Kläger gerade nicht als ungeeignet zum Führen ansehen, da es sich sonst in Widerspruch zur Beurteilung durch den Strafbefehl setze. Diese Rechtsauffassung teilt die Kammer nicht.

§ 3 Abs. 4 Satz 1 StVG ist vorliegend bereits ausweislich seines Wortlauts und der amtlichen Überschrift der Vorschrift („Entziehung der Fahrerlaubnis“; vgl. zum eindeutigen Wortlaut der Vorschrift OVG NW, B.v. 2.8.2011 – 16 A 1472/10 – juris Rn. 25; BayVGH, B.v. 9.2.2009 – 11 CE 08-3028 – juris Rn. 12) nicht einschlägig, da vorliegend kein Entziehungsverfahren, sondern eine Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge inmitten steht; auch ist der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Strafverfahrens, das zum Strafbefehl vom 27. Mai 2021 geführt hat, nicht mehr Inhaber einer Fahrerlaubnis gewesen. In diesem Sinne geht auch die obergerichtliche Rechtsprechung davon aus, dass die Anwendbarkeit von § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG im Lichte des Wortlauts von § 3 Abs. 3 Satz 1 StVG voraussetzt, dass im Strafverfahren die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 StGB in Betracht kommt (vgl. OVG BE-Bbg. B.v. 16.8.2016 – OVG 1 S 52.16 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 29.11.2007 – 11 CS 07.1976 – juris Rn. 15).

Selbst wenn man jedoch mit Blick auf die Übertragbarkeit des Rechtsgedankens der Vorschrift (der Vermeidung einander widersprechender Entscheidungen der Strafgerichte und der Fahrerlaubnisbehörden zum selben Sachverhalt; vgl. BayVGH, B.v. 17.8.2017 – 11 CE 17.1437 – juris Rn. 15) die Auffassung vertritt, dass § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG auf die vorliegend inmitten stehende Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Kraftfahrzeuge analoge Anwendung findet, führt dies vorliegend zu keinem für den Kläger günstigen Ergebnis. Denn die Fahrerlaubnisbehörde ist im Rahmen von § 3 Abs. 4 Satz 1 StVG an die strafrichterliche Eignungsbeurteilung nur dann gebunden, wenn diese auf ausdrücklich in den schriftlichen Entscheidungsgründen getroffenen Feststellungen zu demselben Sachverhalt beruht. Die Bindungswirkung lässt sich jedoch nur rechtfertigen, wenn die Fahrerlaubnisbehörde den schriftlichen Feststellungen sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt hat. Andere Erkenntnisquellen kommen aus Gründen der Rechtsklarheit nicht in Betracht. Deshalb besteht keine Bindungswirkung, wenn die strafrechtliche Entscheidung – wie hier der Strafbefehl vom 27. Mai 2021 – überhaupt keine Ausführungen zur Kraftfahreignung enthält (vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 15.3.2021 – 11 CS 20.2867 – juris Rn. 24 f.).

cc) Zudem ist das Landratsamt gerade nicht aufgrund des Strafbefehls vom 27. Mai 2021 von feststehender Ungeeignetheit des Klägers i.S.d. § 11 Abs. 7 FeV ausgegangen, sondern hat zur Aufklärung der entstandenen Zweifel zunächst ein medizinisch-psychologisches Gutachten gefordert. Dies ist auch nicht unverhältnismäßig erfolgt, da zum einen die klägerseits vorgeschlagene bloße Einholung ärztlicher Informationen nicht die erforderliche psychologische Komponente beinhalten würde und zum anderen i.R.d. § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b FeV auch gar kein Ermessen besteht, sondern es sich nach dem eindeutigen Wortlaut um eine gebundene Entscheidung handelt („ordnet an“ sowie „beizubringen ist“). Die entstandenen Fahreignungszweifel, denen vor dem Hintergrund der Verkehrssicherheit so zeitnah wie möglich nachzugehen ist, hätte der Kläger durch Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens erst ausräumen müssen.

dd) Da der Kläger das nach alledem rechtmäßig geforderte Gutachten bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht beigebracht hat, musste das Landratsamt gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV von seiner Fahrungeeignetheit ausgehen. Diese Bestimmung eröffnet der Behörde kein Ermessen hinsichtlich der zu treffenden Entscheidung. Das auf der Rechtsfolgenseite des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV enthaltene Wort „darf“ bringt lediglich zum Ausdruck, dass die Weigerung, sich einer zu Recht angeordneten Begutachtung zu unterziehen oder ihr Ergebnis der Behörde vorzulegen, nur dann den Schluss rechtfertigt, der Betroffene wolle einen Eignungsmangel verbergen, wenn für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Ein solcher „ausreichender Grund“ ist hier nicht erkennbar. Im Übrigen kann bei der Weigerung, das geforderte Gutachten vorzulegen, die Annahme fehlender Eignung einzig durch ein positives Gutachten ausgeräumt werden. Bis dahin kann die Behörde aufgrund des Verhaltens des Klägers davon ausgehen, dass seine Nichteignung im Sinne von § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV feststeht (vgl. BayVGH, B.v. 27.9.2013 – 11 CS 13.1399 – juris Rn. 11 m.w.N.) und auch eine bedingte Eignung (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV) nicht gegeben ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200 – juris Rn. 12), worauf der Kläger wie ausgeführt gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV vorab (noch) hinreichend hingewiesen worden ist.

Nach alledem erweist sich die Entscheidung des Beklagten vom 4. Oktober 2021, gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers zu schließen, als rechtmäßig.

d) Unter dieser Voraussetzung war der Beklagte nach § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV verpflichtet, dem Kläger entweder das Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge zu untersagen oder zu beschränken oder ihm gegenüber die erforderlichen Auflagen anzuordnen. Ein Ermessen stand dem Beklagten nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung nur hinsichtlich der Auswahl zwischen diesen drei Entscheidungsmöglichkeiten, nicht aber hinsichtlich der Frage zu, ob insgesamt gegen den Kläger insoweit einzuschreiten war, als es um seine Verkehrsteilnahme mit Fahrzeugen ging, deren Führen keine Fahrerlaubnis voraussetzt (BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 11 CS 10.68 – juris Rn. 33). Behördliche Ermessensentscheidungen können durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüft werden (§ 114 VwGO). Das Gericht hat nur zu prüfen, ob die Behörde ihr Ermessen überhaupt ausgeübt hat, ob sie sich im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten hat und ob sie von ihrem Ermessen entsprechend dem gesetzlichen Regelungszweck Gebrauch gemacht hat (zum Ganzen vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 114 Rn. 7 ff.). Anhaltspunkte dafür, dass Ermessensfehler im oben aufgezeigten Sinne vorliegen, ergeben sich hier nicht. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Beklagte das ihm eingeräumte Ermessen nicht wahrgenommen hat oder seine Ermessensausübung rechtsfehlerhaft ist. Aus dem angegriffenen Bescheid (S. 5) geht hervor, dass sich die Fahrerlaubnisbehörde mit der Möglichkeit milderer Mittel, z.B. der teilweisen Einschränkung, dem Grunde nach auseinandergesetzt hat. Sie hat – wenngleich die Ausführungen hierzu sehr knapp sind – letztlich erkannt, dass § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV ein Auswahlermessen einräumt, und in nicht zu beanstandender Weise dargelegt, warum sie die Anwendung weniger einschränkender Maßnahmen, als eine Untersagung dies darstellt, für ungeeignet hält, um den gewünschten Erfolg zu erreichen. Insbesondere hat der Kläger auch nicht aufgezeigt, wie eine Beschränkung des Rechts, fahrerlaubnisfreie Fahrzeuge im Straßenverkehr zu führen, in seinem Fall konkret hätte ausgestaltet werden müssen, um eine dahingehende Ermessensreduzierung des Beklagten auf Null annehmen zu können, und dass sich die Beachtung einer solchen Beschränkung effektiv überwachen ließe. Gleiches gilt für den Inhalt der in § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV erwähnten Auflagen und die Kontrolle ihrer Einhaltung. Damit ist aber schon nicht dargetan, dass dem Beklagten vorliegend ein gleich geeignetes, aber weniger einschneidendes Mittel als das vollständige Verbot des Führens erlaubnisfreier Fahrzeuge im Straßenverkehr zur Verfügung gestanden hätte (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2010 – 11 CS 10.68 – juris Rn. 33).

Aus der Formulierung im streitgegenständlichen Bescheid (S. 4 f.) geht vielmehr hervor, dass der Beklagte letztlich von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen ist („hat daher… zu untersagen“), wenngleich er dies nicht ausdrücklich so bezeichnet hat. Im Unterschied zur Entziehung der Fahrerlaubnis ist die konkrete Rechtsfolge des § 3 Abs. 1 Satz 1 FeV grundsätzlich zwar zunächst ins Ermessen der Behörde gestellt, nachdem das Gesetz neben der Untersagung der Berechtigung zum Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen auch deren Beschränkung oder die Anordnung von erforderlichen Auflagen vorsieht. Nachdem sich der Kläger jedoch geweigert hat, ein Gutachten beizubringen, ist das Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde insoweit auf Null reduziert. Denn wenn kein Gutachten beigebracht wird, das auch dazu dient, zu klären, ob Anknüpfungspunkte bestehen, dass eine Beschränkung oder Anordnung von Auflagen ausreichend sein könnten, bleibt der Fahrerlaubnisbehörde schlichtweg keine andere Möglichkeit, als zum Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ohne Einschränkung zu untersagen (BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200 – juris Rn. 12). Insbesondere hat der Beklagte das Führen von nicht-motorisierten Fahrzeugen (z.B. Fahrräder ohne Hilfsmotor) in verhältnismäßiger Weise explizit von der Untersagung ausgenommen. Anhaltspunkte für eine unverhältnismäßige Untersagung ergeben sich somit insgesamt nicht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

5. Die Berufung wird im Hinblick auf die ober- und höchstrichterlich geäußerten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ermächtigungssowie Rechtsgrundlage (vgl. BVerwG, U.v. 4.12.2020 – 3 C 5.20 – juris Rn. 32 ff.; BayVGH, U.v. 17.1.2020 – 11 B 19.1274 – juris Rn. 22 ff.; B.v. 20.1.2022 – 11 CS 21.2856 – juris Rn. 14 ff.), die bisher – soweit ersichtlich – nicht in einem Hauptsacheverfahren durch die genannten Gerichte geklärt worden sind, wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zugelassen.

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